Vor etwas mehr als einer Woche bin ich wieder in MUC gelandet, zurück von einer gewaltigen, wunderschönen Reise. Die letzten Tage habe ich mit auspacken, waschen, arbeiten, Jekyll pflegen, neues Enduro Hardtail zusammenstellen
und biken verbracht. Jetzt am Wochenende war dann endlich Zeit mich bei einer Tasse Tee hinzusetzen, die Bilder auszuwählen und ein paar Zeilen zu verfassen.
Das Ganze mag furchtbar kitschig anmuten, und es ist mir fast ein kleinwenig unangenehm, denn ich mag keine Leute die sowas sagen, aber es trifft es leider auf den Punkt: Die Reise war perfekt. Egal aus welcher Richtung man sie betrachtet, jedes winzige Detail hat gepasst. Ekelhaft, oder, wenn einer so rumschwärmt und scheinbar jede Kritik ausblendet?
Aber mal von vorne:
Es war einmal, vor einigen Monaten. Meine Pläne standen fest, ich war mir sicher: Ich will nach Nepal, ich will dort biken, genau das passt jetzt in mein Leben. Vielleicht hätt ich es auch alleine durchgezogen, aber schöner wär es schon zumindest zu zweit. Knapp einen Monat vor Abflug war ich ziemlich am zögern und genau in der Situation hat sich Dom(inik) gemeldet. Wir haben uns getroffen und es war recht schnell klar: Das passt. Also traten wir am 30.10. die Reise nach Nepal gemeinsam an, die Bikes gut verpackt und wir hoffentlich ausgestattet mit Allem was in den nächsten Wochen nötig sein sollte â auf eigene Erfahrungen konnten wir ja nicht so wirklich zurückgreifen.
Die erste mentale Herausforderung erwartete uns nach der Ankunft am Flughafen Tribhuvan International. Das Chaos, die Unordnung, das permanente Gehupe und die scheinbare Regellosigkeit auf den StraÃen Kathmandus kann man sich kaum vorstellen. Es gibt keine Sicherheitsabstände, Ãberholverbot oder Angst vorm Gegenverkehr, aber es funktioniert. In etwa so kann man die ganze Stadt beschreiben â ein undurchblickbares Gewusel, permanenter Stress, alles dreht sich, alles bewegt sich. Für so manchen muss das furchtbar sein, für mich war es herrlich. Mit dem Bike durch die StraÃen zischen, im Verkehr untertauchen oder auf den Trails die Stadt umrunden, egal wo man ist - ein Bike passt super in diese Stadt. Schon allein, weil man damit nicht die schlechte Luft noch weiter verpestet.
Aber kommen wir mal zum eigentlichen Grund unserer Reise: 16 Tage auf dem Bike durch zunächst grüne Hügel und dann um das Annapurna-Massiv herum.
Und genau diese 16 Tage haben so einen intensiven, faszinierenden und facettenreichen Eindruck hinterlassen, den ich niemals mehr missen möchte. Man sagt Nepal verändert einen. Ich glaube nicht, dass es einen unbedingt verändern muss, ich würde sagen Nepal ist ein Brennglas für die Seele. Wenn man sich darauf einlässt wird man in diesem Land viel näher zu sich selbst finden, und wenn man Glück hat danach genauer wissen wer man ist und wohin der eigene Weg führen soll.
Das augenscheinlichste Merkmal in Nepal sind die gewaltigen Berge. Auf den ersten Etappen unserer Tour erschienen sie ganz hinten am Horizont, noch Tage entfernt, aber trotzdem zogen sie die Blicke ständig auf sich. Je näher man ihnen gekommen ist, desto klarer wurde, dass diese Giganten gröÃer sind, als alles was man bisher gesehen hat. Sie wuchsen mit jedem Tag und haben diese distanzierte Vertrautheit inne. Die stoische Eleganz mit der sie jeden Morgen aufs Neue um die Wette leuchten, die Reinheit ihrer schneebedeckten Gipfel, all das strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Man sieht sie und weià doch, dass sie unerreichbar sind, allein der Anblick und die Tatsache, dass sie unverrückbar jeder Widrigkeit trotzen, reichen um seine eigene Mitte zu finden.
In dieser Landschaft entspannt man unweigerlich. Selbst ein Energiebündel und Unruheherd, wie ich es bin, kommt runter und entdeckt eine Gelassenheit an sich, die bisher unbekannt war. Die Bescheidenheit der Nepali tut ihr übriges. Die Geräuschlosigkeit ist wunderbar, wie reibungslos alles funktioniert, wenn man nicht von lauter Selbstdarstellern und Egozentrikern umgeben ist. Umso trauriger ist es aber dann zu sehen, welche Auswirkungen der Tourismus auf das beschauliche und familiäre Leben am Land hat. Am schlimmsten empfand ich das Werbeplakat von Tuborg: âThe Fun starts hereâ. Ich glaube man kann sich vorstellen, was diese Werbelüge in der diesbezüglich unerfahrenen Landbevölkerung anrichten kann. Die Menschen hier sind so freundlich, offen und angenehm â ich hoffe sie bewahren sich all diese Tugenden, egal wie viel westlicher Einfluss auf sie einprasselt.
So war es ein Genuà am Abend in der Küche am Boden zu sitzen, der Köchin über die Schulter zu schaun, wie sie liebevoll unser Essen zubereitete, die Wärme des Ofens zu spühren und dabei mit anderen Reisenden festzustellen, wie glücklich einen die simpelsten Dinge machen können. Ich kann mich an keine Mahlzeit erinnern, die nicht hervorragend geschmeckt hätte. Alles wird frisch zubereitet, nichts ist fertig, man wartet und freut sich auf sein Essen.
Die ganzen Sorgen des Alltags lässt man spätestens in Kathmandu im Hotel zurück. Es ist ähnlich wie auf einer Transalp. Man hat nur ein Ziel am Tag: Ankommen. Neben den normalen Herausforderungen des Bikens kommen hier in Nepal noch die teilweise Abgeschiedenheit und die Höhe hinzu. Man muss sich stets bewusst sein, dass eine Rettung nach einem schweren Sturz entweder unmöglich ist, oder Tage dauern kann. Man fährt anders, riskiert viel weniger oder bewusster. Man sollte ständig einen Plan B haben, wissen, was zu tun ist, wenn man hier wegrutscht oder über den Lenker absteigt.
Das haben wir besonders intensiv gespührt als wir vom Tilicho Lake auf 5020m zurück nach Shre Karka gefahren sind. Der Trail ist mit das schönste, das ich bisher erlebt habe. In dieser Höhe kann man mit dem Bike aber immer nur Kurzzeitgast sein. Die Kälte setzt einem zu, der Wind verschärft das Ganze. Uns hat ein Reifenwechsel dann ziemlich vor Augen geführt, dass der Pufferbereich merklich geringer ist, als z.B. in den Alpen. Es kostet Zeit, man steht 15 Minuten mit den FüÃen auf dem Permafrostboden, muss die Handschuhe teilweise ausziehen. In dieser Situation hat man gemerkt, dass unser Team einfach passt. Die Handgriffe bei Dom und mir haben einfach gesessen. Man musste nichts sagen und wir haben trotzdem so super zusammengearbeitet, als ob wir das schon unzählige Male gemacht hätten. Das Gefühl einen Bikereifen zu wechseln, an einem Ort der höher liegt als alles in Zentraleuropa, umgeben von riesigen weiÃen Eiswänden, ist ziemlich einmalig und wird uns beiden wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Die weitere Abfahrt war, wie schon gesagt, perfekt. Der Trail bot alle Zutaten für höchstes Vergnügen: Speed, Spitzkehren, Sanddrifts, Sprünge, Schotterfelder ... Und das in dieser Höhe, in dieser Landschaft, bei strahlend blauem Himmel, mit diesem Bikepartner ... Wow. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, dann beieindruckt mich am meisten die Präzision und die Kontrolle mit der wir diese Abfahrt gemeistert haben. Wenn ich mir die Videos anschaue, dann erkennt man keine einzige Unsicherheit, wir zirkeln um die Felsbrocken, queren Schotterfelder oder lassen es laufen. Ich weiÃ, wir kommen wieder in die ekelhafte Selbstbeweihräucherungs-Rumschwärm-Ecke, aber es ist in diesem Moment einfach alles zusammengekommen, was für diese perfekte Abfahrt notwendig war und ich weià nicht, ob und wann dies wieder mal so sein wird.
Etwas besonders angenehmes war auch die Interaktion mit den Wanderern. In den (Nord-)Alpen existiert ja eine jahrzehntelange intensiv gepflegte Feindschaft zwischen den Bikern und dem FuÃvolk. In Nepal schlägt das ins komplette Gegenteil. Wieso wird man an der Kampenwand angeschnauzt und am Thorong La bejubelt? Was ist da bitte der Unterschied? Ich mache beides genau aus dem einen, selben Grund: Weil ich die Berge und das Biken liebe. Umso schöner ist dann eben diese Tatsache, dass man in Nepal bergauf oder auch bergab von den Trekkern beklatscht wird, Komplimente erhält und angefeuert wird. Könnte man das nicht importieren? Es muss ja keine Jubelorgien auslösen, wenn ich auf den Wallberg fahre, aber etwas gegenseitiger Respekt wär schon prima. Noch erfüllender ist die Neugierde und Begeisterung in den Kinderaugen, wenn einem eine ganze Schaar durch einen Ort nachläuft. Ich bilde mir einfach ein, dass es nicht nur mir, sondern auch den Kindern Spaà gemacht hat.
Hätte man uns am Anfang der Reise gefragt, vor was wir am meisten Angst haben, dann wäre es die Höhe gewesen. Der Gedanke auf 5400m mit dem Bike unterwegs zu sein ist zumindest etwas fremd. Entsprechend haben wir versucht bei der Akklimatisierung möglichst alles richtig zu machen. Aus jetziger Sicht kann ich sagen, dass es sehr sinnvoll war pro Tag 5-6 Liter zu trinken und jeden Tag zumindest 200m höher zu steigen, als der Schlafplatz. Dom und ich können uns ziemlich glücklich schätzen, dass wir wirklich keinerlei Beschwerden in der Höhe hatten, noch nicht mal leichtes Kopfweh. Das soll aber nicht heiÃen, dass wir die Höhe nicht gemerkt hätten. Ich würde sagen, ab ca 3000m spürt man, dass alles etwas langsamer geht. Das Ganze steigert sich dann immer mehr je weiter hinauf man kommt. Die fahrbaren Abschnitte hinauf zum Thorong La waren extrem anstrengend, weil man selbst im kleinsten Gang kaum mit dem atmen nachkommt. Die Lunge läuft auf Hochtouren, aber man hat den Eindruck nicht genug Sauerstoff ins Blut zu bekommen. Ich hab diese Grenzerfahrung sehr genossen. Auf die Zeit bezogen würde ich sagen, dass von der gesamten Runde 90-95% fahrbar sind, wenn man nicht unbedingt immer ausrechnet, ob es energetisch sinnvoll ist. Der gröÃte Feind des ambitionierten Bikers ist in der Höhe aber vermutlich nicht die Höhenkrankheit sondern das Lungenödem, weil es quasi ohne Vorzeichen kommt und das Risiko mit Anstrengung steigt. Und auf welche Hilfe man zählen kann, wenn man über 5000m neben dem Weg kauert und Hilfe braucht haben wir leider mit eigenen Augen bei einem Träger mit Lungenödem gesehen. Jeder ist auf seinem â****ing Annapruna Trek of his lifetimeâ (Dr.Tom, HRA Klinik in Mangan, Vortrag unbedingt besuchen!) und hat keine Augen für die Anderen. Wieso sollte man das auch? Man ist ja in Nepal und deshalb per se schonmal die Menschlichkeit in Person, da braucht man ja nicht mehr helfen ⦠ein ziemlich krasser Widerspruch. Das war die negativste und eindringlichste Erfahrung der ganzen Reise, aber sie gehört genauso mit dazu.
Für jemanden, der seine Leidenschaft im Mountainbiken und den Bergen gefunden hat ist diese Tour das groÃartigste, was man machen kann. Man sollte eine vernünftige Kondition, solide Fahrtechnik und etwas Leidensfähigkeit mitbringen, dann wird man ganz viel Spaà haben. Nepal ist ein groÃartiges Land, das einen persönlich weiter bringt, wenn man es zulässt und ich halte es für eine sensationelle Destination mit dem Bike. Es gäb noch so viele Anekdoten zu erzählen, aber schaut es euch doch einfach selber an!
Anmerkung zu unseren Abweichungen von der klassischen Route: Den Abstecher zum Tilicho Lake würde ich mit dem Bike nur Leuten empfehlen, die eine sehr gute Fahrtechnik und Bikebeherrschung haben. Gerade die Querung der Schotterfelder zum Tilicho Base Camp ist nicht ganz einfach und für so manchen Trekker schon eine kleine Herausforderung. Etwas alpine Erfahrung kann noch dazu auch nicht schaden, dann vermeidet man von den Steinbrocken getroffen zu werden, die gerade am Nachmittag die Schotterfelder runterdonnern. Noch mehr zu überlegen ist der âAbkürzerâ von Tatopani über Ghorepani (Poon Hill). Bergauf (2000hm) ist die StraÃe oft an der Grenze der Fahrbarkeit und Bergab braucht man schon ein gewisses Maà an Masochismus für all die Treppen â wer allerdings darauf steht wird seinen Spaà haben (âThis year? You are firstâ).