Dass es mir in sehr ausgesetzten Situationen schwer fällt, ruhig und sicher eine exakte Linie zu fahren, ist mir auch schon aufgefallen. Allerdings habe ich es bis dato noch nie auf ein optisches Phänomen geschoben, sondern vielmehr einfach auf das psychologische Phänomen "Angst".
Das ist auch allgemein zutreffend. Angst lässt verkrampfen und dann kann man plötzlich vieles nicht mehr, was zum Verhaltensinventar gehört.
Auch das mit dem Tunnelblick kenne ich. Wobei ich auch dabei bis jetzt eher von psychologischen Ursachen ausgegangen bin: starke Konzentration, die von der Angst ablenkt, und mentales Ausblenden des Abgrunds/der Gefahr.
Auch das trifft zu. Man unterbindet einfach den Input an Informationen, die für die momentane Aufgabe störend sind. Die klassische Funktion einer Scheuklappe.
Was macht denn deiner Meinung nach die Fahrt in der Steilwand so besonders in der optischen Wahrnehmung? Unterschiedlich entfernte Teile der Landschaft, die sich perspektivisch für unser Auge unterschiedlich darstellen, gibt es doch auch im flachen Land. Meinst du, es ist das durch die Steilwand bedingte Fehlen eines Übergangs von weit entferntem Tunnelboden zu nahem Weg?
Genau das ist der Punkt. Bei einem ausgesetzten Weg, bei dem die wahrnehmbare Umgebung weit entfernt ist (Entfernungen sind binokular nicht mehr unterscheidbar), gibt es überhaupt keine Probleme. Im flachen Land hat man einen kontinuierlichen Übergang von der eigenen Fahrgeschwindigkeit (Weg) bis zur Geschwindigkeit Null (weit entfernte Landschaft) das irritiert natürlich auch nicht.
Es ist genau der diskontinuierliche Übergang, den du beschreibst. Im konkreten Fall gab es zwei unterschiedliche weit entfernte Bereiche, die sich relativ gegeneinander und gegen den Horizont bewegten. Ich habe das jetzt noch im Hirn abrufbar gespeichert.
Und wodurch würde sich das dann zu Fuß vom Radfahren unterscheiden?
Es ist die Geschwindigkeit. Zu Fuß kommt der Kopf hinterher. Mir war das im Moment einfach zu schnell, um sinnvoll verarbeitet zu werden. Der Kopf wollte irgendetwas tun, um das zu handhaben, brachte aber nichts sinnvolleres zustande, als zu
bremsen und anzuhalten.
Das spricht andererseits dafür, dass man lernen kann, das zu überblicken.
Allerdings kann ich auch nicht vollkommen ruhig an einer Abbruchkante vor einem Abgrund auf beiden Füßen stehen (also ohne unterschiedliche Relativbewegungen, eigentlich ohne Bewegung überhaupt) und habe die unterbewusste Befürchtung sofort das Gleichgewicht zu verlieren und runterzufallen, wenn ich mich nicht ganz stark darauf konzentriere, dass alles gut und sicher ist.
Das kenne ich auch ganz gut. Drum habe ich das auch immer wieder geübt, wenn ich in der entsprechenden Gegend war. Wenn das Wetter nicht so mies wäre, würde ich ein Video aufnehmen. Aber wenn ich dann endlich hinkomme, werden sie den Tunnel schon fertig haben. Dann ist das Problem dort auch beseitigt.