Ho(c)heit!
Tag 9: 29.7.12
Pralongia - Porta Vescovo - Bindelweg - Passo Pordoi - Canazei - Soraga (Garten Eden)
54km || 1500hm || 5h
Garten Eden: 30 Ü
Arabba, Porta Vescovo, Passo Bordoi, Pizza Porzione Grande, Gilberto Simoni - all das steht auf dem Plan nachdem die Sonne aufgegangen sein wird.
Plätschernde Geräusche in der Nacht machen mich als Alpencrosser nicht so recht froh. Sei es die an der Garderobe aufgebammselte Trinkblase, die undicht geworden ist. Oder sei es der Regen, der jetzt gerade die Pralongia-Wiesen aufweicht.

Bitte keinen Regen morgen früh!!
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Jaaa, Sonnenschein, so muss das sein!:
"Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo sonst nur Mutti blasen kann." Schon in Naturns wurden die Jungs vom Sauger der Herbergsmutti während des Frühstücks belästigt. Heute sind wir alle drei in der Verwöhnbude dran.

*bitte halbstündige Staubsaugergeräusche vorstellen*
Das Frühstück bietet alles.
Und bei dem Wetterchen werden wir heute den unsagbaren Rundumblick über die D O L O M I T E N haben! Über die Sellagruppe und den Fannes-Sennes-Prags Naturpark und den Fedaia-See und was nicht noch alles! Und die über 3300 m große Königin der Dolomiten als krönendes Eishörnchen! Mit Hoheit werden wir sie ansprechen müssen!
Zu diesem Zwecke müssen wir runter nach Arabba und dann 900 bis 1000 hm hinauf fahren. Und noch mal ein paar Höhenmeter zu Fuß zum Ausblickspunkt, den Eispickel damals vor 3 Jahren in der langen Mittagspause, in der die drei Männer auf mich warteten, erklomm.
Das Höhenprofil meint, dass wir auf Pfaden (rot) nach Arabba gelangen. Und zum höchsten Punkt auf Schotter, auf Straße und wieder auf Schotter. Bis wir absteigen werden müssen (schwarz=schieben), weil es einfach zu heftig wird.
Soweit der Ausblick. Jetzt los und weg von diesem Hotel, dass mir von Anfang an Bauchschmerzen bereitet hat:
Runter zum Passo di Campolongo und ab nach Arabba zur Seilbahnstation:
Hier bei einem Radladen leihen wir uns E-Bikes aus. Denn wir wollen jetzt, wie gesagt, brutal hoch. Und die Gondel, die uns bequem zum Porta Vescovo bringen könnte (siehe 2009), kommt für uns natürlich nicht in Frage!
Nein, Scherz. (Ich erwähnte es, zum Frühstück gab es alles. Muss wohl auch n Clown dabei gewesen sein.) Wir nehmen natürlich unsere eigenen Räder. Aber vorher bekomme ich meine zwei Tropfen Loc Tite in dem Sportladen mit dem Haibike. Unkompliziert, freundlich, perfekt! Gracie!
Ich hab da mal was vorbereitet: Eine Skizze für den folgenden Weg, der einiges über uns aussagen könnte:
That's mountainbiking.
Wie man sieht, wollen wir in Richtung Passo Pordoi fahren, wohin auch die Straße führt
(erster Pfeil ab Arabba). Aaaber dann werden wir ins Unasphaltierte zum Porta Vescovo zur Liftendstation abbiegen (zweiter Pfeil)! Um dann wiederum die Richtung Pordoipass aufzunehmen! Und zwar auf dem von Gotti schon angepriesenen Bindelweg
(langer Pfeil Richtung Westen + kürzerer Pfeil Richtung Norden zum Pass). So werden wir mindestens 3 Stunden rumkriegen, obwohl es auch nur 30 min (oder irgendwie so in die Richtung) hätten sein können.
Nach einem ganzen Stück auf schottrigen Wegen nehmen titzy und ich die Straße unter unsere Stollen und schrauben uns weiter hoch zum Einstieg in den Berg. Gotti folgt weiter einem Wanderweg zwischen grüner Wiese und rauen Büschen. Ich hoffe, er sieht, ab wann wir uns von der Straße abwenden. Er ist nämlich noch etliche Höhenmeter unter uns.
Beizeiten können wir aber auch ihn auf dem korrekten Schotterweg ausmachen.
Passo Pordoi bereits in Sicht. Man sieht die hier und da aufblitzende Straße - die wir bei Aufnahme dieses Fotos bereits verlassen haben - wie sie sich zum Pass hoch schlängelt. Aber wir wollen noch nicht. Wir wollen den Bindelweg! Wir wollen nicht die Straße!
Porta Vescovo bereits in Sicht. Aber doch noch sooo weit weg. Rechterhand ist unser Ziel zu sehen. Dort, wo die Wolke hervorlugt.
Sonne und Wolken und ein paar Murmeltiere, die titzy vor die Linse kriegt, begleiten uns auf unserem Weg zum Aussichtspunkt de luxe.
Ein Paar Murmeltiere.
Baustellen/Neubauten sind ja meine zweite, große Liebe. Egal ob in den Alpen oder in Brandenburg...............
Ist das Fortschritt? - Ansonsten sieht man hier gut, dass das Hochgestrampel kein Zuckerschlecken war!
Wie gesagt... kein Zuckerschlecken. Aber es wird sich lohnen!.... Hoffentlich...
Und dann... und dann... und daaaaannnnnn... Sind wir oben!

Hoolllaaa, geschafft! Aber oh-oh! Hier sieht's gar nicht gut aus. Eine schwarze Wand baut sich allmählich auf und der Regen setzt ein. Was denn nu?
Von links nach rechts: der Aussichtspunkthügel, iche gerade ankommend, im Hintergrund schon aufkommende Wolken vor der großen Kulisse.
Wir entscheiden uns, in der Liftstation den Regen abzuwarten. Den Bindelweg bei Regen zu fahren ist "Unsinn" in seinem eigentlichen Sinne.
Und zur Aussicht brauchen wir auch nicht hochklettern. Die Sicht ist gleich Null.
Nur um mal zu verdeutlichen, was ich mit "schwarze Wand" meine.
Also zum Trost aller Alpenregenfahrer: ja, es erwischt auch uns.
Wir warten also erstmal... eine halbe Stunde... eine ganze Stunde...
Na wenn das mal keine Bohnen sind, die da neben mir stehen.
Und ich hab alles an, was ich mit hab. Kalalalalt. Wir haben hier im Übrigen einen trockenen Ausblick auf La Marmolada:
Und wir warten noch eine halbe Stunde... Oh, können wir jetzt? Hört es auf zu regnen? Nee.. doch nicht... nochmal hinlegen.... Regenklamotten (soweit vorhanden

) an, Regenklamotten aus... andere beim Fotografieren beobachten, selber fotografieren... beobachten, wie sich offensichtliche Osteuropäer neben den schlafenden titzy positionieren.... noch was essen... auf die Karte schauen... raus schauen natürlich....
Und nach letztendlich zwei Stunden zur Weiterfahrt entschließen! Das Hochlaufen steht im Übrigen leider nicht zur Debatte. Na ja, drei Fotos, ich weniger einfügen muss.
Gotti ist bereits so gut wie auf dem Bindelweg. Titzy muss sich noch den eben übergezogenen Regenklamotten wieder entledigen. Keine Spur mehr von kalalalalt. Sondern alles wieder wie fast immer.
Unser Fluent-Fahrer kennt den Bindelweg ja eigentlich schon, aber eben nur eigentlich: Aus dem zugesicherten "alles fahrbar" wird "alles nicht ganz so einfach". Tatsächlich sind wir zu tief nach unten gesunken. Deswegen war das Stück grad eben auch so "absteiganbiete(r)nd".

Wir hätten die obere Spur nehmen sollen!
Was dann aber
nicht passiert wäre, ist folgende Situation: Ich warte gerade an einer Kreuzung auf titzy, als ich mit Wanderern mit Hund in ein Plaudergespräch komme. Kurz darauf ruft jemand, der auf uns zukommt "Hey, hallo, Dich kennen wir doch!". Ich denk natürlich, die meinen jemand von den Wanderern. Aber denkste!

Ich war gemeint!
Zusammenführung. (Und es sieht so aus, als wenn ich gerade den Hund samt Leine okkupieren wollen würde.)
Da hat mich doch ein Pärchen aus dem sooooooooooooo weit entfernten Zuhause erkannt! Von München nach Venedig laufen die beiden. Ach, das ja auch nicht schlecht!

18 Tage sind sie schon unterwegs. Ungefähr 14 Tage liegen noch vor ihnen. Wow, so lange! Aber ob das wirklich das Wahre ist, ich weiß es nicht. Ein bisschen Bergblindheit scheint sich schon eingeschlichen zu haben: "Ach, das ist die Marmolada! Gut jemanden zu treffen, der sich hier auskennt!" -- Bergführer Renn.Schnecke bei der Arbeit.

Wir teilen noch ein paar Gedanken über's Zuhause. Er hat schon etwas schlechte Laune, weil es so trocken ist und den heimatlichen Tonteich vermisst.
Nun aber weiter auf dem Bindelweg:
Bindelwegbindelbindelbindelbindelweg...
Nach der Reise werd ich mir die Mühe machen und das mal übersetzen... (Und werde herausfinden, dass es um das Gazex-System geht, das in diesem Gebiet installiert ist und künstliche Lawinen auslöst.)
Bis zum Passo Pordoi:
Übrigens: Wenn ich mich entscheiden müsste, oben, beim Porta Vescovo, ob es den Bindelweg abwärts gehen soll oder den anderen Weg - also den Eispickel, Will, JPK und ich letztes Mal ausprobierten - ich würd den anderen wählen. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war der fetziger, weil schmaler und mit kleinen Herausforderungen, die zu Erfolgserlebnischen führten.
Wie schon angedeutet bzw. angePFEILt, hier auf dem Pordoipass hätten wir auch vier Stunden oder so früher sein können, hätten wir die Straße nicht verlassen. Aber wir sind ja zum Genießen hier.

Der ureigenste Sinn der Redewendung "Der Weg ist das Ziel"!
Apropos Ziel: welches Tagesziel haben wir heute eigentlich? Ich möchte eigentlich nicht wieder in diese Touriburgen da unten. Letztes Mal hab ich ja auf dem Fernsehraumtisch übernachtet.

Wir versuchen am besten, noch weiter als bis Campitello die Fassa zu kommen. Wir drehen nun also der Marmolata den Rücken zu und wenden uns allmählich gen West; der Brenta-Gruppe, um auf diese Weise westlich vom Gardasee Riva del Garda zu erreichen.
Nach Canazei runter fährt uns Gotti wieder weg.
Achtung, Alpencrosser auf dem Downhill gesichtet!
Immer diese Hardtailfahrer mit ihren fetten Touren-Rucksäcken!

Besonders titzy ist begeistert: Ist es doch sein erstes Mal "über die Berge gemountainbike" mitsamt "aus dem Rucksack Gelebe" und das nun hier auf einer Downhillstrecke mit so ner "Halbschale" und nackten, unprotektonierten Knien!
Ja also da gibt's doch runter nach Canazei eine Downhillstrecke. Wie praktisch ist das denn! ... Insbesondere die Waschanlage an einer Zwischenstation!

Erstmal die Räder frisch machen... Gotti ist eh schon wieder wo auch immer.
Auf irgendeiner ausgewiesenen Stollenbike-Route befinden wir uns noch. Und ich versau dem dort ansässigen Fotografen das Bild, indem ich das Foto mache und nicht er.
Ich weiß gar nicht, wie wir es immer schaffen, uns mehr oder minder beizeiten

wieder zu treffen. Aber so auch dieses Mal. Zusammen fahren wir nun auf Radwegen im Fassatal nach Süden, an meinem Campingplatz in Campitello die Fassa vorbei bis nach Soraga... Zwischendurch gibt es Eis und titzy gelingt es nunmehr, seine dreizehn Batterien für seine Ausrüstung zu beschaffen. Dass das hier Teil des Skigebiets Dolomiti Superski ist, kann man leicht erahnen.
In Soraga wollen wir dann nochmal den Berch hinauf. Zu einer in der Karte verzeichneten Unterkunft. Aber verflixt und zugenäht, der Weg hält sich auch nach mehreren Versuchen versteckt!
Okay, kurzum, bleiben wir halt hier in Soraga; kurz vor Moena. "Garten Eden" als Unterkunft klingt auch total verlockend und die nächste Pizzeria ist um die Ecke.
Aus der lustigen Speisekarte werden zwei Pizzen mit Tomafenschnitten und Zniebeln ausgesucht. Und weil der Pizzagarten wegen Regen (ja, schon wieder) geschlossen wird, werden die belegten Teigscheiben eben drinnen für den Bericht fotografisch festgehalten.
Rechts unten ein Ausschnitt aus dem trilingualen Speiseblatt, mit der ein oder anderen Gelegenheit zum Kugeln.
Ja, Gotti, Du darfst ruhig schon zulangen!