Tag 5, Teil 2
Salzkammergut. Da wollte ich hin. Wegen dem Rennen. Genau. Aber wo bin ich? Könnte das Salzkammergut sein. Steine um mich rum und Bäume, ein Tal â passt. Aber wann ist das Rennen? Und wo bin ich genau? Und wieso tropft dieses rote Zeug auf meine Hose?
Eine bekannte Stimme. Glaube ich. Ich bin wohl nicht alleine hier in diesem Wald. Und da unten im Tal, ist das Bad Goisern? Da startet ja das Rennen. Wann ist das eigentlich?
Die bekannte Stimme, mit einer Mischung aus Sorge und Genervtheit, erklärt mir, dass das Rennen morgen sei und ich das jetzt schon zum fünften mal frage. Plötzlich ist alles glasklar. Ich bin wohl gestürzt. Irgendwo im Salzkammergut. Das da unten könnte Bad Goisern sein. Da ist ja das Rennen. Morgen oder Ãbermorgen. Ich kann glaube ich noch schnell gesund werden. Jetzt bloà nix anmerken lassen. Mit dem Wasser aus der Trinkflasche kann ich mein Gesicht prima sauber machen. Da scheint das Blut auch herzukommen. Mit der Zunge zähle ich meine Zähne. Scheinen noch alle da zu sein. Ein gutes Zeichen.
Mein Verstand arbeitet auf Hochtouren. Die Stimme gehört schnecke. Die will auch das Rennen fahren. Ist wohl morgen schon. Irgendwo ist auch will und macht Fotos. Ich verlange, dass man von mir ein Foto macht, damit ich mir mein Gesicht ansehen kann. Irgendwie hört mir aber keiner zu.
Vielleicht sollte ich zu einem Arzt. Macht einen guten Eindruck â wirkt vernünftig und so. Als ob ich bei klarem Verstand wäre. Bin ich ja auch. Ich muss bis morgen gesund werden. Da ist das Rennen. Ich krame mein GPS aus dem Rucksack und suche das nächste Krankenhaus. 10km â mit dem Rad ein Katzensprung.
Schnecke überzeugt mich und will, dass man für das Rennen auch die Schiebetechnik trainieren muss. Also laufen wir erstmal nach Bad Goisern. Da gibtâs bestimmt einen Arzt, der näher ist. Oder halt die 10km fahren. Will macht Fotos von parkenden Autos. Ich erkläre, dass ich morgen nur die 100km Strecke fahren will. Macht einen guten Eindruck. So vernünftig...
Im Ort ein Sportartikelgeschäft mit Helmen im Sonderangebot. Prima. Mein
Helm ist irgendwie kaputt, und für das Rennen (morgen!) brauche ich doch einen. Aber gut, erst zum Arzt. Wir können ja in der Touristeninfo fragen, wo einer ist. Will stellt sich derweil irgendwo unter, die Sonne brennt ganz schön heiÃ. Ist will auch gestürzt? Wirkt irgendwie benommen. Gut dass ich bei klarem Verstand bin. Morgen ist ja das Rennen. Erzählen zumindest alle. Wir sind wohl im Salzkammergut. Voodoo ruft an. Sind wohl in irgendeiner Ferienwohnung und wollen was zu essen kaufen. Gute Idee, ich pflichte ihr bei. Bloà nichts anmerken lassen.
In der Touristeninfo frage ich nach einem Arzt. Irgendwie muss ich gar nicht erklären, was für einen Arzt ich suche. Die Leute sind sehr zuvorkommend. Rufen sogar bei der Ãrztin an, um mich anzukündigen und erklären mir den Weg.
Dank Navi ist die Arztpraxis bald gefunden. Ich werde schon erwartet. Sehr zuvorkommen alle hier. Die Ãrztin versorgt mein Gesicht und mein Knie und leuchtet mir in den Augen rum. SchlieÃlich bin ich gesund und darf wieder gehen. Irgendwer hat zwischenzeitlich meine Trinkflaschen aufgefüllt. Sehr praktisch, hatte ich ja alles benötigt, um mein Gesicht zu säubern. Hat bestimmt einen guten Eindruck auf die nette Ãrztin gemacht. Noch schnell zur Apotheke, das Rezept einlösen. Ich fühle mich prima. Also den Umständen entsprechend. Aber vielleicht wirklich nur die 100 km. Neben der Apotheke sind wieder die
Helm-Sonderangebote. Jetzt kann ich endlich zuschlagen. Im Konsum gibtâs noch ein Eis, auf der StraÃe treffen wir S-Punkt, bei der Anmeldung runterrauf und Eispickel. Am Trouble-Desk brauche ich gar nicht groà erklären, weshalb ich mich auf die Kurzstrecke ummelde. Etwas wehmütig sehe ich meine rote A-Startnummer an, die jetzt gegen eine schnöde weiÃe B-Startnummer getauscht wird. Wenigstens darf ich sie als Andenken behalten.
Dann radeln wir wieder zur Ferienwohnung. Ist wohl die, die vooodoo gemeint hat. 20 km und 300 Höhenmeter. Die Ãrztin hat gesagt, ich solle die Wunde nicht nass werden lassen. Leider hat sie vergessen, das auch dem Wetteramt mitzuteilen. Pünktlich am Beginn des Anstiegs nach Gosau beginnt ein heftiges Gewitter. Ãste krachen runter, der Wind weht uns um die Ohren und ein kräftiger Regenguss weicht alles durch. Das geht so lange, bis wie an der Ferienwohnung ankommen, dann scheint wieder die Sonne. Zumindest bin ich jetzt wirklich wieder bei klarem Verstand. Unter der wohlverdienten heiÃen Dusche entdecke ich, dass auch meine Schulter kräftig was abbekommen hat. Das Schlüsselbein hat dank Titanverstärkung aber gehalten.
Angesichts des Wolkenbruchs ziehe ich jetzt doch noch die Matschreifen auf. Selbst wenn morgen durchgehend die Sonne schiene, dürften die Wegen angesichts der Wassermassen komplett aufgeweicht sein. Am Abend dann noch ein Festmahl (GroÃen Dank noch mal an vooodoo, die die Küchenfee gegeben hat) zwecks Pasta-Carboloading. Ich mache Origami mit meinem Roadbook, so dass nur noch die 100km-Strecke lesbar bleibt â muss ich nicht alles neu ausrechnen. Auf die Zeit kommtâs ja jetzt eh nicht mehr drauf an, in meinem Zustand (ich kann wegen der Schmerzen im geprellten Knie kann kaum laufen, mein halbes Gesicht besteht aus Pflastern, der Kopf dröhnt) kann ich froh sein, überhaupt morgen starten zu können.
Fortsetzug folgt...