L´Eroica 2005

M

Menis

Guest
in der regel wird in ihr von handgewickelten carbonlaufrädern, von geckoleder bezogenen magnesiumsätteln und von mondsteingestrahlten titaninnenlagern berichtet. doch als ich sie vor etwa einem jahr aufschlug, da waren dort wollhemden, stahlrahmen, holzfelgen und männer meines alters zu sehen. es war der erste bericht über die l´eroica, über den ich je stolperte.

seit dieser zeit liegt diese ausgabe auf meinem nachttisch und nicht selten glitten meine müden augen über die bilder der helden, die sich auf sandigen wegen bergauf quälten, an verpflegungsständen rotwein aus flaschen einlaufen liessen und den hunger nicht mit klebrigen zementriegeln, sondern mit salamie, schinken und pecorino stillten.

durch diese eindrücke geprägt, nahm ich wohl hundert mal an dieser veranstaltung in meinen träumen teil, bevor ich zart, in einem unbeobachteten moment, die buchstaben "e-b-a-y" in meine browserleiste eintickerte, um einfach mal so zu schauen, was es denn so geben könnte. ein RU FA sport von 1966 war im angebot. der zustand sah recht beachtlich aus. so wurde kurzerhand das haushaltsgeld auf diese karte gesetzt und nägel mit köpfen gemacht. bevor der rechner wieder aus war, gehörte der alte stahlkahn mir.

0015.jpg

hier breits mit den tufo-schlauchreifen, die mir auf ewig langen schotterpisten zum rechten freund werden sollten

0223.jpg

das rad kam aus niedersachsen und wurde so mit einer für flache kurse geeigneten halfstep-schaltung (danke pda für dieses schöne fachwort) ausgestattet. die beiden vorderen kettenblätter sind nahezu gleich groß und bieten somit einen zwischenschritt zu den hinteren gangstufen.

0213.jpg

die klassischen weinmann-bremsen erfordern bei jeder abfahrt ein tiefes, unerschütterliches vertrauen in den lieben gott.

nun stand es fest - 2005 geht es nach gaiole in chianti zur l´eroica. bei der anmeldung per internet wurde mir klar, dass noch einige klassische details fehlten, ohne die ich wohl eher als rennradschwucke, denn als heroischer klassikerdepp in wollsocken durchgehen würden. es mussten also schuhe für hakenpedale her, ein wolltrikot, wollhosen und vor allem - eine lizenz, denn die lange strecke über 200km war nur für lizenzfahrer zugelassen!

nach einiger bedenkzeit fiel mir meine fünfundzwanzigjährige mitgliedschaft im eisenschweinkader wieder ein. es war nicht einfach, denn die offiziellen des esk stellten sich auf anfrage wie immer quer und olliweiß wie hart es ist, diese eisernen beamten zu erweichen. doch schliesslich (ja, es flossen spendengelder) gab die leitung nach und ich bekam den notwendigen ausweis der mich sogar für die teilnahme an der TdF berechtigt:

ausweis.jpg

(aus datenschutztechnischen gründen wurde das bild unkenntlich gemacht)

irgendwann hatte ich also meine gesamte verkleidung zusammen und sogar meine holde ehefrau war bereit, mich auf der reise ins fremde italien zu begleiten. die zeichen standen gut und so ging es ende der letzten woche bei sonnigem wetter richtung süden. ohne die sonst üblichen staus rauschten wir durch unser schönes land und schon bald tauchten die silouetten der alpen am horizont auf. etwas südlich von insbruck, in mutters, suchten wir uns einen hervorragenden gasthof für die erste übernachtung. mit dem prickelnden gefühl der vorfreude schlummerten wir in einem himmelsbett ein. die welt war gut und so sollte sie auch bleiben.

(fortsetzung kommt bald)... menis
 
MENIS!!! Du gemeiner Hund sofort weiterschreiben!!!, wenn in den nächsten 3 Stunden keine Fortsezung zu lesen ist, dann werde ich dich alle 10 Minuten anrufen und dich solange nerven bis es weitergeht. Es sei denn du rufst mich an und erzählst mir wie es war!

Ritzelflitzer
 
Das schlägt dem Fass den Boden aus. Die Lizenz... Wen Du es schaffst, Dich die erste Etappe der TdF 2006 einzuschreiben, lad ich Dich auf ein Bier ein.
 
jockel schrieb:
Wen Du es schaffst, Dich die erste Etappe der TdF 2006 einzuschreiben, lad ich Dich auf ein Bier ein.
wenn du das team aussuchen darfst, kann ich dann die biersorte bestimmen? ich meine - es ist eine ESK lizenz!! wer sollte da zögern mich sofort aufzustellen? ein witz... menis
 
Menis schrieb:
Bedenken, Bedenken,Bedenken... ich meine - es ist eine ESK lizenz!! wer sollte da zögern mich sofort aufzustellen?
Eben!

So, und nun, wo wir das geklärt haben möchte ich wissen, wie es weiter geht.
Übrigens sieht dein RUFA so geil aus, da weiß ich garnicht was ich sagen soll. Naja, Du hattest eben schon immer alles aus dem Westen...
 
alles aus dem westen...
da kriege ich auch lust auf so einen schönen asphalt-schotter-schneider, aber mehr noch interessiert auch mich die fortsetzung des helden-epos
 
der nächste tag glänzte mit strahlend blauem himmel. vom brennerpass aus waren zwar erste schneebdeckte gipfel sichtbar, jedoch schon die po-ebene bot uns angenehme 23 grad celsius. die temperatur stieg stetig und als wir das etwas 60 kilometer südlich von florenz gelegene gaiole erreichten, zeigte das thermometer bereits 26 grad an. wir befanden uns nun mittem im gallo nero gebiet, bekannt für seine dunkelroten trauben.

nun war es für uns an der zeit ein entsprechendes plätzchen zu suchen, dass für die nächsten tage unser zuhause sein sollte. im rocca di castagnoli, einem auf der spitze eines toskanischen bergs gelegenem historischen weingut, nur etwa 4-5km von gaiole entfernt, sollten wir ein ansprechendes angebot in wunderschöner umgebung finden:

0025.jpg


0062.jpg


somit war alles perfekt. auf dem marktplatz von gaiole hatten wir erfahren, dass morgen ab 10.00 uhr ein teilemarkt, nebst ausstellung stattfinden würde. noch ein letztes mal kramte ich die zerlesene tour aus der reisetasche, blätterte durch den artikel und freute mich auf den folgenden tag, der mir nun endlich selbst einen eindruck dieser besonderen veranstaltung bescheren würde.

0073.jpg


am nächsten tag standen wir schlag 10.00 vor der sporthalle in gaiole. natürlich waren bereits endlos viele radler in ausgefallenen klamotten unterwegs. selbst julia konnte sich des besonderen reizes der kulisse nicht erwehren. vielleicht war sie auch etwas erleichtert, dass ich offensichtlich nicht der fanatischte radfahrer der welt war, sondern allenfalls ein "gemäßigt interessierter". die richtigen vögel reisten mit teilweise 10, 20 rädern an, waren in originaltrikots des giros 1963 gekleidet, hatten backenbärte und sehnige, ja - gradezu mumifizierte beine, in denen 100tausende von kilometern steckten:

leroica_072.jpg

einer der ganz grossen, immer wieder im rampenlicht stehenden superstars.

doch auch der markt, oder gar die ausstellung riss mich regelrecht vom hocker. da standen diese denkmäler der radgeschichte, als wären sie eben noch über die pässe der alpen gepeitscht worden:

0121.jpg

1934 die tour gefahren und nun ungeputzt vor meinen augen - einfach super!

0114.jpg

ein im rahmen der ausstellung prämiertes rad. hochautentisch, unrestauriert und noch mit manuellem kettenspanner.

0091.jpg

eines der räder, die mir am meissten gefielen. räder in diesem zustand wechselten zwischen 400 und 1000€ ihren besitzer. viel geld für nen 70 jahre altes fahrrad... .

auch die anmeldung erfolgte zwar in dichtem gedrängel ewig cooler klassikerfreaks, jedoch akzeptierte die dame am schalter meine lizenz, ohne wirklich mit der wimper zu zucken. ich bekam also die auf leinenstoff gedruckte startnummer für trikot und rad, sowie einige zentimeter hanf-band, mit dessen hilfe die nummer zu befestigen war.

nun denn. natürlich war eine derartige veranstaltung für meine liebe frau von nicht ewiger faszination und so zog es uns am nachmittag in die gassen von siena, um dort den mangnetstreifen der kreditkarte etwas über zupolieren. nach reichhaltigem abendessen mit entsprechendem genuss des örtlichen getränkeangebots nutzte ich die dunklen abendstunden, um mich in nervöser hektik über meine ausrüstung herzumachen. sorgfälltig wurde der lederlappen der wollhose gefettet, der ersatzschlauch in gewachstem papier eingewickelt, startnummer an rad und wollhemd befestigt und ein, zwei glücksbringer in den trikottaschen verstaut.

0082.jpg


der letzte schluck chianti floss durch meine trockene kehle, als ich den wecker auf 04.30 uhr stellte. sicher ist dem einen, oder anderen leser dieses gefühl bekannt, wenn man eine zehntelsekunde vor dem klingeln des weckers bereits die augen aufreisst. ich glaube man nennt das lampenfieber, nervösität oder einfach ANGST. noch wusste ich nicht, wie berechtigt diese angst sein sollte, sondern schwang mich leichtfüssig aus den federn.

meine wirklich bewundernswerte begleiterin leuchtete mir per kfz den stockdunklen weg, durch enge serpentienen bis auf den marktplatz von gaiole. der offene start lief bereits ab 05.00 uhr und so kamen uns grosse gruppen von spärlich beleuchteten radfahrern bereits entgegen.

nun ging es endlich zur sache... (fortsetzung folgt)... menis

0141.jpg
 
Ich freue mich schon auf die nächsten Fotos, auf denen Du mit Ledersturzring, Knickerbockern und Zwirbelbart zu bewundern sein wirst, Du Fausto-Coppi-Klon!


...Oh, Du bist mir wieder zuvor gekommen! Ganz groß!...allerdings kommst Du mehr daher wie der reifere Mercx.
 
Du Folterknecht, uns hier schön häppchenweise die Leckerlis hinwerfen! Du gemeines Schwein, du! Ich will mehr!!!!!!!!!!!!!!!!!!!1

Ritzelflitzer

PS: Sind auf den Bildern alles Holzfelgen oder täuscht die Farbe?
 
Was für ein krasser Beitrag ... bis jetzt! Ich habe das Gefühl ich bin einige Jahre zurückversetzt worden.
Wenn es hier im Forum einen Beitrag des Jahres gibt, dann ist der hier ganz oben mit von der Partie!!! Ganz großes Kino!!! :daumen:

Gruß Mutze
 
Weiss deine Frau eigentlich, dass du da NUR hingefahren bist, um mit so einer Geschichte hier so aufzutrumpfen?
Los du Angeber, erzähl' weiter und bilde dir nur nicht ein, dass wir es dir durchgehen lassen würden mit schlechterer Plazierung als 3. Platz heim zu kommen! ;)

Einfach nur geil!

Grüsse nach Bella Italia!

Tschüss, Boerge macht jetzt Wochenende!
 
ritzelflitzer schrieb:
Sind auf den Bildern alles Holzfelgen oder täuscht die Farbe?
es sind tatsächlich holzfelgen.

Boerge schrieb:
Los du Angeber, erzähl' weiter und bilde dir nur nicht ein, dass wir es dir durchgehen lassen würden mit schlechterer Plazierung als 3. Platz heim zu kommen!
ihr werdet mir noch ganz andere dinge durchgehen lassen müssen und - etwas rasseln gehört doch nun wahrlich zum geschäft... menis
 
Grandios. Mehr kann ich da im Moment mal garnicht zu sagen. Klasse Bilder und vor allem einmal mehr ein klasse Text - der nun hoffentlich bald noch durch viele Fortsetzungen erweitert wird.
 
wunderschön, einfach nur genial!
danke, jetzt werde ich heute nacht von alten rädern auf schotterpisten träumen.


weitermachen!
 
menis, ich bin hin und weg! eine grossartige geschichte - schon jetzt, obwohl du noch keinen rennmeter gefahren bist. ich kann mir foermlich vorstellen, welchen reiz das klassische zweiradtum dort ausstrahlt. die bilder von den drahteseln der zeitgeschichte sind toll. eine unglaubliche geschichte, deren ausgang ich kaum erwarten kann zu lesen!

rb
 
Reusper, reusper - ahem... können die verantwortlichen Administratii garantieren, dass das Board einwandfrei funktioniert?
Das Mitglied Menis konnte bis jetzt offensichtlich keine Fortsetzung veröffentlichen...
 
mein freund und geschäftspartner ist vater geworden. somit liegt das geschick unseres kleinen krämerladens in meinen unfähigen, gern abgelenkten und in jeder freien minute mit dem tippen von angeberischen radfahrerberichten beschäftigten händen. bitte entschuldigt die dadurch entstandene verspätung und die nur bruchstückhafte verfassung dieser fortsetzungsgeschichte.

der marktplatz von gaiole war gegen 06.00 uhr bereits mit allerhand absonderlichen figuren gefüllt. ganz anders als in deutschland üblich, wurde hier weder der historische rennradler, noch der hochmoderne mtb-fahrer, weder der scott-carbonfan, noch der führer eines zeitgemäßen titancrossers gedizzt. nein, es wurden keine fahrräder von korpulenten nichtradlern weggeworfen und/oder mühevoll zerstört, noch wurde der einzelne, oder deren zehn gänge besonders gewürdigt - es fuhren eben, ganz undeutsch, alle miteinander und verstanden sich trotz fehlender abgrenzung dabei prächtig!

nachdem ich diesen schock verdaut hatte und das formblatt für beschwerden bei widerrechtlicher nutzung nicht ausschreibungkonformer fahrzeuge (BebwNutAuFahrz) wieder weggesteckt hatte, konnte ich die wunderbare stimmung an diesem herbstlichen morgen mitten im herzen der toskana in vollen zügen geniessen:

0171.jpg


eine weile stand ich auf dem marktplatz und bewunderte immer neue starter. teilweise gingen historische teams an den start. alte bianci-räder, gleiche wolltrikots, teammützen, handschuhe in den italienischen nationalfarben, dann wieder ein wilder trekingrad-pilot mit blauer neoprenmütze, roter gorejacke und 12 liter trinkrucksack. dann schob ein älterer herr, sicher über 70, sein singlespeed-fixie von 1935 mit bügellenker und holzfelgen an den start. verdammt - der hatte nur seinen kleiderschrank geöffnet und ganz normale klamotten für die sontagausfahrt rausgezogen! es war einfach super! jeder fahrer musste durch das startzelt:

0151.jpg


dort bekam man den ersten stempel in seinen fahrerpass und trug sich ganz profihaft in die startliste ein:

0162.jpg


eigentlich wäre es nun an der zeit gewesen ruckzuck auf die strecke zu gehen - doch so richtig eilig hatte es niemand. alle hatten diesem moment lange entgegen gedürstet und nun, ja nun hiess es diesen augenblick noch etwas festzuhalten, ihn zu verinnerlichen und voll mit der magie dieser romantischen veranstaltung zu verschmelzen. jeder trat nun seine reise in die vergangheit an, einige zog es zum giro 1965, andere hatten coppies kampf am stilfser joch vor augen, die dritten sahen staubige strassen auf denen miguel seine unendliche eleganz ausspielte:

0181.jpg


jeder suchte seine historische inspiration und erst als wir uns alle in einer vergangen und doch noch lebendigen zeit befanden, an einem punkt, der für jeden etwas besonderes bedeutete, erst da durchzuckten erste regungen die muskeln, spannten sich breite, schwere ketten und rollten leicht ratternd die räder an. kaum lag der marktplatz hinter uns, umschloss uns die dunkelheit der italienischen landstrasse, der duft des späten sommermorgens und die freude nun gemeinsam dem abenteuer entgegen zu fahren:

start1.jpg


die strasse. windschatten, gebeugte körper, enge trikots, weisse baumwollsocken, wortfetzen - italienische wortfetzen! ja - ich befand mich definitiv mitten beim start einer etappe des giros 1965! im trikot des deutschen meisters und auf ru-fa sport war ich ohne team am start. trotzdem liessen mich die italiener vom team "s.c.l. guerra" mitfahren. leise durchzogen wir die engen, kurvigen strassen richtung süden. der himmel hellte langsam auf - ein segen, denn durch die dunkelheit war das fahren in der gruppe eine nicht ganz einfache aufgabe. die konturen der hügeligen landschaft erschien schrittweise und bald waren die vorboten der morgensonne am himmel auszumachen.

in flotter fahrt überholten wir einige vor uns gestartete gruppen, einige fuhren mit, andere fielen raus. dann ging es die erste steigung hinauf. plötzlich wurde mir klar, dass ich regelrecht eiskalt geworden war. die steigung tat mir gut, brachte sie mich endlich auf betriebstemperatur. steil ging es bergab und dann scharf links. nicht einfach nur links, sondern links in eine der "weissen strassen" hinein. ein netz dieser strassen durchzieht italien, verbindet weingüter und kleine dörfer miteinander und doch werden diese strassen von keiner karte richtig erfasst. laut streckenplan soll die fahrt für 90km über teerstrassen und für 110km über diese weissen strassen führen. im rahmen der l´eroica soll für den erhalt dieser nicht asphaltierten wege geworben werden. ich fühlte mich also in der mission des oberst unterwegs. gespannt erwartete ich die ersten fahreindrücke. "na geht ja" dachte ich, ohne der tatsache rechnung zu tragen, dass eben erst 500 meter dieses weges hinter mir lagen. schon stand der erste mit reifenpanne am rand.

die gruppe fuhr sehr vorsichtig - ja, regelrecht langsam. also besonn ich mich meiner verantwortung (ja, das trikot lag tonnenschwer auf meinen schultern) und fuhr nicht wirklich schnell, aber deutlich aus der gruppe nach vorn. mich begleiteten peter und matthias, zwei triathleten aus münchen und die einzigen deutschen fahrer, denen ich begegnete. wenig später signalisierte peter eine reifenpanne. lächelnd zogen die jungs vom team "s.c.l. guerra" an uns vorbei.

wieder im sattel erlebten wir die erste supersteile schotterabfahrt. am strassenrand suchte sich ein herr mühsam kleine steinchenaus der schürfwunde. mir kamen jetzt die ersten sorgen, ob wohl 200km immer auch nur 200km sein würden, oder ob sich wohl die streckenbeschaffenheit deutlicher als gedacht auswirken würde. kurze zeit später hatte peter seinen zweiten platten. sein letzter schlauch war also schon nach 30km verbraucht, aber keine sorge, er hatte ja noch flickzeug. als diese weitere 4-5km weiter tatsächlich auf den plan gerufen wurde, verabschiedete ich mich sehr nett, aber ganz unbrüderlich und machte mich auf die suche nach "s.c.l. guerra".

nach etwa 2.5 stunden fahrt erreichte ich die erste kontroll-station. himmel! da standen in korb gebundene 2.5 liter flaschen voll wein auf dem tisch, daneben grosse holztafeln mit italienischer wurst, mit käse und schinken. brote, obst und frische weintrauben rundeten den anblick ab (ich fragte höflich nach einem powerbar "banane-coffein". leider waren alle vergriffen). so trank ich ein gläschen wein, steckte mir einige scheiben salamie in den mund und rollte derartig zufrieden weiter - ich kann es garnicht beschreiben, wie verdammt gut es mir ging!

im unterlenker gewöhnte ich mich an einen relativ schweren fuss, also hängte ich mich bei merckx rein und gemeinsam hatten wir bald die verdammten italiener wieder vor uns! natürlich überholte ich sie flott und als sie sahen, das merckx die arbeit für mich machte, ging keiner mit. unterwegs stiess ich auf zwei weitere fahrer. einen hageren italiener und einen stemmigen belgier. zu dritt kreiselten wir und überholten immer weitere der früher gestartenen fahrer.

dann ging es in einige hinter einander liegende, aber wirklich steile schotterpassagen hinein. meine "tolle" half-step übersetzung bescherte mir nun eine übersetzung von bestenfalls 48:23 mit 170er kurbeln und so war ich zu rascher, zu unvernünftig rascher fahrweise gezwungen. leidend - ich stand bis zur hüfte in der milch - erreichte 09.50 die nächste kontrollstation auf dem gipfel eines ewig erscheindenden anstiegs. platt wie eine flunder versuchte ich mich zu erholen, stellten sich doch bei zunehmender ernüchterung gewisse entziehungserscheinungen ein, die sich durchaus negativ auf die moral auswirken konnten. nach etwas chianti und dem dadurch wieder warmen, wohligen gefühl, welches vom magen aus in alle glieder strahlte, bestieg ich erneut das rad und hoffte darauf, dass sich schottersteigung mit deutlich mehr als 16% bitte nicht wiederholen mögen. so rollte ich durch den schwarzen schnee, nuckelte an der staubigen alutrinkflasche und irgendwann stolperte ich über die leise frage in meinem kopf: "wie lange noch?". ich hatte weder tacho noch uhr dabei und so began ich munter zu mutmaßen. angesichts meines nun inzwischen rapiden form- und konditionsverlustes errechnete ich mir, dass es wohl so gegen 13.30-14.00 uhr sein könnte. meine kraft schien langsam zu versiegen. es musste etwas passieren.

ich erreichete die nächste station. der zeitstempel zeigte 11.20uhr! "umgotteswillen nein" dachte ich. es gab warmen eintopf, wie immer die gesamte vorspeisenplatte bester berliner restaurants und den inzwischen lebensnotwendigen chianti aus riesigen flaschen. neben mir füllten die fahrer ihre tinkflaschen mit dem traubensaft auf, anderer steckten sich schinkenscheiben in die trikottaschen und wieder dritte waren schon so kraftlos, dass sie nur zusammen gekauert im gras saßen.

sollte dieses wirklich eine "heroische" veranstaltung werden? der tag lag noch vor mir, aber der elan, ihn mit offenen armen zu empfangen war schon beträchtlich kleiner geworden.

es lagen nun etwa fünf stunden fahrt hinter mir und hätte mir jemand gesagt, dass es noch weitere sechs werden sollten - ich wäre sofort richtung gaiole gefahren und hätte der sache ein rasches ende bereitet.

so weit... menis

scrolle ich jetzt hier hoch, dann beschleichen mich harsche zweifel, ob diese bleiwüste überhaupt zumutbar ist?!
 
Menis schrieb:
Der tag lag noch vor mir, aber der elan, ihn mit offenen armen zu empfangen war schon beträchtlich kleiner geworden.
Der Tag liegt noch vor mir, aber der Elan ihn mit offenen Armen zu empfangen, ist soeben beträchtlich angewachsen.

Schwinge mich jetzt auf mein '05er Fixie und radle auf schwarzen Straßen in den Morgen.
 
Menis schrieb:

Was ist das denn? Ich schiebs mal auf die frühe Stunde, ansonsten könnte man, beim Betrachten der Körperhaltung und des Gesichtsausdruckes, ja sonstwas denken.

Kannst ruhig weiter texten, ich finds auch nur ein ganz kleines bisschen langweilig ;)
 
Zurück
Oben Unten