Fieses Weckergetute gegen 6.30Uhr. Regen prasselt gegen die Fensterscheiben. Oh, oh - Kein gutes Gefühl.
OK, - duschen, Kaffee, Brote schmieren, Zeug zusammen suchen und in den Rucksack pressen, Regenjacke überwerfen und ab zum Bahnhof Alexanderplatz.
Soviel ist hier noch nicht los.
Noch zehn Minuten, dann kommt mein Zug.
Ich denke noch mal kurz an Aufgabe des Unterfangens, aber was soll man den Kollegen im Forum dann sagen?
"Macht keine gute Figur" denke ich.
Plötzlich ein "Hei" neben mir, ich dreh mich um und ein Typ in voller Kampfmontour nebst WFFR (Wirklich fetter Freeraider) steht vor mir. Den kennste doch
- nee, Panza! Gibt's doch nicht!
"Äh hei! Was machst du denn hier" frage ich ihn, als wir uns die Hände schütteln.
"Ja komm', die im Forum sind doch alle aus Zucker, die Schweinskollegen können doch nur auf Herbst, wenn er trocken ist!"
Ach du schaisse denke ich, das wird ja was werden!
Der Zug kommt an, wir steigen ein und machen es uns im Abteil erstmal bequem.
Ich hole die Stullen raus, Panza tut es mir gleich und beide mümmeln wir an unseren Broten rum.
"Echt fette Gabel" Sag ich und zeige auf seine FOX. "Kann das was?" Er grinst und nickt: "Schluckt alles!"
"Dein Teil sieht aber auch Krass auch! German:answer, stimmt's?"
"Hmmm, yo - macht auch Spass!"
So geht die gute Stunde Zugfahrt schnell vorbei. Kurzweilig unterhalten wir uns über Fahrräder, Foren und Frauen.
In Brück steigen wir aus. Es ist kurz vor Neun, es gießt leider immer noch.
Los jetzt! Wir rauf auf die Räder und ab in Richtung "Kleine Plane".
Wir sausen hurtig den kleinen Weg am Bach entlang,
sind schwuppdiwupp in Trebitz und gleich dahinter in den Räuberbergen.
Mal gucken, was er so drauf hat, denke ich und nehme die erste Steigung ins Visier.
Panza stemmt das VP hoch.
Ich grinse, er grinst zurück Respekt! Mit dem schweren Teil den Berg hoch? Holla!
Der Wald spuckt uns aus und weiter geht's nach Schwanebeck.
Die Gegend ist leicht hügelig, das Tempo ganz schön hoch. Schnaufend schlagen wir den Weg nach Wendoche ein was'n bekloppter Name! Kurz danach dann werden die Wege fasst unpassierbar. Selbst Panza, der ja um einiges breitere
Reifen fährt als ich, hat gut zu tun, sein Alubomber durch den Schlamm zu drücken. Die Fahrräder hören sich grauenhaft an. Alles quietscht, knirscht schabt und schleift.
Sechs Kilometer auf denen man knapp über Schrittgeschwindigkeit durch die Gegend kurbelt. Die Räder sehen aus wie sau.
Mittlerweile ist es innen wie außen nass.
Dafür hat es aufgehört zu regnen.
Als der Weg besser wird, hellt sich auch die Stimmung auf wir knallen durch die Landschaft weiter in Richtung Verlorenwasser.
Kurz vor Weizgrund dann auch das erste touristische Highlight dieser Fahrt:
Der Mittelpunkt der DDR!
Na gut, irgendwo musste er ja sein, also Foto gemacht, weiter geht's.
Es wird hügeliger.
"Und Päuschen?" Frage ich ihn nach einer Weile. Ich werde nur verächtlich angeschaut und das Tempo erhöht sich merklich
Alles klar.
Am Verlorenwasser entlang radeln wir durch echte Herbstlandschaft.
Vorort stoßen wir auf ein deutsch-rusisches-Getränke-Joint-Venture. Leider sind wir außerhalb der Öffnungszeiten angekommen.
Bei dem anschließenden kleinen Imbiss gebe ich die Geschichte mit meinem Opa zum Besten.
Und es ist ja wohl klar, dass die hier NICHT verbreitet wird.
Fragen an Panza sind zwecklos! Der hält dicht!
Genug pausiert, die Zeit drängt! Hoch geht's zum Juliushof und von da aus nach Klein Briesen.
Da entdecken wir eine Grabstätte preußischer Offiziere Mitten im Wald! Den Grabsteinen nach, die da im Farn liegen, ist das alles ca 200Jahre alt.
Weiter dann hoch zur "Schönen Aussicht" und an den Hängen des Flämings ostwärts nach Ragösen.
Hier befindet sich gleich hinter dem Dorf der Nickelsberg. Der wurde prompt erklommen mit dem Galgenberg im Blick. Hier kann man den Anstieg dahin in die Gruppe der kleinen Scharfrichter aufnehmen.
Irgendwo dahinter dann treffen wir auf dieses Betonmonster: Vielleicht ein Spätstalinistisches Hügelgrab?
Wieder in Richtung Belzig unterwegs.
Obligatorisch ist der kurze Halt auf der Burg.
Ab und zu zeigt sich jetzt schon mal die Sonne als wir am Hüttenberg vorbei Hagelberg erreichen.
Über Borne und Bergholz geht es jetzt Richtung Raben. Dazu durchfahren wir die Brautrummel. Rummeln sind ausgetrocknete Flusstäler der letzten Eiszeit. Die zwanzig Meter breite Rinne schlängelt sich den Berg hoch. Es ist unglaublich schön und schwer zu beschreiben.
Auch Panza ist sprachlos was bietet einem die Mark nicht alles!
Jetzt wieder tiefer im Wald begegnen wir jeder Menge Damwild. Gruppen (oder heißen die Rudel, Horden, Schwärme?) von 10 bis Zwanzig Tieren springen vor uns davon.
Man glaubt sich im Märchenwald.
In Raben geht's dann noch mal den Burgberg hoch. Es ist mittlerweile schon kurz nach vier.
Panza drängt zur Eile wir haben noch 15 Kilometer bis nach Niemegk vor uns. Wir beschliessen am Nordufer der Plane entlang zu fahren.
Super Entscheidung das Licht durchbricht golden die Bäume. Das ist Herbst! Kein Vergleich zum Start der Tour!
Auch hier wieder unberührte, ungestörte Natur.
Die Sonne ist schon nicht mehr sichtbar, als wir in Niemegk ankommen.
Zwei Omas am Straßenrand nach dem Bahnhof gefragt, wollen erstmal wissen, was wir da wollen.
Vielleicht ist das was Unsittliches, in Niemegk nach dem Bahnhof zu fragen? Florieren hier etwa Prostitution und Menschenhandel?
Nein, die Omas klären uns auf, dass die ganze Strecke stillgelegt worden ist schon vor Jahren!
Peinliche Stille. Die Reiseleitung hat einen hochroten Kopf.
Hastig wird die Karte konsultiert (als ob das was ändern würde

) Oh, ja! Da steht stillgelegt an der schwarzen Linie die durch Niemegk führt.
"Reusper. Reusper selbstverständlich erstattet der Reiseveranstalter Ihnen die Reisekosten!"
"Mensch Boerge" Panza verdreht die Augen,"Mach doch mal was richtig... Oh Man!"
"Ja, Panza, hast ja recht!"
"Na los, wohin Jetzt?"
"Äh nach Belzig."
"Wieweit?"
"Na so fünfzehn Kilometer
"
"Oh Man!"
Also auf nach Belzig!
Die B102 stockdunkel und Panza ohne Licht.
Gegen 17.09Uhr treffen wir in Belzig ein wirklich fertig.
Und leider 5 Minuten zu spät. Der Zug ist gerade weg und der Nächste kommt in knapp einer Stunde.
Wir haben mittlerweile 110Kilometer und knapp 700Höhenmeter in den Beinben. Aber cool Belzig hat sogar eine Bahnhofschänke!
Nix wie rein, den Wirt gefragt, ob wir die Räder mit reinnehmen dürfen. "Klar, stellt sie da an die Heizung!"
Super Typ!
Am Tresen angekommen bestellen wir zwei Rex-Pils und auf Ex. Als wir das Glas abstellen sind wir schon blau.
Da bemerken wir die Glatzen im Hinteren Teil des Raumes.
Die haben böse "Irgendwas mit Adler" Tatoos auf den Seiten des kahlen Schädels und sehen so aus, als könnte sie nur ein kleiner Mord aufheitern.
Ich bin sehr froh, die Tour nicht alleine gemacht zu haben und freu mich Panza an meiner Seite zu wissen.
Der Super-Typ-Wirt macht 5 Sternburgs auf, geht rüber zum Glatzentisch.
"Alles klar Jungs?!"
"Hmpf
, joah - allet klar!"
Diese Deeskalations-Profis bei der Arbeit zu sehen ist immer großes Kino!
Unsere Körperhaltung ist gleich viel entspannter.
Für uns gibt's noch ne Runde Bouletten mit Kartoffelsalat, die ich spendiere
Selbst gemacht vom Deeskalations-Profi-Super-Typ-Wirt!
Krasser Laden!
Unser Zug kommt dann auch noch und bringt uns zurück nach Berlin. Was ein Tag, geile Tour und jederzeit wieder!
EDIT: Tour: Brück - Trebitz - Baitz - Schwanebeck - Wenddoche - Weitzgrund - Verlorenwasser - Juliushof - Klein Briesen - Ragösen - Lütte - Belzig - Hagelberg - Borne - Bergholz - Raben - Rädigke - Niemegk - Dahnsdorf - Preußnitz - Belzig