An die Helmexperten! (Ernsthafter Helmthread ;)

carmin

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Hallo zusammen,

jaja, Helmthreads gibts schon massig, etwa zu Sprengstoff unterm Helm oder so, aber ob Hut oder nicht, das soll hier gar nicht Thema sein. Um Missverständnissen vorzubeugen, hier meine Botschaft säuberlich in die bekannten vier Kommunikationsebenen aufgedröselt ;)

Selbstoffenbarung: Ich hab ja durchaus Vertrauen, dass sich die Ingenieure ihre Gedanken gemacht haben, aber manches versteh ich nicht ganz. Mein Ziel ist, in der Diskussion mit Euch mehr über die Schutzwirkung eines Helms zu lernen, um bei Anschaffung und Einsatz sensibilisiert zu sein. Dass es eine Schutzwirkung gibt, stelle ich ausdrücklich **NICHT** (!!) in Frage.

Appell: Korrigiert mich, wenn ich dummes Zeug rede. Wer immer einen sinnvollen Beitrag zu einer Art "Tech-Talk" leisten kann: nur zu!

Sachinhalt:

(1) Ein Helm besteht ja i.W. aus einem relativ dichten Styroporkorpus mit einer dünnen Außenschale. Deren Hauptaufgabe ist doch, das Eindringen spitzer/kantiger Gegenstände (etwa Felsbrocken) zu verhindern und die möglicherweise lokal einwirkenden Aufprallkräfte (1) auf einen größeren Teil des Korpus zu verteilen (3):
19904helm1.gif
Nach meiner Anschauung kann das aber nur funktionieren, wenn die Schale "knickfest" und zudem sehr zugstabil ist, um den mit 2 bezeichneten Kräften standhalten zu können. Also vielleicht sowas wie glasfaserverstärkter Kunststoff.

Nun möcht ich keinen Helm für Experimente opfern, aber mein ältester (wird demnächst elf...) hat in der Außenschale einige Risse und ein erbsengroßes Loch (woher auch immer) -- ein sehr dünner und spröder Kunststoff. Vielleicht einfach "nur" miese Qualität... Doch auch bei den neueren Helmen (keine Billigware): Fehlanzeige. Die Schalen sind knapp 0.5 mm dick und die Schnittflächen erscheinen beim Durchleuchten homogen.

Könnte man mit GFK-Außenschalen Helme nicht wesentlich sicherer machen? Der Aufwand hielte sich doch in Grenzen. Was spricht dagegen?


(2) Im Idealfall sollte sich der Korpus unter einem Schlag komprimieren und dabei Energie aufnehmen. Das freilich funktioniert nur, wenn von innen gegengehalten wird. Aber wie sieht das bei einem Kinnbügel aus? Bei nicht optimaler Passform sind auch anderswo Bögen denkbar, die selbst unter starkem Druck nicht unterstützt werden. Werden solche Bögen eingedrückt, dürfte das Styropor den Zugkräften an der Innenseite nicht standhalten und brechen. Die Schutzwirkung wäre wohl weitgehend dahin.
19904helm2.gif
Wie schätzt Ihr diese Gefahr ein? Wie könnte man ihr abhelfen? Durch eine Innenschale sicherlich nicht. Styropor ist Zugbelastungen auch nicht wirklich gewachsen. Fällt Euch ein geeigneteres Material (leicht+zäh) ein? Was spricht gegen dessen Einsatz? Oder sind die wirklichen Schwachstellen ganz woanders zu suchen?


(3) Spezieller zum Kinnbügel: Der hat ja typischerweise einigen Abstand zum Gesicht:
19904helm3.gif
Warum eigentlich? Okay, man käme sonst nicht rein, und Sprechen und Atmen dürften schwierig werden, aber beidem könnte man auch anders abhelfen. Also noch ein technisches Argument?

Die Konstruktion passt aber auch in keine der folgenden Theorien. Welche davon haltet Ihr für plausibler:

(a) Ein Kinnbügel soll die Kräfte eines Aufschlags in den übrigen Helm und damit dessen Korpus leiten. Bei Helmen mit abnehmbarem Bügel kommt also der Befestigung eine entscheidende Bedeutung zu. Allerdings könnte sich dabei der Helm um die Auflage auf der Stirn drehen und das Opfer mit dem Gurt ganz schön strangulieren.

(b) Der Bügel absorbiert Energie durch Verformung seiner selbst -- wie der übrige Helm. Die Schutzwirkung wäre also ebenso gut, wenn der Bügel quasi losgelöst vor dem Gesicht "schweben" würde. Dann wären Modelle mit zierlichen Bügeln wie der MET Parachute aber wirklich Verbrauchertäuschung.


Beziehungsebene: Hm, jaa.. Wir ham uns alle lieb ;)

Thx & Greetz
 
moin carmin,

da hast du dir ja einige gedanken gemacht, hut ab, finde ich toll und vieles klingt plausibel. ich fürchte allerdings, ich werde da wenig dezidiertes hinzufügen können (in ermangelung des technischen wissens), wobei mich einige der fragen, die du hier stellst auch schon beschäftigt haben und ich bislang keine antwort gefunden habe. aber ich habe einen vorschlag, vielleicht gefällt er dir:
ich würde dieses mail, so wie es ist an mehrere helmhersteller schicken und sie um antwort bitten. ich würde auch dazuschreiben, dass ihre antworten hier gepostet werdern sollen, das sollte die neigung sich bei der antwort mühe zu geben eigentlich steigern, wg des werbeeffekts. ich glaube,dass dieser thread bzw die hier geführte diskussion dann sehr viel zielführender werden könnte. nichts gegen die leute hier im forum, aber jeder von uns hat wohl schon erlebt, dass wirklich interessante threads durch ein übermaß an pseudo-blah und möchte-gern-alleswissern zerredet wurde...und ich wage auch zu bezweifeln, dass es sonderlich viele mit physikalische und materialtechnischem wissen hier gibt, die sich auch mit fahhradhelmen beschäftigt haben. meistenteils werden das dann wieder einzefallanalysen nach dem motto:"....der bruder meiner freundin dessen schwippschwager, der hatte mal einen helm, der...." usw. das hatten wir alles schon.....

überlegs dir, gruß

top die watte quillt
 
zur Aussenschale

sie hat weder die Funktion das Eindringen scharfkantiger Gegenstände zu verhindern noch den Aufpralldruck zu verteilen. Bei einem Sturz darf der Helm nich auf dem Untergrund stoppen (was zum Genickbruch führen kann) sondern sollte ungehindert darübergleiten. Dafür ist der dünne Kunststoffüberzug verantwortlich. Wie fast alle Kunststoffe unterliegt auch dieses Material einer Versprödung (UV Strahlen) daher raten die Experten mind. alle 5 Jahre einen neuen zu kaufen.

zur Innenschale

diese ist so konstruiert, dass sie ab einer bestimmten Kraft bricht (auch bei Motoradhelmen). Das ist sehr sinnvoll. Wäre das nicht so, würde die Kraft auf den Kopf übertragen - die Folgen kann man sich denken. Auch hier raten die Fachleute nach einem kräftigen Schlag den Helm zu ersetzen - manche Hersteller bietet daher preisgünstig Helme im Tausch an.

Zum Kienschutz kann ich leider nichts sagen, da ich sowas nicht fahre und daher keine Erfahrungen sammeln konnte.

Dazu ist noch zu sagen, dass ein Fahrradhelm immer ein Kompromiss aus Gewicht, Belüftung und Schutzwirkung darstellt - wer schon mal einen Motoradhelm beim Biken auf dem Kopf hatte (ausser DH) kann das nachvollziehen.

Auf jedenfall kann ich aus Erfahrung nur zum Helm raten!

Dafi
 
die wirkung des helmes ist doch letztendlich kraft aufzunehmen und letztendlich die aufprallkraft auf eine größere fläche zu verteilen und so abzuschwächen. beim kinnbügel ist es net anders, der nimmt die enegerie des sturzes auf statt deiner kauleiste. wäre er losgelöst vom helm und würde sich frei bewegen, wäre es sinnlos weil er dann auf den kiefer aufschlägt und die wirkung teilweise dahin ist.

dafi hat ja schon gesagt wozu die plastikschale ist.
 
sharky schrieb:
die wirkung des helmes ist doch letztendlich kraft aufzunehmen und letztendlich die aufprallkraft auf eine größere fläche zu verteilen und so abzuschwächen. beim kinnbügel ist es net anders, der nimmt die enegerie des sturzes auf statt deiner kauleiste. wäre er losgelöst vom helm und würde sich frei bewegen, wäre es sinnlos weil er dann auf den kiefer aufschlägt und die wirkung teilweise dahin ist.

dafi hat ja schon gesagt wozu die plastikschale ist.

Nee, die Wirkung des Helmes ist nicht, das ganze auf eine grössere Fläche zu verteilen (ausser Du meinst jetzt spitze Objekte, die sich sonst durchbohren würden), sondern die Beschleunigung durch Vergrössern des "Bremsweges" (der Helminhalt kann sich mehr verformen als Dein Kopf) zu verringern. Dass das Stryopor dabei durch Dämpfung sogar noch Stossenergie in Wärme wandelt, ist positiv zu sehen, aber eigentlich ist es die sanftere Verzögerung, die die Kraftspitzen rausnimmt aus dem Stoss. Ist genauso wie bei einer Federung eigentlich - mehr Federweg, weniger Restbeschleunigung.
 
danke erstmal für Eure sachlichen Beiträge und insbesondere dafür, dass die Schwippschwager außen vor bleiben ;)

@Dafi: guter Punkt :daumen: -- über das Gleiten hab ich noch nie nachgedacht. Dazu reicht ein glatter Kunststoffüberzug sicherlich aus. Das Verteilen des Aufpralldrucks wurde aber auch schon (in anderen Threads) vertreten und erscheint mir durchaus plausibel, weil man vor dem Gleiten doch erst mal ganz schön aufschlagen dürfte.

Wobei ich einräumen will, dass es nicht gerade hilfreich ist, anhand ausgedachter Unfallszenarien die Sinnhaftigkeit gewisser technischer Eigenschaften eines Helms zu beurteilen. Aber ich denke mir halt, GFK statt normalem Kunststoff würde die Eigenschaften nur verbessern (und Mehrkosten dürften bei einem Gesamtpreis von 50-150 Euro nicht ins Gewicht fallen).

Dass ein Bruch des Helms gegenüber Verformung vorteilhaft ist, kann ich mir aber nur schwer vorstellen. Wenn die Stücke wegfliegen geht doch bestimmt nicht so viel Energie drauf. Und wenn sie gar undefiniert/spitz auf den Schädel einwirken, wirds eher gefährlicher. Oder?

@sharky: Naja, aber dann versteh ich immer noch nicht, wozu der Abstand gut ist. "nimmt die enegerie des sturzes auf" -- das könnt er auch, wenn er am Kinn aufläge und einfach ein paar Zentimeter dicker gepolstert wäre. Mir erschließt sich nicht, warum bei einem Aufprall aufs Kinn erst mal der ganze Helm nach schräg hinten weggedrückt werden soll.

@Top-Wattequillt: Hersteller anschreiben: gute Idee eigentlich, danke! Obwohl ich (a) durchaus Vertrauen hab, dass unter Tausenden von Mitgliedern hier der eine oder andere werkstoffkundige Ingenieur dabei ist, (b) schon schlechte Erfahrungen damit hab (bin mit ein paar kniffligen Kettenfragen zu connex und hab nie eine Antwort erhalten). Macht aber wohl auch nur bei deutschen Herstellern Sinn, was wissen denn schon die Importeure. Casco scheint ja gar keine eigene Webpräsenz zu haben?? Seltsam, und das in der heutigen Zeit...

Demnächst mehr.

Greetz
 
also die dünne Schale verteilt sicherlich nicht den Druck, aber sie verhindert u.a. auch das Zerbröseln des Helmes.
Einen Bruch der EPS Schale ist nicht unbedingt sofort zu erkennen aber nach einem harten Aufprall sollte man den Helm schon genau untersuchen! Wenn der Sturz mal so extrem ist, das es den Helm zerreißt....... :mad: dumm gelaufen!!!

Dafi

(Übermut tut nie gut)
 
Zum Kinnbügel:
Der Bügel muss einen Abstand zum Kinn haben. Der Kinnbügel bildet eine Art Knautschzone vor Deinem Kiefer. Läge es auf, würde die Energie nur weitergeleitet in Deine Fresse und das ist wohl nicht Sinn und Zweck. Der Helm wird nicht nach schräg hinten geschoben, wenn der Verschluß ordnungsgemäß geschlossen ist.
Zur Aussenhaut:
Die kann eigentlich nur den Schaumkern schützen. Energie nimmt diese dünne Schicht nicht wirklich auf.
Energie:
Bei Verformung als auch bei Bruch wird Energie vernichtet siehe Knautschzone beim normalen PKW (Verformung) siehe Knautschzone Formel1 (Bruch). Das der Helm bricht hängt wohl damit zusammen das der Schaum nur eine gewisse Verformung zulässt und irgendwann halt bricht.

Übrigens: http://www.casco-helme.de

und hoffen wir mal das wir unsere Helmchen nie wirklich brauchen werden!

Ride On!
 
das ganze bestätigt mich weiter mein Motorrad Braincap aufzusetzen (allerdings nur wenn ichs für nötig halte), Belüftung ist zwar =0 aber harte Aussenschale und Innendämpfung. Da fällt nichts auseinander und das mattschwarz gefällt mir besser als so ein Papageiensterz.
 
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