Auf FB haben wir heute ein paar Gedanken - man könnte auch Sagen ein paar Worte zum Sonntag - gepostet, die wir auch denjenigen, die nicht auf FB unterwegs sind, nicht vorenthalten wollen:
Verbote und Einschränkungen - Sind die Mountainbiker wirklich selbst schuld?
Es gibt kaum eine Diskussionen über Wegesperrungen und weiträumige Verbote des Befahrens mit Fahrrädern (Mountainbikes), in der nicht früher oder später die Auffassung vertreten wird, die Mountainbiker seien daran doch selbst schuld und hätten dies durch ihr Fehlverhalten selbst provoziert. Aber ist das wirklich so? Kann und darf man so Verbote begründen?
Wenn in derartigen Diskussionen von "die" oder "den" Mountainbiker/n die Rede ist, so wird damit unterschwellig die Behauptung aufgestellt, dass dies auf alle Mountainbiker zuträfe. Wie belastbar solche Aussagen sind, zeigte sich erst letztes Jahr in Hessen, als in der Gesetzesbegründung von Problemen und Konflikten mit Mountainbikern die Rede war und dann eingeräumt werden musste, dass es diese auf 99% der Waldwege gar nicht gibt. Auch in Bezug auf den diskriminierenden Wegeplan im Siebengebirge, der Mountainbiker weitestgehend aussperrt, haben wir schon solche Behauptungen gelesen. Mit der Wirklichkeit, wie sie z. B. in wissenschaftlichen Studien belegt wird, haben solche Behauptungen allerdings wenig zu tun. Denn wie sonst sollte man solche Erkenntnisse werten:
"Wie die vorliegende Untersuchung jedoch zeigt, halten sich, trotz der relativ hohen Frequentierung zu Stoßzeiten am Wochenende und an Feiertagen, die Belastungen und Konflikte im Siebengebirge in Grenzen. .... Insgesamt hat die Befragung aber gezeigt, dass im Siebengebirge nur wenige Konflikte zwischen Wanderern und Mountainbikern vorhanden sind. Die Mehrzahl der Befragten nimmt auf die andere Gruppe Rücksicht." (Universität zu Köln, Geographisches Institut, Geländepraktikum "Natursportarten und Ökologie, Ergebnisbericht, S. 59)
Da kommt man nicht nur ins Staunen, sondern auch ins Grübeln und fragt sich bei einem derartigen Befund, was denn die wahren Motive sind? Wir wollen diese Fragen diesem Beitrag nicht weiter vertiefen. Aber wir wollen aufzeigen, welche Dimension Verbote und Beschränkungen haben, die einer sachlichen Grundlage entbehren und warum wir uns dagegen zur Wehr setzen müssen.
Häufig beschuldigen wir uns sogar selbst, in dem wir einzelnen schwarzen Schafen in unseren Reihen die Schuld an Verboten zuweisen. So schreibt ein Leser in der aktuelle Bike (04/2013) zum Wegeplan im Siebengebirge:
"Einen sicherlich nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung tragen einige wenige Hardcore-Mountainbike, welche sich mit rüpelhaften Manieren bei Wandersleuten äußerst unbeliebt machen, die dann wiederum ihre Kontakte zur Politik ... nutzen und uns unser Hobby erfolgreich vermiesen."
Auch in Mountainbikeforen und FB finden wir solche oder ähnliche Aussagen aus unseren eigenen Reihen. Aber stellt Euch einmal folgende einfache Kontrollfrage: Ist schon mal jemand auf den Gedanken gekommen, einzelne Straßen oder generell alle Straßen großräumig für den Autoverkehr und alle Autofahrer zu sperren, nur weil manche Autofahrer die Straßenverkehrsregelungen nicht einhalten? Nein, aber sicherlich werden jetzt manche sagen, dass das der ADAC als einflussreiche Organisation schon verhindern würde. Aber es geht hier nicht alleine um Einfluss und Macht, sondern auch um Recht und Wahrung rechtsstaatlicher Grundlagen.
Das Verwaltungsgericht Münster (Urteil vom 19.09.2005, 7 K 1509/02 - Wegedefinition) äußerte sich zu einer Wegesperrung einmal wie folgt:
Gelegentliche MIßbrauchsfälle rechtfertigen es nicht, ..... die Betretungs- und Befahrensrechte gänzlich auszuschließen."
Diese zunächst banal klingende, Aussage eines Gerichts ist von großer Bedeutung und basiert auf den elementarsten rechtsstaatlichen Grundpfeilern des Grundgesetzes. In einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat haben Beliebigkeit und Willkür keinen Platz und verstoßen gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes. Es ist verfassungsrechtlich schlicht nicht haltbar, alle Mountainbiker für das Fehlverhalten weniger zu bestrafen und in ihren Rechten zu beschneiden, geschweige denn Verbote derart zu begründen. Derartige Denkmuster und Begründungen belegen nicht nur ein seltsames Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, sondern führen auch zu verfassungswidrigen Ergebnissen.
Verbote und Einschränkungen von Rechten stellen den gravierendsten Eingriff in die Freiheitsrechte von Bürgern dar. Das Grundgesetz setzt daher für solche Maßnahmen hohe Hürden. Der ungeschriebene Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit (auch Übermaßverbot genannt) ist dabei von elementarster Bedeutung und durch Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 für die gesamte Staatsgewalt unmittelbar verbindlich. Aber worum geht es bei diesem Grundsatz?
Eine in Rechte eingreifende und/oder diese beschränkende Maßnahme muss zunächst einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgen und sich an diesem Zweck messen lassen sowie darüber hinaus auch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dazu ein paar Beispiele:
Mit dem ersten Entwurf des Hessischen Waldgesetzes wollte man eine leichter handhabbare gesetzliche Grundlage für das Verbot des Radfahrens abseits von festen Wegen schaffen (legitimer öffentlicher Zweck). Dies wollte man durch eine faktische Wegbreitenregelung erreichen. Wir haben in diversen Stellungnahmen deutlich gemacht, dass man das Radfahren abseits von Wegen nicht mit einem Verbot des Befahrens von schmalen Wegen erreichen kann. Ein solches Verbot hätte daher trotz des legitimen öffentlichen Zwecks gegen das Merkmal der Geeignetheit verstoßen, das eine Kausalität zwischen Zweck und Maßnahme verlangt.
In manchen lokal begrenzten Gebieten, wie z. B. am Feldberg im Taunus, herrscht an manchen Tagen ein hoher Besucherandrang. Wir alle kennen diese Tage, z. B. Wochenenden und Feiertagen mit schönem Wetter oder anlässlich von Veranstaltungen. Und wir sperren uns auch gar nicht, gegen erforderliche Regelungen. Aber leider wird das Kind häufig mit dem Bade ausgeschüttet und das Merkmal der Erforderlichkeit nicht beachtet. Dieses besagt, dass kein milderes Mittel zur Verfügung stehen darf, mit dem in gleicher oder sogar besserer Weise derselbe Zweck erreicht werden kann. Was bedeutet das konkret? Wenn man z. B. nur an ganz wenigen oder ganz bestimmten Tagen ein Problem lösen muss/will, dann kann man nicht einfach so Verbote für "alle" Tage erlassen, denn mit temporären Verboten hätte man ein milderes Mittel zur Verfügung, ganz abgesehen davon, dass für temporäre Verbote alle Landesgesetze auch Rechtsgrundlagen bieten. Aber auch wenn man nur auf bestimmten Wegen oder an bestimmten Stellen ein Problem hat, dann kann ebenfalls nicht so einfach das Mittel des Verbots aus der Jacke ziehen. Vielmehr muss man auch hier sorgfältig untersuchen, was denn die Ursachen des Problems sind und ob man dieses nicht anders, nämlich ohne Verbote, lösen kann und man muss dann das dann auch tun. Verbote können immer nur die ultima ratio in einem freiheitlichen Rechtsstaat sein.
Verbot und Einschränkungen von Rechten müssen Angemessen sein. Wir sprechen hier von der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dem dritten Merkmal des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Gemeint ist damit, dass die Nachteile der Maßnahme (also z. B. ein Verbot oder eine Einschränkung) nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen darf. Auch hier zeigt das Beispiel des ersten Entwurfs des Hessischen Waldgesetzes sehr schön, wie man gegen diesen Grundsatz verstoßen kann, wenn man es sich zu einfach macht. Obwohl nach offizieller Aussage auf 99% aller Waldwege gar keine Konflikte existierten, wollte man 75% aller Waldwege für Radfahrer sperren - von Verhältnismäßigkeit keine Spur! Auch dies haben wir in mehreren Stellungnahme hervorgehoben und damit letztlich auch Gehör gefunden.
Viele uns bekannten Verbote und Einschränkungen hätten bei genauerer Beachtung dieses ungeschriebenen Verfassungsgrundsatzes nie verhängt werden dürfen.
Aber die Rechtsstaatlichkeit von Verboten und Einschränkungen hat noch weitere Facetten. Immer wieder stellen wir fest, dass Verbote und Einschränkungen faktisch gar nicht kontrolliert und durchgesetzt werden bzw. auch gar nicht kontrolliert und durchgesetzt werden können. Dass in solchen Konstellationen eine dann doch einmal durchgeführte Kontrolle und daran anknüpfende Sanktionen (Verwarnung- und Bußgelder) von den Betroffenen als willkürlich angesehen werden, ist dabei wenig verwunderlich. Aber bei genauerer Betrachtung muss man auch aus verfassungsrechtlicher Sicht darüber nachdenken, ob solche nicht kontrollierbaren und nicht durchsetzbaren Verbote und Einschränkungen nicht sogar verfassungswidrig sind. Das Bundesverfassungsgericht spricht in solchen Fällen von einem strukturellen Vollzugsdefizit. Auch dies kann zu einer Verfassungswidrigkeit von Verboten führen.
Mancherorts wird sogar bewusst von Kontrollen und der Rechtsdurchsetzung abgesehen und die Nichteinhaltung der verhängten Verbote toleriert. Teilweise wird sogar öffentlich im Zusammenhang mit der Verhängung von Verboten kommuniziert, dass man diese gar nicht kontrollieren und durchsetzen wolle, und in dem Kontext darauf verwiesen, dass es die Mountainbiker durch "ihr Verhalten" selbst in der Hand hätten, ob man die Nichteinhaltung der verhängten Verbote weiter tolerieren würde, sie also quasi "auf Bewährung" weiter auf den Wegen fahren lassen würde. Abgesehen davon, dass Bewährungsstrafen nur gegen einzelne Personen im Strafrecht und auch dort nur durch ein Gericht verhängt werden können (richtigerweise müsste man von der Aussetzung einer Strafe zur Bewährung sprechen), so kann man sich als Jurist bei derartigen Aussagen nur noch wundern. Eine ganze gesellschaftliche Gruppe in Sippenhaft für das Verhalten Einzelner nehmen zu wollen, kann man nur als Rückfall in mittelalterliche Denkmuster bezeichnen. Und wer dann noch etwas genauer recherchiert, kann auch durchaus Bezüge zu den Denkweisen totalitärer Regime finden. In einem Rechtsstaat jedenfalls haben solche Denkmuster und "Praktiken" nichts zu suchen.
Lange Rede - Danke für's Durchhalten - Kurzer Sinn: In einem Rechtsstaat haben sich Verbote und Einschränkungen an rechtsstaatlichen Grundsätzen zu orientieren. Tun sie das nicht und verstoßen gegen rechtsstaatliche Grundsätze, so können sie auf dem Rechtsweg angegangen und aus der Welt geschafft werden. Wenn einzelne schwarze Schafe den Anlass und die Begründung für Verbote geben sollen, so scheint dies nur auf den ersten Blick nachvollziehbar zu sein. Einer näheren rechtlichen Betrachtung hält das nicht stand und wir sollten uns gut überlegen, ob wir selbst auf solche Begründungen reinfallen und uns mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zerfleischen.
Als Mountainbiker haben wir uns an Recht und Gesetz zu halten und auch die Rechte anderer Besucher und Nutzer der Natur und des Waldes zu achten. Gleichermaßen können wir aber auch erwarten und müssen uns notfalls auch dafür engagieren, dass unsere Rechte geachtet werden und man sich bei Verboten und Sperrungen an Recht und Gesetz hält. In Hessen ist uns dies im Rahmen eines nicht immer einfachen und häufig auch hohe Wellen schlagenden Prozesses gelungen und wir werden nach dem Stand der Dinge ein Waldgesetz bekommen, das nicht einseitig diskriminiert, sondern gegenseitigen Respekt und gegenseitige Rücksichtnahme in den Vordergrund stellt und in diesem Sinne bundesweit eine Vorbildfunktion einnehmen wird. Dass das gelungen ist, basiert aber nicht alleine auf unserer Kampagne gegen das Waldgesetz, sondern auch auf einem Richtungswechsel in der Politik, die unsere Kritik konstruktiv aufgenommen hat, sowie nicht zuletzt auf vielfältigen Dialogen, z. B. im Rahmen der Runden Tische, zwischen allen Interessensgruppen, die sich angenähert und nicht mehr übereinander, sondern miteinander geredet haben. Es konnten Vorurteile und Mißverständnisse auf allen Seiten, sowohl bei Mountainbikern als auch z. B. bei Waldbesitzern, im Dialog bereinigt und beseitigt werden. Und davon werden alle Beteiligten in der Zukunft profitieren, wenn wir diesen Weg weiter gehen.
Aber nur alleine mit Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit in Gesetzgebungsverfahren und Runden Tischen alleine, werden wir nicht alle Probleme lösen und nicht alle rechtswidrigen Verbote verhindern oder beseitigen können. Dazu bedarf es mehr. Es bedarf sachkundiger und kritischer Mountainbiker im ganzen Land, die Verbote aufnehmen und kritisch hinterfragen sowie zeigen, dass wir rechtswidrige Verbote nicht einfach hinnehmen. Und es bedarf einer starken Interessensvertretung, die Verbote notfalls auch vor Gericht bringt und überprüfen lässt. Und um zukünftig verstärkt für Eure Rechte auch vor Gericht streiten zu können, werden mehr finanzielle Mittel - Streiten kostet nicht zur Zeit, sondern auch Geld - aufzubringen sein. Wir machen uns darüber schon Gedanken und werden vielleicht schon zur Jahreshauptversammlung am 06. April in Fulda (Hessen) dazu erste konkrete Vorschläge unterbreiten.