Kettenblatt selbst gemacht

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Servus,

ich möchte meine Erfahrungen mit dem Selbstbau von einem Kettenblatt schildern.

Angefangen hat es, daß ich im April ein neues Bike bekommen habe (Propain Tyee CF). Propain bietet zwar viele Auswahlmöglichkeiten, aber keine 2x10 oder 2x11 Schaltung an, obwohl der Rahmen dafür geeignet wäre. Also habe ich die 1x11 Shimano XT gewählt. Wie befürchtet, die Bandbreite war einfach zu gering für mich. Als erste Maßnahme habe ich das original Shimano 32er Kettenblatt durch ein ovales 32er von BlackSeries genommen. Und das war für mich ein ganz schönes Aha-Erlebnis, mit dem ovalen Kettenblatt habe ich einen deutlich runderen Tritt. Nachdem dadurch aber die Bandbreite immer noch nicht größer wird, habe ich als schnellste und billigste Maßnahme ein 26er Kettenblatt von Shimano ergänzt (die Kurbel ist sowieso eine 2-fach). "Geschaltet" wird mit der Hand. So hatte ich ausreichend Bandbreite. Bei einer größeren Aktion in den Alpen hat sich dann rausgestellt, daß ich noch einen etwas kleineren Gang brauchen könnte, und vor allem, daß das Shimano Kettenblatt rund ist und sich nicht so schön rund tritt wie ein ovales. Also sollte ein ovales 24er Kettenblatt rein. So was habe ich aber nirgends gefunden. Also ist nur selberbauen in Frage gekommen.

Als Konstruktion wollte ich ein gelasertes Stahlblech nehmen, also komplett "2D". Die Zähne sollten dann per Feile angespitzt werden. Gelasert deswegen, weil es wesentlich einfacher und billiger wie fräsen ist.

Die Wahl für ein CAD-Programm ist auf FreeCAD gefallen: Kostenlos, viele Möglichkeiten, und etliche Anleitungen auf YouTube.

Kenntnisse über Kettenzahnräder habe ich auch keine gehabt. Im Netz bin ich dann auf http://www.iwis.de/uploads/tx_sbdownloader/KettenHandbuch_D.pdf gestoßen, auf den Seiten 16 und 17 werden die nötigen Begriffe und Dimenionierungen erklärt. Vielen Dank an den Herausgeber! Die Abmessungen von Fahrradketten waren auf Wikipedia zu finden, die der Ovalität habe ich der von AbsoluteBlack angelehnt.

Die Kenndaten habe ich also auf diese Größen gelegt:
2 mm Blech
24 Zähne
Ovalität +- 1,5 Zähne
"Timing" 110°

Den Lochkreis habe ich mir "zusammengeschwindelt" mit dem vorhandenen 32er Kettenblatt, dem Lochkreisdurchmesser und Bildern bei Onlineversendern (nicht vergessen: Ist ein rechteckiges Lochmuster, kein quadratisches).
 
Der nächste Schritt war dann die Konstruktion vom Kettenblatt in FreeCAD. Besser gesagt, erst mal überhaupt eine Ahnung von der Bedienung und Konstruktion zu bekommen. Nach vielen Stunden mit YouTube, probieren, wieder von vorne anfangen usw. war dann die Zeichnung fertig:
Unbenannt.PNG


Danach habe ich dann eine Firma gefunden, die solche Kleinstmengen für private Aufträge auch macht, und auch hier in der Nähe war. Ein paar Tage später konnte ich dann mein Kettenblatt abholen:
IMG_3328_k.JPG
 

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Danach ist es mit Zähne anspitzen weitergegangen. Nach dem Feilen und etwas die Kanten glätten hat es dann so ausgesehen:
IMG_3329_k.JPG


Spannend war dann noch die Montage. Bisher waren ja die Abmessungen vom Lochkreis nur theoretisch. Aber wie schön, es hat alles perfekt reingepaßt. Zufällig hat das originale Kettenblatt von Shimano auch für die Schrauben 2 mm Dicke, so daß ich hier keine Unterlegscheiben gebraucht habe.

IMG_3332_k.JPG


Beim ersten Test im Keller hat alles erst mal schön funktioniert. Die Kette wird auch beim Schräglauf sauber genommen, sie sitzt genauso streng wie im Originalkettenblatt. Nur ist es etwas lauter wie beim Original.
 

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So, jetzt ist es also fertig, und inzwischen auch ausführlich am Gardasee getestet. Die Geräuschentwicklung ist tatsächlich etwas größer als normal, aber wenn man es nicht weiß, merkt man es nicht. Die Kette hat auch gehalten, bisher keine Defekte. Und als Härtetest waren einige wirklich heftige Anstiege dabei, teilweise länger zwischen 15 und 20 % . Und da habe ich die 24 Zähne und vor allem die Ovalität sehr gut brauchen können. Die Parameter mit 110° Timing und +- 1,5 Zähne hat sich sehr gut bei mir bewährt. Insgesamt also ein voller Erfolg!

Die Dauerhaltbarkeit kann ich natürlich nicht abschätzen. Das betrifft das Kettenblatt selbst, wie es verschleißt, aber auch, was die Kette damit macht. In ein paar Monaten werde ich es wissen.
 
Lochkreis ist der Shimano XT M8000 mit 64 mm Durchmesser.
Preis liegt so bei ca. 77 €. Find ich fair, für ein Einzelstück in Stahl. Alu haben die nicht vorrätig gehabt, wäre aber teurer geworden (die Aussage habe ich von einer Firma bekommen, die es hätten machen können, aber nicht an Private liefern).
 
Wundert mich das Alu teurer sein soll, was ich so bisher hörte soll es genau andersrum sein. Vielleicht aufs fräsen bezogen.
Stahlblätter werden afaik ja auch meist gestanzt.
Fällt die Kette auch nicht herunter?
 
Nö, die Kette ist mir bisher nicht runtergefallen, auch dann, wenn das Schaltwerk auf "off" steht. Die Zähne habe ich "extra lang" gemacht, länger als sonst üblich. Der Vergleich ist aber nicht ganz fair, weil das kleine Kettenblatt ein reines "bergauf"-Blatt ist. Bergab im Gerümpel ist die Kette auf dem 32er BlackSeries, Schaltwerk "on". Ich hab nur ein mal Scherereien gehabt, da waren sämtliche Zähne voll mit Laub, und die Kette hat's irgendwann mit raufgezogen. Aber das kann wahrscheinlich mit jedem Kettenblatt passieren.

Das Alu ist wohl beim Rohmaterial teurer als vergleichbarer Stahl. Beim Fräsen könnte das Alu billiger sein, das meistens verwendete 7075 T6 soll sehr gut fräsbar sein. Nachdem meins nur gelasert ist, ist die Preisgestaltung sowieso anders.
 
Servus,

Bin auf der Suche nach Ovalen Kettenblättern für meine 2x11 GRX Schaltgruppe... Finde leider nicht das richtige im Netz aber wenn sich vielleicht noch ein paar Gleichgesinnte finden würde ich eine kleine Serie auflegen und die Blätter selber fräsen :)
 
Wundert mich das Alu teurer sein soll, was ich so bisher hörte soll es genau andersrum sein. Vielleicht aufs fräsen bezogen.
Stahlblätter werden afaik ja auch meist gestanzt.
Fällt die Kette auch nicht herunter?
Liegt daran das Aluminum schon in der Herstellung wesentlich teuerer ist allein der Energieverbrauch ist im gegensatz zu Stahl immens.
 
Das ist aber ein alter Thread.
Der Preis vom Rohmaterial dürfte kaum eine Rolle spielen.
Bei Stahl bräuchte man erstmal eine sehr teure Form, die kann sich nur so eine große Firma wie SRAM oder Shimano leisten. Dann sind die Stückpreise aber sehr günstig.
Bei fräsen von Stahl wirds wohl auch teuer.
 
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