Bin jetzt gerade auf diesen Thread gestossen und hab solange gelesen, bis ich gemerkt habe, dass der Kaffee kalt wurde
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Zu mir: Ich heisse Hubert und bin 41 Jahre alt, die meiste Zeit davon Konsumverweigerer. Zum Fahrradfahren bin ich eigentlich erst vor drei Jahren gekommen, da hab ich mir ein 26"-Alu-HT beim Discounter im Netz gekauft.
Shimano Acera 3x7, mechanische Scheibenbremsen, SR-Suntour-Federgabel. Soweit, so schlecht, hab ich aber so erstmal gar nicht bemerkt, bin nämlich einfach damit gefahren und hab mich gefreut, dass die Fitness zu- und die Fettness abnahm. Dann hab ich mit besagtem Rad ein Jahr an der norwegischen Westküste zugebracht. Weil dort die Luft naturgemäss salzhaltiger ist als auf der Schwäbischen Alb bekam ich täglich einen Exkurs in Korrosionsgeschwindigkeit diverser Fahrradteile. Geht gar nicht. Absolut nicht. Rostige Nippel und Schrauben? Nein danke. Sogar das Alu-Ritzel an der Kassette hat geblüht. Nix wie wieder weg da (wenn auch aus anderen Gründen). Hier zuhause, dort wo es am schönsten ist, hab ich mir überlegt, ob ich wieder meienr alten Leidenschaft, den Motorrädern nachgehen soll, aber komischerweise, trotz über 25 Jahren Erfahrung und mehr als einer Mio. Kilometern darauf, find ich keinen richtigen Zugang mehr dazu. Also ein gescheites Fahrrad muss her, den Aluklotz hab ich einem meiner Söhne vermacht, der aus dem 20"-Kinder-Fully rausgewachsen war. Nun, neu und komplett kaufen? Hei, ich ahb nen Hang zu feiner Technik, bis man was von der Stange hat, das diesen Anspruch halbwegs erfüllt leg ich mal mindestens vier Riesen an. Will ich nicht und mein angetrauter Widerspruch hätte auch gemeutert. Also selbst bauen. Im Bewusstsein dessen, dass egal, was ich mir bei meinem selbstgesteckten Budget von max. 1500 € zusammenschrauben werde, das Fahrrad sicherlich mehr drauf haben wird als ich (also aus fahrtechnischer Sicht natürlich), bin ich ans Werk gegangen. Ich hatte in meiner Motorradzeit immer schon mit dicken 70er-Jahre-Moppeds mit zeitgemässer Fahrwerkstechnik geliebäugelt, das wollte ich irgebndwie an das Thema Mountainbike adaptieren. Ein Rahmen war schnell gefunden, ein Rotwild RCC-03 mit defektem SID-Dual-Air-Dämpfer wechselte für nen schmalen Taler den Besitzer. Den Dämpfer hab ich nicht etwa in die Tonne gekloppt, sondern mittels Repsatz für 6,95€ wieder dicht und funktionsfähig gemacht. Gabel? Na, auch was zeitgenössisches, aber sollte für damals schon in Richtung heisser Schaizz der Saison gehen. Also eine
Magura O24U gefunden und gekauft, für etwa ein Zehntel des Neupreises. Schön leicht, weil luftgedert und, wichtig wegen des Rahmens, mit Cantisockeln. Die Bremse, auch gebraucht gekauft, ist eine HS33 Quicksilver geworden. Tja, und nun gehts mit den Neuteilen los.
Shimano XT M8000-Gruppe, 1x11, vorne 32 Zähne, hinten 11-46. Laufradsatz aus
Shimano-XT-Naben mit
Mavic XC717-
Felgen, verbunden durch DT-Swiss-Double-Taper-Speichen. Schön leicht und sprengt kein Loch ins Budget.
Reifen Conti X-King. Den Lenker beim Fahrradhändler ausprobiert, liegt gut in der Hand und wiegt nicht zuviel. Preisschild hat auch gepasst, also mit kurzem Vorbau angeschraubt.
Sattel und Pedale hatte ich noch rumliegen, dran damit, fertig.
Erste Ausfahrt. Traumhaft zu fahren, trotz "antiquiierter" Technik das beste Fahrrad, das ich mir vorstellen kann. Schö n leicht (die Waage bleibt bei 12,7 kg stehen), ergonomisch ein Glückstreffer und dank der Tatsache, dass es ein Fully ist auch durchaus schnell und bequem durchs Geläuf zu knüppeln, wobei ich die krassen Downhill- und Enduroarien den Jüngeren überlasse. Tja. jetzt habe ich ein Bike, das damals, als ich Mitte zwanzig war, schon fast im High-End-Bereich angesiedelt ist und ich mich trotzdem nicht finanziell dafür verausgabt habe. Es sind edle Komponenten verbaut, ganz wie ich es liebe (die
Shimano XT M8000 ist ein Traum in Sachen Schaltbarkeit). Nix kracht, nix klappert, nix rostet dämlich in der Gegend rum. Die Bremse ein Traum. Ich bin damit zwar keinen Deut schneller als mit dem Alu-HT vom Discounter (naja, da wo es schnell runter geht vielleicht schon, wegen besserer Traktion), ich bin wegen dieses Rades auch kein besserer Mensch geworden. Wär aber mit einem Edelbike von der Stange genausowenig der Fall gewesen.
Quintessenz daraus: Man muss nicht dem letzten Schrei hinterherhecheln und die sauer verdienten Moneten der Industrie schubkarrenweise in den gierigen Hals werfen, auch vermeintlich altes Material kann sehr ansprechend sein. Ich brauch auch kein 27,5, 650B oder 29"-Gedöns, macht mich nicht schneller und nicht hübscher, reicher schon gar nicht. Ich fahr damit in Jeans und Turnschuhen, allzu figurbetont steht mir (noch) nicht. Ich hab Spass damit und freu mich insgeheim, trotzdem was ganz edles zu fahren, das mein Budget nicht gesprengt hatte (eigentlich wurde es sogar sehr deutlich unterschritten). Und die ach so überholten 26-Zöller? Ja, die sind rund, leicht und halten dank guter
Reifen einwandfrei die Spur, egal ob on- oder offroad. Und vor allem sind sie wesentlich preiswerter als angesagte Grössen.