Ein Samstag im Oktober in Deutschland: knapp 10°C, die Wolken hängen tief und grau, ab und zu geht ein Schauer nieder, Matsch bedeckt die Wege und prasselt vom rotierenden Reifen an die Steckschutzbleche, nasser Sand knirscht zwischen den Kettengliedern. Was einmalig ein toller Spaß sein kann, wird auf Dauer nervig. Das Bike bleibt immer häufiger im Keller stehen und die Motivation sinkt noch ein Etage tiefer. Was man gegen die aufkeimende Winterdepression tun kann? Kann ein Kurztrip in den warmen Süden Wunder bewirken? Kurzfristig jedenfalls – egal ob als willkommene Abwechslung von winterdeutscher Kälte oder als Trainingswoche zum Formaufbau.

Obwohl sie mehr als halb so groß ist wie die Schweiz führt die italienische Insel Sardinien ein Schattendasein im Vergleich zu den etablierten Winterreisezielen wie Südspanien, Kanaren, Mallorca oder Sizilien. Und das vollkommen zu unrecht. Die zweitgrößte Mittelmeerinsel besticht neben ihren klimatischen Begünstigungen durch aufregende Landschaften, eine jahrtausende alte Geschichte, fast vollkommen fehlenden Massentourismus und die traditionelle Lebensweise und Gastfreundschaft der Sarden. Das einsame Hinterland und abgelegene Sandstrände laden zu Entdeckungsfahrten mit dem Mountainbike ein, ein weit verzweigtes Netz kaum befahrener Straßen verschaffen den Rennradfahrern wahre Glücksgefühle. Nicht umsonst absolviert die Nationalequipe Italiens ihr Wintertraining auf diesem mit 300 Sonnentagen pro Jahr verwöhnten Eiland.

Der Geländeradsport steckt auf Sardinien noch in den Kinderschuhen. Und das, obwohl die Insel mit ihren abwechslungsreichen Relief alle nur erdenklichen Möglichkeiten bietet – von touristischen Fahrten entlang der hügligen Küste bis hin zu konditionell sehr schweren Biketouren im Inland. Die mittelgebirgsartigen Granitfelslandschaften im Norden und Kalksteinlandschaften im Süden der Insel steigen bis auf über 1800m Höhe an, an fast jedem Punkt der Insel kann man problemlos von der Küste weg hunderte Höhenmeter landeinwärts bergan – oder hinab – kurbeln. Die dichte, strauchartige Vegetation, in der die Myrte ihren unverwechselbaren Duft verbreitet, wechselt sich unversehens mit offenen Kork- und Steineichenwäldern ab.

So verschieden die Landschaften sind, so verschieden waren an dem verlängerten Wochenende unsere Biketouren. Am Samstag haben wir das bergige Landesinnere erkundigt. Zunächst pedalierten wir auf engen Straßen aufwärts. In den Dörfchen Luogosanto machten wir bei den Eltern unseres sardischen Guides Halt und naschten Granatäpfel vom Baum. Auf Schotterwegen ging es weiter bergan bis auf eine Höhe von 700m. Im Hinterland verließen wir die öffentlichen Wege und nahmen schmalere Pfade unter die Stollen, immerwährend dem Auf und Ab der Landschaft zwischen den Granitfelsen folgend. Mehr als auf die ausgewaschenen Rinnen des Pfades muss man allerdings auf hektisch fliehende Wildschweine oder störrisch im Weg sitzende Schildkröten achten.

Ein Problem, wenn man sich mit dem Bike auf Sardinien fortbewegt ist der hohe Anteil privater Ländereien und Wege. Ohne Vorkenntnisse oder Beziehungen zu den Menschen vor Ort sind einem so etliche Möglichkeiten wortwörtlich versperrt. Ich kann jetzt nur von meinen Erfahrungen in der nördlichen Provinz Gallura sprechen, aber dort ist es ratsam, seine ersten Touren zusammen mit lokalen Bike-Guides (z.B. vom BikePointGallura, siehe Infobox) zu unternehmen.

Die zweite Tour am Sonntag führte uns auf die Insel La Maddalena an der Costa Smeralda. Durch ein weites Tal gelangten wir von unsrem Gasthaus zur türkis-schimmernden Küste. Eine Fährüberfahrt und ein paar Kilometer mit dem Rad später fanden wir uns an einem einsamen Strand wieder. Der Herbst auf Sardinien hat zwar den Nachteil, dass die Wassertemperatur ‚nur’ um die 20°C beträgt, dafür hat man die Strände und Buchten aber auch fast für sich alleine. Nachdem wir mit der Fähre wieder auf die Hauptinsel übergesetzt hatten, wählten die meisten die Option mit dem Transporter zurückzufahren. Nur Henri, Sebastian und ich nutzen die 12km Rückweg um den heimlichen Streckenrekord der local guides zu brechen. Und auch dieser Biketag endete, wie die anderen, in großer Runde beim ausgiebigen Abendessen, zubereitet von unseren sardischen Gastgebern nach landestypischer Art, und jeder Menge fruchtigem Rotwein.

Sardinien Infobox

Größe: ~ 24.000km²; 250km lang und 120km breit

Beste Reisezeit: ganzjährig außer Januar und Februar

(Starkniederschläge und Unwetter möglich); die Sommermonate

Juli und August sind sehr heiß (Alternative: Surfen!).

Relief: mittelgebirgsähnlich; höchste Erhebung: Punta la Mormora (1834m);

auf der gesamten Insel sind Berge zwischen 500 und über 1000m

Höhe (auch in Küstennähe) zu finden

Kartenmaterial: die Versorgungslage mit Karten ist eher schlecht

Militärkarten sind vorhanden aber sehr schwierig zu bekommen

und veraltet

Kartenreihe für ganz Sardinien „Carta ecoturistica“; Verlag Coldisar

im Maßstab 1:50.000 (www.coldsiar.com); leider sehr wenig

detaillierte, mangelhafte Karten

„Mountainbike-Guide“ für die Provinz Gallura im Norden

Sardiniens, erschienen im Am-Berg-Verlag (www.am-berg-verlag.de)

von Susi Plott und Günter Durner; sehr ausführlicher Guide mit

Mountainbike- und Rennradtourvorschlägen mit Wegbeschreibung,

Höhenprofil und extra Faltblättern zum Mitführen unterwegs

Reisemöglichkeiten:

Flugzeug: Hapag Loydd Express (www.hlx.de) bietet seit

Oktober wöchentlich drei (Do, Fr, Mo) Flugverbindungen

Nach Olbia im Nordosten der Insel an; Abflughäfen sind Stuttgart

und Hannover, eine Verbindung ab Berlin ist in Planung; Preise bei HLX

ab 19,90€ (kontingentiert, inklusive aller Gebühren, Radtransport 25€),

durchschnittlicher Preis ca. 70€ pro Flug

Auto: von Stuttgart nach Genua ca. 1300km; Fährpreise von Genua nach

Olbia (oneway): Auto ca. 80€, pro Person 30-40€

Bahn: von Stuttgart nach Genua ca. 100€ pro Person mit DB

GalluraBikePoint

Der Bike-Stützpunkt in der nordöstlichen Region Gallura ist einer der wenigen Anlaufpunkte für Mountainbikevermietungen und geführte Touren durch das sardisch-deutsche Team auf ganz Sardinien. Die Gallura wartet als eine der schönsten Regionen der Insel mit kilometerlangen Sandstränden, verschiedenster Macchienvegetation zwischen imposanten Granitfelsen und Höhen bis zu 1300m auf. In der Nähe der Hafenstadt Palau und der Inselgruppe La Maddalena am Nordzipfel Sardiniens, inmitten des Surfer- und Kitesurferparadieses, bietet der BikePointGallura das ganze Jahr über Bikevermietung, Reperatur- und Erstazteilservice sowie von den Locals Anja und Alessandro geführte Touren verschiedenster Art an. Das reicht von sportlich-ambitionierten Touren über Familienausflüge mit dem Rad bis hin zu MTB-Touren mit kulturellem Schwerpunkt.

Im BikePoint stehen 40 Mountain- und Trekkingbikes (Einsteigermodelle von Scott und Univega) zum Verleih zur Verfügung, ambitionierteren Bikern rate ich aber ihre eigenen Räder mitzbringen. Ab Mai 2005 bietet der BikePointGallura einen TransSardinia an – eine zehntägige Sardinienüberquerung von Nord nach Süd mit 700km und ca. 15.000hm. Es kann dabei für Gepäcktransport gesorgt werden, übernachtet wird in landestypischen Hotels oder Landgasthöfen.

www.gallurabikepoint.com

Links:

rob

  1. benutzerbild

    Rhinopeak

    dabei seit 10/2001

    Hei,

    klasse Bericht .... einige Ergänzungen zu MTB auf Sardinien gibts auch auf meiner Website:

    http://mtb.kohl-ralf.de/sard2002/index.htm

    Rhinopeak

  2. benutzerbild

    Gallura Bike

    dabei seit 04/2004

    Hallöchen Rob,
    jetzt gibts noch die Angebote zu Bike Wochenenden und Bike-wochen in Kooperation mit www.hlx.com

    alles bei uns
    www.gallurabikepoint.com

    Viele Grueße von der Insel
    Anja

  3. benutzerbild

    regloh

    dabei seit 05/2003

    .. die wahren Schätze liegen im Verborgenen. smilie Der Norden ist leider zunehmens überlaufen smilie . Ich kenne Sardienen jetzt schon seit über zehn Jahren und noch treibt es uns immer wieder mind. einmal ím Jahr auf dieses herrliche Eiland. Da wir zum Glück Mobil und geländetauglich sind haben wir Plätze entdeckt und erkundet, die einmalig sind. Man muss halt viel probieren und das gilt auch fürs Biken. Gerade auf der südlichen Hälfte gibt es noch echte Herausforderungen. Das gilt für Up wie auch für Down. Und passt gut auf die Hunde auf.. die laufen verdammt schnell smilie bleiben dann aber doch auf ihrer Grenze wie von Geisterhand stehen smilie

    Also jedem von euch viel Spaß smilie.

  4. benutzerbild

    rob

    dabei seit 09/2001

    Neuigkeiten vom Gallura-Bikepoint auf Sardinien

    Es tut sich was beim gallurabikepoint auf Sardinien. Die Fahrradstation hat sich 20 brandneue 2005er Stevens-Bikes geleistet. D.h. einer der einstigen Kritikpunkte
    Ausserdem bietet der Bikepiont in Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft HLX ab dieser Saison Komplettreisen an. In dem Preis von 399 oder 450 Euro pro Woche sind der Transfer von und zum Flughafen, 7 Uebernachtungen mit HP, das Mietbike, drei gefuehrte Biketouren u.v.m. inbegriffen.

    Weitere Informationen au den Bikereisen


    gruesse, rob
  5. benutzerbild

    wutzeichhorn

    dabei seit 02/2006

    Guten Tag,
    ein alter Beitrag, den ich da gefunden habe....
    Seit wenigen Jahren gibt es nun "Anleitungen" zum Thema Sardinien:

    http://www.bike-guide-sardinien.de/

    Gruß
    W. Eichhorn

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