Direkt von der Interbike aus Las Vegas – Teil zwei des vor-Ort Berichtes von unserem Klugschweizer Roesli:

Dass die amerikanischen Bikehändler meist selbst begeisterte Biker sind, merke ich am Demoday deutlich. Praktisch alle sind – für Durchschnittsamerikaner ungewöhnlich sportlich schlank und gut trainiert. Den allabendlichen «after work ride» scheinen sie ernst zu nehmen. Am Demoday macht sich das auch dadurch bemerkbar, dass sich die Händler auf die Bikes stürzen wie die hungrige Katzen auf ihr Futter. Positive Folge für die US-Biker: Ihre Händler wissen gut darüber Bescheid, was sie verkaufen. Negative Folge für mich: Viele Neuheiten sind ständig unterwegs, und ich werde für Fotos auf die Indoor-Messe vertröstet.

Es hat aber auch seine Vorteile, dass die meisten der bekannten Bikes unterwegs sind: ich hab etwas mehr Zeit für Nischenprodukte, ein paar gute Gespräche und einige aussergewöhnliche Aktionen der Aussteller. Eine Veranstaltung fällt besonders auf: Mongoose hat einen Pool mit Fallbrett in die Wüste gestellt und ein Bikini-Model drauf gesetzt.

Wer einen Dollar zahlt, kann mit drei Bällen auf den Auslöser des Fallbretts zielen und damit die Schönheit baden schicken. Die Einnahmen aus diesem Spass spendet Mongoose der IMBA für den Bau und die Pflege von Mountainbike Trails. Eher eine ungewöhnliche Aktion in den Augen eines Europäers, aber die Amerikaner haben wenig Berührungsängste mit solchen Spielen, und erst recht nicht, wenn es einem guten Zweck dient.

Viel guter Willen steckt auch in den Produkten von Optibike (www.optibike.com). Die Firma hat es sich nämlich zum Ziel gesetzt, die Amerikaner vom Auto zum Fahrrad zu bringen. Und damit das auch nicht zu anstrengend ist und trotzdem Spass macht, baut die Firma einen starken 850-Watt Tretlagermotor ins Tretlager des Fullsuspesion-Bikes ein. Die Li-Ion Batterie sitzt im Unterrohr und gibt Strom für bis zu 90 Kilometern Reichweite. Ohne zu Treten fährt das Optibike bereits bis zu 32 km/h schnell, und mit Pedalunterstützung schafft man es locker auf mehr als 55 km/h – nix mit lahmer Ente für tretmüde Omas also. Der Spass hat aber auch seinen Preis: Die billgsten Modelle mit etwas weniger leistungsfähigen Motoren und Batterien kostet rund 6000 Dollar, das Topmodell mit feinsten Komponenten und der stärksten Leistung belastet die Brieftasche mit rund 14’000 Dollar. Für das Geld gibt’s aber auch mächtig was auf der Waage: Mit 26.7 Kilogramm Gesamtgewicht ist das Optibike trotz Hilfsmotor und Vollfederung ein zünftiger Brocken.

Fotos vom Optibike:

Ganz auf der andern Seite des Fahrradspektrums arbeitet Rotor Bike Components (www.rotorbike.com). Die spanische Komponentenfirma hat sich auf leichte Teile für Rennräder und Mountainbikes spezialisiert und stellte am Interbike Demo Day erstmals ihre 3D Kurbel für Mountainbikes vor. Auf der Strasse hat sich die neue Fertigungstechnik mit den hohlgebohrten Kurbelarmen bereits während der Tour de France bewährt, nun sollen auch Offroad-Biker von der leichten und steifen Konstruktion profitieren können.

Rotor bietet die Kurbel wahlweise mit einem Spyder für zwei oder drei Kettenblätter an. Ihr Gewicht kann sich sehen lassen: Gerade mal 506 Gramm wiegt die Kurbel mit der Hollowtech II-kompatiblen Achse aus Titan, rund 40 Gramm schwerer ist die steifere Version mit einer Achse aus Stahl. Bei diesen Gewichten sind die Lager und Kettenblätter nicht mit eingerechnet, zusammen mit diesen Teilen aus dem eigenen Haus bringt es das Rotor-Tretlagerset auf ungefähr 750 Gramm in der Dreifach-Ausführung und knapp 720 Gramm für die Zweifach-Kurbelgarnitur.

Feinste Metallarbeit gab es auch bei Rasebike (www.rasebike.com) zu sehen. Die noch junge, im Bikebereich unbekannte Firma hat eine absenkbare Sattelstütze entwickelt. Deren Besonderheit: Sie bietet bis zu 22 Zentimeter Verstellweg und wird mechanisch betätigt. Runter geht’s durch das Fahrergewicht, rauf mit einer starken (und schnellen – Vorsicht mit den Weichteilen!) Feder. Die Stütze arbeitet nicht ganz stufenlos, kann aber in zwanzig feinen Schritten von jeweils rund einem Zentimeter auf die passende Höhe abgesenkt werden. Ein grosser Vorteil ist, dass ein Bike mit der Rasebike-Stütze problemlos am Sattel hochgehoben werden kann, ein anderer, dass es die Stütze auch für das Sitzrohr-Mass 27.2mm gibt. Weiter erhältliche Durchmesser sind 30.0, 30.9 und 31.6 Millimeter. Mit 349 Dollar Verkaufspreis ist die Stütze kein Schnäppchen, dafür wird sie aber auch serienmässig mit einer Lenkerfernbedienung ausgeliefert und verspricht dank ihrer robusten, Bauweise eine zuverlässige Funktion über lange Zeit.

Plötzlich höre ich ein paar Worte Deutsch! Ok, es ist am Stand von Magura, aber zuvor waren da auch nur Amerikaner. Nun haben sie aber Gesellschaft erhalten – zwei Reiseradler sind mit ihren Rädern an den Stand gerollt, und sofort hat sich eine Traube neugieriger Menschen um sie gebildet. Nadine und Martin heissen die Beiden, und sie kommen aus Limburg.

Magura und Vaude unterstützen sie mit Material, und weil sie auf ihrer Weltumradelung grad in den USA ihre Kilometer abspulen, haben sie sich für einen Abstecher an die Interbike entschieden, um ihre Sponsoren bei der Produktepräsentation etwas zu unterstützen. Einen besseren Beweis für die Funktionalität von Bremsen und Taschen als die Tour von Nadine und Martin kann man sich fast nicht vorstellen, denn das Material wurde auf ihrer Reise auf eine harte Probe gestellt: Das Paar startete 2003 von zu Hause aus in Richtung Osten, und seither haben sie über 40 Länder besucht: Russland, Türkei, Ägypten, Iran, Indien, Kambotscha, Austrailen, Chile, Brasilien und Kuba, um nur einige davon zu nennen. Insgesamt kamen so in den letzten sechseinhalb Jahren über 80’000 geradelte Kilometer zusammen, bis zu ihrem nächsten grossen Etappenziel Toronto werden es über 88’000 sein. Dem Sattel an Nadines Bike sieht man diese Strapazen schon ganz gut an…Wer mehr über die eindrückliche Reise von Nadine und Martin erfahren will und auch neugierig ist auf ihre Erfahrungen mit der Ausrüstung, dem sei die Homepage www.weltenbummler2003.de empfohlen.

Kurz vor der Rückkehr nach Las Vegas kam mir doch noch ein interessantes Bike vor die Linse. Spot Brand, einer der ersten Anbieter von Bikes mit dem Gates Carbon Drive, zeigte etwas versteckt am Stand von Gates das erste Fully mit Riemenantrieb anstelle einer Kette. Der Vorteil des carbonverstärkten Zahnriemens aus der Motorradfertigung: Ein extrem direkter, geräuschloser und dreckunempfindlicher Antrieb. Die Herausforderung liegt darin, dass der Antrieb mit seinen 120 Millimetern Federweg komplett neutral arbeiten muss – die Spannung des Riemens muss immer gleich bleiben. Um das zu erreichen, baute Spot das Hauptlager des Hinterbaus direkt um das Tretlager herum. Die Idee ist zwar nicht neu, kann aber am Spot ihr Potenzial voll ausspielen. Dadurch, dass sich der Riemenantrieb sowieso nur mit Nabenschaltungen oder als Singlespeeder verwenden lässt, sind unterschiedliche Übersetzungen an der Kurbel kein Problem. Die Federung kann exakt auf die Übersetzung angepasst werden. Der gezeigte Prototyp war mit einer Singlespeed-Nabe aufgebaut. Laut Spot kann das Bike aber auch problemlos mit einer Schaltung von Rohloff gefahren werden.

Hier findest du alle Berichte zur Interbike 2009

  1. benutzerbild

    Thomas

    dabei seit 09/2000

    Direkt von der Interbike aus Las Vegas - Teil zwei des vor-Ort Berichtes von unserem Klugschweizer Roeslismilieass die amerikanischen Bikehändler meist selbst begeisterte Biker sind, merke ich am Demoday deutlich. Praktisch alle sind – für Durchschni


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  2. benutzerbild

    DaZarter85

    dabei seit 05/2007

    Die Rotorkurbeln sehen echt legger aus....

  3. benutzerbild

    Thomas

    dabei seit 09/2000

    Roesli: hattest du Zeit eine Runde auf dem Optibike zu drehen?

  4. benutzerbild

    safe

    dabei seit 08/2009

    Rotor Kurbeln = SEXXY! Haben wollen.. Zum Glück hab ich bald Geburtstag smilie

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