Sissi Pärsch hat 2009 zum ersten Mal an der CRAFT BIKE Trans Germany teilgenommen – und darüber Blog geführt. 2010 wollte sie gemeinsam mit (und gegen) ihrem Chef und „CRAFT and Friends“-Teammitglied Till Gottbrath antreten. Till musste krankheitsbedingt absagen. Nun kämpft sich Sissi mit geprellten Rippen allein durch die Tour, die sie auch in ihre Oberallgäuer Heimat führen wird.

02. Juni 2010 – Etappe 1: Garmisch Partenkirchen – Lermoos (AT)

Ich bin im Ziel. Durchgeweicht und schockgefrostet. Nach 5.32 h, über 81 km und gut 2100 Hm, hinauf über 1600 m. Ich glaube 99 % des Feldes hat über Aufgabe wegen Erfrierungsgefahr nachgedacht. Mein Gott haben wir gekämpft.

Lahm ist ja nun in diesem WM-Jahr kein Schimpfwort. Im Gegenteil! Lena und Lahm sind derzeit wohl die deutschen Führungspersönlichkeiten schlechthin. Würde ich Lena Lahm heißen, hätte ich das Bundesverdienstkreuz in der Tasche und jubelnde Massen am Wegesrand. Aber ich bin nicht Lena, ich bin Sissi (einst auch nicht schlecht), und nicht lahm, sondern vielleicht nicht arg schnell. Die Zeit ist auch unglaublich relativ nach einem solchen Tag.

Aber vorab: Das CRAFT and Friends Team präsentiert sich in DFB Manier: hochgradig ausfallgefährdet. Teamchef und CRAFT Geschäftsführer Holger hat vergangenes Wochenende mit seiner breiten Brust einen morschen Baumstumpf zerkrümelt… Unsere Teamkollegen Silke und Lars hat ein Virus erwischt, mein Chef ist schwersten Herzens mit einer Erkältung Till raus. Till, Silke, Lars sind nicht Horst. Sie hatten mehr Grund zurückzutreten als Köhler.

Ich habe mich die letzten Wochen gar nicht so auf das Rennen gefreut – und urplötzlich legte sich ein Hebel in mir um und die Vorfreude war da! Ich will dabei sein, weil ich all die Erlebnisse nicht missen mag. Die schönen wie die harten!

Das Rennen: Bei ekligsten Bedingungen geht es vor allem um die Frage der Einkleidung. Ich habe noch nie so viele coole Biker in Regenklamotten gesehen… Du fährst bergauf und schwitzt, von oben prasselt es auf Dich nieder, es geht bergab und pfeift, von unten spritzt es hoch. Wie in der Autowäsche, nur mit Wind und der Dreck wird nicht weggewaschen, er kommt dazu. Mein Gott sahen wir schon nach wenigen Kilometern aus.

Und dennoch kämpft man sich voran und ich war wirklich gut drauf. Ich hatte wieder einmal Spaß, trotz allem, und das lag primär an den netten Leuten um mich! Mental bin ich viel entspannter als letztes Jahr, weil sich bei 1200 Startern immer jemand findet, der neben dir rollt. Bei Kilometer 55 kamen wir dann plötzlich zum Stillstand. Ein Heli-Abtransport blockierte unsere Weiterfahrt. Da rutscht dir erst einmal das Herz aus der geprellten Brust in die nasse Hose, das sag ich Euch. Aber es war wohl nicht so schlimm. Dennoch ist die Stimmung dadurch natürlich etwas erschüttert und durch den Stillstand und den verstärkten Regenguss wurde uns eiskalt. Dann kam die Abfahrt und wir hatten eingefrorene Hände und nicht mehr spürbare Füße. Ich dachte ganz, ganz ernsthaft ans Aufgeben. Und da war ich nicht die Einzige! Du schaust in völlig von Schlamm bedeckte Gesichter mit blauen, bibbernden Lippen. Ich fuhr weiter, weil ich dachte, dass der bevorstehende Anstieg mich wieder aufwärmen könnte. Und das tat er. Die Fitness war heute nicht das Problem. Bei 1900 HM war ich noch rhythmisch am Kurbeln (langsam). Und die Menschen um einen herum kämpfen und motivieren sich gegenseitig!

Nach der ausdauernden Dusche und Wäsche aller verdreckten Klamotten, Überschuhe, Schuhe, Handschuhe etc. – die müssen jetzt nur noch stundenlang gefönt werden – will ich jetzt sofort eine Riesenportion Pasta – und die Wetterprognose für morgen verdrängen.

Wer grüßt wen? Martina aus der Schweiz grüßt ihren Chef und Munkers Martin; Ollie grüßt die wunderschöne Freundin und den Sohn, der vor einem Jahr noch die Größe eines Apfelkerns hatte… (diese News wurden auf der letztjährigen Abschlussparty mit einigen Schnäpsen gefeiert. Ein Prachtbursche!)

Widmung: Ich möchte diese Etappe meinem Team widmen – allen hier und den Kranken daheim. Und dem besten Team der Welt im Büro – I love you guys!

  1. benutzerbild

    Bobbi

    dabei seit 02/2007

    Sind die Teilnehmer eigentlich Vollzeitprofis oder ist das nur Freizeitspaß? Frau Pärsch ist auch gemeint. Bei Freizeitspaß dann regulären Urlaub nehmen? Wie schaut es mit den Risiken für den Arbeitgeber aus? Machen die das so einfach mit?

  2. benutzerbild

    Thomas

    dabei seit 09/2000

    Die meisten sind Hobbyisten - sieh mal hier:
    http://www.mtb-news.de/forum/showthread.php?t=464518

    Natürlich fahren auch einge Profi Teams mit...

    Hier bspw der Bericht vom Team Bulls, der genauso unterkühlt klingt wie Sissis Schilderung:

    Thomas Dietsch und Stefan Sahm in Schlagweite zur Spitze Regen und einstellige Temperaturen machen die erste Etappe zur Qual

    Die vierte Austragung der Trans Germany brachte einige grundsätzliche Veränderungen mit sich. `Nur´ vier anstatt sieben Etappen und eine Streckenführung entlang des nördlichen Randes der Alpen veränderte die Charakteristik des Rennens in erheblichem Maße.

    „Bei anderen Rundfahrten sage ich immer daß das `wirkliche´ Rennen erst in der zweiten Hälfte beginnt. Das wird bei der diesjährigen Trans Germany sicher anders sein. Man muß hier weit weniger Rücksicht auf seine Reserven nehmen als bei einem Etappenrennen über acht Tage, sondern von Anfang an mit Vollgas dabei.“ bringt es Rundfahrt-Spezialist Karl Platt auf den Punkt.
    Auf der ersten Etappe von Garmisch nach Lermoos zeigte sich die TGER von Anbeginn von seiner schwersten Seite. Kurz nach dem Start stand den Profis eine ca. 3km lange und 24% steile Asphalt-Rampe im Weg, bis km 55 führte die Strecke dann weiter kontinuierlich bergauf. Nach einer schnellen Abfahrt, die die Fahrer bei heftigen Regenfällen und Temperaturen, die zeitweise nur knapp über dem Gefrierpunkt lagen, bis an ihre Grenzen
    brachten, folgte der finale Anstieg hinauf zur Tuftlalm. Hier sollte sich das Rennen entscheiden.
    Thomas Dietsch und Stefan Sahm kämpften den ganzen Tag über in einer zehnköpfigen Spitzengruppe, in der unter anderem auch Sauser, Lakata und Käß vertreten waren. Im Berg zur Tuftlalm sprengte Sauser die Gruppe dann mit einer kräftigen Attacke, auch die beiden durchgefrorenen Bulls-Profis hatten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Beine um dem hohen Tempo zu folgen. Sie erreichten die Tuftlalm auf den Positionen acht und neun,
    konnten auf den letzten Kilometern bis ins Ziel nach Lermoos aber wieder einige Positionen gut machen. Sie finishten auf Plätzen sechs (Dietsch) und sieben (Sahm).

    Karl Platt, der im Mai zugunsten seines Aufbaus für die Transalp und die Marathon-WM in St. Wendel eine ausgiebige Pause eingelegt hatte, war erwartungsgemäß noch nicht wieder auf seinem gewohnten Niveau. Dennoch konnte er lange Zeit mit seinen Teamkollegen an der Spitze mitmischen. Im letzten Renndrittel fehlten ihm dann allerdings die Reserven um um die vorderen Positionen kämpfen zu können. Der sechsfache Transalp-Sieger fuhr die Etappe in seinem eigenen Rhythmus zu Ende und überquerte die Ziellinie auf Rang 17.
    Tim Böhme ging gehandicapt von großflächigen Schürfwunden in Folge eines Trainingssturzes am vergangenen Freitag ins Rennen. `Zähne zusammenbeißen und Kämpfen!´ lautete seine Devise. Die erledigte er mit Bravour! Er lag über weite Strecken kurz hinter den Führenden in der ersten Verfolgergruppe, der Anstieg zur Tuftlalm forderte dann auch von ihm die letzten Körner. Böhme fuhr ein konstantes Rennen und beendete die
    Etappe kurz hinter Teamkollege Platt als 19er.
    „Das war sicher einer der schwersten Tage die ich in meiner Karriere als Radprofi erlebt habe. Meine Beine waren nach dem Start sehr gut, ich hatte kein Problem an der Spitze zu fahren. Die Kälte hat mir aber immer mehr Kraft aus dem Körper gesogen. Im letzten Berg mußte ich beide Hände zum Schalten benutzen, die Finger waren einfach zu steif. An den Griff zur Trinkflasche war gar nicht zu mehr denken...“ so ein vor Kälte schlotternder Thomas
    Dietsch im Ziel.

    Stefan Sahm`s Äußerungen klangen nicht viel anders. „Das war wirklich ein verdammt harter Tag. Nach wenigen Kilometern waren wir naß bis auf die Haut und sind trotz Vollgas immer mehr ausgekühlt. Es war mit Sicherheit kein Spaß heute. Dennoch – wir sind ein gutes Rennen gefahren.“ Kämpferisch fügte er hinzu: „Tom und ich liegen in der Gesamtwertung kaum zwei Minuten vom Podium entfernt. Das gesamte Team Bulls wird auf
    den nächsten drei Tagen alles daran setzen daß wir genau dahin kommen.“
  3. benutzerbild

    spinner69

    dabei seit 06/2009

    Wie schaut es mit den Risiken für den Arbeitgeber aus? Machen die das so einfach mit?

    http://www.arag-sport.de/imperia/md/content/pdf/infobroschueren/sportunfaelle.pdf

    Mal ganz abgesehen von den Risiken für einen Arbeitgeber, wenn die Beschäftigten ihren "Erholungsurlaub" für 1-2 wöchige Saufgelage auf Malle oder sonstwo verbraten. Oder Skiurlaub ...
  4. benutzerbild

    SissiSissi

    dabei seit 06/2010

    Merci! Morgen scheint die Sonne!
    Juche!
    Sissi

  5. benutzerbild

    SissiSissi

    dabei seit 06/2010

    weitere Dinge:
    - CRAFT verschenkt und schenkt im Ziel Alkoholfreies Weißbier an die Teilnehmer aus.
    - Ich habe keine Ahnung von Versicherungen.
    - Vorne fahren die Profis, dann gibt es ein wirklich ambitioniertes Mittelfeld - starke Fahrer, und dann gibt es diejenigen, die gerne fahren und das als besonderes Erlebnis erfahren!

    Macht das mal mit, Jungs!

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