Irgendwann muss ihn jeder Mountainbiker im Bezug auf sein Fahrrad eingehen – den Kompromiss zwischen verschiedenen Zielen. Besonders häufig ist es dabei der Konflikt zwischen Uphillperformance und Downhillspaß, den bislang kaum ein Bike wirklich vereinen kann und der doch eigentlich die Kernfrage des Mountainbikes anspricht. Vor wenigen Tagen hat Scott mit dem Genius LT einen weiteren Schritt in Richtung extra viel Federweg aber auch Spaß bergauf unternommen – nun kommt auch von Cannondale ein neues Bike, dass verbinden will, was zusammengehört.

Cannondale Jekyll 2011: im IBC TV ansehen

Das neue Jekyll

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Cannondale Promotion Video mit den Teamfahrern und Peter Denk

Konzept

Auf den ersten Blick werden viele von euch denken, dass das Jekyll auch nur ein weiteres Rad im Bereich der Enduros ist aber offensichtlich hat Cannondale Lösungen für einige Probleme gefunden, die bislang ungelöst gewesen sind. Da Peter Denk auch schon das Scott Genius entwickelt hat, wundert es wenig, dass auch sein neustes Werk um einen besonderen Pull Shock Dämpfer herum konstruiert worden ist. In Zusammenarbeit mit Fox hat Cannondale einen DYAD RT2 genannten Dämpfer entwickelt, der nicht nur den Federweg zwischen 90 und 150 mm verstellen kann und dabei seine Dämpferhärte halbiert, sondern für die beiden verschiedenen Federungseinstellungen auch zwei komplett getrennte, unabhängig voneinander einstellbare Dämpfungskartuschen verwendet. Der Vorteil dieser Konstruktion: Im Gegensatz zum vom Genius bekannten Dämpfer lässt sich die Zugstufe und die Luftkammer auf den jeweiligen Einflussbereich passend abstimmen und die weiche plüsche Abfahrtsdämpfung steht einer straffen Uphillperformance nicht mehr länger im Weg. Dieser Dämpfer kontrolliert einen abgestützten Eingelenkhinterbau, der über Doppellager über dem Ausfallende und 15mm Steckachsen an allen Drehpunkten sowie eine X12 Steckachse verfügt und dadurch eine besonders hohe Steifigkeit bei minimiertem Spiel um die Mittellage bieten soll. Als Innenlager kommt ein BB30 Innenlager zum Einsatz, eine Sram Hammerschmidt kann über die ISCG03 Aufnahme problemlos montiert werden.

Dämpfer

Da der gemeinsam mit Fox entwickelte DYAD RT2 Dämpfer nicht nur Kern des Rahmens ist, sondern auch maßgeblich für die Fahreigenschaften des Bikes, hier eine kleine Erläuterung zur Funktion des gut 500g schweren Bauteils. Der Hauptkolben des Dämpfers mit der Negativluftkammer dient ausschließlich als Ölpumpe, die eine besonders große Ölmenge in die beiden Ausgleichsbehälter schiebt. Über das „Spool Valve“ genannte Ventil zwischen den beiden Behältern wird zwischen den beiden Setups hin- und hergeschaltet. Ebenfalls miteinander verbunden sind die beiden Positivluftkammern der Behälter. In jedem der Piggy Backs sitzt ein SVT Ventil (Stationary Valve Technology), das mit den gewohnten Fox Dämpfungsventilen vergleichbar ist und Zug- und Druckstufe sowie eine leichte Plattformdämpfung bietet.

Im Elevate Mode, der 90mm Federweg bietet und für Uphill und lange Fahrten in flachem Gelände gedacht ist, strömt das Öl vom Hauptzylinder in den größeren der beiden Ausgleichsbehälter und von dort zurück. Dabei findet in der Abfahrtskartusche keinerlei Bewegung statt und es ist auch nur die Hälfte der Positivluftkammer aktiv, wodurch eine straffere, progressivere Kennlinie generiert wird.

Im Full Mode genannten Downhillmodus mit vollem Federweg strömt das Öl hingegen über den kleineren Ausgleichsbehälter in den größeren, ohne jedoch dessen SVT Ventil zu passieren. Dadurch ist es möglich, eine komplett andere Dämpfung zu fahren und gleichzeitig beide Positivluftkammern anzusprechen, wodurch die Kennlinie deutlich linearer wird – Fox verspricht annähernd Stahlfederfeeling! Weitere Eigenschaften des Dämpfers sind eine sehr gute Hitzebeständigkeit durch große Oberfläche und viel Ölvolumen sowie den Fakt, dass alle Dichtungen (vier an der Zahl) nass laufen und dadurch deutlich länger leichtgängig funktionieren sollen. Eine weitere Eigenschaft ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Dämpfer und Kinematik. Dadurch, dass Rahmen und Dämpfer gemeinsam entwickelt worden sind, konnten die Ingenieure auch von Anfang an die Federperformance bearbeiten. Das Ergebnis: Die Kinematik des Hinterbaus arbeitet auf dem letzten Drittel Federweg mit starker Progression. Dadurch wird der Dämpfer schneller komprimiert und reagiert seinerseits mit zusätzlicher Highspeed Druckstufen Dämpfung. Der gleiche Effekt gilt für die Zugstufe, wodurch sich ein solider Durchschlagschutz einstellt und man nach großen Drops nicht vom Dämpfer nach oben katapultiert wird. Der Vorteil dieser Konstruktionsweise ist, dass der Dämpfer selbst dafür nicht progressiv ausgelegt werden muss und im Zusammenspiel aus Dämpfer und Kinematik ein Hinterbau resultiert, der auf den ersten 2/3 des Federwegs linear arbeitet und dann mit größer werdender Progression einem Durchschlagen entgegen wirkt.

Gewicht, Stabilität und Steifigkeit

Obwohl der Rahmen mit 2200g (Größe L, ohne Dämpfer) sehr leicht konstruiert worden ist, soll er auch insgesamt eine herausragende Steifigkeit erreichen. Bei der Carbonversion setzt Cannondale je nach Stelle auf verschiedene Fertigungsverfahren (Tube2Tube, Monocoque, Co-Molding) und versucht so je nach Rahmenteil den bestmöglichen Mix aus Stabilität und Gewicht zu finden. Außerdem werden bei der Fertigung zwei verschiedene Carbonsorten verwendet. Der gesamte Rahmen besteht aus BallisTec Carbon aus der japanischen Rüstungsindustrie, dass eine besonders hohe Wiederstandsfähigkeit haben soll und weniger bruchanfällig sein soll. Im Inneren der Rohre werden dann je nach Bedarf High Modulus Fasern verklebt, die extrem bruchanfällig sind aber eine deutliche Erhöhung der Steifigkeit garantieren sollen. Im Gegensatz zu Rahmen, die ausschließlich aus High Modulus Carbon bestehen, soll so die Dauerhaltbarkeit deutlich verbessert worden sein und gleichzeitig ein sehr gutes Verhältnis aus Gewicht und Steifigkeit erreicht worden sein. Die Aluversionen des Rahmens werden im Mittel etwa 200-250g schwerer sein, als die Carbonpendants und bestehen aus speziellen Rohrsätzen, die siebenfach konifiziert sind und mittels, wie bei Cannondale üblich, verschliffenen Schweißnähten zusammengefügt werden. Kräftetechnisch spielt bei der Rahmenkonstruktion der Pull Shock Dämpfer eine besondere Rolle. Während bei Landungen das Fahrergewicht nach unten drückt, wird das Innenlager durch den dort ansetzenden Dämpfer nach belastet – die beiden Kräfte spielen einander aus und konzentrieren sich auf einen Bereich, der ohnehin besonders kompakt und solide gestaltet worden ist, um einen möglichst tiefen Schwerpunkt zu ermöglichen. Besonders erfreulich: Nicht nur Teamfahrer Chris Van Dine zeigt, was mit diesem Rad möglich ist. Cannondale gibt das Jekyll für den Bikepark frei und bietet lebenslange Garantie auf den Rahmen.

Ausstattung

Der Rahmen wird in vier verschiedenen Größen erhältlich sein. Nur 11,6kg soll die Ultimate genannte Topversion des Jekyll wiegen und klettert auch steilste Rampen souverän hinauf, ohne im Downhill unterdimensioniert zu sein. Bei der Ausstattung verbaut Cannondale eine Fox 32 Talas Terralogic mit 150mm an der Front, eine Sram XX Schaltgruppe, einen individuell aufgebauten Crank Brothers Laufradsatz und eine Rock Shox Reverb Sattelstütze sowie Syntace Komponenten (unter anderem ein 740mm Vector Carbon – genial!). So ausgestattet wird das Rad ca. 8000€ kosten. Günstiger kommen die Versionen One (Fox 32 Talas RLC, SunRingle BlackFlag Laufradsatz, Shimano XT/XTR Mix) und Two (wie One nur SLX, X7 und X9 Komponenten Mix). Selbstverständlich geht es auch deutlich günstiger – die Aluversionen Three und Four des Jekyll wechseln ab ca. 2500€ den Besitzer und sind ebenfalls mit Shimano und Sram Komponenten ausgestattet.

Hier die verfügbaren Ausstattungsversionen als Bilder

Geometrie

Fahreindruck

Die wichtigste Frage auf jedem Meter der feinen Singletrails um Park City ist gewesen, ob das Bike den geweckten Erwartungen entsprechen kann. Ausschlaggebend für die Fahrqualitäten eines Bikes ist nicht nur die Federung, sondern auch die Geometrie des Rades. Im Auffahrtsmodus fährt des Jekyll mit relativ wenig Sag und straffer Kennlinie, wodurch das Innenlager weiter oben bleibt, die Winkel steiler werden und der Körperschwerpunkt aufstiegsfreundlich nach vorne wandert.

So klettert es sich vergleichsweise angenehm und durch das geringe Gewicht unterstützt scheint nur die Kondition die Grenze des Aufstiegs zu sein. Definitiv bin ich noch kein 150mm Bike gefahren, dass bei so weicher Abstimmung so gut bergauf gefahren werden kann. Bei der Abfahrt profitiert der Fahrer dann vom anpassungsfähigen Dämpfer. Ein Druck auf den Hebel (der sich konstruktionsbedingt sehr schwergängig bedienen lässt, da große Ölöffnungen mit einer starken Feder blockiert werden müssen; Fox arbeitet noch an einer ergonoischeren Hebelgestaltung) und der Rahmen taucht tief in den Sag hinein (ca. 40% und damit deutlich mehr als sonst in dieser Klasse üblich), wodurch die Winkel flacher werden und das Innenlager näher an den Boden rückt.

So abgestimmt lässt sich das Bike willig über kurvige Trails bewege und der sehr gut arbeitende Hinterbau scheint bei satten Reserven am Boden zu kleben. Hier entsteht tatsächlich der Eindruck, als ob das Bike deutlich mehr Federweg hätte und es stellt sich einmal mehr die Frage, wer denn überhaupt mehr als 150mm für abfahrtsorientiertes Endurofahren braucht. Das gesamte Bike wirkt dabei ungemein steif und vermittelt ein sehr direktes, handliches Fahrgefühl.

Fazit

Das Jekyll könnte ein ganz großer Wurf werden, so viel steht schon jetzt fest. Es ist offensichtlich mehr als nur ein weiteres Carbonspielzeug mit kompliziertem Dämpfer, da es tatsächlich sehr gute Bergabfahreigenschaften mit einer erstaunlich guten Uphillperformance kombinieren kann. Dafür ist der Preis (nicht nur für die Topversion) mehr als gesalzen. Die Ausstattungen der Bikes wirken durchdacht und es werden keine sinnlosen Leichtbaukompromisse eingegangen, die das Potenzial das Rahmens wieder zu Nichte machen könnten.

Bilder von Ale di Lullo und Tobias Stahl. Videos von Cannondale und Tobias Stahl.

Weitere 2011er Berichte über die Neuheiten von Cannondale: Scalpel, Claymore und Scarlet (jeweils auf den Namen klicken und mehr ehrfahren).

Hier noch ein Video, in dem Peter Denk länger über das Jekyll philosophiert (32min)

Gedanken von Peter Denk: im IBC TV ansehen
  1. benutzerbild

    krokerleguane

    dabei seit 11/2004

    Hallo wieder zusammen,
    mission completed ....
    Hab mir bei Dr. Cannondale die passenden Lager bestellt und lange überlegt welches Werkzeug... hab mich dann für was "günstiges" entschieden.
    ->

    Lixada Quick Release Conversion Fahrrad Unterseite Kit zum Installieren und Entfernen der Halterung für BB86/BB30/BB91 /BB92/PF30


    Mit dem Werkzeug war das ein Kinderspiel und in 30 Min erledigt.
    Liebe Grüße Berthold und Danke nochmal.
  2. benutzerbild

    derliebewolf

    dabei seit 05/2013

    Sagt mal, für einen Umbau auf 1x11 mit Direct mount Kettenblatt an einer S2200 (x0/x01) Kurbel, braucht man da einen Offset im Kettenblatt für die Kettenlienie? Denke aktuell an 28-30t bin aber noch nicht entschieden...

  3. benutzerbild

    Geisterfahrer

    dabei seit 02/2004

    Bei SRAM ist Boost 3mm Offset, Non-Boost 6mm.
    Letzteres wirst Du für das Rad wohl benötigen, das war ja lange vor Boost-Zeiten.

  4. benutzerbild

    derliebewolf

    dabei seit 05/2013

    Noch eine Frage an die, die einen Umbau auf Lefty gemacht haben: Habt ihr neue Lager verbaut (ich denkne die verbaute Gabel ist tapered) oder waren da nur reduzierlager drin die man rausnehmen kann. Oder habt ihr einen Lefty for All Adapter (oder ähnlich) verwendet?

    Edit: Ich hatte einen Lefty4All drin und meine Lager waren schon für Taperd.

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