Schnelle Quereinsteigerin: Downhillerin Ana Raecke im IBC-Interview

Erst seit 2006 vom Mountainbiken gepackt, hat sich die Wahl-Stuttgarterin ziemlich schnell in der Downhill- und Freeride-Szene integriert – sowohl aktiv auf dem Downhiller oder Freeridebike wie auch passiv als Mitarbeiterin beim schwäbischen Bikevertrieb 2wheel-Distribution. Mit welchen Tricks sie die Zuschauer beim 2010er Eurobike Lakejump begeisterte und was sie nach ihrer Zwangspause im letzten Jahr dieses Jahr alles vorhat, erfahrt ihr im IBC-Interview. Viel Spaß beim Lesen!

Name: Ana Raecke

Wohnort: Stuttgart

Bikes: UMF Duncan 2011 (Downhill), UMF 4X Team (4x & Dirt), UMF Brad DJ Team (BMX)

Sponsoren: UMF, Velo, Alex Rims, Marzocchi, Maxxis, Adidas Eyewear, Evoc, Local Outerwear, Contour, Remain Insane Clothing

Wer ist Ana Raecke?
Meine Mutter meinte neulich ich sei ein Mädchen das sich gerne schminkt und hübsch macht, in dem aber in Wirklichkeit ein kleiner böser Junge steckt. Ich hatte mir da gerade ein paar Youtube Videos von Ken Block angeguckt…

Wie bist du zur Freeride-Mountainbikerin geworden?
Ich habe mit meinem damaligen Freund angefangen als der Bikepark in Oberammergau eröffnet hat. Ich bin damals mit einem günstigen Hardtail mit V-Brakes gefahren und es war der reinste Horror. Ein Jahr darauf habe ich mir ein ordentliches Touren-Fully aufgebaut, mit Scheibenbremsen und allem. Mit dem hat’s im Bikepark schon mehr Spaß gemacht! Ein Jahr später kamen ein Downhillbike und die ersten Rennen. 2009 habe ich den IXS Rookies Cup gewonnen. Dann wollte ich 2010 richtig Gas geben, aber leider habe ich mir beim ersten Rennen einen Bruch und Kapselriss am Finger zugezogen, was mich die ganze Saison gekostet hat. Zum Ende des Jahres hin bin ich bei Bike-Events einige Spaß-Contests mitgefahren wie den Bagjump beim Freeride Festival oder den Lakejump auf der Eurobike. Als ich wieder einigermaßen den Lenker halten konnte, habe auch Domenico von mtb-freeride.tv im Zillertal besucht. Wir sind die schönen Singletrails vor seiner Haustür gefahren und haben an einem Nachmittag innerhalb von 3 Stunden auch einen kleinen Trailer gefilmt. Mit Freunden Freeriden ist das Schönste!

Was war dein erstes Mountainbike?
Ein Ghost SE 2000 (Modell 2006)

Wie bist du auf MTB-News.de gestoßen und was motivierte dich, dort aktiv zu werden?
Ich wollte mir mein erstes Fully aufbauen und hatte gar keine Ahnung von nichts. Auf der Suche nach den einzelnen Teilen bin ich immer wieder auf Diskussionen im Forum gestoßen – welche Felgen oder Naben, Preis-Leistung, etc.! Da habe ich angefangen rumzulesen und mich zu informieren.

Der Forumsbereich, den du stets als erstes abcheckst?
Am Anfang der Bikemarkt, später dann DDD für Mitfahrgelegenheiten zu den Rennen. In letzter Zeit bleibe ich meist bei den News auf der Startseite.

Ein konstruktiver Vorschlag mit dem das Forum verbessert werden soll?
Für Forums-Einsteiger vielleicht ein kleines Video als Entdeckungs-Tour um sich zurecht zu finden.

Du hast dir als rasende Schönheit auf dem Bike einen Namen gemacht. Wie fühlt es sich an, als Mädel in der Männer-dominierten DDD-Szene unterwegs zu sein?
Es macht Spaß! Ich habe schon immer gerne bei den Jungs mitgespielt und musste mich natürlich auch durchsetzen. Z.B. beim Basketball spielen oder auch beim Surfen. Ich denke wenn die Jungs merken, dass man einen Sport ernst nimmt und Spaß dran hat, kann man sich auch den Respekt der männlichen Kollegen verdienen.

Dein Special-Move während des Lakejumps der Eurobike 2010 war klasse. Wie kam es zu der Idee?
Hahaha… ja das war lustig. Als einziges Mädel und den Dirt Jungs trick-technisch unterlegen musste ich mir doch irgendwas einfallen lassen, um die Zuschauer und die anderen Fahrer zu unterhalten. Ich stand auf der Anfahrtsrampe und dachte mir: Irgendeinen Vorteil muss ich doch haben als Mädchen! Was kann ich machen was sie nicht machen können? Der nächste Gedanke lag dann sehr nahe… und dann habe ich sichergestellt dass mein Bikini fest sitzt.

Würde es dir gefallen auch mal in einer Videoproduktion wie Awesome Land – Women of Dirt mitzufahren? Oder ist dir da das Verletzungsrisiko zu hoch?
Ja klar, das würde ich nur zu gern! Ich finde es super wenn Frauen sich zusammentun um ihre Präsenz in einer männerdominierten Sportart zu verstärken und andere Mädels zu motivieren. Was das Verletzungsrisiko angeht ist meine Erfahrung, dass die schlimmsten Verletzungen unerwartet kommen. Wenn ich also etwas ausprobiere, was für mich neu ist und vor dem ich Respekt habe, mache ich es erst wenn ich der Meinung bin, dass ich es tatsächlich schaffen könnte, und auch nur wenn mir danach ist. Klar kann es beim ersten Versuch auch komplett schief gehen aber der Körper ist irgendwo besser darauf vorbereitet. Schlimmer ist es, wenn es einen eiskalt in einer Kurve erwischt und man schon liegt bevor man weiß wie einem geschieht. Verletzungen gehören nun mal auch dazu.

Wie bist du zu deinem neuen Job in der Bike-Branche bei 2wheel-distribution gekommen?
Mit perfektem Timing und den richtigen Voraussetzungen. Ich hatte im August auf Facebook von der Position gehört und mich auch gleich informiert, da ich genau auf das Profil gepasst habe. Zu dem Zeitpunkt war es mir aber ein zu großer Schritt nach Stuttgart zu ziehen. Als ich 2 Monate später beim Testival in Latsch zufällig die Marketing Managerin von O’Neal getroffen habe und sie mir erzählt hat dass die Stelle noch nicht vergeben ist, habe ich meinen Lebenslauf eingeschickt, wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen und am Ende auch eingestellt.

Wie kommst du auf genug Zeit zum Biken angesichts von Jobs, Familie und Freunde?
Meine Familie sehe ich ohnehin nur 1-2mal im Jahr weil wir weit entfernt voneinander leben. Freunde habe ich die meisten in der Bike Szene, und zum Glück lässt sich so das Biken und Freunde treffen sehr gut kombinieren. Leider ist es neben der Arbeit trotzdem nie „genug“ Zeit zum Biken. Hier in Stuttgart ist es aber schon besser, weil es einige Singletrails, viele BMX-Bahnen und kleinere Spots gibt, sowie Bad Wildbad um die Ecke.

Mädels auf Freeride-Bikes sieht man noch selten. Woran liegt’s und wie kann man das ändern?
Ich kann mir vorstellen, dass den meisten Mädels gar nicht bewusst ist, dass es solche Sportarten überhaupt gibt wenn sie nicht im Bekanntenkreis damit in Kontakt kommen. Der nächste Punkt ist, viele trauen sich nicht zu, dass sie so etwas jemals könnten oder haben Angst den Jungs im Weg zu sein wenn sie mal mitgehen würden. Mein erster Kontakt mit MTB war, als ich mir in den Zeitschriften von meinem derzeitigen Freund immer eine Frauenrubrik auf einer Seite durchgelesen habe. Frauen sollten zunehmend einen Platz in den Medien bekommen, damit andere Frauen sich angesprochen und motiviert fühlen. Oder packt mal ein Mädel einfach mit ins Auto und schleppt sie in den Bikepark!

Was meinst du dazu, wenn in einem Lady-Camp oder -kurs ein Mann als Coach dabei ist?
Ich finde das geht gar nicht. Dann kann man auch zu einem gemischten Kurs gehen, oder? Obwohl ich noch nie bei einem Camp war, weiß ich, dass die meisten Frauen sich, wenn ein Mann dabei ist, anders verhalten als wenn sie unter sich sind. Ist doch umgekehrt unter Männern nicht anders. Ich denke Frauen unter sich können sich besser motivieren und mehr sie selbst sein, eher mal nachfragen und haben weniger Angst, sich auch mal zu blamieren. Das alles führt zu mehr Glücksmomenten und Erfolgserlebnissen. Und positive Erlebnisse sind das A und O um Blockaden zu beseitigen und Spaß am lernen zu haben.

Mit viel Protection können Mädels, die sich gerne sexy kleiden, wenig zeigen. Wie managst du das mit der Bike-Mode und der Sicherheit?
Sexy zu sein ist Einstellungssache. Sich sexy zu kleiden und dabei auf Sicherheit zu verzichten dagegen dumm. Eine gesunde Mischung aus Protection, schönen Schnitten und Farben, wie meine Local Outerwear Klamotten, ist die perfekte Lösung für mich.

Welchen Mode-Tick hast du in Bezug zur Bike-Mode?
Ich mag es wenn die Goggle farblich zum Rest passt und der Nagellack zu den blauen Flecken ;-)

Wie gehst du mit Stürzen und Verletzungen um? Hast du da einen Tipp für Mädels, die mit solche Erfahrungen weiterhin Probleme haben?
Tja im Nachhinein ist es gut sich in Geduld zu üben. Lieber auskurieren lassen wäre mein Tipp! Kratzer, Schürfwunden und blaue Flecken gehören dazu. Ansonsten sollte man sich nicht übernehmen und unter Druck setzen lassen: Lieber kleine Schritte machen und auf Nummer sicher gehen.

Bastelst du selbst an deinen Bikes oder wer kümmert sich um die Technik?
Das meiste versuche ich schon selber zu machen. Wenn ich aber nicht weiter komme oder keinen Fehler machen möchte, frage ich doch lieber mal einen Freund. Mein Downhillbike für 2011 habe ich z.B. aus allen Einzelteilen alleine aufgebaut. Die Bremsen würde ich aber alleine nicht entlüften.

Was ist dein Lieblingsspot, jetzt wo es den Bikepark nicht mehr gibt?
Einen Lieblingsspot habe ich nicht wirklich, ich gehe aber sehr gerne im Zillertal Freeriden. Saalbach, Latsch und Bozen finde ich auch super oder den Evil Eye Trail im Bikepark Bischofsmais. Es gibt aber eine Menge Spots die noch auf meiner To-do-Liste stehen, wie Finale, Livigno, Spizak… und natürlich eines Tages Whistler!

Was treibst du im Winter? In einer Halle Biken oder lieber in den Schnee ziehen?
Als es in München/Emmering noch die Halle gab war das eine gute Alternative! Da war ich einen Winter lang ein paar Mal und habe ein bisschen im Foampit oder Parkbereich rumprobiert. Jetzt erkunde ich die Stuttgarter Gegend und gehe auch mal auf die BMX-Bahn oder im Pumptrack fahren. Ansonsten gehe ich sehr gerne auch Snowboard fahren oder schwimmen.

Mit welchem Profi-Biker würdest du gerne ein Wochenende in den Alpen verbringen?
Da würde mir schon jemand einfallen…

Die besten drei Bikevideos , die du je gesehen hast?
Roam, Follow Me, und wenn ich Life Cycles gesehen habe, bestimmt auch der!

Wie sieht ein gewöhnlicher Tag im Leben der Ana R. aus?
Früh aufstehen, arbeiten, wieder heim und dann trainieren, bzw. im Sommer vor Sonnenuntergang aufs Rad, egal ob DH, Pumptrack, BMX-Bahn oder Skatepark. Danach zuhause ein Chaos anrichten, weggehen und Freunde treffen und mit denen überlegen wo wir am Wochenende Biken gehen.

Was würdest du gerne an dir ändern?
Die Farbe von meinem Nagellack, jeden Tag.

Was sind deine sportlichen Ziele für 2011?
Nach einem Jahr Pause ist es mir wichtig, wieder gut reinzukommen. Eigentlich stecke ich mir keine Ziele im Sinne von „den x-ten Platz erreichen“. Ich werde schnell sehen wie die Konkurrenz ist und kann dann realistisch einschätzen, wo ich stehe und wie weit ich kommen kann. Alles was ich jetzt tun kann ist mich so gut wie möglich vorzubereiten. Ich würde gerne auch kleine Road Trips und ein paar Shootings machen. Das Wichtigste ist und bleibt aber, mein Bestes zu geben und immer Spaß dabei zu haben.

Welches deiner Bikes bewegst du am häufigsten?
Im Sommer ganz klar mein Dirtbike. Jetzt vor Saisonbeginn bin ich meist mit meinem neuen BMX unterwegs… entweder Racebahn, Pumptrack oder Tables fahren… das macht irre viel Spaß!

Was ist dein favorisierter Streckentyp?
Weitgehend naturbelassen mit viel Flow aber auch technischen Passagen und Sprüngen. Die Bodenbeschaffenheit ist mir dabei eigentlich egal.

Waren Tricks und Dirtjumps für dich jemals ein Thema?
Ja aber nicht primär der Tricks wegen. Es macht mir Spaß, mich auf einem Dirtbike oder BMX wohl zu fühlen und Tables zu springen oder zu pushen und dabei die Technik zu lernen. Ich probiere gern etwas neues aus und freue mich schon wieder aufs Lakejumpen oder Bagjump!

Welches MTB-Event besuchst du am liebsten?
Das Freeride Festival in Saalbach-Hinterglemm. Da ist alles auf einem Fleck mit wunderschöner Kulisse, gutem Essen und verschiedenen tollen Strecken und Disziplinen. Das BIKE Festival in Garda und das Testival in Latsch sind zum Freeriden auch super und leiten die Saison schön ein und aus.

Hattest du in der Jugend Idole oder Vorbilder im MTB-Sport?
Nein, MTB war mir bis zum 25. Lebensjahr komplett fremd.

Was war für dich die wichtigste technische Entwicklung im MTB-Sport?
Also eines der größten AHA-Erlebnisse erlebe ich gerade mit meinem Fury RL Helm von O’Neal mit Magnetverschluss. Den Helm mit nur 2 Fingern öffnen und verschließen zu können will ich jetzt nicht mehr missen. Oh, und das Skigebiete ihre Gondeln umgerüstet haben um Biker mitzunehmen natürlich!

Dein Lieblingsprodukt aller Zeiten (aus dem Bike-Bereich)?
Der Evoc Bike Travelbag, ohne dem wäre ich wohl nicht zu so vielen Events gekommen. Schließlich hatte ich bis vor kurzem kein Auto und muss oft mit den Öffentlichen zu einer Mitfahrgelegenheit. Da konnte ich Bike, Helm & Protektoren, Schlafsack, Isomatte, Schuhe, Werkzeug und Klamotten drin transportieren und hatte noch eine Hand frei.

Was macht dich glücklich?
Sonnenschein, ein Kakao, oder nach einem anstrengenden Tag unter der heißen Dusche stehen.

Was war dein bestes Sporterlebnis im Jahr 2010?
Die Überwindung zu einem für mich größeren Sprung beim Local Outerwear Team Shooting in Freiburg gehört auf jeden Fall dazu. Und die Eröffnung des Adidas Flow Country Trails im Bikepark Bischofsmais waren 2 super Tage – vielen Dank an dieser Stelle an Diddie Schneider, Hans Rey, UMF und Adidas Eyewear! Zuletzt war noch der 5. Platz beim Lakejump auf der Eurobike ne ganz lustige Sache.

Dein aktuelle/r Lieblingsfahrer/in unter den Bikeprofis (und warum gerade er/sie)?
Hans Rey, weil er schon alles gesehen und gemacht hat, immer noch so aktiv ist und dabei der entspannteste Typ auf diesem Planeten ist.

Welche drei Eigenschaften sagt man dir nach?
Mutig, zielstrebig und zuverlässig.