In den letzten Tagen dominierten allerlei Eurobike-News die Startseite, dementsprechend gingen andere Veranstaltungen fast unter. So auch der der dritte Lauf zur Maxiavalanche Serie, welcher im Schwedischen Are ausgetragen wurde. Enduro- und Freeridepilot Tobias Woggon war für uns vor Ort und lässt uns an seinen Erlebnissen im hohen Norden teilhaben – viel Spaß bei seiner Maxiavalanche Stroy:

Tobias Woggon über den Maxiavalanche Lauf in Are/Schweden:

Das kleine nordische Städtchen Are liegt ungefähr 2000 km von Bergneustadt entfernt und richtet jedes Jahr einen Teil der berühmt berüchtigten Avalanches Serie aus. Ich habe mich zusammen mit Fotograf Philip Ruopp auf den Weg gemacht, um mal zu schauen, was das Rennen im Land der Seen und Elche zu bieten hat.

Der Plan war eigentlich gar nicht mal so schlecht, einfach schnell nach Schweden auf ein Rennen zu fahren, denn schließlich ist Schweden vor Norwegen und da war ich letztes Jahr schon einmal und das war nicht so viel weiter als eine Fahrt in die Alpen. Dummerweise ist Schweden zwar nicht sehr breit, dafür aber unglaublich lang, und wenn man sich nicht recht informiert, dann ist das komische Are recht weit oben und 2000km entfernt. Blöde Sache so was. Glücklicherweise ist das Straßennetz auch eher sparsam angelegt und der direkte Weg ist auch meist eine Wunschvorstellung, genau wie die geteerten Straßen in manchen Teilen. Doch die 23 Stunden Nonstop-Autofahrt haben sich gelohnt, die letzten Kilometer führte uns das Navi auf kleinen Straßen durch unglaublich beeindruckende Landschaften und auch der Ort Are selbst ist zwar klein, aber sehr schön und sehenswert.

Schon bei der ersten Besichtigung des Tracks stellte sich heraus, dass es hier auf einen wirklich guten Start ankommen würde. Der Startpunkt befand sich etwas oberhalb der Bergstation in knapp 1.300 Metern Höhe auf einem freien Geröllfeld. Das Problem der ganzen Sache war, dass sich schon nach 30m die Anzahl der möglichen Linien auf maximal drei fahrbare und nur eine wirklich gute reduzierte, was bei einem Starterfeld von 170 Leuten eher spannend zu werden versprach. Kurz nach der Engstelle gab es auch schon den ersten kleinen Anstieg, der zwar nur fünf Höhenmeter hatte, aber schon gut den Stecker aus den Beinen zog. Der obere Teil der Strecke zog sich erst relativ flach, immer oberhalb der Baumgrenze, durch die beeindruckende Berg- und Seenlandschaft, dann aber immer steiler werdend und mit einigen ausgewachsenen DH-Passagen gespickt. Hier war ich mir das erste Mal nicht mehr so sicher, ob das von mir mitgebrachte Enduro, wirklich das Richtige sei. Kurz vor der Mittelstation des Liftes ging es lang und flach über einen sehr matschigen Trail Richtung Baumgrenze, gefolgt von einer kurzen Abfahrt auf einer Schotterstraße, auf der die Organisatoren, um den Speed raus zu nehmen, enge offene Kurven gesteckt hatten. Könnte mit Puls 480 auch interessant werden. Im Wald angekommen, wartete ein unglaublich cooler und flowiger Trail, der recht flach aber mit vielen Wurzeln, Steinen und Bodenwellen einem natürlichen Pumptrack glich. Immer wieder konnte man Sachen dubbeln und surfen. Dann folgte eine sehr physische Pedal-Section, auf der es wieder über Steine und Wurzeln einige Höhenmeter nach oben ging und in eine super knifflige DH-Section mündete, in der es steil und mit Wasserrinnen in eine hängende Rechtskurve ging. Von hier an hieß es nur noch alles auf die Pedale bringen, was noch an Energie in den Beinen geblieben ist, bis man über eine Brücke ins Dorf sprang und auf dem Dorfplatz schließlich ins Ziel rollte. Alles in allem ein sehr physischer, anstrengender Kurs mit einigen saftigen DH-Passagen.

Es versprach spannend zu werden, was einige wirklich gute Franzosen, die schottische DH Worldcup Gruppe um Joe Barns und den mit Filmer und etlichen Rädern angereisten Dan Atherton hier fabrizieren würden. Im Gegensatz zu den letzten Tagen, war am Freitag das Wetter eine eins: blauer Himmel und Sonne. Durch unsere späte Nachmeldung hatten wir zwar einen Startplatz in der ersten Reihe, doch wurden erst recht spät aufgerufen um unsere Bikes auf Position zu bringen, was hieß, dass die besten Plätze schon vergeben waren. Mein französischer Teamkollege Guillaume und ich platzierten uns deshalb am linken Rand.

Das Start-Prozedere war auch hier (wie immer bei den Avalanche Trophy Rennen) recht einfach gehalten. Einer läuft mit Zeitangaben auf einem Pappschild vor der Gruppe herum: 1 minute, 30 seconds, 5 seconds. Dann werden Bänder, die an Stöcken befestigt sind und die verschiedenen Linien voneinander abgrenzen, hochgerissen und es geht los. Erstaunlicherweise hatte ich einen sehr guten Start und nur Joe Barns und ein Franzose sind vor mir. Wie vermutet platzen mir die Beine schon fast beim ersten kurzen Uphill. Hinter uns gibt es im Mittelfeld schon reichlich Trouble an der ersten Engstelle. Ein Glück, dass ich mich da noch raus halten konnte.

Leider ist nur wenig Platz zum Überholen und der Franzose vor mir macht nicht wirklich Anstalten, an Joe dran zu bleiben. Auf dem matschigen und flachen Zwischenstück schießt Karim Amru an der Seite an uns vorbei, in einem Tempo, dass ich mich fragte, wo er seinen Motor versteckt hatte. Auch ich schaffe es, den Franzosen zu überholen, doch das Glück währt nur kurz und knapp vor der Waldeinfahrt nimmt der Kollege eine verrückte Innenlinie und scheint noch nicht ganz begriffen zu haben, dass wir die Quali fahren. Dafür schaltet er kurz nach seinem Überholmanöver auf dem engen Trail die Rundumleuchte an und macht einen auf Safety-Car.

So geht es bis zur Pedal-Section, wo uns Nivola LU überholt und wir auf Joe Barns auflaufen, der einen erheblichen Teil seines Antriebes auf der Strecke gelassen hat und nun versucht sich rennenderweise ins Ziel zu retten. Relativ unspektakulär geht es bis ins Dorf, wo ich erfahren muss, was es heißt, sich die Zielarea nicht richtig angeschaut zu haben. So bin ich mir sicher, bereits durchs Ziel gefahren zu sein, höre auf zu treten und werde, kurz bevor ich merke, dass es noch ein Mal um den Dorfplatz geht, von zwei anderen Fahrern überholt. Super. Anfängerfehler. Platz 6. Morgen weiß ich es.

Im zweiten Heat der Quali siegt Atherton mit einem Abstand von 7 Sekunden auf Franck Parolin und ist damit genau eine Minute schneller als ich. Alter Falter, da kann ich morgen noch mal schon eine Scheibe Schwarzbrot mehr essen, um da mithalten zu können.

Regen, und zwar die ganze Nacht, hat die Strecke aufgeweicht und meine Linie von gestern ist gespickt mit einigen Pfützen und Schlammlöchern. Mal sehen, ob sie immer noch funktioniert. Zwar ist das hintere Feld fast ausschließlich mit Schweden besetzt, doch die ersten Reihen bestehen aus Franzosen, Engländern, zwei Schweden und mir, als einzigem Deutschen im Feld. Wieder komme ich beim Start gut weg, nur Franck Parolin ist vor mir. Ich quäle mich hinter ihm den ersten Anstieg hoch und versuche an seinem Hinterrad zu bleiben. Das gelingt mir bis zu einer Kurve, in der Karim Amour innen an mir vorbei geht und weg sprintet. Die beiden kämpfen als gäbe es kein Morgen.

In einer der heftigen DH Passagen, sehe ich ein blaues Männchen mit dem Aufdruck „Atherton“ auf dem Trikot von hinten auf mich zu rasen und entscheide, dass es vielleicht gesünder wäre, ein wenig Platz zu machen. Ich kann erstaunlich lange dran bleiben, versuche die gleichen Linien zu fahren und hoffe, dass ich mich nicht übernommen habe. Erst im Wald muss ich abreißen lassen und ein wenig mit den Reserven haushalten. Im Uphill-Stück rächt sich die wilde Fahrweise von Herrn Atherton aber wieder, als er schon recht kraftlos vor mir her padaliert und ich ihn überholen kann. Leider muss ich mich aber auch Nicolas Lau geschlagen geben, der sich wohl auch vorgenommen hatte, Dan zu überholen. Da ich gerade auch noch da war, konnte er mich gleich mit kassieren. In der steilen Passage mit hängender Rechtskurve passiert es dann: ich fahre zu spitz hinein und rutsche weg. In Panik versuche ich, mein Rad wieder auf die Strecke zu ziehen und weiter zu fahren. Erst später erfahre ich, dass Dan wohl recht amüsiert über meinen Sturz, den er im Augenwinkel beobachten konnte, zu schnell in dieselbe Kurve schoss und er den gleichen Move machte, wie ich kurz vor ihm.

Etwas überrascht davon, dass ich nicht überholt wurde, schieße ich auf die letzte Wiese und schaffe es gerade noch, Karim Amour auszuweichen, der einem Sturz im aufgeweichten Stück zum Opfer fiel. Ich versuche alle Kräfte zu mobilisieren und trete in Richtung Zielarea – und dieses Mal weiß ich, wo das Ziel ist! Und dieses Mal bin ich Dritter. Komplett platt und ohne Kraft wird mir klar, dass wir uns auf einer Maxiavalanche befinden, was bedeutet, am Renntag fährt man die Strecke zwei Mal. Also kurz Rad waschen und wieder an den Start.

Hier geht eine Liste rum, auf der ich als Zweiter im Ranking geführt werde, da Nicolas Lau eine Strafe wegen des Umfahrens eines Streckenbegrenzungspfostens bekommen hatte. Nach dem guten Ergebnis von der ersten Runde bin ich zufrieden und entspannt, da mir meine Beine verraten, dass ich nun eher den Besenwagen machen werde. Diesmal ist der Start komplett in Nebel gehüllt und ich verpasse ihn ein wenig. Als Vierter komme ich den ersten Uphill hoch und habe Franck Parolin, Dan Atherton und Nicolas Lau vor mir, die viel Gas geben. Ich versuche dran zu bleiben und hänge mich in den Windschatten. Im Vierer-Team fliegen wir über den ersten Teil der Strecke, bis Atherton einen Fahrfehler macht, sich dadurch einen Platten einhandelt und stehen bleiben muss.

Auch ich muss die Beiden vorne fahren lassen und versuchen mich ins Ziel zu retten. Von hinten taucht auf einmal Herman Olund auf, den ich passieren lasse, um mich hinter ihn zu klemmen. Diesmal geht alles in der bereits abgetrockneten Rechtskurve klar und ich rette einen guten vierten Platz mit vollkommener
Ganzkörper-Erschöpfung ins Ziel. Das bedeutet fürs Gesamtranking Platz Nummer zwei und so wird es auch durch die Lautsprecher angekündigt. Später bei der Siegerehrung erfahre ich, dass die Zeitstrafe gegen Nicolas Lau aufgehoben wurde und ich auf den dritten Platz rutsche. Vielleicht ist er ja diesmal am äußeren Pfosten vorbei gefahren, sodass es sich wieder aufhebt.

Ich bin auf alle Fälle sehr glücklich mit meiner Platzierung und mit der Gewissheit, dass ich „Mr. Professional“ Dan Atherton beim Bergauffahren überholen konnte. Nun heißt es wieder viel, viel Autofahren, denn es geht gleich weiter auf die Eurobike. Das Resümee ist auf alle Fälle, dass es sich lohnt auch mal in den Norden zu schauen, denn auch hier gibt es Berge und Leute, die coole Trails bauen. Nächstes Jahr bin ich auf alle Fälle wieder dabei.

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Diese Fotos im Fotoalbum anschauen

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Quelle: Text – Tobias Woggon / Bilder – Philip Ruopp

  1. benutzerbild

    radjey

    dabei seit 04/2010

    Wie gern würde ich auch mal als Teamfahrer so einen Roadtrip machen smilie

    Achtung: in puncto Lebenshaltungskosten ist Norwegen so atemberaubend wie bei seiner Landschaft smilie
    Die skandinavischen Länder sind da generell nicht günstig, vor allem der Alkohol. Mein Tipp daher: Mit der Fähre übersetzen. Da gibt es Bier palettenweise zu kaufen, teilweise schon auf Trolleys fertig abgepackt. Und auf der Fähre dann steuerfrei smilie
  2. benutzerbild

    schotti65

    dabei seit 07/2003

    Oder einfach mitnehmen.

  3. benutzerbild

    a.nienie

    dabei seit 05/2006

    war spannend zu lesen.
    top platzierung und sehr geile bilder. grad macht ibc wieder spass!

  4. benutzerbild

    trickn0l0gy

    dabei seit 02/2005

    Alter Falter, geil geil geil. Tobi, da hast Du ganze Arbeit geleistet. Respekt vor der Platzierung und vielen Dank für den schönen Artikel.

  5. benutzerbild

    Marc B

    dabei seit 07/2001

    Super Bericht smilie Dan Athterton wird 2012 ja seinen Fokus auf Enduro-Rennen setzten, man kann also gespannt sein, ob er den etablierten Herren dieser Disziplin Feuer unterm Hintern machen wird smilie

    Ride on,
    Marc

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