Über den Ausgang der WEMBO 24h Solo Weltmeisterschaften 2012 in Finale Ligure haben wir bereits in einem kurzen Beitrag Bericht erstattet, doch weit mehr als offizielle Pressemitteilungen können die Erlebnisberichte von Solo-Startern widerspiegeln, was sich in den legendären 24 Stunden allein auf dem Rad abspielt. Vermutlich ist der ein oder andere User hier auf MTB-News.de selbst am Start gewesen, doch hat anton001 aka Anton die Chance ergriffen, uns mit einem kleinen Rennbericht zu beliefern. Einen Bericht vom Team Rennen, das am Pfingstwochenende stattgefunden hat, werden wir euch in wenigen Tagen ebenfalls nachliefern. Schließlich sollte sich eigentlich niemand den Traum vom 24h Rennen entgehen lassen ;).

Es war ein Traum – die 24h Solo MTB WM 2012


Solo WM 2012 00

Nach meiner ersten Teilnahme als Solofahrer in Finale Ligure 2011 stand ziemlich schnell fest, das ich 2012 wieder am Start stehen werde. Die Strecke war zu nah dran an der Perfektion, die Gegend zu schön, die Atmosphäre zu packend, als es nicht nochmal zu tun. Einziges Manko im Vorjahr war meine nächtliche Unterbrechung wegen Müdigkeit. Genau das musste dieses Jahr besser werden.

Lange habe ich den Neuigkeiten zum Rennen und der Anmeldung für 2012 entgegen gefiebert, die Organisatoren sind da vielleicht nicht ganz so hinterher wie man das als aufgeregter Teilnehmer gern hätte, bis dann kurz nach Weihnachten die Anmeldung nur noch eine Formalie war. Das es in diesem Jahr gleichzeitig als Weltmeisterschaft ausgetragen wird, spornt noch viel mehr an, als es die Eindrücke vom Vorjahr schon tun.
Ab dem Zeitpunkt der Anmeldung wurde im tiefsten Winter der Sport plötzlich sehr ernst genommen. Bei jedem Wetter ging es mit Laufschuhen oder Skatingski ins Freie. Es gab kein schlechtes Wetter und keinen zu steilen Berg. Im Frühjahr wurden Rennradkilometer gespult, sobald es ein noch so kleines Zeitfenster gab. Die Ernährung wird optimiert, auf jedes kleine Husten geachtet, nichts soll dazwischen kommen.

Zum Glück haben sich zwei Freunde bereit erklärt, mich zum Rennen zu begleiten und alle anfallenden Aufgaben, außer dem Radfahren, zu übernehmen. Sie haben gekocht, fotografiert, unterhalten, motiviert, informiert, einfach alles und es war eine unglaubliche Hilfe.


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Wir sind zwei Tage eher angereist, um vor Ort optimal vorbereitet zu sein. Der volle Zeltplatz war mir noch zu bewusst im Kopf. Wir positionierten unser Zelt so, das ich in jeder Runde zweimal direkt und zweimal mit kleiner Distanz meine Betreuer passieren würde. Während ich die neue Strecke testete, nervös die Reifenwahl traf, Gabel und Dämpfer abstimmte, übernahmen die Beiden die Organisation aller Dinge im Zelt, den Kontaktaufbau zur Außenwelt (es sollte einen Liveblog während des Rennens geben – 24ore.tumblr.com) und genossen ein wenig die Sonne.


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Das neue Rad, die extra gestalteten Sachen und die täglich wachsende Vorfreude wurden an dem einen Wochenende zum Höhepunkt getrieben. Auch wenn das Wetter nicht so mitspielte wie im letzten Jahr, auch wenn nicht solche Massen an der Strecke waren wie letztes Jahr – es war einmalig. Die Strecke war wie im Vorjahr gespickt mit feinstes Trails. Jeder der lenkerbreite Trails liebt, kann sich 24h in ein Schlaraffenland begeben, ein Schlaraffenland mit 18km und 500hm pro Runde.


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Die Aufregung, die sich in den Tagen davor angesammelt hatte, wich spätestens eine Stunde vorm Start einer Ausgeglichenheit, die sehr angenehm war. Ich reihte mich ein zwischen Italienern, Engländern und Fahrern unzähliger anderer Nationen, man plauschte, man lachte und man wartete auf den Startschuss. Von da an gab es kein zurück mehr. Einmal rund um die Uhr das tun, was man fast am liebsten tut. Auf schmalen, gewundenen Pfaden, die nicht viel breiter sind als der Lenker des Rades auf dem man sitzt, sich bergab und bergauf durchs ligurische Hinterland pflügen. Die Strecke geht durch Wälder, über Felder, auf Felsvorsprünge, an der Steilküste entlang mit Blick aufs Meer, in die Berge – doch zu 99% sollten die Augen wenige Meter vors Vorderrad blicken. Das ist zumindest das Optimum um unfallfrei zu bleiben.


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„Nach meiner ersten Teilnahme als Solofahrer in Finale Ligure 2011 stand ziemlich schnell fest, das ich 2012 wieder am Start stehen werde. Die Strecke war zu nah dran an der Perfektion, die Gegend zu schön, die Atmosphäre zu packend, als es nicht nochmal zu tun. Einziges Manko im Vorjahr war meine nächtliche Unterbrechung wegen Müdigkeit. Genau das musste dieses Jahr besser werden.“

Gegen Mitternacht erwischte mich dann eine Phase von Müdigkeit und Lustlosigkeit, die mich für fast eine Stunde begleitete. Ich dachte darüber nach mit welcher Ausrede ich am besten ins Zelt komme, ich dachte darüber nach das ich schon 10 Stunden auf dem Rad sitze und es ja nur noch 14 Stunden sind. Ich fing an hochzurechnen das ich bereits über 150km weg hatte und bei gleichem Tempo bis zum Ende die 300km übertreffen könnte. An die Höhenmeter habe ich lieber garnicht gedacht. Solche Gedanken sind nicht hilfreich wenn man im stockdunkeln durchs Unterholz saust und aufgrund der Streckenlänge weder vorn noch hinten jemanden sieht. Als ich von den Pausegedanken beim nächsten Boxenstopp erzählte, wurde RedBull und Traubenzucker aufgetischt und ich ruck zuck mit ernsten Worten wieder aufs Rad getrieben. Das Zeug hat geholfen, von jetzt auf gleich war ich putzmunter und voller Tatendrang und es ging immer mit Druck nach vorn bis zum Schluß. Das 29er Rad lief super, die Strecke war ein einziges Surfen hoch und runter, links und rechts, ein pures Vergnügen. Ich kam zu jeder Uhrzeit mit einem breiten Grinsen aus dem Wald raus und genauso ging es nach dem kurzen Auftanken auch wieder rein.


Solo WM 2012 12

Selbst mein größter Feind beim biken, der Regen, konnte meiner guten Laune und dem Spaß nichts anhaben als eine Stunde vor dem Ende ein herrlicher Platzregen mit Donner über die Strecke zog.


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Dank meinen Betreuern war ich wirklich rund um die Uhr bestens versorgt und auch jetzt noch ist mir, dank des Renntagesbuches, ein jederzeitiges Abschweifen in die Erinnerungen zum Rennen möglich. Beim lesen der Texte und Kommentare, die mich rund um die Uhr erreichten, bekomme ich noch jetzt Gänsehaut. Es war einfach unbeschreiblich.


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So wie in den Tagen davor die Vorfreude jeden Tag mehr und mehr zunahm, befürchtete ich danach in ein Loch zu fallen. Kein Trainingsanreiz mehr, Ziel erreicht, was nun?
Dieser Zustand ist ausgeblieben, noch heute bin ich total begeistert vom Rennen, bin überglücklich die Sache so gut und ohne Schlaf bestritten zu haben und habe nach wie vor riesige Lust aufs Radfahren.


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Nach letztlich geschafften 24h mit 270km und 6800hm hatte ich erstaunlicher Weise keine körperlichen Beschwerden und konnte mich auch im Ziel nur erfreuen über das erlebte – es war perfekt!! Und ja, ich habe schon mal geschaut wie weit es bis nach Fort William ist – 24h Solo WM 2014.

Vielen Dank an die Betreuer, an den Bike Point Dresden (www.bikepoint.de) für die materielle Unterstützung in jeglicher Hinsicht, an Kalbsroulade Photography (https://www.facebook.com/Kalbsroulade) für die Fotos und René Paritschkow (www.paritschkow.com) für das Design und nicht zuletzt allen Daumendrückern, die mich durch die Nacht getrieben haben.

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Wer von euch ist noch bei den 24h von Finale Ligure (egal ob Solo-WM oder Teamrennen) am Start gewesen?

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  1. benutzerbild

    gigawatt

    dabei seit 12/2008

    Selbst wenn man solch ein Rennen mal im 4er oder gar 8er Team mitgefahren ist kann man diese unglaubliche Leistung nur erahnen. Das ist ganz großer Sport und ein Erlebnis das einem in Erinnerung bleibt. Ich kann nur jedem empfehlen sich vorzubereiten und solch ein Rennen zu wagen. Im Team ist das ein unheimlich tolles, intensives Erlebnis.

  2. benutzerbild

    lapalmarolfi

    dabei seit 11/2006

    Ich war an diesem Wochenende unten und habe die letzte Stunde an der Strecke in voller langer Montur gefroren.
    Jeder der da durchgehalten hat ist wirklich hart gegen sich.
    Es war in jedem Fall eine tolle Stimmung und schon der Blick auf die Fahrer und Bikes fasziniert.
    Die ungefederten Singlespeed-Fahrer anfang sechzig mit glücklichem Lächeln beim 24h-Rennen auf dieser Strecke lassen einen dann schon etwas konstaniert zurück...

  3. benutzerbild

    lupus_bhg

    dabei seit 04/2005

    Gab's ab und zu auch einen Hieb Captain Morgan oder wie?

  4. benutzerbild

    -EPIZENTRUM-

    dabei seit 06/2012

    Hey Anton001,
    ein super Bericht.
    Ich war auch dabei !
    Genau wie bei dir, wer es auch mein erstes 24h Rennen.
    Es freut mich zu höhren, dass es auch noch ander gibt, die solche Strapazen auf sich nehemen.
    Auch ich habe mich den Winter über im Schnee, Regen, Matsch, bei Minusgraden, . . . . . . gequält.
    Der Höhepunkt war bei -17°C (MINUS SIEBZEHN) 5 Stunden in der Dunkelheit Biken.
    Aber es war geil !
    Über ein halbes Jahr hat man nur dieses Rennen im Kopf, auf das man sich vorbereitet.
    Und dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem es ernst wird.
    Ein super gefühl, da bekomme ich grad wieder Adrenalinschübe.
    Das Rennen war, wie du schon beschrieben hast, einfach der Hammer.
    Sich mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt zu messen, spornt einen noch mehr an.
    Bei mir zählte am Anfang nur der Olympischegedanke (dabei sein ist alles) aber es entwickelte sich anders.
    Trotz einem Sturz (offenes Knie) und drei Platten lief es von Runde zu Runde besser. Sogar in der Nacht fühlte ich mich super. Naja, bis um 4 Uhr nachts. Ohne Ankündigung hatte ich den vollen flash. Es ging nichts mehr. zumindest für 1,5h. Dann gings wieter im Programm, als währe nichts gewesen. Ja, dann kahm der Regen und ich konnte nochmal zu legen.
    Ich finishte nach 18 Runden (324km) und wurde in meiner Altersklasse (23-30) mit vier Runden Vorsprung erster. Das reichte bei der Elite sogar noch für den 13. Platz. Mission 24H WM geschafft.
    Eines der besten Erlebnisse meines Lebens.
    Den Ganzen Bericht gibts auf regio-cycling.de

  5. benutzerbild

    Thomas-H

    dabei seit 09/2002

    Spät gelesen - aber ich war auch dabei. Ganz sicher das Highlight der Saison 2012!

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