Aaron Gwin: zweimaliger World Cup-Gesamtsieger in Folge. Kein anderer Fahrer zuvor konnte so viele World Cup-Rennen innerhalb einer Saison gewinnen wie der junge US-Amerikaner. Er galt als der große Favorit der diesjährigen MTB Downhill-Weltmeisterschaft in Leogang. Bisher war ihm der begehrte Titel jedes Mal vergönnt, umso größer wäre der Triumph gewesen, hätte er in diesem Jahr sowohl den World Cup-Gesamtsieg als auch den WM-Titel einsacken können. Doch es sollte nicht sein – ein weiteres Mal ging Aaron Gwin als großer Verlierer der WM hervor. Kurz vor dem WM hatte ich die Möglichkeit, bei einem gemütlichen Mittagessen in Leogang ein paar Worte mit dem „Superstar“ des Downhill-Sports zu wechseln. Wie viel Aaron ein Sieg bei der WM wert ist, wie er trainiert und was er über den nationalen Radsportverband der USA sagt, erfahrt ihr in der folgenden Story.


Aaron Gwin im Interview mit Annina Campell

Maxi: Hi Aaron, lass uns nicht lang um den heißen Brei herum reden: Denkst du, dass du Chancen hast auf dieser Strecke einen Podiums-Platz einzufahren?

Aaron: Ja, definitiv.

Und was war in Val d’Isère? Das Rennen dort konntest du ja überraschenderweise nicht für dich entscheiden.

Ja, dort lief es nicht besonders gut. Ich hatte mich im Training verletzt, musste an der Hand genäht werden und habe daher einfach nur versucht kein weiteres Mal zu stürzen und auf eine sichere Weise einige wertvolle Punkte einzufahren. Letzten Endes hat es aber dennoch gereicht, um mit den World Cup-Gesamtsieg zu sichern – darüber habe ich mich riesig gefreut, weswegen das weniger gute Tagesergebnis nicht so sehr ins Gewicht gefallen ist.

Was hat für dich persönlich denn den höheren Stellenwert, der Titel des Weltmeisters oder der Sieg im Gesamt-World Cup?

Mir ist ganz klar der World Cup wichtiger. Weißt du, es sind einfach mehrere Rennen, bei denen du beste Leistungen bringen musst. Die Weltmeisterschaft unterscheidet sich vom Rennen als solches in keiner Weise von einem World Cup-Rennen, außer dass man dieses eine Rennen eben Weltmeisterschaft getauft hat. Aber ist und bleibt nur ein Rennen unter denselben Voraussetzungen wie ein World Cup, nur dass du davon mehrere gewinnen musst, um am Ende als Sieger hervorzugehen.

Auf der anderen Seite sind bei einer WM deutlich mehr Medien vor Ort, was die Veranstaltung als solches und einen Sieg dort für uns Fahrer und unsere Sponsoren enorm wichtig macht.

Du hattest also leichte Schwierigkeiten in Val d’Isère. Kommt dir die hiesige Strecke in Leogang entgegen, oder ist es eine der Strecken, die du nicht so gern hast?

Nein, sie ist gut. Es macht Spaß hier zu fahren, sie wird aber auch von Jahr zu Jahr einfacher. Erst kürzlich haben sie wieder viele der einst anspruchsvollen Wurzelpassagen herausgenommen, ich bin mir jedoch noch nicht sicher, ob ich das gut finden soll. Es sorgt jedoch mit Sicherheit für ein spannendes Rennen, da die Zeiten viel dichter beieinanderliegen werden dürften.


Gwin: wie immer voll fokussiert 

Ich denke, dass die Strecke auch zugunsten der TV- und Livestream-Übertragung vereinfacht wurde, da die somit angepeilten höheren Geschwindigkeiten auf dem Bildschirm action-geladener aussehen.

Ja, absolut. Das finde ich auch gut so.

Du weißt ja sicherlich, dass die gesamte Szene darüber rätselt, was dein großes Geheimnis ist, um so schnell zu sein. Was machst du, was andere nicht machen – möchtest du uns das vielleicht verraten? 

Ich würde nicht sagen, dass es da eine spezielle Sache gibt, also kein Geheimnis oder etwas in der Art. Ich fahre einfach schon seit meinem vierten Lebensjahr Rennen auf Zweirädern – ich bin das schlichtweg wahnsinnig gewöhnt. Der Erfolg kommt durch viele verschiedene Dinge, die zum richtigen Zeitpunkt perfekt zusammengespielt haben. Ich habe vor zwei Jahren bei Trek unterschrieben, da ich mich auf dem Bike einfach besser fühlte als auf anderen. Zudem konnte ich mein Training verbessern und immer mehr Erfahrung sammeln – es kommt einfach alles zusammen. Ich muss aber auch gestehen, dass für mich selbst schon auch eine Überraschung war, dass ich in der kurzen Zeit gleich so viele Rennen gewinnen konnte, auch wenn das zu Anfang natürlich das erklärte Ziel war.

Ich habe gehört dass du viel mit John Tomacs Sohn Eli, einem der besten Motocross Nachwuchsfahrer der USA, trainierst. Ist das am Ende dein Erfolgsrezept?

Ja und nein. Ich trainiere gar nicht mal so viel mit Eli, mehr mit seinem Vater John. Mit ihm bin ich oft im Kraftraum und er ist es auch, der mir meine Trainingspläne schreibt.

Machst du denn viel mentales Training?

Nein, eigentlich gar nicht mal so viel. Mein mentales Training besteht eigentlich darin zu wissen, dass mein physisches Training in bester Ordnung ist. Wenn du dir vor dem Rennen sicher bist, dass du dich bestmöglich auf ein Rennen vorbereitet hast, dann gibt es keinen Grund an deiner Leistungsfähigkeit zu zweifeln. Ich weiß, dass das bei mir der Fall ist – also entweder reicht es um zu siegen oder eben nicht. Wenn nicht, dann muss ich jedoch keine großen Sorgen machen, da ich weiß, dass ich jederzeit mein Bestes gegeben habe – das ist für mich die beste Form von mentalem Training.

Hast du dich im Vorfeld der WM speziell vorbereitet? Hast du an deinem regulären Training etwas verändert?

Nein, eigentlich habe ich alles wie immer gemacht. Da wir aber wussten, dass uns hier in Leogang einige Tretstücke erwarten würden, haben wir ein bisschen mehr auf Tritt- und Schnellkraft trainiert. Ich stecke in alle Rennen den gleichen Aufwand an Training und da das schon das Maximum ist, hätte ich für die WM ohnehin nicht noch mehr machen können. Ich muss immer ein wenig lachen, wenn ich höre, dass jemand extra für die WM trainiert hat, denn eigentlich sollte man das für die gesamte Saison tun. Ohnehin ist es schon spät in der Saison und da befindet sich der Körper schon am Limit, jetzt noch mit irgendwelchen Veränderungen zu spielen wäre viel zu riskant.

Jetzt gegen Ende der Saison folgt dann eine Veränderung meines Trainings, es wird für eine kurze Zeit alles Schritt für Schritt zurückgefahren, um dem Körper eine Regenerationsphase nach dieser langen anstrengenden Saison zu gönnen. Du kannst jedoch nicht einfach mit dem Training aufhören – man muss den Körper langsam herunterfahren.


no win for gwin

Und wie gehst du mit Dingen wie deinen beiden Stürzen in der Qualifikation in Fort William um? Nach der Quali hast du einen total entspannten Eindruck gemacht, als ob dich die beiden Stürze für das Rennen am darauffolgenden Tag überhaupt nicht beeinflussen würden.

Ja, das gehört auch zu den Dingen, die ich gerade angesprochen hatte. Es kann immer einmal etwas schief laufen und es gehört dazu auch mal zu stürzen. Darüber bin ich mir im Klaren und daher lasse ich solchen Dingen keine weitere Bedeutung zukommen. Die Stürze in Fort William waren aber auch nicht weiter tragisch, es ist einfach dumm gelaufen. Manchmal hat man einfach Tage, an denen es einfach nicht läuft, dann muss man entspannt bleiben und am nächsten Tag von Neuem anfangen und einfach sein Bestes geben.

In Kürze steht das World Cup Finale in Hafjell an. Warst du schon einmal dort? 

Nein, bisher nie.

Hast du dir denn Videos oder Bilder angesehen, um zu erfahren, was dich dort im hohen Norden erwartet?

Ja natürlich. Ich hab ein Helmkameravideo von der dortigen Strecke gesehen. Ich habe auch schon im Vorfeld von einigen Leuten gehört, dass Hafjell ein super Austragungsort sein soll. Ich freue mich schon drauf mal wieder etwas Neues zu sehen. Ich denke das dürfte spaßig werden, eventuell aber auch ein bisschen kalt – wir werden sehen.

Ich habe gehört, dass du sehr gut darin bist, dir Strecken sehr schnell einzuprägen. Stimmt das und kommt dir das beim World Cup zugute?

Ja das ist was dran. Beim World Cup hilft mir das jedoch nicht sehr viel. Das Training beginnt meist schon donnerstags, was bedeutet, was wir bis zum Finale an vier Tagen trainieren können. Über diesen Zeitraum bringt mir dieses Talent keinen Vorteil. Wäre das Training auf zwei oder maximal drei Tage reduziert, könnte ich schon eher davon profitieren.


Aaron´s Quali-Run in Leogamg

Bist du zur WM mit deinem Team Trek World Racing angereist oder mit eurem nationalen Radsportverband?

Mit meinem Team.

Wie sieht es denn bei euch in den USA mit der Unterstützung durch den nationalen Verband aus?

Ich denke, dass es bei uns nicht besser oder schlechter ist als anderswo. Im Großen und Ganzen macht der Verband nichts für uns Downhill-Fahrer. Die meisten von uns müssen die Reise und den Aufenthalt bei der WM aus eigener Tasche finanzieren, nur die nationalen Meister bekommen finanzielle Unterstützung.

Haben sie denn für euch einen Coach und Mechaniker vor Ort?

Ja das haben sie schon. Das nehme ich jedoch nicht in Anspruch, da ich ja mit meinem Team hier bin und wir perfekt aufeinander eingespielt sind.

Besten Dank Aaron, dass dir kurz Zeit genommen hast mir einige Fragen zu beantworten. Viel Erfolg für´s Rennen am Sonntag!

Danke ebenso – ich werde mein Bestes geben!

 

Das waren Aarons Worte, nur wenige Tage bevor er im Finale der WM ein weiteres Mal eine große Niederlage einstecken musste. Schon auf der Leinwand der Übertragung des Finales im Zielraum konnte man erkennen, dass Gwin keine neue Bestzeit hinlegen würde. Mit einem großen Rückstand erreichte er die Zeitmessung und unternahm keiner Bemühungen, noch einen Angriff zu starten. Ohne Zweifel schien ihm bewusst zu sein, dass er in Leogang keine Lorbeeren einholen konnte und rollte die Strecke entlang der Zuschauermassen entspannt und mit einer spielerischen Leichtigkeit hinab, die man ihm wohl so nicht zugetraut hätte. Am Zielsprung erfreute er das Publikum und die Fotografen dann noch seinem Signature-Move, einem „Goon-Style-Stem-Fucker“, und fuhr überraschend gut gelaunt ins Ziel ein, wo er als erstes dem neuen Weltmeister Greg Minnaar zu dessen Erfolg gratulierte.


Aaron Gwin am Zielsprung


„Goon-Style-Stem-Fucker“


…just for the ladies!

Was genau passiert war, ließ sich nur erahnen, denn weder Bike noch Kleidung wiesen Spuren eines Sturzes auf. Auch ließ sich auf den ersten Blick kein technischer Defekt erkennen. Als er dann jedoch noch im Zielraum zu seinem Team-Chef Martin Whiteley zitiert wurde, ließ die Gestik Gwins darauf schließen, dass es sich um einen technischen Defekt gehandelt haben muss. Nur einen Tag später gab Trek World Racing bekannt, dass die Bremse Gwins aus bisher unerklärlichen Gründen auf einen Schlag keine Bremswirkung mehr erzielte. Der guten Laune von Gwin am selbigen Abend konnte man jedoch entnehmen, dass ihm der gescheiterte Versuch Weltmeister zu werden wohl eher weniger aufs Gemüt schlug – so wie er es in unserem kleinen Gespräch bereits zu Protokoll gegeben hatte.

Aaron at Worlds-1
# Aarons Zieleinlauf 

Aaron at Worlds-2
# gut gelaunt trotz verpatzter WM – Aaron Gwin

Dass an den Aussagen seines Teams über den technischen Defekt seiner Bremse etwas Wahres dran zu sein scheint, lässt sich wohl durch das unten aufgeführte Video bestens beweisen. Wir wünschen Aaron alles Gute für das World Cup Finale in Hafjell und würden uns freuen, ihn kommendes Jahr auf der höchste Stufe des WM-Podiums sehen zu können.

  1. benutzerbild

    Hardtailhucker

    dabei seit 08/2006

    ich stand während seines laufs neben einem streckenposten, über funk wurde durchgesagt: "Nummer 2 gestürtzt.... .... fährt aber weiter."

  2. benutzerbild

    fullspeedahead

    dabei seit 10/2006

    1. interessantes Interview, danke
    2. Gwin war schon immer ein freundlicher, ein wenig introvertierter, down-to-earth man.
    3. seine Art nur dann mit sich zufrieden zu sein, wenn er eine 100% perfekte Leistung geboten hat, hat aber durchaus ungut gewirkt (zB wenn er zwar gewonnen hat, sich aber über gewisse Fehler im Run geärgert hat, scheinbar also keine Freude am Sieg hatte)
    4. niemand hätte derzeit einen WM-Titel so verdient wie er. Nicht einmal Sam Hill hat eine Saison so dominiert wie er nun schon die 2. in Folge und wenn ich überlegen würde, wer für mich die 5 Topstars der letzten 5 Saisonen waren (Peaty, Minnaar, Gee Atherton, Sam Hill) so tragen alle 4 anderen schon ihren Rainbow Collar.
    5. also ich würde ihm einen Weltmeisterschaftstitel voll vergönnen, dafür dürfte es im GesamtWC ruhig wieder etwas spannender werden ;-) (man denke an 2010 Greg vs. Gee)

  3. benutzerbild

    flametop

    dabei seit 08/2012

    Dass der Weltmeisterschaftstitel in einem Rennen ermittelt wird ist eh ein Witz - sorry!

  4. benutzerbild

    Deleted 8566

    dabei seit 12/2015

    Warum? Bei der WM musst du die Leistung auf den Punkt bringen, beim WC über eine lange Periode.
    Die meisten schaffen weder das eine, noch das andere.

    Bei Gwinn kann ich mir vorstellen, dass er hochsensibel ist. http://de.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilität

  5. benutzerbild

    Marc B

    dabei seit 07/2001

    Gwin wird 2013 einen weiteren Top-fahrer an der Seite haben und drei weitere Gravity Rider gesellen sich ins Trek World Racing Team, da die XC-Sparte geschlossen wird! Mal schauen, welchen Big Player im Downhill sich TWR angeln wird!

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