Sabine Spitz hat in ihrer Karriere alles erreicht, was man als MTB-Sportler erreichen kann: Olympiagold, Weltmeisterin im Cross Country und Marathon, mehrfache Europameisterin, mehrfache UCI-Weltranglistenerste und 14fache Deutsche Meisterin. Bei den Olympischen Spielen dieses Jahr in London komplettierte sie ihre Olympiamedaillensammlung mit Silber und bewies damit ihre unglaubliche Konstanz seit mehr als 10 Jahren.
Auf der Eurobike am Demoday nutzen wir die Gelegenheit für ein kleines Interview mit der Ausnahmeathletin. Wie sie die Olympischen Spiele in London erlebt hat, wie sie die Entwicklung des MTB-Sports in Deutschland sieht und was sie sich für die Zukunft vorgenommen hat, erfahrt ihr im Interview. Viel Spaß beim Lesen!
# Sabine Spitz im IBC-Interview
MTB-News.de: Hallo Sabine, herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille in London. Du hast jetzt alle Olympia-Medaillen gewonnen: Welcher Erfolg hat dir am meisten bedeutet?
Sabine Spitz: Für einen Sportler und die breite Öffentlichkeit sind die Siege immer das Beste, somit war natürlich der Olympia-Sieg in Peking auch der größte Erfolg für mich. Olympisches Gold ist sicher das Größte, was man im MTB-Sport erreichen kann. Allerdings waren auch die Medaillen von Athen und London von ganz besonderer Bedeutung für mich. Zum Einen die erste Medaille bei Olympia, zum Andern aktuell nochmals eine Medaille, obwohl mir das viele nicht mehr zugetraut haben. Silber dieses Jahr ist phantastisch, damit ging ein Traum in Erfüllung. Ich habe gezeigt, dass bei den wichtigen Rennen immer mit mir zu rechnen ist.
# Sabine Spitz finishing – Foto by Cerveny b
Die Medaillen sollen unterschiedlich groß sein?
Ja, das stimmt – die werden immer größer und schwerer. In Gramm sind das: Bronze Athen 123g, Gold Peking 201g und Silber London 438g.
Die deutsche MTB-Mannschaft hat wie viele Andere auch in der Nähe der Strecke übernachtet und nicht im olympischen Dorf. War trotzdem ein wenig olympisches Flair vorhanden oder war es wie jedes andere wichtige Rennen ?
Bei den anderen Olympischen Spielen war ich immer im Olympischen Dorf und hatte stets eine Vielzahl von Kontakten zu anderen Sportlern und Sportarten. Das war cool. Sportler die man gerade erst im Fernsehen beim Wettkampf beobachtet hat, liefen einem später über den Weg und man konnte mit ihnen darüber sprechen. Das habe ich bei diesen Spielen schon ein wenig vermisst. Aber ein besonderer Olympischer Flair war trotzdem vorhanden. Bei den Spielen ist alles exklusiver, größer und auch komplizierter als bei anderen wichtigen Rennen. Für die Vorbereitung war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung im Hotel zu wohnen. Und bei der Abschiedsfeier kam dann noch mehr Olympia-Feeling rüber.
# Wenigstens bei der Abschiedsfeier lebte das Olympische Flair auf
Wie war die Stimmung an der Strecke? Die Strecke an sich war ja sehr umstritten, wie fandest du sie?
Die Stimmung war absolut genial und sicher die Beste die wir bei Spielen je hatten, da wurden alle Fahrer bejubelt. Die britischen Fans waren sehr fair und haben nicht nur Annie (Anm.d.Red.: Annie Last – britische U23-Fahrerin ) angefeuert. Die Strecke in London war zukunftsweisend für den MTB-Sport. Ich hoffe, dass andere Veranstalter davon etwas mitnehmen, auch wenn die WM in Saalfelden da eher wieder ein Rückschritt war. Die Kurse haben sich in den letzten Jahren generell verändert und werden immer künstlicher. Ich finde das gut wenn es auch gut gemacht ist, denn dann bringt es den Sport nach vorne. Außerdem war die Strecke in London sehr regensicher, was auch ein wichtiger Aspekt ist. Denn eine Schlammschlacht mit Materialdefekten oder Ähnlichem ist eine schlechte Werbung.
# Gleich zu Beginn des Rennens setzte sich Sabine Spitz an die Spitze – Foto by Cerveny b
Du bist den neuen Laufradstandard 650B gefahren. War es mehr eine mentale Sache oder hattest du dadurch einen Vorteil? Wird man dich auch auf den weiteren Rennen mit 650B sehen?
Auf der Strecke mit den vielen Steinpassagen waren größere Laufräder von Vorteil. Ich habe auch 29ern probiert aber ich fühlte mich einfach nicht 100%ig wohl damit, auch wenn ich die gleichen Sitzpositionseinstellungen hatte. Mit den 650B Laufrädern ist die Wendigkeit und das Fahrgefühl gleich, aber man die Vorteile der größeren Laufräder. Das passt einfach besser zu meinem Fahrstil und auch Köpergröße. Bei der WM war ich auch damit unterwegs und will das auch in Zukunft sein. Allerdings hängt es momentan noch etwas von den Zubehörteilen ab, in wie weit diese zur Verfügung stehen. In London waren die verfügbaren Schwalbe Rocket Ron Reifen perfekt. Bei Schlamm bräuchte ich dann aber die Dirty Dans.
# Das Silberbike von London mit selbstgemachter 650B-Gabel (Thor Casting und 29er TS8 Krone) sowie Leichtbau-Laufrädern (Tune-Naben und NoTubes Metalist-Felgen)
Georgia Gould saß dir im Rennen ständig im Nacken. Hast du mitbekommen was sie dir bei deinem Sturz zugeschrien hat?
Hat Sie? Ich habe keine Ahnung ob und was sie gesagt hat. Ich habe bei der WM mit ihr gesprochen und wir waren einer Meinung, dass es an dieser Stelle, die so eng war, keine Alternativen gab.
Wie war deine Renntaktik ? Du bist immer vor Gould gefahren, war das um deine Dominanz zu zeigen?
Nach meinen Sturz war Georgia kurz vorne, weil ich mich erst einmal wieder sammeln musste. Danach bin ich wieder nach vorne gefahren und hatte immer einen Abstand von ca. 7-15 Sekunden. Julie Bresset war soweit weg, dass ich einfach versucht habe, mein Ding sauber durchzuziehen. Auf diesem Kurs musste man immer zu hundert Prozent konzentriert sein, um keine Fahrfehler zu machen. Das war, nachdem ich bereits einen solchen Fehler gemacht hatte, nicht ganz einfach. Aber ich konnte mich dann doch wieder ganz auf meine Fähigkeiten konzentrieren und die Sicherheit zurüc gewinnen, so dass es dann zum Glück geklappt hat und ich Gould für einen Konter keine Chance mehr gab.
# Nach ihrem Sturz zieht Sabine Spitz einsam ihre Runden – Foto by RobJones
Hat sich dein Training seit Olympia 2000 verändert? War der Fokus auf London größer?
Der Fokus lag wie in jedem olympischen Jahr voll auf Olympia. Die Überseeweltcups hatte ich z.B. stets ausgelassen, was mir immer ganz gut getan hat. Seit vielen Jahren mache ich auch immer 1-2 Monate davor ein Höhentrainingslager, was sich für mich bewährt hat und deshalb auch beibehalten wurde. Aber natürlich haben sich die Trainingsinhalte verändert. Die Rennen sind heute kürzer, intensiver und härter. Das muss man adaptieren, sonst ist man verloren. Und die Tatsache dass man älter wird, macht es auch nicht einfacher.
# Die Belohnung für hartes Training – Foto by Cerveny
Du sprichst oft von einer Veränderung bei der Konkurrenz. Ist es hauptsächlich die höhere Leistungsdichte oder wirklich auch mehr Ellenbogenverhalten im Wettkampf?
Wie gesagt: die Rennen sind kürzer geworden und es wird einfach aggressiver gefahren. Früher war die erste Runde schnell, dann hat man sich gesammelt und ist sein Ding gefahren. Man hatte viel mehr Zeit zum Überholen und ist somit kein unnötiges Risiko eingegangen. Dazu kommt natürlich auch die höhere Leistungsdichte. Es gibt mittlerweile viel mehr Fahrerinnen die Chancen auf das Podium haben und die Zeitabstände sind geringer geworden. Und klar, die jüngeren Fahrerinnen riskieren einfach auch mehr, was wohl in der Natur der Dinge liegt.
Allerdings sollte man dabei fair bleiben und auch der gegenseitige Respekt sollte dabei nicht verloren gehen.
Du bist schon über einem Jahrzehnt die unangefochtene Nummer eins in Deutschland. Woran könnte es liegen, dass zu wenige nachkommen?
Es fehlt einfach die Breite an Sportlern, die Vereine engagieren sich zu wenig im MTB-Sport. Es gibt gute Vereine in Deutschland die viel Engagement leisten und aus denen auch gute Sportler hervorkommen. Doch das sind nicht so viele, als dass man von einer breiten Masse sprechen könnte. Die Verankerung des MTB-Sports in der Öffentlichkeit ist auch zu gering, was gewiss auch daran liegt, dass Deutschland keine echte Radsportnation ist und in den Medien einfach zu wenig Mountainbike-Sport zu sehen ist, obwohl Mountainbiken ja eine echte Massenbewegung ist. Fast jeder hat ein Mountainbike zu Hause, als Leistungssport wird es aber noch immer nicht wirklich ernst genommen. Das ist in anderen Ländern wie z.B. der Schweiz ganz anders. In Deutschland haben wir diese breite Wahrnehmung allenfalls im Rahmen der Olympischen Spiele. Das ist aber zu wenig.
Welche Rolle spielt der BDR deiner Meinung nach?
Der BDR hat damit allenfalls in sofern etwas damit zu tun, dass er für die Vermarktung des Sports so gut wir gar nichts macht, was natürlich mit Blick auf die Wahrnehmung fatal ist. Ansonsten ist man in der unmittelbaren Nachwuchsarbeit ja sehr engagiert beim BDR und macht sehr viel, indem man den jungen Sportler viele Trainingslager und Wettkämpfe ermöglicht. Das ist z.B. weitaus mehr, als in der Schweiz gemacht wird. Dort hat man aber aufgrund des allgemein großen Interesses am MTB-Sport eine breitere Masse potentiellen Topfahrern, die sich mit viel Eigeninitiative nach oben kämpfen müssen.
Kannst du Dir vorstellen nach deiner aktiven Karriere etwas für die Nachwuchsförderung zu tun?
Ja, auf jeden Fall! In meinem Heimatverein gibt es ja schon länger das „Sabine Spitz Nachwuchsteam“ wobei ich mich persönlich da bisher kaum einbringen konnte, weil mir einfach die Zeit dazu fehlt. Ziel ist es, möglichst viele Jugendliche und Schüler für den Mountainbike-Sport zu begeistern. Neben dem Pro Team und dem regionalen Nachwuchsteam wäre dazu noch ein nationales Nachwuchsteam die ideale Ergänzung. Mal sehen was sich in Zukunft umsetzen lässt.
Was sind deine weiteren Ziele? Spielt Rio 2016 noch eine Rolle?
Nach den Spielen war die Cross-Country WM dieses Jahr für mich noch ein wichtiges Ziel, wo ich ein gutes Rennen fahren wollte (Anm.d.Red.: das hat sie auch, konnte aber wegen eines Defekts nicht aufs Podium fahren). Dazu steht jetzt als Saisonabschluss noch die Marathon-WM auf dem Plan. Mal sehen wie es noch geht, auch wenn die Saison langsam doch etwas arg lang wird. Darüber hinaus will ich die nächsten 2 Jahre noch aktiv am Renngeschehen teilnehmen. Aber Rio ist für mich im Moment absolut kein Thema mehr.
# Fuhr bei der WM ein super Rennen, das leider nicht mit einem Podiumsplatz belohnt wurde – Foto by Marius Maasewerd
Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und bedanken uns, dass du dir so kurzfristig die Zeit für ein Interview genommen hast.
Gerne, vielen Dank!
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