Im ersten Artikel zum neuen Doppelkammer-Reifensystem von Schwalbe und Syntace hatten wir euch bereits über erste Hintergründe und Fakten nach dem derzeitigen Kenntnisstand informiert. Um die gemachten Versprechen auf die Probe zu stellen, luden die beiden deutschen Firmen vier ausgewählte Medien zu einem exklusiven Test des Vorserienprodukts ins spanische Malaga ein. Die Bedingungen waren bestens, um das gesamte System Laufrad auf die Probe zu stellen.

Wer bisher nichts von der „Revolution auf dem Reifenmarkt“, wie das Doppelkammer-System von seinen Entwicklerfirmen Schwalbe und Syntace beworben wird, mitbekommen hat, der findet alle nötigen Infos in folgender Zusammenfassung.

Zusammengefasst: das Doppelkammer-System

  • „Keine Platten mehr durch Durchschläge“, das versprechen die Entwickler
  • mit 1 Bar Reifendruck bedenkenlos fahrbar
  • Dellen in der Felge sollen der Vergangenheit angehören
  • besonders geeignet zur Montage auf breiten Felgen (ca. 25mm Innenbreite und breiter)
  • kompatibel mit allen UST- und Tubeless-Ready-Reifen
  • kein Luftverlust durch „Burping“
  • besonders gute Dämpfungseigenschaften durch zwei unterschiedlich straffe Luftkammern
  • Mehrgewicht gegenüber herkömmlichen UST-Systemen derzeit bei ca. 200 Gramm


# Das Test-Objekt: Das neue Doppelkammer-System von Schwalbe und Syntace. Ein Schwalbe Magic Marry Reifen aus dem „First Ride“-Entwicklungsprogramm montiert auf einer Syntace W35 Felge.

Test und Tester: Hintergrundinfos

Die Trails rund um Malaga sind alles andere als reifenfreundlich. Steine und Felsen bedecken einen sehr harten Untergrund, der den Steinen keine Möglichkeiten gibt dem Reifen auszuweichen. Ein wahrer Reifenkiller für jeden herkömmlichen Pneu und eine Belastungsprobe für Schlauchlossysteme in Sachen Schnittsicherheit, aber auch in Bezug auf Burping (Luftverlust am Felgenhorn durch starkes Walken), denn viele der Strecken ermöglichen hohe Geschwindigkeiten – auch in Kurven – was nicht nur den Grip, sondern auch den Halt des Reifens auf der Felge auf die Probe stellt. Indem Schwalbe und Syntace zum ersten exklusiven Test nach Malaga einluden, haben sie sich selbst vor eine schwere Prüfung gestellt.

Auch ich als Tester sollte nicht gerade die leichteste Prüfung für das System darstellen. Mein bekanntermaßen rustikaler Fahrstil war es, der mir in der vergangenen EWS-Saison so manches Rennergebnis durch üble Reifenschäden bescherte. Die meisten platten Reifen verzeichnete ich vergangenes Jahr durch „Burping“, dicht gefolgt von Dellen in der Felge, die das Schlauchlos-System undicht machten. Und das alles, obwohl ich bereits auf tragfähige UST-Reifen mit DH-Karkasse und dazu passenden UST-Felgen setzte und lediglich 75kg auf die Waage bringe. Um so spannender war es für mich, als mir bekannt wurde, dass es ein System geben soll, dass diesen Pannen ein Ende setzen möchte.

Getestet wurde das System auf einer Syntace W35 Felge mit einer Maulweite von 28,4mm. Gerade für solch breite Felgen soll sich das System eignen, da diese Felgen unter Tubeless-Einsatz bisher besonders gefährdet waren, bei einem Durchschlag mit den Felgenflanschen die Lauffläche der Reifen zu zerschneiden. Bestückt wurden die Laufräder mit Magic Mary-Reifen aus Schwalbes „First Ride“-Programm. Wie man fühlen konnte, kamen diese „Prototyp-Reifen“ ohne den von den „Super-Gravity“-Modellen bekannten Apex aus, der maßgeblich vor Durchschlägen schützen soll. Auch wenn es nicht bestätigt wurde, so schien es, als wäre es ein Magic Mary-Reifen mit Vertstar-Compound und normaler Snake Skin-Karkasse gewesen.


# Die Test-Bikes: Wir montieren die Test-Laufräder an ein 2014er Trek Slash 650b.

Test: Gewöhnung an die Reifen

Um uns den Vorteil des Systems bestmöglich zu veranschaulichen, schickte uns die Crew der beiden Entwicklerfirmen anfangs mit 1,9 Bar vorn und 2,1 Bar hinten auf die Strecke – ziemlich identische Luftdrücke, wie sie in der vergangenen Enduro-Rennsaison auch an meinem Bike gemessen werden konnten. Entsprechend gewohnt fiel der Fahreindruck aus, auch wenn ich bis dato das erste Mal mit einem Schwalbe Magic Mary-Reifen unterwegs war. Mit diesem Set-Up war durch das Doppelkammer-System nahezu kein Unterschied zu einem konventionellen System zu spüren.

Die erste Abfahrt

Nach der Eingewöhungsphase senkten die Schwalbe-Mitarbeiter unter Ausschluss unserer Augen der Luftdruck erheblich: nur noch 1,4 Bar am Hinterrad und 1,3 Bar am Vorderrad waren ihren Aussagen zufolge in der Hauptkammer des Reifens – den Druck der zweiten Kammer verrieten sie nicht. Da ich mit diesen Werten in der Vergangenheit ausschließlich schlechte Erfahrungen machte, war ich dem Set-Up gegenüber sehr skeptisch. Mein eher rustikaler Fahrstil und die Vorliebe, einfach draufzuhalten statt nach einer ausgefeilten Linie zu suchen, ergaben bei mir in der Vergangenheit bei Tubeless-Systemen meist Luftverluste durch deformierte Felgen oder aber „Burping“ durch einen walkenden Reifen. 1,3 Bar – kann das gut gehen? Entsprechend schwer war die erste Abfahrt für mich einzuordnen.

Anfangs vermittelte mir das System subjektiv den Eindruck einer eher unsicheren Fahrweise. Aufgrund des stark walkenden Reifens nahm ich den Grip der Reifen als unberechenbar wahr. Auf der anderen Seite hatte ich jedoch sektionsweise das Gefühl, deutlich schneller zu fahren als noch in den Läufen zuvor, wenngleich ich stellenweise Probleme damit hatte, meine Linie zu treffen. Das Resultat der vermeintlich höheren Geschwindigkeit? Ohne Zeitmessung und technische Unterstützung war es mir nicht möglich, meine rein subjektiven Eindrücke besser einzuordnen. Im Zuge des Test gingen wir auch bis auf einen Luftdruck von 1,0 Bar runter, was technisch funktionierte, mir im Fahrverhalten für den Anfang allerdings zu „schwammig“ war.


# Schwalbe Team-Fahrer Nico lau präsentierte Eindrucksvoll was mit dem neuen Doppelkammer-System alles möglich ist.

Fest stand nach den ersten Metern jedoch, dass man sich auf das System einlassen und ihm vertrauen muss. Ich habe lernen müssen, mit dem neuen System umzugehen. Während man uns darauf hingewiesen hatte, dass dieser Lernzustand durchaus länger dauern könnte, da das Fahrverhalten tatsächlich gravierend anders sei als bei herkömmlichen Systemen, kann ich von mir sagen, mich nach der vierten Abfahrt an das System größtenteils gewöhnt zu haben. Das hat sich in vielerlei Hinsicht auf mein Fahrverhalten ausgewirkt.


# Platter Reifen? Keineswegs!

Wie fühlt sich das System an?

Am meisten faszinierten mich in der Tat die Dämpfungseigenschaften des Systems. War ich anfangs noch darauf angewiesen meine Low-Speed-Druckstufe relativ weit geöffnet zu fahren, um Kräfte in Händen und Armen zu sparen, so konnte ich mit dem Doppelkammer-System die Druckstufe der Pike in einen nahezu geschlossenen Modus bringen, was der Sicherheit, Spurtreue und Stabilität in Anliegern, schnellen Kurven und in steilem Gelände erheblich zuträglich war, ohne an meinen Kräften zu zehren. Der versprochene Dämpfungsvorteil war demnach gegeben.

In Sachen Traktion und Grip vermag ich mir kein Urteil zu bilden, da ich auf keine Vergleichswerte für die Magic Mary-Reifen zurückgreifen konnte. Der gebotene Grip war jedoch sehr beachtlich – wodurch er auch immer generiert wurde. Eine Besonderheit konnte ich aber dennoch wahrnehmen: Bei hektischen und unüberlegten Lenkmanövern, die zum Übersteuern führten, fühlte ich mich niemals in Bedrängnis gebracht, da der Reifen immer wieder blitzschnell Grip fand.


# Braaaaaap! Nico Lau gibt seinem Cube die Sporen

Absolute Defektsicherheit?

Eine Sache bestätigte sich mir jedoch nicht, wie von den Hersteller beworben – der Schutzfaktor der Felge: Bei einem harten Einschlag gelang es mir ungewollt, auch mit dem Doppelkammer-Luftsystem eine Reifenpanne einzufahren. In einer High-Speed-Sektion führte eine unsanfte Landung und ein mit ihr einhergehender Durchschlag für eine starke Deformation des Felgenflanke, was umgehend zu Luftverlust der Hauptkammer und einem – zumindest äußerlich – platten Reifen sorgte. Am Ende der zwei Tage zählte ich insgesamt zwei Dellen – wovon aber nur eine zum Platten führte.

Der genaue Hergang des Einschlags war nicht zu rekapitulieren, doch den Spuren am Reifen zufolge könnte es sich um eine von der Seite einwirkende Kraft auf den Reifen gehandelt haben. Scheinbar hat auch das Zwei-Kammer-Luftsystem unter diesen Bedingungen kaum Chancen hier absolute Sicherheit zu gewährleisten.

Notlaufeigenschaften

Dieser Defekt hatte zu Testzwecken aber auch sein Gutes: das System konnte seine Notlaufeigenschaften unter Beweis stellen. Bei einem herkömmlichen Schlauchlos-System hätte die Fahrt an diesem Punkt ihr Ende gehabt, denn man hätte – wäre man weitergefahren – mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl die Felge als auch den Reifen irreparabel zerstört. Auch wäre man das Risiko eingegangen, den Reifen von der Felge zu ziehen und hätte unter Renn-Bedingungen kaum noch Chancen gehabt, den Rennlauf auch nur halbwegs konkurrenzfähig zu beenden.

Dank des Systems war es mir jedoch möglich, meine Abfahrt unwesentlich langsamer fortzusetzen: Dank der zweiten Luftkammer waren weder der Rollwiderstand noch das Lenkverhalten stark beeinträchtigt. Da der Reifen durch den Druck des inneren Systems fest an die Felge angedrückt wird, rutscht dieser nicht und bietet bei einem Platten vollkommen ausreichende Bremstraktion – ein nicht zu unterschätzender Faktor, vor allem wenn man einen solchen Defekt im groben Gelände bei voller Fahrt erleidet.


# Es wurde dem Systems nichts geschenkt: die rauen Strecken waren ideal für einen Reifen/Laufrad-Test.

Fazit

Eine der interessanteren Innovationen der jungen Mountainbike-EntwicklungWie sowohl Schwalbe als auch Syntace mehrfach betonten, befindet sich das System derzeit noch im Entwicklungsstadium, auch wenn es bereits sehr weit fortgeschritten ist. Die gezeigten Fahreigenschaften sind beeindruckend und veranlassen mich – auch wenn sie noch nicht komplett perfekt sind – zu der Aussage, das System in der Tat als „eine der interessanteren Innovationen der Mountainbike-Entwicklungen der letzten Jahre“ zu bezeichnen. Es bleibt spannend abzuwarten, welches Gewicht man letzten Endes mit dem System erreichen und auf welche Bereiche es sich ausweiten wird.

Bilder vom Ausritt mit Nico Lau

Sonnenaufgang an der Costa del Sol
# Sonnenaufgang an der Costa del Sol

Abfahrt mit dem Shuttle-Bus: Nahezu alle Trail-Eingänge rund um Malaga lassen sich mit dem Auto erreichen.
# Abfahrt mit dem Shuttle-Bus: Nahezu alle Trail-Eingänge rund um Malaga lassen sich mit dem Auto erreichen.

Fahrt für Fahrt senkte Nico den Luftdruck in der Hauptkammer...
# Fahrt für Fahrt senkte Nico den Luftdruck in der Hauptkammer…

...um maximale Traktion und Dämpfung zu generieren.
# …um maximale Traktion und Dämpfung zu generieren.

Nico kennt das System bereits seit längerem und weiß genau, mit welchem Luftdruck es die beste Performance liefert: je nach Strecke um die 1,0 - 1,3 Bar.
# Nico kennt das System bereits seit längerem und weiß genau, mit welchem Luftdruck es die beste Performance liefert: je nach Strecke um die 1,0 – 1,3 Bar.

Fast wie in Deutschland - der gute alte Fichtenslalom
# Fast wie in Deutschland – der gute alte Fichtenslalom

Braaaap!
# Braaaap!

LOOSE!!!
# LOOSE!!!

Nicos Fahrstil ist nicht nur elegant, sondern noch dazu verdammt schnell.
# Nicos Fahrstil ist nicht nur elegant, sondern noch dazu verdammt schnell.

Welch herrlicher Ausblick auf die Costa del Sol.
# Welch herrlicher Ausblick auf die Costa del Sol.

Ab nach oben, da geht noch mehr!
# Ab nach oben, da geht noch mehr!

Schwalbe Produkt-Manager Markus Hachmeyer hatte sichtlich Spaß auf den Trails in Malaga.
# Schwalbe Produkt-Manager Markus Hachmeyer hatte sichtlich Spaß auf den Trails in Malaga.

Der Team-Fahrer im Gespräch mit Michi Kull, Schwalbes Race-Support-Beauftragtem.
# Der Team-Fahrer im Gespräch mit Michi Kull, Schwalbes Race-Support-Beauftragtem.

Schön war´s!
# Schön war´s!

  1. benutzerbild

    evil_rider

    dabei seit 01/2002

    super, nun macht schwalbe -fast genau- das was wir vor 15 jahren schon machten.. 2 schläuche im reifen... wenn einer fritte hat der 2. genug druck um den reifen da zu halten wo er hingehört... super schwalbe, 15 jahre zu spät! smilie

  2. benutzerbild

    jan84

    dabei seit 08/2005

    super, nun macht schwalbe -fast genau- das was wir vor 15 jahren schon machten.. 2 schläuche im reifen... wenn einer fritte hat der 2. genug druck um den reifen da zu halten wo er hingehört... super schwalbe, 15 jahre zu spät! smilie

    Oder Ihr habts 15 Jahre lang verpeilt damit Geld zu verdienen smilie.

    Ich bin gespannt, wenns funktioniert wie die ersten "Tests" es erwarten lassen isses - zumindest zum Rennen fahren - auf jeden Fall mal nen Versuch wert.

    Grüße,
    Jan
  3. benutzerbild

    fone

    dabei seit 09/2003

    das eine (2 normale schläuche) hat doch mit dem anderen (hochdruck-felgenschutz-schlauch) überhaupt nix zu tun.

  4. benutzerbild

    Thiel

    dabei seit 10/2007

    Ist das Schwalbe Felgenband im Procore Set ein anderes bzw. stabiler als wie das NoTubes ?
    Ich habe nämlich ein gebrauchtes ProCore Set gekauft und frage mich, ob NoTubes auch die ~6 bar verkraftet. Ich vermute schon, denn es wird ja auch für Strassenfelgen angeboten.
    Eine Lage reicht ?

  5. benutzerbild

    herbert2010

    dabei seit 06/2011

    ich verwende das No tubes Band macht keine Probleme

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