Nach einem äußerst strapaziösen ersten Renntag versprachen uns die Organisatoren am Abend beim Riders-Briefing, dass der heutige Tag deutlich gemächlicher vonstatten gehen sollte. Mit 1.200 hm, die es bergauf zu fahren galt, und lediglich 3 Wertungsprüfungen sollten die Strapazen vom Vortag keine Wiederholung finden.
Doch weit gefehlt – wie sich später herausstellen würde! Aber schließen wir dort an, wo die Geschichte am Vortag geendet hatte:
Nachdem ich ins Ziel gekommen war, galt es mein Rad zu reparieren, das mich durch zahlreiche Defekte bereits am ersten Renntag aus der Bahn geworfen hatte. Da Kabelbinder bekanntlich die Welt zusammenhalten, konnte ich daraus notdürftig eine Remote-Funktion an die Sattelstütze dranbasteln. Das sollte mir die Teilnahme am nächsten Renntag ermöglichen.
# Geht doch – so kann die Stütze bedient werden…
Bis spät am Abend war im damit beschäftigt, das Rad wieder fit zu machen. Anschliessend galt es noch Fotos nachzubearbeiten und den beruflichen Pflichten nachzugehen. Wie schon am Vorabend war es also wieder 1 Uhr nachts als ich endlich ins Bett kam – nicht die besten Voraussetzungen für den folgenden Tag. Die Nacht gestaltete sich nicht viel angenehmer als der Renntag zuvor. Krämpfe in den Beinen machten sich auch nachts breit und ich musste mehrmals aufstehen.
Am nächsten Morgen ging es bereits um 6 Uhr aus den Federn. Der Pickup wollte beladen werden und vor uns stand eine 2-stündige Fahrt hinauf zum Start der ersten Wertungsprüfung. Diese Fahrt führte uns über eine Forststraße, die sich in einem äußerst schlechten Zustand befand und selbst die Allrad-Pickups vor eine Herausforderung stellte. Es ging entlang an steil abfallenden Hängen, die einen phantastischen Blick auf die Anden auf der einen Seite und das Tal mit dem darin liegende Santiago de Chile auf der anderen Seite bot.
Oben angekommen waren weiter 20 Minuten Fußmarsch zu bewältigen. Mit den Bikes auf den Schultern ging es hoch zum Start. Der Start zeigte schon, dass eine gewaltige Herausforderung vor uns liegen würde – denn wir waren wieder weit oben und die Stage endete unten im Tal. Ich machte mich auf den Weg im Wissen, das Rennen bereits am Vortag verloren zu haben. Dennoch wollte ich nicht aufgeben – und vor allen Dingen eins: sicher und ohne Defekte im Ziel ankommen.
Soweit gelang mir das ganz gut auf der ersten Wertungsprüfung – und auch der Speed stimmte. Er stimmte sogar so gut, dass ich mich Stück für Stück an die mit einer Minute Abstand vor mir gestarteten Fahrer heranarbeiten konnte. Auf dem losen und sehr gerölligen Untergrund war es kaum möglich, präzise Lenkbewegugnen zu machen. Man musste sich darauf einlassen, es war wie surfen in einer Rinne voller Murmeln. Bremsen konnten man kaum, wenn man einmal auf Geschwindigkeit gebracht war. Man musste die natürlich gegebenen Umstände nutzen und so Steine oder Wasserrinnen als Anlieger nutzen um Richtungswechsel einzuleiten.
Das glückte mir sehr gut. Ich konnte auf dieser Stage 6 vor mir gestartete Fahrer überholen!
Was uns die Organisatoren versprochen haben, bewahrheitete sich nicht – die Stage war alles andere als einfach und keinesfalls kräftesparend. Immer wieder galt es steile Anstiege zu bewältigen, die durch den tiefen, sandigen Boden kaum fahrbar waren. Also wieder ausklicken, abspringen, das Rad auf die Schultern werfen und im Laufschritt die steilen Anstiege bewältigen.
Zu den steilen Anstiegen gesellten sich zahlreiche Tretstücke, bei der eine Variostütze hilfreich gewesen wäre. Nachdem ich meine reparierte Sattelstütze fünfmal bedient hatte, gab die Kabelbinder-Konstruktion den Geist auf. Mist! Und wieder verharrte der Sattel in der hohen Position. Soweit kein Problem, da es eher flach und tretlastig war.
In einer Sache hatten die Organisatoren jedoch recht: das Gefälle sollte im unteren Teil der Strecke heftiger werden. Je näher ich dem Ziel kam, desto steiler wurde die Strecke und ich musste mit der hohen Stütze kämpfen. Als ich gerade den sechsten Fahrer überholt hatte, folgte ein Rockgarden mit einigen Steilstufen. Anfangs gelang es mir halbwegs sicher, durch diese Rockgardens zu manövrieren, doch an der letzten Stufe hakte ich mit der Hose im Sattel ein und flog gerade über den Lenker ab.
Ziemlich heftig schlug ich ein. Und wieder hatte mein Rad zu leiden. Nahezu die gesamte Lenkzentrale war verstellt. Lenker schief, Bremshebel zeigten in den Himmel. Ich musste anhalten und alles einstellen, konnte dann aber weiterfahren.
Ich vernahm ein lautes Schleifen von der Hinterrad-Bremse, konnte aber auf die Schnelle nicht zuordnen, woher das Problem kam. Auf die Hinterrad-Bremse konzentiert habe ich dann wohl einen scharfen Stein übersehen – und fuhr auf der Felge weiter. Der Vorderreifen war aufgeschlitzt. Grund genug anzuhalten und nach dem Rechten zu sehen. Wie ich feststellen musste, war die Bremsscheibe wohl so heftig gegen einen Stein geschlagen, dass sich in ihr eine tiefe Macke befand. Es sah fast so aus, als wäre die Scheibe aufgeplatzt!
Letzten Endes das sichere Ende der ersten Stage und vielleicht sogar des Rennens? Ich schob ins Ziel und traf dort auf Tilmann, dessen Rennen keineswegs besser verlief. Im mittleren Teil hatte sich sein Schalthebel gelöst, der dann hinabhing und ihm in die Speichen geriet. Er konnte die Stage beenden, aber die Zeit war für die Katz. Es scheint wohl nicht zu laufen für Team Deutschland in Chile. Schon auf den ersten 5 Stages wurden wir von so vielen Problemen heimgesucht.
Enttäuscht machte ich mich auf den Weg zur Food-Station, die sich ein paar hundert Meter unterhalb des Ziels von Stage 1 befand. Dort sammelte ich meine Gedanken und verschaffte mir eine Übersicht über die Situation. Einen Ersatzreifen für vorne hatte ich nicht dabei. Wegen der Gewichtsbeschränkung der Fluggesellschaft hatte ich nur einen Minimalvorrat an Ersatzteilen dabei. Und gerade durch die Kombination aus 27,5″“ Vorderrad und 26″ Hinterrad musste ich mich für einen einzigen Reifen entschieden – 26″. Genau der Falsche.
Somit war das Rennen für mich gelaufen. Ein kaputter Reifen, eine Bremsscheibe hatte ich auch nicht dabei und die Stütze kaputt. Ich überlegte nochmal, ob es irgendeine Möglichkeit zur Reparatur gäbe. Auf der anderen Seite hatte ich nach wie vor mit Krämpfen und nach den zwei Stürzen und der Dehydration vom Vortag mit Kopfschmerzen zu kämpfen. Es schien mir in dieser Situation wirklich das beste zu sein, das Rennen an dieser Stelle abzubrechen, obwohl es erst der zweite Tag war und alleine der Trip nach Chile kostspielig und aufwändig war. Dennoch wollte ich meiner Gesundheit zuliebe nichts zweiter riskieren.
Ich teilte den anderen Teilnehmern und der Rennleitung mein Ausscheiden mit, die das enttäuscht, aber mit Verständnis aufnahmen. Ich packte mein Rad auf einen der Pickups und bat den Fahrer, mich von Stage zu Stage zu fahren. So konnte ich zumindest meine Arbeit als Fotograf hier fortsetzen.
Gesagt getan. Die Fahrt zur letzten Wertungsprüfung gestaltet sich alles andere als einfach. Wir verfuhren uns. Navi in den Pickups? Fehlanzeige. Und die Fahrer waren keine Locals, sondern kamen aus allen Ecken Chiles.
Nach einer Stunde Sucherei erreichten wir dann doch das Ziel der zweiten Wertungsprüfung. Dort stellten wir allerdings fest, dass bisher keiner der Fahrer im Ziel angekommen war, was uns sehr überraschte, da die Fahrer ja schon seit Stunden unterwegs waren und es heute lediglich drei Wertungsprüfungen gab. Es war an diesem Tag noch heißer als am Tag zuvor. Wie uns die Fahrer am Abend mitteilen sollten, waren die Überführungsetappen nicht einfacher, sondern mindestens so hart wie die am Vortag. Und das bei der drückenden Hitze. Es gab weitere Stürze und physische Einbrüche.
Mit der Kamera bewaffnet erwies sich meine Warterei auf die Fahrer als sehr kurzweilig: „Bist du der Maxi Dickerhoff von MTB-News.de?“ Hans Peter Marx stellte sich mir vor – der chilenische Rotwild-Importeur! Ein Deutscher der vor 22 Jahren ausgewandert war und in Chile seine neue Heimat gefunden hat. Hans-Peter erzählte mir viel über das Leben in Chile und auch über die chilenische MTB-Szene. Wir hatten uns eine Stunde lang unterhalten, als die ersten Fahrer ins Ziel kamen.
Es war bereits 19 Uhr und die Hitze immer noch drückend. Ich stellte mich an die Strecke, um ein paar gute Shots zu erlangen. Fahrer für Fahrer erreichten das Ziel und es war ihnen anzusehen, wie fertig alle waren. Die Prognosen der Organisatoren schienen sich nicht bewahrheitet zu haben. Das Teilnehmerfeld hatte offensichtlich einen sehr harten Tag hinter sich. Meine Entscheidung das Rennen zu verlassen, schien sich als richtig zu erweisen.
Als endlich alle Fahrer da waren, wurden die Pickups beladen und es ging weiter in das nächste Basislager. Die Fahrt dorthin dauerte knapp 2 Autostunden! Es ging raus aus den Anden Richtung Küstengebirge. Von dort aus soll es in den nächsten zwei Tagen Richtung Strand gehen. Gegen 22 Uhr erreichten wir das basecamp. Schnell wurde ZU Abend gegessen und ich machte mich an die Arbeit, um 1 Uhr ging es ins Bett. Zum Glück.
Es lag ein langer Tag hinter uns. Wie das Andes Pacifico für mich weitergehen sollte, wusste ich nicht. Erst einmal schlafen und Kräfte tanken.
Fotos von Tag 2:
# Die Pickups sind beladen und es kann losgehen
# unsere Karawane zieht los
# Staubige Uphills mit den Pickups
# Kurve um Kurve windet sich die Strecke den Berg hinauf
# kurzer Fotostop
# Die Ergon-Griffe mit dabei – die hatten wir auch schon im Test.
# Alles ist mittlerweile komplett eingestaubt
# Gute Laune bei den Fahrern
# Staubige Helme…
# die letzten Höhenmeter bis zum Start sind zu Fuß zu bewältigen
# unendliche Weite
# Fast oben!
# unterwegs zur letzten Stage
# die Pickups auf der Suche nach dem Ziel
# höher und höher geht es
# Die Landschaft in Chile…
# …mit ihrer Weite ist atemberaubend
# Warten auf die Fahrer
# Mit diesen Zeitgenossen sollte man besser keine Bekanntschaft machen.
# Die Fahrer erreichen das Ziel von Stage 8
# Jerome Clementz mit Vollgas Richtung Ziel
# Heiße, harte Bedingungen
# Anka Martin
# Mit Vollgas durch den chilenischen Staub…
# …da wird auch schonmal moto-style der Fuß rausgestellt
# Einige Sprungeinlagen sind auch drin
# Schöne Aussichten!
# Ab um die Kurve
Dieses Mal hat es leider nicht geklappt, dass die Berichte taggleich erscheinen – das liegt zum einen daran, dass wir in den Camps teils kein Internet haben und war andererseits den späten Ankunftszeiten in den Camps geschuldet.
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