Wie bereits in unserem Artikel über die Taipei Cycle Show kurz vorgestellt, wird Magura dieses Jahr ihr eLECT System ebenfalls für das Heck am Bike anbieten. Somit komplettieren sie ihr vollautomatisches, sensorgestütztes Fahrwerk. Von der Serienfertigung ist man nicht mehr weit entfernt und dennoch wird vor allem an der Software noch entwickelt. Wir durften exklusiv, zusammen mit der neuen Vierkolbenbremse, das Fahrwerk einem Vorabtest an der Albkante unterziehen.


# Unser Testbike ausgestattet mit Magura MTnext MT7 und Magura eLECT Fahrwerk

In Kürze

Maguras eLECT System bietet einen frei kalibrierbaren Neigungssensor, über den ihre eLECT Federgabel durch einen kleinen Stellmotor den Durchfluss des Öls über das Shimstack blockiert. Somit kann das Öl lediglich bei einem großen Schlag durch ein Überdruckventil nach oben fließen. Schläge vom Untergrund werden ebenfalls analysiert und das System nach einem bestimmten Algorithmus geöffnet. In der Praxis führt das zu einer primär im Uphill blockierten Gabel. Befindet man sich in einer abwärtsgerichteten Winkellage, öffnet der Stellmotor generell vollautomatisch. Als zusätzliche Sicherheit ist ein Beschleunigungssensor eingebaut, der beim Sprung von einer Kante oder einem Drop den freien Ölfluss über das Shimstack ermöglicht.

Der neue eLECT Dämpfer kommuniziert über das ANT+ Protokoll mit der Gabel und verriegelt ebenfalls den Ölfluss je nach Gefälle. Das System bietet einen vollautomatischen Modus und kann aber manuell über eine Funkfernbedienung am Lenker übersteuert werden. Gabel und Dämpfer können so einzeln oder auch gleichzeitig blockiert werden.

Eurobike 2013: Magura von Thomas – mehr Mountainbike-Videos

System hochfahren

Um eLECT zu starten, muss man es unter der Abdeckkappe an der Gabel sowie am Dämpfer über einen kleinen Schalter in Bereitschaft bringen. Hier kann es soweit auch bleiben, denn es sinkt von alleine in den Sleepmodus. Kurz bevor man losfährt, kann man über einen Klick am Remote das System aufwecken, ein Daumendruck auf der Gabel versetzt es in den Automatikmodus.


# Eine kleine Silikonabdeckkappe schützt die Elektronik. Ob das jeder Schlammschlacht und dem Hochdruckreiniger standhält?

Federgabel

Auf der letzten Eurobike wurde die Gabel mit eLECT Einheit bereits von Magura vorgestellt, bislang wird die komplette Federgabel nur in einer 100mm Federwegsversion angeboten. Allerdings ist das System als Upgradekit im Handel erhältlich und kann in jede Magura Gabel ab Modelljahr 2010 bis zu einem Federweg von 150mm nachgerüstet werden. Magura sieht die aktuelle Zielgruppe im XC und Marathonbereich mit 100 – 120mm Federweg.


# Ohne Kabel über Funk kommuniziert das System mit Remote und Dämpfer.

„Das A und O einer guten Gabel ist ein gutes Shimstack und eine gute Einstellung für das Blow-Off-Ventil“ merkt Suspension-Entwickler Reiner Künstle an. „Auch wenn wir der Gabel einen Lagesensor verpassen, wie soll eine Gabel denn wissen ob sie gleich über einen Stein fährt?“

Bei meinem Gewicht von knapp 95kg und einem manchmal eher aggressiven Fahrstil, hätte ich mir bei der Gabel in steilen Passagen eine Position etwas höher im Federweg gewünscht. Hierfür werden, ähnlich wie beim Dämpfer, Kunsstoffspacer angeboten. Diese verkleinern das Luftkammervolumen und helfen so, die Progression der Gabel anzupassen, damit man nicht im Federweg versackt.

Dämpfer

Am Dämpfer ist man, was die externe Einstellbarkeit angeht, auf die Zugstufe beschränkt. Intern lässt er sich, wie die Modelle ohne Strom, ebenfalls in seiner Progression über das Einsetzen von Luftkammerspacern anpassen. An der Stelle, an der sonst ein kleiner blauer Hebel zum Wechseln der einzelnen Modi der Lowspeeddruckstufe zu finden ist, hängt eine kleine schwarze Kiste. Diese kommuniziert mit der eLECT Einheit der Federgabel. Befindet sich die Gabel im Klettermodus, folgt der Dämpfer dieser Vorgabe und wechselt ebenfalls in diese Einstellung.

Je nach Rahmendesign dreht sich ein Dämpfer beim Einfedern, somit könnte ein Lagesensor im Dämpfer durcheinanderkommen. Um das System nutzen zu können, kann man also momentan nur ein komplettes Magura eLECT Fahrwerk verwenden und nicht nur den Dämpfer alleine.


# 40 Stunden im Automatikmodus und 60 Stunden im manuellen Modus leistet der Akku. Danach bleibt der Dämpfer im offenen Modus.


# Das Zugstufenrädchen ist die einzige Einstellmöglichkeit, abgesehen vom Luftdruck, die man per Hand erledigen kann. In der Serie wird es noch etwas größer ausfallen.

Fernbedienung

Die sogenannte eLECT Remote unterscheidet sich erheblich von der Version, die nur die Gabel alleine bedient. Sie verfügt über drei Knöpfe, die Federgabel sowie Dämpfer einzeln oder in Kombination ansteuern lassen. Sie ist auf beiden Seiten des Lenkers montierbar und wird von einer kleinen CR2032 Knopfzelle mit der notwendigen Energie versorgt. Eine kleine grüne LED zeigt an, dass das System arbeitet. Eine äußerlich identische Fernbedienung war uns bereits auf der Eurobike am osynce-Stand aufgefallen, diese kommunizierte ebenfalls via ANT+ mit verbundenen Geräten.


# Das eLECT Remote. Unten Dämpfer. Mitte Gabel und Dämpfer. Oben Gabel. Der Automatikmodus ist an der Gabel zu starten.

Wir hoffen, dass es sich hierbei noch nicht um die finale Version handelt – bei der Ergonomie gäbe es noch deutliche Verbesserungsmöglichkeiten. Man muss den Daumen sehr weit von unterhalb des Lenkers am Griff vorbei nach oben bewegen, um dort die sehr kleinen Knöpfe zu treffen. Eine Einheit von oben während der Fahrt zu bedienen, ohne den Lenker loslassen zu können, fühlt sich nicht sehr natürlich an. Dreht man die Einheit weiter nach unten, kommt er schnell dem Schalthebel in die Quere. Eine sinnvollere Montage bietet sich bei Einfach-Schaltungen ohne linken Trigger an – dort verbaut, kann man die Remote vom Winkel her ergonomischer montieren.

Im direkten Vergleich wäre als Positivbeispiel die Fernbedienung der RockShox Reverb anzuführen. Hier hat man zum Einen die Möglichkeit, den Hebel über oder eben auch unter dem Lenker zu montieren, der Winkel für die Betätigung folgt der natürlichen Bewegungsrichtung des Daumens.


# Die Ergonomie ist noch etwas fragwürdig. Schalthebel auf der Oberseite waren früher schon schlecht erreichbar, diese Knöpfe sind zusätzlich noch recht klein ausgefallen.

Kurzeindruck

Elektronik am Bike – nicht nur viele unserer User stehen dem skeptisch gegenüber, auch ich zähle mich zu dieser Kategorie. Wenn die Technik mir die entsprechenden Einstellungen abnimmt, bin ich gleich doppelt vorsichtig. Werde ich da bei meinem Setup „bevormundet“? Maguras Prinzip ist simpel: Der Lagesensor in der Gabel kann vor der Fahrt in seinen Modi kalibriert werden. Sprich, ab welchem Winkel die Gabel und der Dämpfer in den Lockout wechseln. Fahre ich in einen Gegenanstieg, blockiert mir das Fahrwerk, um möglichst effizient bergauf treten zu können. Schmeckt mir dieser Modus nicht, kann ich über die Fernbedienung am Lenker in den manuellen Modus wechseln.


# Nach wenigen Metern im Gegenanstieg verhärtete sich das Fahrwerk automatisch…

Das war auf der Teststrecke zum Beispiel an zwei konkreten Stellen notwendig. Mit viel Schwung durchfuhr man eine Senke, im Gegenanstieg befand sich ein Geflecht aus unterschenkeldicken Wurzeln. Zwar war ich auf einem 29er unterwegs, welcher von solchen Untergründen generell etwas unbeeindruckter ist, dennoch wurde man im Lockout, den der Automatikmodus für diese Winkellage des Bikes gewählt hatte, massiv durchgeschüttelt und abgebremst, bis der Sensor die Schläge erkannte und den Federweg nicht nur über das Blow-Off-Ventil freigab. In einem solchen Fall half ein Klick auf der Fernbedienung, um das Fahrwerk kurz vor der Schlagfolge zu öffnen.


# … auf schlagarmen Gegenanstiegen spielt das System seine Stärke voll aus.

Der umgekehrte Fall von einem Sprint auf einer abschüssigen Strecke, bei dem ein Lockout noch ein paar Zehntel herausholen könnte, ist ebenfalls möglich. Bergab bedeutet nach der Kalibrierung in der Regel ein offenes Dämpfungssystem. Möchte ich dies situationsbedingt übersteuern, kann ich mit einem Klick die Automatik beenden und so ebenfalls in den entgegengesetzten Modus wechseln. In diesem zweiten Beispiel dann in den Lockout.

An der Geschichte gibt es mit der momentanen Belegung der Tasten allerdings ein Problem: Möchte ich nach meiner manuellen Änderung zurück in den Automatikmodus, bin ich aktuell gezwungen, eine Hand vom Lenker zu nehmen und den Knopf auf der rechten Abdeckkappe der Gabel zu betätigen. Während eines Rennens kaum denkbar.

Diesen Einwand richteten wir vor Ort direkt an Magura und wir konnten insofern beruhigt werden, als dass die Programmierung des Systems zum einen noch nicht abgeschlossen ist und man genau aus diesem Grund zum Vorabtest eingeladen hatte. Zum Anderen erklärte der Entwickler Reiner Künstle, dass das System später frei programmierbar sein könnte. Wie das genau aussehen wird, ob via Smartphone-App oder am PC, wurde uns noch nicht verraten. Sicher ist jedoch, dass eine solche Programmierung ein großes Maß an Individualisierbarkeit mit sich bringen wird. An dieser Stelle kann man nur spekulieren, ob es verschiedene Dämpfungseinstellungen für verschiedene Winkellagen oder je nach Schlagfolgen an Gabel geben wird, die dann die Dämpfung am Heck anpassen…

Doch zurück zum System in Aktion: Der sogenannte Albtrauf schlängelt sich entlang der Albkante und kommt ohne wirklich steilen Rampen und enge Kurven aus. Vielmehr schlängelt er sich durch die Landschaft, führt kontinuierlich in Wellen bergauf und bergab und ist ideales Terrain, um mit einem 29er so richtig Kilometer zu machen. Genau hier spielte das System seine volle Stärke aus. Man kann kontinuierlich treten und spürt ganz klar, wie man bei geschlossenem Fahrwerk effizienter Meter macht. Der ständige Wechsel von Fahrten in Senken, die nach wenigen Metern wieder in Gegenanstiege münden, würden bei einem manuellen System sehr häufigen Daumeneinsatz nötig machen. Das klingt nach wenig Aufwand und eine Automatik mag hier im ersten Moment überflüssig klingen, dennoch kann man sich mit eLECT viel mehr der eigentlichen Fahrt widmen. In Summe ist man effizienter unterwegs, ohne einen Gedanken ans Fahrwerk zu verschwenden.


# …in der Abfahrt öffnete es sich genauso automatisch.

Sattel runter und rein in die Abfahrt: Wo sich kurz zuvor noch das Fahrwerk im Lockmodus befand, öffnete sich völlig selbstverständlich das System und gab den Federweg zur Nutzung frei. In diesem offenen Modus blieb es dann ununterbrochen, bis wir uns unten auf dem Weg zurück zum Magura-Hauptquartier machten.


# In der Abfahrt blieb das System komplett offen.

Gegen Ende der Fahrt sorgte das System dann doch noch etwas für Verwirrung: In Steigungen „lockte“ der Dämpfer nicht immer gleichzeitig mit der Gabel. Wiederholte Versuche konnten uns nicht eindeutig aufzeigen, wie dieses Stellverhalten zu reproduzieren war. Die Software ist laut Magura noch nicht auf dem finalen Stand und steht aktuell noch im starken Fokus der Entwicklung. So dürfen wir für die Serie und einen Dauertest gespannt sein.

Einsatzgebiet

Magura rüstete für den Test nicht umsonst einen 100mm 29er Kilometerfresser mit dem System aus. Aktuell macht eLECT mit seinen zwei Modi von offen und geschlossen und ohne eine mittlere Plattform hier am meisten Sinn. Biker, die gerne lange Touren in gemäßigtem Gelände mit Kletterpassagen primär auf rüttelfreien Strecken bevorzugen, werden vermutlich schon im Automatikmodus komplett glücklich.

Wer Strecken mit technischen, unwegsamen Gegenanstiegen unter die Stollen nimmt, muss dem System mit seiner momentanen Programmierung noch etwas Nachhilfe mit dem Daumen geben. Denn ob in der Steigung Hindernisse warten, die eine geöffnete Dämpfung benötigen, kann es schlichtweg – noch nicht – wahrnehmen.

Fazit

Maguras eLECT System funktioniert und gibt der aktuell definierten Zielgruppe der Marathon- und Crosscountryfahrer ein Werkzeug an die Hand, das nicht nur Spielerei ist, sondern durchdacht wirkt und dem Zwecke sehr dienlich ist. Es ist am Ende eine Grundsatzfrage, ob man auf den Elektronik-Zug mit Batterien und Softwareupdates aufspringen möchte. Zumal ein Fahrrad trotz aller Innovationen immer noch durch seine technisch-mechanische Einfachheit besticht. Ob wir in Zukunft mit Dockingstation am Mountainbike die Informationen für die jeweilige Strecke via GPS und Streckendaten herunterladen, um immer das perfekte Setup zu haben? Wir werden sehen!

  1. benutzerbild

    Eule-

    dabei seit 01/2011

    Kann ne nette Sache sein. Für mich nichts, mir ist es schon zu blöd immer zu schauen ob Propedal aus ist, oder die Gopro geladen ist.. zuviele neue Fehlerquellen

  2. benutzerbild

    zuki

    dabei seit 07/2008

    Ich bin gespannt wie lange es dauert bis sie die TS8 streichen und sich nur noch auf die CC Fraktion konzentrieren...
    Ähem. Ich fahre eine TS8 und zähle mich zur CC Fraktion. Was mache ich falsch?
  3. benutzerbild

    Dennis_1337

    dabei seit 08/2012

    Ich finde die Ideen von den elektronischen Fahrwerken an sich genial, dennoch weiß so ein System nicht was ich am Liebsten mag. Ob ich bergauf meine Gabel ja sowieso offen lasse, da ich mit 67kg fahrfertig eh nicht einsacke etc. pp. weiß der Sensor nicht. Ich sträube mich ja schon gegen ein Bike GPS, weil es einen Akku hat, auch wenn ich die Vorzüge gerne nutzen würde.. aber nach ~15 Stunden den GPS Akku immer aufladen zu müssen.. genau das Selbe ist es mit dem Akku des Fahrwerks..nach 60 Stunden das Teil extra aufladen - ich weiß nicht. Ich steig lieber aufs Bike und fahre direkt los, will mir um nichts Gedanken machen müssen.

  4. benutzerbild

    Friendsofmine

    dabei seit 06/2009

    Wozu brauch man den ganzen Rotz ?

  5. benutzerbild

    nimbus_leon

    dabei seit 09/2008

    E-Kram am Rad soll sich bitte schleichen!

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