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© Allegra Tourismus
© Allegra Tourismus
Darco Cazin
Darco Cazin - Foto: Filip Zuan
Eebme Line in Sölden
Eebme Line in Sölden - Foto: Allegra Tourismus
Gebauter Holzteil eines Trail Solutions-Trails.
Gebauter Holzteil eines Trail Solutions-Trails. - © Trail Solutions
Olympia Flow Trail in St. Moritz
Olympia Flow Trail in St. Moritz - Foto: Filip Zuan
Die Schüler der Trailbuildung School in Sölden
Die Schüler der Trailbuildung School in Sölden - Foto: Sölden
Das Trailbau Team hat Flüchtende in Sölden zum Helfen eingeladen
Das Trailbau Team hat Flüchtende in Sölden zum Helfen eingeladen - Foto: Allegra Tourismus
Hand anlegen
Hand anlegen - Foto: Allegra Tourismus
Darco selbst auf dem Bike
Darco selbst auf dem Bike - Foto: Filip Zuan
Trail-Scout Equipment
Trail-Scout Equipment - Foto: Filip Zuan
Trail-Scouting
Trail-Scouting - Foto: Allegra Tourismus

Darco Cazin ist ein stiller Bike-Visionär aus der Schweiz. Er ist Gründer der Firma Allegra Tourismus, baut Trails und berät Destinationen von Japan bis nach Nordamerika, vom Ötztal bis ins heimatliche Graubünden. Kaum einer, der mehr Einblicke in die Entwicklung der Bike-Branche hat und sie auch aktiv mit formt. Wir haben mit Darco zurück und nach vorne geschaut.

MTB-News.de: Darco, wie war das Bikesport-Jahr 2016?

Darco Cazin: Es hat sich extrem viel getan 2016. Das Jahr war intensiv und umtriebig. Ich glaube, man kann sagen, dass wir langsam erwachsen werden. Wir entwachsen der Pubertät. Wir Biker werden ernster genommen – als Sportler, als Kunde und somit natürlich auch wir als Allegra. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass wir kritischer beobachtet werden und beweisen müssen, dass wir Verantwortung übernehmen und erfüllen.

© Allegra Tourismus
# © Allegra Tourismus

An was machst Du diese Entwicklung konkret fest?

Ich sehe das natürlich primär aus dem Blickwinkel von uns als Entwickler von Tourismus-Destinationen. Früher hätten wir uns gewünscht, dass der Bergbahnchef überhaupt mal zu Gesprächen auftaucht. Heute sind sie fast immer von Anfang an dabei und wollen in der ersten Sitzung wissen, wie viel Umsatz sie machen können, welche Frequenzen sie machen müssen. Es reicht nicht aus, wenn wir die schöne Mountainbike-Geschichte erzählen – sie wollen das ökonomische Modell vorgerechnet bekommen.
Das klingt eigentlich nicht so sexy. Der Bikesport als Zahlenbringer…

Darco Cazin
# Darco Cazin - Foto: Filip Zuan

Dass der Biker anarchisch seinen Sport ausübt und ohne Industrie wild durch die Wälder heizt, das wäre dann doch eine naive Vorstellung. Dann gäbe es keine Bikes, keine Entwicklungen und wohl sehr viel Streitereien und noch mehr Verbote. Aber eines bedeutet Erwachsenwerden nicht: Dass man auf dem Rad den Spaß am Spielen verliert. Im Gegenteil: Damit wir uns austoben können brauchen wir die Zusammenarbeit auf unterschiedlichsten Ebenen. Und aktuell setzt sich hier ein sehr positives Gefühl durch.

Dennoch: Bedeutet Erwachsenwerden Kapitalismus? Wollen die Touristiker uns im Sommer melken?

Wenn wir die Terminologie von Boston Consulting bemühen wollen, dann sind wir Mountainbiker heute sicher nicht die „Cash Cow“ für Touristiker. Wir haben uns aber sicher schon in einzelnen Regionen von „Question Marks“ zu „Stars“ entwickelt. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass weitere Investitionen nötig sind, damit der Marktanteil wachsen kann.

Gebauter Holzteil eines Trail Solutions-Trails.
# Gebauter Holzteil eines Trail Solutions-Trails. - © Trail Solutions

Ohne Marketingsprache stellen wir fest, dass MTBler unter Touristikern als Wirtschaftsfaktor ernst genommen werden. Das ist sehr positiv, denn das ermöglicht es uns auch mehr Einfluss auf die Entwicklung und Gestaltung zu nehmen. Das sehen wir aktuell an dem Beispiel nachhaltigen Trailbaus vielleicht besonders exemplarisch.

In Sölden wollen sie ihre „Bike Republic“ ökologisch nachhaltig bauen. Ihr seid dort treibende Kraft?

Nein, das sind die Ötztaler rund um Dominik Linser. Die Bike Republic Sölden ist nur dank der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Seiten möglich. Sölden hat mit ihrer ökologischen Neuausrichtung im vergangenen Jahr eine recht radikale Entscheidung getroffen. Wir haben mit Chris Bernhart einen der Vorreiter des Wegebaus aus den USA im Team. Er hat lange für die IMBA gearbeitet – und wir mit der IMBA. In den Staaten ist Nachhaltigkeit schon seit Längerem ein zentraler Bestandteil des Wegebaus.

Olympia Flow Trail in St. Moritz
# Olympia Flow Trail in St. Moritz - Foto: Filip Zuan

Wir hatten die letzten Jahre große Mühen, den Tourismus-Destinationen zu vermitteln, warum sie ökologisch bauen sollten. Man muss zunächst ja auch finanziell mehr investieren. Langfristig lohnt sich aber die größere Anfangsinvestition auch aus ökonomischer Sicht, da die Gesamtkosten über den Lebenszyklus eines Trails viel tiefer sind. Sölden ist im Trailbau in den Alpen ein Pionier und als etablierte Destination natürlich auch ein ein richtiger Türöffner für dieses Thema. Manche Regionen bringen es inzwischen von sich aus auf den Tisch. Gerade in Österreich wird es jetzt zum Riesenthema, weil man an Sölden sieht, was an der Qualität möglich ist.

Was macht einen Trail nachhaltig?

Wenn er die Natur so wenig wie möglich belastet. Wenn er sich ökonomisch rechnet. Und wenn er dem Nutzer ein hochwertiges Erlebnis bietet. Wir arbeiten von Anfang an mit der Natur, schauen, wo sich was wie besonders harmonisch einbetten lässt. Die Natur gibt den Trail vor. Eine zentrale Frage ist, wie man die Erosion minimieren und das Wasser über oder entlang eines Weges führen kann. Gefälle, Linienführung, Neigungswechsel, die Auswirkungen durch Bremskräfte, etc., all diese Parameter. Das hat übrigens nichts mit dem Schwierigkeitslevel des Trails zu tun. Mit dieser Art des Baus bleibt die Qualität des Weges und somit auch der Fahrspaß erhalten – und die Unterhaltskosten werden minimiert. Aber wie gesagt: Den nachhaltigen Trailbau haben wir nicht erfunden.

Die Schüler der Trailbuildung School in Sölden
# Die Schüler der Trailbuildung School in Sölden - Foto: Sölden

Das Trailbau Team hat Flüchtende in Sölden zum Helfen eingeladen
# Das Trailbau Team hat Flüchtende in Sölden zum Helfen eingeladen - Foto: Allegra Tourismus

Generell wirkt der Trailbau-Kreis sehr partnerschaftlich. Hier scheint keiner den anderen ausstechen zu wollen?

Grundsätzlich ist der ganze Markt in einer Entwicklungsphase und wir noch weit davon entfernt, uns um Marktanteile streiten zu müssen. Mir ist es ein großes Anliegen, dass jeder Trailbauer auf einem möglichst hohen Level arbeitet. Wir wollen alle den Bikesport als ernstzunehmend etablieren. Jedes Trailbau-Objekt, das gut gemacht ist, nützt uns als Allegra Tourismus, nützt Velosolutions, nützt Joscha Forstreuter und all den anderen. Und ohne offenen Umgang könnte sich keiner von uns entwickeln. Das ist eben auch Teil dieses Erwachsenwerdens. Wenn du ernster genommen wirst, musst du dich und deine Projekte auch mehr beweisen.

Hand anlegen
# Hand anlegen - Foto: Allegra Tourismus

Veröffentlicht Ihr als Allegra deshalb Studien, Planungshilfen und Tipps auf Eurer Webseite?

Ja, es geht darum, gemeinsam Dinge voranzubringen und dafür stellen wir Erfahrungen zur Verfügung. So können andere von unserer Erfahrung profitieren und wir können in einen Dialog treten und auch weiter wachsen. Auf dem vergangenen Ride Mountainbike Kongress in Chur haben wir auch unsere Investitionsrechnungen für MTB-Destinationen offen präsentiert und dabei sehr wertvolles Feedback erhalten. So ist es ein sehr offener Austausch, der dabei hilft, das Biken als Ganzes über eine kritische Masse zu hieven.

Darco selbst auf dem Bike
# Darco selbst auf dem Bike - Foto: Filip Zuan

Aktuell schießen ja die Flowtrails links und rechts aus dem Boden. Was sagst Du den Kritikern, die hier eine Verweichlichung des Bikesports ahnen?

Es gibt Tausende von Kilometern, die technisch anspruchsvoll sind. Die einfachen Trails sind immer noch eine klare Minderheit. Grundsätzlich finde ich, dass keiner richten soll oder den Bikesport für sich beanspruchen sollte. Es ist okay, wenn die Pioniere, die einst gegen alle Widerstände MTB gefahren sind, nun ihre Anerkennung wollen. Aber wer bestimmt denn, wer in die Berge oder auf den Trail gehört und wer nicht?

Für mich ist klar, dass sich das MTB-Angebot im Allgemeinen noch weiter in eine Richtung entwickeln muss. Und zwar in Richtung noch einfacherer Angebote. Und damit meine ich nicht nur das Level der Fahrtechnik, sondern auch die Zugänglichkeit und den Ablauf der Servicekette.
Diese Vorwürfe, dass der Bikesport verweichlicht wird, sind menschlich. Man kann sich aufregen und sich über andere stellen. Alternativ kann man es auch nur cool finden, dass neue Leute den Zugang finden und die Community bereichern.

Trail-Scout Equipment
# Trail-Scout Equipment - Foto: Filip Zuan

Gibt es denn ausreichend Platz in den Alpen?

Oh, es hat noch viel, viel Platz. Es gibt so viele Skigebiete – da ist die MTB-Nutzung immer noch verschwindend klein. Es gibt zig Regionen, die ihr Sommergeschäft ankurbeln könnten. Mit meinem Bergdorf-Hintergrund ist es auch immer besonders schön zu sehen, dass der Bike-Tourismus im Kleinen in abgelegenen Tälern einen positiven Unterschied macht. In der kleinen Pension, im Bike-Shop, beim Hüttenwirt…

Trail-Scouting
# Trail-Scouting - Foto: Allegra Tourismus

Worin liegen für Dich die größten Herausforderungen?

1. Das Image des Bikens außerhalb der MTB-Welt kann noch verbessert werden: Die Einstellung von Menschen, die nichts mit Biken am Hut haben, ist meist negativ geprägt. Wir werden erwachsen und müssen uns entsprechend verantwortungsvoll, aber auch entsprechend selbstbewusst präsentieren.

2.Dass wir uns nicht gegenseitig torpedieren! Weder untereinander – Enduro vs. XC oder MTB vs. EMTB – und auch nicht gegen Nicht-MTBler. Das richtet einfach einen sehr großen Schaden an.

Vielen Dank Darco und ein erfolgreiches 2017!

Fotos: Filip Zuan, Trail Solutions, Allegra
  1. benutzerbild

    525Rainer

    dabei seit 09/2004

    falls der trend ist schwierige wege fahrbarer zu machen um sie für mehr nutzer attraktiv zu machen unter dem deckmantel der nachhaltigkeit. so bin ich dagegen. wenn ich die fotos sehe wird mir schon mal schlecht.
    ich find es gut wenn sowas auf skipisten passiert oder wenn unspektakuläre wege damit attraktiver gemacht werden. ich hoffe aber es wird im karwendel oder gardasee niemals rüttelplatten geben.
    allein wenn man bedenkt was für den skitourismus alles verbrochen wurde, so können wir eigentlich froh sein das wir kein verdienstfaktor für die betriebe sind.
    ich würd ein ganz anderes konzept fahren. eine ökomaut für alle die die alpen besuchen. egal welcher sport. im grunde eine parkplatzgebühr und infrastrukurabgabe die den leuten dort zugute kommt ohne jegliche investition.

  2. benutzerbild

    Ev1denz

    dabei seit 09/2015

    Hat diesen Artikel auch “Muschi“ gelesen?smilie

  3. benutzerbild

    Athabaske

    dabei seit 08/2008

    Er lebt davon, was soll er schreiben? Seine Argumente sind aus seiner Sicht logisch nachzuvollziehen.
    Wenn ich erlebe, wie meine Lieblingstrails in Davos immer glatter "gebügelt" werden, könnte ich mich auch aufregen,
    das ist aber müßig, statt dessen sehe ich, daß nun festangestellte Trailpfleger die Trails unterhalten und sie natürlich für ein breiteres Publikum zugänglich machen, daß die schwarzen Trails zu roten Trails werden.
    Aber es handelt sich doch nur um die Trails nahe der Bergbahnen, es gibt noch zig anspruchsvolle Wandertrails, die man erkunden kann und wo man auch kaum weitere MtBs findet.
    Was wäre denn Deiner Meinung nach die Alternative für die bergbahnnahen Wandertrails, welche häufig von Mtbs frequentiert werden?
    ...mir hat ein Wegebauer, der mit seinem Minibagger Wanderwege im Engadin von Steinen "befreit" hat, erklärt, das sein im Sinne der Wanderer. Diese würden immer mehr leichter zu begehende Wege fordern.
  4. benutzerbild

    Athabaske

    dabei seit 08/2008

    Der MTB Sommertourismus kann nie und nimmer die Verluste kompensieren die durch Schneemangel im Winter entstehen (werden), bzw. den durchwegs reichen Schiorten auch noch im Sommer die Millionen in die Kassen spülen.
    ...wenn ich mich richtig erinnere, dann liegt das Hauptproblem in der Finanzierung des Sommerbetriebs. Wenn wie in Davos-Klosters beispielsweise die Bahnen für Übernachtungsgäste gratis sind, aber die Hotels keine Abgaben an die Bergbahnen leisten müssen, dann ist der Sommerbetrieb für die Bahnen allein betrachtet eher unattraktiv. Das funktioniert wohl nur, weil diese mehrheitlich im Besitz der Gemeinden sind und diese wiederum von den besser ausgelasteten Hotels und Pensionen profitieren. Sinnvoller wäre vermutlich eine direktere Finanzierung des Betriebs.
  5. benutzerbild

    muschi

    dabei seit 03/2011

    Hat diesen Artikel auch “Muschi“ gelesen?smilie
    Ja, du darfst eine Erwartungshaltung haben.

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