Trends in der Fahrradbranche werden oft mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Die einen lieben sie, die anderen hassen sie – viel dazwischen gibt es zumeist nicht. 2016 war da keine Ausnahme: Vor allem bei den Reifengrößen und Felgenbreiten wurde viel experimentiert, dazu gab es einige Entwicklungen im Bereich der Geometrien und Fahrwerke. Und 2017? Unser Redakteur Jens hat in seine Glaskugel geschaut und die Umrisse verschiedener Trends gesehen, die in diesem Jahr auf uns zukommen könnten. Ob er mit seiner Deutung richtig liegt, wird am Ende die Zeit zeigen – spannend dürfte es allemal werden. Hier sind die Einschätzungen für das anstehende Jahr!

Bessere Dämpfer in kurzen Einbaulängen

Vergleicht man Bikes mit einem Federweg von unter 150 mm mit ihren Großvätern, so hat sich einiges getan in den letzten Jahren. Geometrien, Kinematiken und Ausstattungen sind um ein Vielfaches besser geworden und ermöglichen Ausflüge in ein Gelände, welches früher eher reinen Enduro- oder Freeride-Bikes vorbehalten war. Nicht ohne Grund konnten wir im vergangenen Jahr einigen unserer Testbikes ein sehr breites Einsatzspektrum bescheinigen. Auf Bikes, mit denen man bequem viele Stunden lang den Berg rauftreten kann, muss man bergab nicht mehr so viele Abstriche machen wie früher: Ihre Nehmerqualitäten sind stark verbessert worden.

Am meisten profitiert hiervon der Kunde, der sich durch diese erfreuliche Entwicklung auch die Anschaffung von mehreren Bikes sparen kann – sei es ein Gerät für Bikepark-Ausflüge und den Renneinsatz oder ein Touren-Bike mit gelegentlichen Enduro-Missionen. Früher war man oft in der Disziplin drüber oder drunter entweder von einer (berechtigten) Angst ums Material geplagt oder verlor bergauf bereits so viele Körner, dass man schon nach der ersten sauer erkämpften Abfahrt kein Interesse an einer weiteren Runde hatte.

Im Bereich der Dämpfer für kurzhubige Bikes leistet Cane Creek aktuell Pionierarbeit
# Im Bereich der Dämpfer für kurzhubige Bikes leistet Cane Creek aktuell Pionierarbeit - das erweitert den Einsatzbereich einiger Bikes um ein bis zwei Disziplinen. Ob Fox und RockShox auf diesen Zug aufspringen werden?

Was aktuell aber noch etwas hinterherhinkt, sind die Dämpfungselemente. Kurze Einbaulängen ermöglichen zwar niedrige Gewichte und ein nicht zu großes Übersetzungsverhältnis bei Hub zu Federweg. Dennoch stößt man oft an die Grenzen der Einstellbarkeit – insbesondere als schwerer Fahrer. Hohe Drücke erschweren den Umgang mit der Zugstufe und Dämpfung ist zumeist auch nicht ausreichend vorhanden.

Pionierarbeit leistet hier Cane Creek mit dem DBinline Air und dem DBinlineCoil. Beide sind vielfach nach persönlichen Vorlieben einstellbar. Als Kunde sollte man den Schrecken vor den Einstellknöpfen verlieren und sich mit der Wirkungsweise der einzelnen Parameter vertraut machen. Schafft man dies, erweitert man den Einsatzbereich seines kleinen Spaßbikes vermutlich um (mindestens) eine Disziplin. Ich frage mich, ob sich hier die großen Namen der Branche auf Dauer die Butter vom Brot nehmen lassen oder ihnen dieser Markt – zumindest aktuell noch – zu klein ist. Oder provokant ausgedrückt: Eine vergleichsweise sehr kleine Marke zeigt derzeit auf, was in diesem Bereich so möglich ist. Ich hoffe 2017 auf mehr Vielfalt und Entwicklungen, die den Markt beleben.

Fox wird wohl bald nachziehen und den Float X2 verkleinern und ohne Ausgleichsbehälter anbieten. RockShox wird auf Dauer ebenfalls nicht ausschließlich auf immer stärkere Vereinfachung setzen – und stattdessen (auch) Produkte anbieten, die mehr Kontrolle für den Enthusiasten bieten.

Elektronisch unterstützte Fahrwerke

Seit Jahren brodelt es und dennoch hat es den wirklichen Durchbruch von Brain, e:i-Dämpfern und Co. bislang noch nicht gegeben. Zugegeben: Das Brain funktioniert nach wie vor mechanisch und kommt so ohne Batterie aus. Aber im Bereich der Elektronik tut sich einiges. Shimanos Di2-Schaltung brachte die Batterie an Board. Was spricht also dagegen, sie für weitere Anwendungen zu nutzen?

Batteriefächer sind längst nicht mehr ein reines Phänomen aus der Rennrad- oder XC-Ecke. Rocky Mountain beherbergt im neuen Enduro- und Freeride-Flaggschiff Slayer einen Aufbewahrungsort für eine Energiequelle, der mit 170 mm-Firebird von Pivot ebenso. Ist es in diesem Sektor – wo durchaus die Gefahr eines abgerissenen Schaltwerks besteht – wirklich den Aufwand wert, nur hierfür ein Batteriefach in den Rahmen zu integrieren? Oder haben die Hersteller da noch weitere Pläne in der Schublade?

Das neue Rocky Mountain Slayer hat trotz viel Federweg ein ins Unterrohr integriertes Shimano Di2-Batteriefach
# Das neue Rocky Mountain Slayer hat trotz viel Federweg ein ins Unterrohr integriertes Shimano Di2-Batteriefach - ob diese Energiequelle wirklich nur für die Schaltung gedacht ist? Gut möglich, dass wir bald auch per Knopfdruck anpassbare Fahrwerke sehen …

Nach vielen Jahren der Entwicklung und halbgaren Lösungen wird sich die Elektronik endgültig ihren Weg ins Fahrwerk der Massen bahnen. Was zunächst im High End-Sektor beginnen wird, wird dann wohl vor allem vom Massenmarkt dankend angenommen werden. Sportmodus? Knopfdruck, *bssss*, das Fahrwerk wird strammer. Komfortmodus? Knopfdruck, *bssss*, das Fahrwerk wird softer. Nicht nur Rennfahrer werden vom perfekten – und somit schnelleren – Fahrwerk in jeder Rennsituation profitieren. Auch Nutzer mit geringem technischen Interesse können ohne großen Aufwand ein gutes Fahrwerk haben. Womöglich schafft man über kurz oder lang sogar die Anpassung an das Fahrergewicht beim Aufsitzen. Beim Auto gibt es dies schon längst je nach Zuladung …

29″-Downhillbikes

Erste öffentliche Tests sind unter anderem an Neko Mulallys Scott Gambler zu sehen, während Luke Strobel auf einem Evil The Wreckoning mit modifizierter Fox 40 unterwegs ist. Alutech geht bereits einen Schritt weiter und bietet seine Sennes 29″ schon heute an – das Bike kann direkt vorbestellt werden.

Alutech Sennes 29"
# Alutech Sennes 29"

Wenn die Profis bereits so offen damit bei Rennen antreten, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis die großen Laufräder auch den Downhill-Markt erreichen. Und was im Verborgenen getestet wird, kann sich wohl jeder denken …

Tötet nicht den Boten! 2017 werden wir vermutlich im Weltcup die ersten 29″-Downhiller sehen. Erlaubt ist schließlich, was schnell ist und Rennen gewinnt. 29er sind bei weitem keine Kurven-Schleicher mehr: Die Geometrien haben sich weiterentwickelt und auch hinsichtlich der Stabilität müssen sich die großen Laufräder nicht mehr vor ihren kleineren Kollegen verstecken.

https://www.instagram.com/p/BLtr2ZrDcFN/?taken-by=lbstrobel&hl=de

Neue Geometrien

Längst ist es keine Einzelerscheinung von kleinen Hinterhof-Schmieden mehr, wenn ein Mountainbike einen Reach-Wert von über 500 mm hat. Neben Nicolai und Mondraker erobert auch langsam Pole den deutschen Markt – um nur einige zu nennen. Vorbauten werden ebenfalls (endlich) kürzer. Und zusätzlich bewegen sich Lenkwinkel von Enduro-Bikes in Regionen, die vor 15 Jahren nicht mal bei Downhill-Rädern denkbar waren. Selbst im Cross Country finden sich teilweise Werte, für die ein Hersteller vor einigen Jahren noch Spott und Häme über sich hätte ergehen lassen müssen.

Viele Entwicklungen in der Fahrrad-Branche sind sehr langsam. Der Grund hierfür ist natürlich (auch), dass ein durchschnittlicher Kunde sein Radel einige Jahre bewegt und nicht alle paar Monate auf den neuesten Trend-Zug aufspringt. Kommt das Mountainbike dann doch irgendwann in die Jahre, so greift er im Fahrradladen seines Vertrauens zu dem, was vorher schon gut war und sich bei der Probefahrt vertraut anfühlt. Das ist übrigens vollkommen wertungsfrei – nur mal so am Rande, bevor hier alle auf die Barrikaden gehen. ;-)

Ich glaub' es hackt: Das Geolution-Konzept von Nicolai konnte in unserem Test sehr überzeugen
# Ich glaub' es hackt: Das Geolution-Konzept von Nicolai konnte in unserem Test sehr überzeugen - wir sind gespannt, ob 2017 auch größere Hersteller ihre Geometrien überdenken.

Viele Testfahrer bei MTB-News sind über 1,90 m groß. Zusammen mit allen anderen groß gewachsenen Menschen da draußen sind sie vermutlich noch nie ein Bike gefahren, welches ihnen zu groß war. Ein Bike, das „zu groß“ ist, wird oft als träge und sperrig beschrieben. Nicolai hat hier bereits das Gegenteil beweisen, auch wenn es einer gewissen Eingewöhnungszeit bedarf. In diesem Sinne gilt: Offen sein für Neues! Es könnte sein, dass man dafür eine längere Testfahrt benötigt, als nur eine Runde auf dem Parkplatz.

2017 werden viele kleine Hersteller beginnen, neue Geometrie-Konzepte voranzutreiben. Der Massenmarkt der Big Player ist überschwemmt mit Carbon-Bikes. Hier können die kleineren Fische aufgrund der Investitionen in teure Formen und Entwicklung nicht konkurrenzfähig bleiben. Der Zulauf zu Firmen, die Geometriekonzepte neu denken, ist vorhanden. Im neuen Jahr werden auch die Großen erkennen, dass sie diese Entwicklung nicht verschlafen dürfen.

Verwirrung beim Kunden und Händler

Ein großer Nachteil all dieser Neuheiten wird aber auf dem Rücken der Fahrradläden ausgetragen werden. Sie leiden bereits jetzt an der Unmenge an Optionen für Reifen, Bremsen und Anbauteilen. Verbesserung in Lagerhaltung und Interesse an den neuesten Technologien sollte ein essentieller Bestandteil für die Läden werden, wenn sie im Kampf gegen den Online-Handel bestehen wollen.

Beim Kunden mit Interesse und/oder Kaufabsicht eines neuen Bikes steht ein riesengroßes Fragezeichen über dem Kopf: Brauche ich 26″, 650B, 650B+ oder 29″? Und was ist überhaupt Geometrie? Fahrwerk? Einfach oder Zweifach? Elektronik am Rad oder besser rein mechanisch? Passt mein alter Laufradsatz? Viele Kunden werden anfangen, Entwicklungen erst einmal zu beobachten und auszusitzen. In ihren Augen ist die Gefahr aktuell zu groß, auf einen Zug aufzuspringen, der in eine Richtung fährt, aus der es kein zurück gibt und man im schlechtesten Fall nur noch wenige Jahre Ersatzteile und Verschleißmaterial bekommt.


Ob Jens mit seinem Blick in die Glaskugel richtig liegt, wird die Zeit zeigen. Wie interpretiert ihr die aktuellen Trends?

  1. benutzerbild

    =.cf.= marduk

    dabei seit 04/2006

    Wird Zeit für 29" Downhillbikes!

  2. benutzerbild

    ilten

    dabei seit 05/2005

    Hallo Leute,
    suche Federgabel mit USB Anschluss,möchte je nach Gelände die passende Kennlinie ladensmilie
    Das ist soooo 2016.
    Bluetooth darf es wenigstens sein, wegen app Anbindung und so... Oder NFC. Dann könnte man am Traileinstieg entsprechende NFC tags anbringensmilie
  3. benutzerbild

    perkey

    dabei seit 10/2012

    Bin auch mitm Evil unterwegs... allerdings noch auf 26 Zoll. Ich sehe die 29er schon als Alternative, allerdings nicht für Vielfahrer. Die Zeiten sind vielleicht besser, allerdings sind grad die Laufräder und Gabeln recht teuer. Die 27,5 Werden sich halten. Aber auch denke ich nurnoch 3 Jahre.

  4. benutzerbild

    tobi2036

    dabei seit 07/2013

    Ich könnte mir ein komplett kabelloses Schaltsystem vorstellen, wie die SRAM Red eTap beim Rennrad.
    Ob von Sram oder Shimano. Das würde heißen, ein noch weniger durchlöcherter Rahmen. Heißt auch, stabilerer, leichterer Rahmen, keine Kabel mehr,.....

    Könnte ich mir gut vorstellen, dass das irgendwann kommt.

  5. benutzerbild

    Dämon__

    dabei seit 08/2007

    Technisch sind einige Bauteile bestimmt noch zu verbessern,auch sind viele Teile mit Elektronik möglich und auch schon vorhanden, das wird sich die Masse aber nicht leisten können, deshalb wird das so schnell noch nicht kommen.
    Ich sehe die Zukunft eher bei den E-Bikes, wenn diese noch leichter werden (Akku/Antrieb) werden diese Interessant.

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