Gregor in Gefahr beim europäischen Downhill-Cup #3: Schladming ist für mich ohne Frage die beste mir bekannte Downhill-Strecke und vermutlich die beste der Welt – da ich aber längst nicht alle kenne, bleibe ich bei “mir bekannte”. Bereits letztes Jahr konnte ich mich davon im Rahmen des European Downhill Cups überzeugen. Entsprechend groß war die Vorfreude auf den diesjährigen Stopp! 

Der Prolog: Weltcup in Leogang

Meine Reise nach Österreich begann bereits gut eine Woche vor dem Rennen in Schladming, denn ich sollte meinen Kollegen und Kumpel Moritz beim Downhill-Weltcup in Leogang unterstützen. Direkt danach wollte ich dann alleine weiter nach Schladming und die Zeit bis zum Rennbeginn nutzen, um etwas im Bikepark herumzuheizen. Der Weltcup in Leogang lässt sich zusammengefasst aus meiner Sicht als sehr aufregend, spannend und anstrengend beschreiben. Das Leben als “Media Squid” ist keinesfalls ein leichtes: Man steht quasi den ganzen Tag lang entweder an der Strecke oder rennt durch die Pits, sucht diesen Fahrer oder jenen Mechaniker und ist immer auf der Suche nach Neuheiten oder coolen Stories. Und dann sitzt man bis tief in die Nacht vorm Laptop, baut Fotostories, schreibt Berichte und bearbeitet Fotos und Videos. Und nach vier, maximal fünf Stunden Schlaf geht es am nächsten Morgen direkt weiter.

Im Gegenzug ist man jedoch hautnah dabei, wenn Sportgeschichte geschrieben wird, steht in engem Kontakt mit den besten Downhillern der Welt und erfährt viele Entwicklungen und Neuigkeiten (und eine ganze Menge Gossip) als einer der Ersten – was die Strapazen für mich mehr als wieder wettmacht. Vom Streckenrand aus betrachtet war das Rennen in Leogang extrem spannend. Die Geschwindigkeiten, mit denen die Fahrer vorbeirauschten, waren wirklich aberwitzig – jedoch kann ich die vielen Diskussionen um die Qualität der Strecke sehr gut nachvollziehen. Insbesondere Rémi Thirions Unfall löste allseits schwere Betroffenheit aus, da jedem klar war, mit was für Konsequenzen bei einem Sturz am riesigen Zielsprung zu rechnen war.

Die Planai
# Die Planai - die Rennstrecke geht ab der Mittelstation los und ist trotzdem ganz schön lang. Wer will, kann auch von ganz oben fahren, was ich sehr empfehle, denn der obere Teil hat es auch ganz schön in sich!

Schladming ist für mich ohne Frage die beste mir bekannte Downhill-Strecke und vermutlich die beste der Welt – da ich aber längst nicht alle kenne, bleibe ich bei “mir bekannte”.

Montags hieß es für mich dann die letzte Fotostory aus Leogang fertig machen, meine sieben Sachen ins Auto werfen und die kurze, Panorama-reiche Reise nach Schladming antreten. Ich war so übermüdet, dass ich den restlichen Tag größtenteils mit Schlafen verbrachte – leider, denn im Ort wimmelte es nur so von bekannten Gesichtern! Die meisten Weltcup-Fahrer mussten zwar zum Crankworx-Stopp in Les Gets, wollten sich jedoch die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einen Tag auf der legendären und extrem beliebten Schladminger Downhill-Piste zu hämmern. Als ich mich Dienstags aufraffte und mit meinem Bergamont Straitline an den Lift rollte, war der ganze Zirkus bereits Richtung Mont Blanc verschwunden. Anfangs war ich gar nicht so motiviert fahren zu gehen – nachdem ich mir drei Tage lang die besten Fahrer der Welt angeschaut hatte, erschien mir das irgendwie sinnlos. Ein dämlicher Gedanke, den mir die raue Vollgas-Strecke ganz schnell wieder aus dem Kopf klopfte. Dienstag und Mittwoch verbrachte ich bei brühender Hitze ziemlich alleine auf dem Rad, machte so viele Abfahrten wie möglich und tüftelte etwas am Setup herum. Den Donnerstag nutzte ich zur Erholung und freute mich auf die abendliche Ankunft meiner Stempel-Buddies vom Ilmenauer Szene-Laden Rad-Art.

Freitag – Training

Pünktlich zum Trainingsbeginn war wieder einmal ein Wetterumschwung angesagt. Oder besser: stündliche Wetterumschwünge. Da die Rennstrecke zu 90 % der Bikepark-Strecke entsprach, war ich mit ihr bereits recht gut vertraut. Doch insbesondere das nur zum Rennen offene und sehr steile Waldstück hat es ganz schön in sich, weshalb ich den Trackwalk definitiv für nötig hielt. Wirkliche Neuerungen gab es jedoch nicht: Der Ausgang aus dem Waldstück war etwas langsamer gesteckt und es gab nur noch eine, große Wiesenkurve kurz vorm Ziel, die zudem gegen Ende ganz schön zu machte. Da es mittlerweile von oben wie aus Eimern schüttete, beschlossen wir mit dem Training etwas zu warten. Etwa 2 Stunden nach Trainingsbeginn kam tatsächlich die Sonne raus, worauf hin wir uns in aller Eile Richtung Lift begaben – wieder einmal hatten jedoch auch andere denselben Gedanken und wir wurden von einer ziemlich langen Schlange begrüßt. Bis wir nach langem Anstehen schließlich oben waren, hatte es sich auch wieder zugezogen. Das hat sich  wie ein roter Faden durch den Tag gezogen: Kam die Sonne raus und ich zog die Regenjacke aus, fing es an zu schütten, kaum dass ich am Start stand. Zog ich sie dann im Ziel wieder an, klarte der Himmel auf und die Strecke trocknete in Nullkommanix aus.

Am Freitag zogen immer wieder tief hängende Regenwolken das Tal hoch.
# Am Freitag zogen immer wieder tief hängende Regenwolken das Tal hoch.
Die Strecke konnte zwischen 2 Läufen von derart nass …
# Die Strecke konnte zwischen 2 Läufen von derart nass …
… zu beinahe komplett trocken wechseln.
# … zu beinahe komplett trocken wechseln.

Nach zwei Läufen kamen in der Schlange ein paar andere Fahrer zwischen mich und den Großteil der Rad-Art-Crew. Als es dann oben (mal wieder) anfing zu regnen, überlegte ich mir, lieber unten zu warten – die darauf folgende Schlammfahrt war jedoch so chaotisch und spaßig, dass ich etwas unüberlegt direkt wieder in die Liftschlange einbog, wodurch ich die anderen endgültig verlor und für den Rest des Tages nicht wieder finden konnte. Zum Glück traf ich auf zwei andere Freunde, mit denen ich kurzerhand die Streckenvorschau unternahm.

Man muss ganz klar sagen: Glück im Unglück! So ein Defekt hätte wohl auf keiner besseren Strecke passieren können.

Auf einer Trainingsfahrt blieb ich leider unglücklich mit meinem Schaltwerk und dem aus Kranjska Gora bereits beschädigten Schaltauge an einer Wurzel hängen, woraufhin es wieder verbog. Da ich in der Situation nichts machen konnte, beschloss ich erstmal wenig zu treten und die Kette rechts zu lassen. Das ging jedoch nicht lange gut und nach wenigen Kurven machte mich lauter Radau darauf aufmerksam, dass mein Schaltwerk zwischen die Speichen des Hinterrads geraten war. Mittlerweile goss es (natürlich) wieder in Strömen. Ich fand jedoch einen netten Streckenposten, der mir eine Kneifzange organisierte, mit der ich das Kettenschloss öffnen und den Schaltzug durchknipsen konnte. Darauf folgte eine ziemlich lustige Diskussion, da er der Meinung war, das gehe ja nicht: einfach alles abreißen und weiterfahren …  man müsste das ja reparieren! Da jedoch nichts zu reparieren war, bedankte ich mich, steckte das lädierte Schaltwerk hinten in den Hosenbund und hatte einen erstaunlich schnellen Chainless-Run bis ins Ziel, den ich lediglich im Waldstück unterbrechen musste, da das Schaltwerk in den Hosenboden gerutscht war.

Keine Regenjacke an = Regenschauer
# Keine Regenjacke an = Regenschauer - unten zog ich sie dann an und siehe da: Die Sonne kam raus.
gregoringefahr-7156
# gregoringefahr-7156
gregoringefahr-4365
# gregoringefahr-4365

Da leider kein neues Schaltauge verfügbar und mein Schaltwerk alles andere als funktionstüchtig war, wurde mir recht schnell klar, dass ich an der Situation am Wochenende nichts mehr ändern kann. Deshalb versuchte ich, so viele Läufe wie möglich ohne Kette zu machen, um bis zur Qualifikation möglichst gute Linien in den wenigen flachen Streckenabschnitten zu finden. Man muss ganz klar sagen: Glück im Unglück! So ein Defekt hätte wohl auf keiner besseren Strecke passieren können. Der Start und die leicht ansteigende Holzbrücke in der Mitte würden mich wohl am meisten Zeit kosten. Zudem galt es, einige Kurven mit darauf folgenden kurzen Geraden gut zu treffen, denn Fehler hier würden sich bis ins Ziel aufsummieren.

Samstag – Qualifikation

Wie vorausgesagt begrüßte uns der Samstag  mit eitlem Sonnenschein, was insbesondere mich freute: Eine trockene Strecke rollt schneller. Im Training tüftelte ich noch etwas an meinen Linien, ließ es aber eigentlich entspannt angehen. Ohne Kette wollte ich maximal irgendwo ins hintere Mittelfeld fahren und etwas Spaß auf meiner absoluten Lieblingsstrecke haben.

Das berühmte Schladminger Waldstück
# Das berühmte Schladminger Waldstück - definitiv eine Schlüsselpassage der Strecke.

Am Start konnte ich leider nicht viel machen, zweimal abstoßen und dann tief über den Lenker bis der erste Step-Down kommt, der einen auf Mach 10 beschleunigt. Es war der wohl unspektakulärste Rennstart, den ich je hatte.

Am Start stellte ich zunächst fest, dass ich meine Rückennummer vergessen hatte … sowas ist mir in all den Jahren wirklich noch nie passiert. Zum Glück war der Kommissär sehr nett und baute mir kurzerhand eine Nummer aus einem A4-Blatt und etwas Tesafilm. Seine artistische Ader hat er dabei allerdings nicht grade ausgelebt, sodass ich einfach hoffte, das Ding würde nach der ersten Kurve abfliegen. Am Start konnte ich leider nicht viel machen, zweimal abstoßen und dann tief über den Lenker bis der erste Step-Down kommt, der einen auf Mach 10 beschleunigt. Es war der wohl unspektakulärste Rennstart, den ich je hatte. Aber zum Glück schiebt es einen in den ersten Kurven wirklich so nach vorne, dass ich nicht viel drüber nachdenken konnte. Der restliche Rennlauf war ganz in Ordnung. Ich vermasselte den Eingang in die Brücke völlig und kam mit Schrittgeschwindigkeit drüber, war dafür im Wald so schnell wie nie und mit dem unteren Teil generell relativ zufrieden. Im Ziel taten mir zwar die Hände etwas weh. Ich war jedoch kaum außer Atem, da ich immer wieder einige Sekunden hatte, in denen ich nur tief gebückt über dem Rad hing und verschnaufen konnte … und die hässliche Rückennummer hing natürlich auch noch dran. Am Ende war ich erstaunlicherweise 93. von fast 200 angekommenen Fahrern – viel mehr, als ich mir je errechnet hatte.

Sonntag – Renntag

Bereits zur Qualifikation war die Strecke so trocken und staubig, dass viele schnelle Fahrer auf Trockenreifen setzten. Ich war bis dahin auf Specialized Hillbilly Intermediate-Reifen unterwegs. Nach der guten Quali hatte ich jedoch wieder mehr Ehrgeiz, kam ins Grübeln und beschloss meinen anderen Laufradsatz mit Maxxis Minion DHF/DHR II-Reifen zu benutzen. Im Nachhinein war das keine gute Idee: Die Reifen funktionierten ok, ich bin jedoch einfach ein totaler Gewohnheitsmensch und kam nicht so richtig zurecht. Nach dem Training fühlte ich mich zwar wieder halbwegs flott, aber der Wechsel hat bestenfalls einfach gar nichts gebracht.

In den Wald kann man oben ziemlich schnell reinballern
# In den Wald kann man oben ziemlich schnell reinballern - nach etwa 30 Metern wird es jedoch eng, steil und kurvig.

In dem Wissen, dass dies vermutlich die einzige Stelle in Schladming ist, an der man richtig stürzen kann ohne sich gleich bedrohlich zu verletzen, ließ ich die Bremsen ziemlich offen und … stürzte richtig.

Vor dem Rennlauf konnte ich wie immer dumme Sprüche mit Thilo von Racement austauschen und legte einen weiteren sagenhaft langweiligen Start hin – irgendjemand hat sogar gerufen: “Warum trittst du nicht?”. Der obere Teil lief überhaupt nicht gut. Die Strecke hatte ziemlich tiefe Löcher und ich versuchte verkrampft schnell aus den Kurven zu kommen, rutschte aber viel zu oft über das Vorderrad. Die Brücke erwischte ich dafür diesmal so gut, dass ich auf der anderen Seite bremsen musste und von da an war der Knoten etwas geplatzt. Am großen Step-Up ließ ich die Finger von den Bremsen und sprang am deutlich tiefer liegenden Chicken-Way ab, sodass ich die Landung perfekt traf und kam bis auf den Ausgang richtig gut durch den Wald. Ich wusste, dass ich aufholen musste und hatte mich im Training immer verhältnismäßig schnell in der Wiesenkurve gefühlt. In dem Wissen, dass dies vermutlich die einzige Stelle in Schladming ist, an der man richtig stürzen kann ohne sich gleich bedrohlich zu verletzen, ließ ich die Bremsen ziemlich offen und … stürzte richtig. Mein Vorderrad brach so schnell weg, dass ich mich nicht wirklich abfangen konnte und vollgas über die steinige, harte Wiese rutschte. Mein Kopf brummte und drehte sich etwas, sodass ich den nächsten Fahrer vorbeilassen musste, bis ich es schaffte wieder aufs Rad zu kommen. Ich rollte in gemäßigtem Tempo in die nächste Bikepark-Sektion und … stürzte wieder, diesmal auf die andere Seite. Ich glaube, meine Handschuhe waren zu staubig oder ich zu orientierungslos, denn eigentlich hätte man dort gar nicht stürzen können. Wieder musste ich einen Fahrer vorbeilassen und rollte mit brennenden Armen ins Ziel.

In der großen Wiesenkurve kurz vor dieser Sektion entschärfte es mich leider ziemlich
# In der großen Wiesenkurve kurz vor dieser Sektion entschärfte es mich leider ziemlich - ich musste erst einen Fahrer vorbeilassen bis ich mich halbwegs sortiert hatte.
In circa 10 Metern sollte es wieder knallen …
# In circa 10 Metern sollte es wieder knallen …
Auch nach 10 Tagen in den Alpen wurde diese Aussicht nicht langweilig.
# Auch nach 10 Tagen in den Alpen wurde diese Aussicht nicht langweilig.

Da ich nach 10 Tagen Österreich einfach gerne heim wollte, ließ ich meine aufgeschürften Arme bei den Sanitätern auswaschen, schmiss mein geliebtes, kettenloses Bergi ins Auto, nahm eine eher unangenehme letzte Dusche in der Pension und war lange vor Ende des Rennens auf der Autobahn.

Fazit

Schladming ist wirklich meine absolute Lieblingsstrecke. Ich gehe die Rennfahrerei eher gelassen an, aber mit Handicap ein – für mich – ordentliches Resultat auf dieser Strecke einzufahren, hat mich dann doch etwas verbissen werden lassen. Ohne Kette zu fahren kann ganz schön witzig sein: Man achtet mehr auf seine Linien, fährt schneller in Sektionen rein und es ist auch angenehm leise! Den Aaron Gwin zu machen, bleibt jedoch wohl nur genau diesem einen Aaron Gwin vorbehalten. Deshalb hoffe ich, dass ich mein Rad bis zum nächsten Rennen, der Deutschen Meisterschaft auf meiner zweiten Lieblingsstrecke zu Hause in Ilmenau wieder fit bekomme – hoffentlich habe ich das Treten bis dahin nicht verlernt.


Weitere Informationen

Website: www.ixsdownhillcup.comwww.bikeparkplanai.at
Text & Redaktion: Gregor Sinn | MTB-News.de
Bilder: Rick Schubert

  1. benutzerbild

    Ehrenfeld

    dabei seit 10/2001

  2. benutzerbild

    prong

    dabei seit 11/2004

    Danke für den netten Bericht!

  3. benutzerbild

    Pete04

    dabei seit 12/2008

    Riesending! Dem Mob tät's genügen um den Contest vor der Eisdiele abzufeiern -
    und sich dann noch "mit ohne" reinzuwerfen - Hut druff!

  4. benutzerbild

    Deleted35614

    dabei seit 12/2015

    Geile Sache und cooler Bericht.

  5. benutzerbild

    pat

    dabei seit 01/2002

    Haha, sehr geil! smilie Hatte viel Spaß beim Lesen, danke für den tollen Bericht. smilie

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