Ozeanix - Auf der anderen Seite der Welt

24.11. 10:00 Mangapurua Mountain, 650m

Hatte selten so ne gute Dschungelnacht wie am "Mosleys Camp". Vollgestopft mit Pasta und heisser Schoki, kein Mensch weit und breit, später nach Einbruch der Dunkelheit dann lustige und durchaus seltsame Geräusche aus dem Wald. Waren sicher irgendwelche obskuren Vögel... oder vielleicht verirrte, niesende Ziegen. Was anderes gibts hier ja nicht im "Land ohne Raubtiere". Kein Berglöwe, kein Grizzly, noch nicht mal ein kleiner Schwarzbär oder eine Giftschlange bedrohen den einsamen Camper. Das kann man sich immer vor Augen führen, wenns neben dem Zelt mal wieder besonders gruslig raschelt.

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Nach dem Frühstück schwing ich mich dann auf Specki und befahre gleich mal die steilste Stelle Neuflowlands... extremer wirds auf der Nordinsel nicht : - ).

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Dann strample ich weiter meinen Kaiwakhauka-Trail bergauf, immer tiefer hinein in den Dschungel und immer weiter weg von der Zivilisation.

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Irgendwann wird mein Trail zur lehmigen Piste, auf der ich bis zum Gipfel des "Mangapurua Mountain" klettere. Dort grinst mich zunächst ein roter Teufel an...

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... dann werde ich auf einmal von perfekten Straßenschildern überrascht, wie sie auch im Zentrum von Auckland nicht fehl am Platz währen. Gut drauf sind sie ja, die Kiwis: Zwei der drei Richtungen verweisen lediglich zu Singletracks, nur über die "Ruatiti Rd" könnte man in etwa vierzig Pisten- und später nochmal vierzig Straßenkilometern per Jeep aus der Wildnis entfliehen.

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Was ist also los, im Dschungel von Whanganui?

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Oder vielmehr: "Was war hier mal los"?

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Eine Gedenktafel am Gipfel des Mangapurua Mountain gibt Auskunft: Vor ziemlich genau einhundert Jahren wurde die ganze Region unter den Heimkehrern aus dem ersten Weltkrieg aufgeteilt, sozusagen als Belohnung für geleistet Dienste fürs Heimatland. Wusste gar nicht, dass sich Neuseeland da beteiligt hat. Wie auch immer, etwa fünfzig Familien bekamen jeweils recht große Gebiete zugewiesen und durften diese dann "bewohnbar" machen. Es wurde gerodet und gefällt was das Zeug hält, Straßen gebaut, ein Postdienst eingerichtet, sogar eine Schule. Wahrscheinlich sahs hier mal genau so aus wie im großen Rest von Neuseeland: freundliche grüne Hügel mit vielen Kühen und Schafen drauf.

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Der Spuk am Whanganui war jedoch relativ schnell vorbei. Kaum fünfundzwanzig Jahre später hatten fast alle Siedler die Gegend schon wieder verlassen. Schlechte Wirtschaftslage und vor allem eine neue Regierung (glaub Labour statt National) zogen den Pionieren den Boden unter den Füßen weg. Seit 1942 wächst und wuchert hier alles wild und frei in der Gegend rum.

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Ein Meer aus Grün, soweit das Auge reicht. Mitten drin nur ein einzelner Biker, seit gestern nachmittag an der Blue Derby Lodge hab ich keinen Menschen mehr gesehen. Irgendwo dahinten nach weiteren vierzig Kilometern Lehmpiste und Singletrack ist hoffentlich die "bridge to nowhere" und knapp danach wartet dann mein bestelltes Wassertaxi. Falls nicht, muss ich dort irgendwo übernachten und in ein bis zwei Tagen wieder rausradeln. Schadet aber nix, hab genug zum futtern dabei und für alles vorgesorgt.
 
24.11. 11:00 Mangapurua Shelter am Mangapurua River, 200m

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Mal Lehmpiste, mal Double Track, ...

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... und später wieder Singletrack führen mich hinab ins Tal des Mangapurua River.

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Weitere Campsite am Wegesrand: Diese Regenwassersammelhüttchen sind echt ne tolle Erfindung... einfach, wirksam, nützlich. So ne Regenrinne mit Tonne stünde mancher Biwakschachtel in den Alpen auch ganz gut zu Gesicht. Man könnte das Wasser natürlich auch aus den zahlreichen Bächen und Flüssen schöpfen, aber sauberer Regen ist schon irgendwie angenehmer.

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Kaffeepause im Mangapurua Valley. Hatte ich schon gesagt, dass ich meinen Kocherkrempl liebe? So ein Heißgetränk zu schlürfen, fühlt sich einfach ganz anders an als bloss ein Schluck aus der Radlflasche. Die Pausen werden dadurch viel "heimeliger"... und das kann nicht schaden, bin ich doch noch immer ganz allein irgendwo im Nirgendwo im neuseeländischen Dschungel.
 
24.11. 11:00 Bridge to Nowhere am Mangapurua River, 100m

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Weiter gehts auf dem Mangapurua-Trail... mit Baumstativ...

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... und dem Ergebnis dazu: Kleiner Biker zwischen großen Grünpflanzen...

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... und noch größeren Bäumen.

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Kein Cycle Trail in Neuseeland kommt ohne Hängebrücken aus. Im Whanganui-Nationalpark sind sie allerdings ne Nummer schmaler und mit heutigen Lenkerbreiten kaum fahrbar.

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Immer linkerhand an der Canyonwand entlang, etwa vierzig Meter über dem meist unsichtbaren Flussbett.

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Diese vierzig Meter veranlassen die Kiwis zu teils etwas erheiternden Schilderorgien: Vor jeder auch nur minimalistisch ausgesetzten Stelle wird in großen Lettern gewarnt. Der Trail erreicht trotzdem kaum S1-Niveau und veranlasst bei alpengewöhnten Stolperbikern keine Absturzalpträume sondern allerhöchstens breites Flowgrinsen.

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Der Mangapurua zeigt sich nur ganz selten, dann aber durchaus eindrucksvoll.

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Das Ende ist nah... jemand hat den Dschungel gemäht!

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Da taucht sie endlich aus dem Dickicht auf, die vielzitierte "Bridge To Nowhere". Was hats mit dieser fetten Steinbrücke auf sich? In der Hochphase der Besiedelung, etwa um 1940, wollte man das Mangapurua-Tal vernünftig mit einem kleinen "Hafen" am Whanganui-River verbinden. Zur Eröffnung fuhren noch exakt zwei Autos drüber, dann wurde das Projekt Whanganui-Eroberung auch schon eingestellt. Seither wächst Dschungelgras über die Sache. Verrückt.

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Für mich warten auf der Brücke bereits ein Tässchen heisser Tee, Schokokekse...

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... und mein Jetboat-Chef, der gerade seinem mitgebrachten Touristengrüppchen die Geschichte des Tals erklärt. Ziemlich abruptes Ende eines langen, einsamen Dschungeltrails... die Zivilisation hat mich wieder!
 
24.11. 15:00 Office von Whanganui River Adventures in Pipiriki, 60m

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Ein letzter Blick hinab von der Brücke nach Nirgendwo in den Mangapurua, ...

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...dann verspachtle ich noch zwei Kilometer gemütlichen Singletrack bis zum endgültigen Trail-Ende...

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... am Whanganui River. Weiter gehts nur per Boot, ...

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... entweder in mehrtägiger Handarbeit oder mit ein paar hundert Pferdestärken.

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Ich wähl heut glaub ich mal die Pferdestärken...

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... und fliege in ner halben Stunde etwa 30 Kilometer den Whanganui runter.

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Da bleibt am Ende nur fettes Grinsen... so muss ein Trail in Neuseeland aufhören :)!
 
Wirklich verdammt schöne Gegend da unten und wie immer klasse kommentiert von dir. Bin schon gespannt wie es weiter geht. Viel Spass noch
 
Einfach genial was der Alpenzorro erlebt, fiebere jeden Tag mit & freue mich auf nächsten März.
Werde dann 5 Wochen im Campervan mit Bike etwas weniger im Adventure Modus dort unterwegs sein.
Crankworx & EWS ist dann auch in Rotorua.
Die super Fotos & Berichte machen schon mal Appetit.
Wünsche gutes Wetter & geile Trails.
Ride on!
 
ach Stuntzi, seufz... mir wird´s im novemberkaltennieselgrauen Einerlei bei Deinen Bildern ganz warm ums Herz :love:
Meine Bürowoche hast Du wirklich bereichert, Danke dafür und weiter gute Reise. :winken:
 
24.11. 15:00 Office von Whanganui River Adventures in Pipiriki, 60m

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Ein letzter Blick hinab von der Brücke nach Nirgendwo in den Mangapurua, ...

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...dann verspachtle ich noch zwei Kilometer gemütlichen Singletrack bis zum endgültigen Trail-Ende...

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... am Whanganui River. Weiter gehts nur per Boot, ...

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... entweder in mehrtägiger Handarbeit oder mit ein paar hundert Pferdestärken.

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Ich wähl heut glaub ich mal die Pferdestärken...

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... und fliege in ner halben Stunde etwa 30 Kilometer den Whanganui runter.

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Da bleibt am Ende nur fettes Grinsen... so muss ein Trail in Neuseeland aufhören :)!

Ach Stuntzi, da kommt einem echt der Neid hoch, so müsste es immer sein!
 
Mir fällt gerade ein,
so viel Infrastruktur, aber wieviele Nutzen in Infrastruktur?
Es ist wohl Nebensaison,
aber bis auf ein Paar Leute hast du noch niemanden getroffen ?
Hört sich natürlich super an, aber hoffentlich können die auch ohne Kunden so weiter machen.
 
Wie immer super tolle Berichte und super Bilder von Stuntzi!
Finde es toll das die Kiwis so tolle Radwege bauen! :daumen:
Sowas würde mir bei uns auch gut gefallen!
Aber das bleibt wohl ein Traum :wut:
 
24.11. 20:00 Freedom Camping am Whanganui River, 22m

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Das Office der Jetbootler in Pipiriki ist mitnichten irgendwo in der Nähe eines Orts, die Pampa lässt immer noch grüßen. Schlappe fünfzig Kilometer sind noch zurückzulegen, also befreie ich Specki vom Dschungelschlamm der letzen Tage...

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... und mach mich gegen halb fünf auf die Socken auf der Whanganui River Road.

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Dschungelkirche...

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... und Dschungelshop, in den Kleinstdörfern unterwegs.

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Irgendwo auch ein geschlossenes Museum... ob hier im Sommer vielleicht mehr los ist?

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Coole Schlitten fahren die Locals jedenfalls. Weniger Luftdruck = Mehr Grip!

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Als das Tageslicht langsam schwindet, schlage ich mich an einer kleinen Picknickarea an den Ufern des Whanganui in die Büsche. Fertig für heute... was ein geiler Tag. Neuseeland leistet einfach alles, aber ich glaube das sagte ich schon mal... : - )
 
25.11. 14:00 Hostel in Whanganui, 20m

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Heut bleiben nur noch ein paar geteerte Kilometer auf der Whanganui River Road, gefolgt von einem kurzen Hauptstraßenintermezzo, schon bin ich in der Nordinselwestküstenstadt Whanganui. Ein paar viktorianische Häuserl, ein kleiner Berg mit Denkmal, ein "Stadtzentrum" mit Kreisverkehr und ner Figur drauf. Immerhin hauts einen nicht vor Schreck gleich rückwärts wieder raus (Rotorua) oder gruselt einen innerlich (wie Taupo), aber ich bleib dabei: Neuseeländer können Natur, aber sie können weder Ort noch Stadt. Vielleicht mal ein bis zwei Blocks Fußgängerzone? Ein zentraler Platz mit ein paar Cafes und ohne Autos? Ein belebter Park mit drei Bäumen, nem Teich und nem Biergarten? Gibts hier alles nicht... kein einziges Gebäude ohne Parkplatz davor... auch Whanganui macht da keinen großen Unterschied.

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Macht aber nix, fängt eh grad zu regnen an. Ich such mir ein nicht völlig ungemütliches Café und arbeite die letzten zwei Tage netzlose Offline-Zeit auf.

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Dann radl ich noch ein Stückchen weiter bis zur Mündung des Whanganui in den Ozean, vorbei an Fabrikgeländen und halbwegs spukigen Häuslein.

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Castlecliff beach.

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Einen desolater wirkenden Ort kann ich mir grad nicht vorstellen.

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Vielleicht ists im Sommer ja anders, aber zum Verweilen läd hier im Moment nix ein... das Wetter erst recht nicht. Heftige Regenschauer werden von noch heftigeren Sturmböen übers Land getrieben, da lass ich das Outdoor-Leben doch für heute einfach mal sein...

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... und parke mich statt dessen lieber direkt in der Hostelküche des "Collegehouse Backpackers".

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Weihnachten steht offensichtlich schon vor der Tür. Lecker. Und nach der vielen Camperei der letzten Tage mal wieder ein Bett und ein festes Dach überm Kopf zu haben, ist ebenfalls lecker.
 
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