Anti Squat | Physik, Werbung und gefährliches Halbwissen.

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Moin zusammen,
In letzter Zeit wollte ich mich etwas über Fahrwerkskinematik und Anti Squat im Besonderen schlau machen, komme aber nicht wirklich zu einem guten Ergebnis... Man liest viel Widersprüchliches aber auch Interessantes.
Ich würde gerne, was ich glaube verstanden zu haben, kurz zusammenfassen und die Unklarheiten aufzeigen. Kommentare und vor allem Korrekturen sind auf jeden Fall erwünscht.
Also:
Bei der Beschleunigung eines Fahrzeugs kommt es aufgrund von Massenträgheit und Schwerpunktlage zu einer zusäzlichen Belastung an der Hinterachse, also zusätzlichem Einfedern. Beim Antisquat wird die Lage der Hinterbau-Drehpunkte so ausgelegt, dass die Zugkraft in der Kette den Hinterbau ausfedert.
Bei 100% Anti Squat sind beide Kräfte auf den Hinterbau im Gleichgewicht und es bewegt sich nichts. Bei weniger als 100% überwiegt die Kraft aus der Beschleunigung und der Hinterbau federt ein, bei über 100% wird er auseinander gezogen.
Hier die erste Verwunderung: passiert das Wirklich bei >100%? Hebt man sein eigenes Gewicht dann mit der Kurbelumdrehung an?
Dem gegenüber liest man aber auch, dass diese Betrachtungsweise für Motoräder zutrifft, nicht aber auf Fahrräder aufgrund des Pedallierens. Das Pedallieren erzeugt wohl unvermeidlich ein Auf-und Abschwingen aufgrund von Gewichtsverlagerung. Wieviel ist wohl abhängig von der eigenen Technik... Um diesen Effekt auch zu kompensieren und dem Wippen entgegen zu wirken braucht man Anti Squat >100%.
Warum haben die Rahmen dann nicht richtig viel Anti Squat, anstatt dass man sich mit Plattform Dämpfungen rum plagt? -> Ein komplett toter Hinterbau hat keinen Traktionsvorteil mehr und könnte bergauf auch Unebenheiten nicht mehr ausgleichen. Darüber hinaus erkauft man sich, vereinfacht gesagt mehr Antisquat auch mit mehr Pedalrückschlag (komme ich gleich nochmal zu). Und zu zusätzlich - und das wäre die nächste Frage in die Runde - Anti Squat gibt es nicht geschenkt: Die Zugkraft in der Kette, die das Wippen unterdrückt muss bei jeder Kurbelumdrehung zusätzlich zur Vortriebsleistung erbracht werden, sodass der energiesparende Effekt des Anti Squat nicht so groß ist, wie in der Werbung. Was meint Ihr dazu? Einige sagen hierzu, dass das nicht stimme, da keine Bewegung statt findet und auch keine Arbeit verrichtet wird.
Zurück zum Pedalrückschlag:
Hier macht man sich den Kettenwinkel zu Nutze. Anti Squat und Pedalrückschlag sind abhängig von der gewählten Kettenblatt - Ritzel Kombination. Anti Squat ist auf dem kleinen Blatt hoch, auf dem Großen niedrig. Pedalrückschlag umgekehrt. So hat man im kleinen Gang bergauf weniger Wippen und im großen Gang bergab wenig Pedalrückschlag.
Mir ist unbegreiflich, wie sich 1fach Antriebe durchsetzen konnten, wenn man diese kinematischen Zusammenhänge kennt? Wird der Anti Squat Effekt total überbewertet oder lässt sich mit "1fach ist cool, weil es cleaner am Lenker aussieht" einfach leichter Geld verdienen?
Zusätzlich zu der Übersetzungsabhängigkeit kommt dann auch noch eine Abhängigkeit vom Sag hinzu. Ganz grob gesagt: Je tiefer im Sag, um so weniger Anti Squat. Hinterbauten werden so gestaltet, dass bei einer gewählten Übersetzung Anti Sqaut im Sag Punkt ~100% ist.
Für mich heißt das praktisch: die Hersteller gestalten so, dass bei 20% Sag im sitzen (so steht es in den Bike-Bravos) sich das Bike optimal pedalliert.
Meiner Erfahrung nach, lande ich nach der klassischen Fahrwerksoptimierung bei 30% sag im stehen; im sitzen ergibt das dann auf dem Enduro Ca. 60% sag. Unabhängig vom Sitzwinkel gibts dann kaum noch Anti Squat und gefühlt schaukelt man dann gequält die Berge hoch. Das ist zumindest meine Erklärung, warum ich immer lese, dass scheinbar kein Bike wippt... Außer bei mir.
Abschließend bleibt vielleicht noch die Frage nach dem Nutzen. Hat jemand eine Größenordnung für den Energieverlust durch Wippen? Zum Beispiel im Verhältnis zum Rollwiderstand? Subjektiv empfinde ich den Einfluss als sehr groß, viel größer als zB Bikegewicht.
Wobei ich beim Gewicht sowieso denke, dass die Indutrie einen hier an der Nase rumführt. Thema:Hubarbeit im Hinblick auf Körpergewicht vs Bikegewicht und 1kg Flaschen am Rahmen, aber das ist ein anderes Thema.

Wie gesagt, freue mich über jeden Hinweis zu dem Thema und auf eine spannende Diskussion!

Gruß,
Chris
 
Zuletzt bearbeitet:

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Re: Anti Squat | Physik, Werbung und gefährliches Halbwissen.
Sehr interessant und du hast dir da echt schon viele Gedanken gemacht.

Das zum Thema Antisquat ist richtig, also 100%, Massenträgheit und damit verbundene dynamische Radaufstandskraft-Änderung.

Was mir auch irgendwie komisch vorkam, oder kommt, ist die Tatsache dass ich beim 100% Antisquat mein Körpergewicht mittels Pedalkraft "hochhalten" muss, und ich mir irgendwie nicht vorstellen kann ,dass das Energiesparender sein kann, als wenn ich weniger Antisquat habe und der Dämpfer etwas einfedert.

Aber die Theorie sagt: Wo kein Dämpfer dämpft, wird keine Energie dissipiert, und somit auch nicht verschwendet. Das ist glaub ich ein klassischer Fall "Intuition versus Physik".

Was bei dieser 100% Antisquat thematik leider vergessen wird, ist, in welchem Fahrzustand die Pedalkraft eingebracht wird, es gibt ja 2 Möglichkeiten:

1. Durch die Trägheit meiner Körpermasse von oben nach unten, dann habe ich eine zusätzliche Masse die auf die Radaufstandskraft wirkt, höher als die reine statische Fahrer-GEwichtskraft.

2. Durch Ziehen am Lenker eine Kraft auf die Kette, die NICHT durch Massenträgheit eingebracht wird, ergo auch keine Radaufstandskrafterhöhung beim Pedalieren.

Ich glaube, dass Linkage mit Punkt 2 rechnet, weiß es aber nicht genau. Die reale Situation liegt ja irgendwo dazwischen, d.h. wiederum: kein Fahrwerk ist ideal ausgelöegt, weil es viel mehr auf den Fahrzustand ankommt.

Es hat sich aber in der Praxis herausgestellt: Sobald Räder mit Linkage mit 100% Antisquat im Sag ausgelegt sind, funktioniert das alles super. ob das nun bei 95% oder 110% bei 20 oder 30% sag ist, spielt dann nicht so eine große Rolle, das funktioniert alles gut.

"Anti Squat ist auf dem kleinen Blatt hoch, auf dem Großen niedrig. Pedalrückschlag umgekehrt"
Das stimmt nicht, hoher Antisquat wird grundsätzlich IMMER mit hohem Pedalrückschlag erkauft. Das hat einfach damit zu tun, dass für höheren Antisquat die Raderhebungskurve nicht tangential zum Einlaufpunkt der Kette am Kettenblatt sein darf um die Hinterradachse eben "Näher herzuziehen". D.h. der nächste benachbarte Punkt der Raderhebungskurve muss näher zum Tretlager sein als der vorherige, sonst hätte ich durch Kettenzug keine AUsfederbewegung, und damit verbunden habe ich beim Einfedern einen am nächsten benachbarten Punkt, der WEITER weg ist vom Tretlager, und somit Pedalrückschlag.
 
Hat das noch keiner modelliert oder empirisch untersucht? Man kann das System mehr oder weniger einfach abstrahieren, zB in Matlab einhacken, die Parameter variieren und vergleichen.
 
Man kann das System mehr oder weniger einfach abstrahieren, ...

Ich befürchte, die Betonung liegt auf "weniger einfach". Die ganze MTB Fahrt zu modellieren ist m.W. bis jetzt niemandem gelungen. Es ist einfach zu komplex. Es gibt nur mehr oder weniger stark vereinfachte Modelle.

EDIT: Gewisse Modelle und empirische Feststellungen sind aber offenbar gut genug, um gute Bikes zu entwerfen ;)
 
Ich befürchte, die Betonung liegt auf "weniger einfach". Die ganze MTB Fahrt zu modellieren ist m.W. bis jetzt niemandem gelungen.

Es muss doch nicht die ganze MTB-Fahrt sein. Wenns nur um Antisquat geht, reicht doch erst mal eine Fahrt in der Ebene oder auch bergauf bei konstanter Kurbeldrehzahl, ein simplifiziertes Federbein, Masse an der richtigen Position und dann noch die Hebelverhältnisse des Hinterbaus einbauen. Federkennlinien sind bekannt, Dämpfung kann erst mal konstant angenommen werden (da eh nur im LSC-Bereich wenn pedaliert wird, sprich kein Übergang zu HSC), die Federgabel bleibt außen vor und anfangs kann man Winkeländerungen durch Wippen auch erst mal vernachlässigen. Verschiedene Antisquatwerte, Dämpferkennwerte, Gewichte und KB-Größen testen. Es ist etwas Arbeit und ggf. ein wenig verzwickt, aber weit weg von unmöglich. Ich glaube eher, das hat noch niemand so wirklich getestet bzw. haben die großen Hersteller es getan, aber veröffentlichen es natürlich nicht.

btw: "Zu komplex" sicher nicht, es wurden schon ganz andere Vorgänge simuliert.
 
"Zu komplex" aber in der Interpretation der Ergebnisse: Was ist besser, bzw welchen Kompromiss gehe ich ein ?
Außerdem ist fast alles voneinander abhängig, Kettenblattgröße, Antisquat und Antirise beispielsweise.
Da muss man sich meinem Verständnis nach schon konstruktiv was überlegen wenn nur einer der Parameter variiert werden soll.
 
"Zu komplex" aber in der Interpretation der Ergebnisse: Was ist besser, bzw welchen Kompromiss gehe ich ein ?

Ja, das müsste man jetzt untersuchen :lol: Was besser ist, ist schließlich Auslegungssache des Konstrukteurs und der gewünschten Endresultate. Nur einen der Parameter zu variieren dürfte schwierig sein, schließlich gibts ein paar Stellschrauben, mit denen man eine Parameterstudie füttern kann. Die Lagerposition bspw. kann man ohne riesigen Aufwand um ein paar Millimeter im Modell verschieben bzw. ein paar Hinterbauvarianten testen, KB-Größen sind sowieso variabel, Kurbeldrehmomentspitzen auch... Irgendwo findet man einen guten Mittelwert. Dass nicht jeder kleine Hersteller das Wissen bzw. Zeit/Budget dafür hat, ist halt die Realität. Vor allem bei der Verifizierung am realen Modell würde es wahrscheinlich auch zu viel werden.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zitat von cgr21:
"Mir ist unbegreiflich, wie sich 1fach Antriebe durchsetzen konnten, wenn man diese Kinematischen Zusammenhänge kennt? Wird der Anti Squat Effekt total überbewertet oder lässt sich mit "1fach ist cool weil es cleaner am Lenker aussieht" einfach leichter Geld verdienen?"



Genau das ist schon immer meine Ansicht gewesen bzgl. der reduzierten Anzahl an Übersetzungsmöglichkeiten. Den Kunden wird das als Coolness-Faktor verkauft und die betreffenden fühlen sich 'supermodern'. Nicht nur die Kinematik wird instabil, sondern so nebenbei wird auch noch die Übersetzungsbandbreite einfach mal eingeschränkt, und kaum einer sieht so richtig den klaren Nachteil dabei.

Eine Spitzenleistung der Werbung. :)
 
Nicht nur die Kinematik wird instabil, sondern so nebenbei wird auch noch die Übersetzungsbandbreite einfach mal eingeschränkt

Das Argument verstehe ich nicht, was heißt "die Kinematik wird instabil" ?
Mit nur einem Kettenblatt ist es doch sogar einfacher zu Optimieren, da man nicht verschiedene Angriffspunkte der Kette hat.
Bei zweifach war meist auf das größere Blatt optimiert, soweit ich das beim linkage-blog verfolgt habe.
 
Hi cgr21,
interessanter Thread:daumen:

Vielleicht hilft das: http://www.mtb-news.de/forum/t/mein-neues-carbon-fully.809204/#post-13905167

Meine Praxiserfahrung: sehr softe 200mm Federweg lassen sich effektiv bergauf pedalieren. Eine Plattformdämpfung habe ich nicht und vermisse ich auch nicht.

Man sollte die Theorie aber auch nicht überbewerten. Wie ich in meinem Thread geschrieben habe hängt die 100%-Anti-Rise-Linie vom Schwerpunkt ab. Mit Rucksack oder ohne, Halbschale oder Fullface, Trinkflasche leer oder voll ... das verschiebt den Schwerpunkt (und damit den optimalen Schwingendrehpunkt).

Gruß
Onkel_Bob
 
Der Kopf hinter Linkage Antonio Osuna schreibt vor allem in den Kommentaren viel über die Auswertung der bloßen Kennwerte.

zB hier ein Kommentar zu Squat und Kickback:linkagedesign.blogspot : Mega TR Kommentar

Diesen Teil von seinem Kommentar finde ich extrem wichtig:

First of all the linkage program only gives you a few numbers, but it doesn't tell you if having 120% of A1 is better or worse than having 140%... so It doen't create a "false economy", that's just in our heads.

We have to figure out the numbers by ourselves, using dinamic simulations or testing the bikes until we understand what do the numbers really mean, and how everything is interconected. Because everything is a bit more complicated than it seems looking at the numbers.

Die Paramater sind immer komplex und zu sagen diese oder jene Zahl funktioniert besser ist in einem derart komplexen System Mountainbike schlicht nicht realisierbar. Wir haben es immer mit Kompromissen zu tun. Deshalb sind Bikes gleicher Federwegsklasse die beide z.B. Enduro zugeordnet sind nicht immer vergleichbar weil das eine eher in Richtung "bequeme lange Ausfahrt" und das andere für "Bestzeiten bergab" ausgerichtet ist. Allein schon über die Wahl der Federelemente, Reifen und Setup kann man das wieder in die eine oder andere Richtung verschieben.

Klicks und Flats, Fahrergewicht und Fahrstil/Können... all das sind ebenfalls maßgebliche Faktoren, die eine größere Rolle spielen als ein Wert von einem Prüfstand.


Federkennlinien sind bekannt, Dämpfung kann erst mal konstant angenommen werden (da eh nur im LSC-Bereich wenn pedaliert wird, sprich kein Übergang zu HSC), die Federgabel bleibt außen vor und anfangs kann man Winkeländerungen durch Wippen auch erst mal vernachlässigen.

LSC und HSC (am Shimstack) darf man nicht getrennt voneinander betrachten. Man hat eigentlich immer eine Mischung von beidem. Es sein denn du spannst das Shimstack derart hart vor, dass du quasi nur noch über den "Blowoff" den Ölfluss darüber ermöglichst. Das wäre ein Fahrgefühl, dass man sich kaum wünschen kann und im Gelände nicht wirklich viel Sinn macht.

Federgabel und Heck muss man – in meinen Augen – immer im Zusammenhang sehen, da sie im Zusammenspiel die Radlasten und die Balance des Fahrers maßgeblich beeinflussen. Ein Beispiel wäre wenn deine Front tendiert in abfallenden Kurven wegzurutschen. Machst du die Front weicher oder das Heck härter? Machst du die Front weicher wirst du das Gesamtsystem absenken und tiefer im Rad stehen was deinen Schwerpunkt optimiert aber die Gefahr von Boden/Pedalkontakt erhöht und deine Reserven für einen zusätzlichen Schlag auf dein schon komprimiertes Fahrwerk minimiert. Sitzt du dann schon auf der Progression auf (Front und Heck oder beides) dann kann sich das in Summe härter anfühlen als wenn du das Fahrwerk von Haus aus mit 10psi härter abstimmst. Letztendlich bekommst du dann ein Fahrwerk, das sich weicher anfühlt obwohl du es härter gemacht hast.

Nur einen der Parameter zu variieren dürfte schwierig sein, schließlich gibts ein paar Stellschrauben, mit denen man eine Parameterstudie füttern kann.

Demnächst schließe ich ein langjähriges Projekt in diesem Bereich ab. :daumen: Das wird dann hier veröffentlicht.

Man sollte die Theorie aber auch nicht überbewerten. Wie ich in meinem Thread geschrieben habe hängt die 100%-Anti-Rise-Linie vom Schwerpunkt ab. Mit Rucksack oder ohne, Halbschale oder Fullface, Trinkflasche leer oder voll ... das verschiebt den Schwerpunkt (und damit den optimalen Schwingendrehpunkt).

Absolut. Santa Cruz Bikes reagieren auch extrem empfindlich auf minimale Änderungen im Sag. Rutscht man allgemein – egal auf welchem Bike – in anstiegen auf dem Sattel etwas nach vorn, kann sich hier auch wieder alles ändern und aus einem mühsamen Uphill wird plötzlich ein einfacher.
 
LSC und HSC (am Shimstack) darf man nicht getrennt voneinander betrachten. Man hat eigentlich immer eine Mischung von beidem.

Da hast du wohl recht. Ich meinte an sich, dass man die Dämpfung in erster Näherung als konstant annehmen kann.

Federgabel und Heck muss man – in meinen Augen – immer im Zusammenhang sehen, da sie im Zusammenspiel die Radlasten und die Balance des Fahrers maßgeblich beeinflussen. Ein Beispiel wäre wenn deine Front tendiert in abfallenden Kurven wegzurutschen. Machst du die Front weicher oder das Heck härter?

Wie oft kommen abfallende Kurven beim gemütlichen Bergaufpedalieren vor und wie wichtig ist in dem Moment Antisquat? ;) Ja, Front und Heck hängen zusammen, aber wenn es in den ersten Modellen erst mal um das Verhalten in der Ebene oder beim Bergauffahren geht, kann man die Gabel meiner Meinung nach vorerst vernachlässigen. Wenn es um Pedalrückschlag bei Landungen etc. geht... Braucht man das Verhalten der Gabel im Modell, um eine Aussage über das Heck fällen zu können?

btw: Wer keine Lust auf Coden hat, kann auch ein MKS-Programm wie Adams MSC nehmen. Quadratisch, praktisch, gut.

Demnächst schließe ich ein langjähriges Projekt in diesem Bereich ab. :daumen: Das wird dann hier veröffentlicht.

Uh, sehr interessant! Wann wie wo was?
 
Wie oft kommen abfallende Kurven beim gemütlichen Bergaufpedalieren vor und wie wichtig ist in dem Moment Antisquat? ;) Ja, Front und Heck hängen zusammen, aber wenn es in den ersten Modellen erst mal um das Verhalten in der Ebene oder beim Bergauffahren geht, kann man die Gabel meiner Meinung nach vorerst vernachlässigen. Wenn es um Pedalrückschlag bei Landungen etc. geht... Braucht man das Verhalten der Gabel im Modell, um eine Aussage über das Heck fällen zu können?

Wer sein Fahrwerk beispielsweise asymetrisch abgestimmt hat (z.B. Heck weicher als die Front). Sei es bewusst (als Geometrieanpassung in sehr steilem Gelände) oder unbewusst (mangelndes Interesse oder schlicht Unwissen) kann dadurch die Position auf dem Rad sehr stark verändern. Dabei muss nichtmal der Sag am Heck überschritten sein. Eine Gabel mit nur 15% Sag wirkt sich da ebenfalls so aus, dass das komplette System nach "hinten kippt" und der Sitzwinkel flacher wird, man mehr über oder gar hinter der Hinterradnabe sitzt und dadurch die statische Last erhöht.
Somit würde der Sag am Heck – auch wenn er richtig nach Herstellervorgabe eingestellt wurde – hier negativ durch die Front beeinflusst.

Uh, sehr interessant! Wann wie wo was?
Mehr dazu im Newsbereich in ein paar Wochen. :daumen:
 
Hallo zusammen,

schon mal vielen Dank für alle Eure Beiträge und die interessante Diskussion!

"Anti Squat ist auf dem kleinen Blatt hoch, auf dem Großen niedrig. Pedalrückschlag umgekehrt"
Das stimmt nicht, hoher Antisquat wird grundsätzlich IMMER mit hohem Pedalrückschlag erkauft. Das hat einfach damit zu tun, dass für höheren Antisquat die Raderhebungskurve nicht tangential zum Einlaufpunkt der Kette am Kettenblatt sein darf um die Hinterradachse eben "Näher herzuziehen".

Das ist mir klar. Wollte hier nur darauf hinaus, dass man dieses "Erkaufen" bei Mehrfachantrieben konstruktiv mit eineziehen kann, da man im höchsten Gang wahrscheinlich eher wenig Pedalrückschlag braucht, aber halt auch wenig AntiSquat.

Weitere Videos von Andrextr sind auch sehr interessant zum Thema Fahrwerk.

Danke für den Tipp. Bin großer Fan aller seiner Videos; nur seine Philosphie der perfekten Zugstufen Dämpfung widerspricht ein bisschen meiner Praxiserfahrung...


Ja, sehr. An dieser Stelle auch von mir noch einmal: Riesen Respekt vor dieser Leistung und vielen Dank fürs Teilen!!! Bei dem was Du da treibst, fand ich mein "Halbwissen" aus dem Titel schon beinahe anmaßend.... müsste Vierundschzigstel-Wissen heißen. :daumen:

Diesen Teil von seinem Kommentar finde ich extrem wichtig:

First of all the linkage program only gives you a few numbers, but it doesn't tell you if having 120% of A1 is better or worse than having 140%... so It doen't create a "false economy", that's just in our heads.

We have to figure out the numbers by ourselves, using dinamic simulations or testing the bikes until we understand what do the numbers really mean, and how everything is interconected. Because everything is a bit more complicated than it seems looking at the numbers.

Die Paramater sind immer komplex und zu sagen diese oder jene Zahl funktioniert besser ist in einem derart komplexen System Mountainbike schlicht nicht realisierbar.

Eine Gabel mit nur 15% Sag wirkt sich da ebenfalls so aus, dass das komplette System nach "hinten kippt" und der Sitzwinkel flacher wird, man mehr über oder gar hinter der Hinterradnabe sitzt und dadurch die statische Last erhöht.

Zu diesen beiden Punkten vielleicht nochmal der praktische Hintergrund meiner Überlegungen:

Ich lese überall (Werbung bzw. Hersteller, "Fachartikel" und hier im Forum), dass sich fast alle Bikes immer grandios und ohne Wippen bergauf treten lassen. Wenn ich dann selbst, natürlich mit schlechter Pedaliertechnik :rolleyes:, sieht das ganz anders aus...
Daher meine erste Vermutung: Ich bin zu weit vom Design-Punkt entfernt, da ich viel mehr SAG habe (wie schon erwähnt 30% im Stehen ~ >50% im Stehen) und mein Antrieb nicht dem entspricht, auf was damals designt wurde.
Das war wahrscheinlich 3x9 mit 22er Blatt und größtem Ritzel hinten 34. Bei 25% SAG findet man bei Antonio damit 107% Antisquat. Bei meinen Werten (2x10 mit 24er Blatt und größtem Ritzel hinten 36 und mehr SAG) blieben vielleicht 60-70% über.
Mir ist klar, dass der Sag hier den größeren Einfluss hat. Da ich aber an der Bergabperformance (sprich seitens der Feder) nichts ändern will und die Kinematik nicht ändern kann, bleiben die beiden Stellschrauben Dämpfung und Antrieb.

Eine Idee war es, von 24 vorne - 36 hinten auf 20 vorne - hinten 32 zu wechseln. Würde grob 18% Antiquat bringen, nach Linkage.
Mir ist auch klar, das ich hier nur den ersten Gang betrachte, aber um den geht es mir auch nur. Der Anwendungsfall ist das kraftsparende, langweilige hochkurbeln auf Asphalt bzw. Waldautobahn während einer längeren Tour...

Für die Dämpfung ist momentan ein Fox Float X (mal mit, mal ohne Vorsprung Corset) verantwortlich, dessen Plattform ich dankend bei jedem Antieg verwende. Das bringt schon enorm viel, verglichen zum Beispiel mit der Plattform eines RP23, aber gefühlt zieht das Wippen einem trotzdem die Beine leer. Soweit ich weiss gibt es beim Float X zusätzlich zum normalen Tune auch ein "Climb-Tune", der bei mir auf medium steht, soweit ich weiss. Da könnte man dann vielleicht auch noch einmal ran...
 
Was du in jedem Fall ausprobieren solltest ist wirklich mal weniger Sag. Je nach Hinterbau kann es sein, dass du auf einer Progression "aufsitzt" was den nutzbaren Federweg reduziert. Es fühlt sich zwar plüschig an aber die notwendige Kraft um den Dämpfer weiter zu komprimieren ist höher als wenn du weiter oben im Federweg stehen würdest.

Im Sitzen 60% Sag ist wirklich sehr viel. Ich lande mit ca. 90kg und Flats bei fast jedem Rad bei unter 30% Sag im Sitzen. Je nach Hinterbau oder Dämpfer (insbesondere die ohne Möglichkeit Einfluss auf die Druckstufe zu nehmen) helfen mir auch Volumenspacer/Tokens auch wenn ich kein riesiger Fan dieser Lösung bin (lieber eine anständige Kennlinie im Heck und Dämpfung im Fahrwerk).

Misst man den Sag in der Ebene im Stehen und geht da auf 30% läuft man Gefahr die Abstimmung zu weich zu machen. Wenige Zentimeter vor oder zurück an deine Position beeinflussen das System extrem stark. Wir haben da schon Tests gemacht mit zwei Personenwagen unter Vorder- und Hinterrad während man neutral auf dem Rad steht. Diese Position muss nicht zwangsläufig deiner Position auf dem Bike im Fahrbetrieb entsprechen. Wenn du dich tiefer in diese Thematik einarbeiten möchtest, empfehle ich dir einen Freund zu bitten Videoaufnahmen von der Seite zu machen während du ein exemplarisches Stück Trail abfährst. Die meisten Handys haben mittlerweile ja auch eine Zeitlupenfunktion im Videomodus. Das zeigt dir sehr genau ob dein Dämpfer vielleicht zu schnell oder zu langsam ist und ob er sich zwischen den Lasten wieder komplett ausfedert (bis zum Sagpunkt).

Vergleiche deine Position auf dem Rad aus dem Video mit deiner Position beim Messen des Sag und führe gegebenenfalls Anpassungen durch.

Tipp zur Bestimmung deines Sags:
Um möglichst alle Variablen wie Körperposition etc auszuschließen, setz dich einfach in der Ebene nur auf den Sattel und stelle so 30% ein. Füße weg vom Boden und ein Freund hilft dir den O-Ring zurück zu schieben (und verhindert, dass du umkippst ;)). Da die Last so von oben wirkt und sich nichts auf die Gabel stützt erreichst du leichter einen echten Messwert. Sind 30% dann zu viel oder zu wenig passe diesen Prozentwert an aber miss immer im Sitzen.
 
Je nach Hinterbau kann es sein, dass du auf einer Progression "aufsitzt" was den nutzbaren Federweg reduziert. Es fühlt sich zwar plüschig an aber die notwendige Kraft um den Dämpfer weiter zu komprimieren ist höher als wenn du weiter oben im Federweg stehen würdest.

Guter Punkt, allerdings kann ich beim Float X die Luftkammer nicht vergrößern. Alle Spacer sind raus und es gibt nur diese LV Kammer. Daher auch der Versuch mit dem Corset, da bin ich dann auch fast am Maximaldruck des Dämpfers. Durch die große Negativluftkammer ist der Reibungswiderstand zu Beginn fast null, was absolut beeindruckend ist, sehr nahe an Stahlfeder heran kommt, aber das Wippen auch wieder verstärkt. (Keine Kritik am Corset. Das tut was es soll und das sehr gut.)

Wenige Zentimeter vor oder zurück an deine Position beeinflussen das System extrem stark. Wir haben da schon Tests gemacht mit zwei Personenwagen unter Vorder- und Hinterrad während man neutral auf dem Rad steht. Diese Position muss nicht zwangsläufig deiner Position auf dem Bike im Fahrbetrieb entsprechen.

Stimme Dir zu 100% zu, insbesondere wenn noch viel Reibung an den Staubabstreifern der Gabel dazu kommt...
Aber ich muss auch sagen, dass SAG messen bei mir nur der erste Schritt vorab ist. Danach geht es auf den Trail, wo ich Federwegsausnutzung, Verhältnis v+h und generelles Verhalten vergleiche. Am Ende merke ich mir dann den Luftdruck, aber achte nicht mehr auf SAG und weil in der Front an diesem Rad eine 180er Van arbeitet, fehlt vielleicht etwas Feintuning an der Front...
 
@cgr21

Was wiegst du denn? Welche Dämpfermaßen (Länge/Hub/Luftkammer/Volumenspacer und welches Übersetzungsverhältnis hat dein Rahmen? Welches Bike ist es? Vielleicht bin ich es schon mal gefahren.
 
Was wiegst du denn?
Mit allem Krempel sind das schon knapp 0,1t...

Welche Dämpfermaßen (Länge/Hub/Luftkammer/Volumenspacer
216x63; LV-Kammer (oder Vorsprung Corset); keine Spacer

welches Übersetzungsverhältnis hat dein Rahmen?
Rotwild R_E1 FS 2011_LevRatio.jpg


Welches Bike ist es?
Es ist das Rotwild E1 von 2011.
 

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Hello! I will speak in English (I'm from Portugal)

Here you have a video showing the effect of a huge anti-squat on the suspension ( minute 0:30 )
[MEDIA = youtube] pjlyimeL7yM [/ MEDIA]

As already said, the anti-squat is caused by chain pulling the rear triangle down. In this case (Tantrum), the bike has around 300% anti-squat at top-out (fully extended), which is huge, therefore, it's easy to extend the suspension by applying tension on the chain Trick on top of the bike without the shock). The anti-squat of tantrum drops along the travel. That's why he can not keep the suspension. (By the way, tantrum videos have a lot of marketing crap).

The new Orange Alpine Six has anti-squats around 200-300% at SAG. This excessive anti-squat also causes huge pedal kickbacks, in particular on the bigger cogs of the cassete. The chain growth is so very high (all these things are related, the only way to get good anti-squats without getting a pedal).

Most manufacturers aim for an anti-squat of 100% on XC / trail / enduro bikes, since with this value the pedal-bob caused by horizontal acceleration is virtually zero. However, due to the bio-mechanics of pedaling the rider weight also shifts up and down during pedaling causing extra bob. There are some philosophies that think of a higher anti-squat will reduce this bob This by using higher anti-squats. Do not know what philosophy is right.

Regarding energy loss, every time the suspension is compressed by the rider, its energy wasted. The amount of energy loss depends on the amount of travel. More travel, the bigger the displacement under pedaling, the more energy is lost. In an enduro bike, for a normal rider, for a pedal "bob" amplitude of 30 mm in the suspension, if you think of a pedal cadence of 75 RPM, you got 150 bobs per minute, meaning that you waste around 140 kJ 35 kCal) per hour on pedal bob. Considering that a cyclist burns 500 kCal / hour on a moderate effort riding, it means that around 5-10% of total rider's energy is wasted on pedal bob . This is a very rough estimation based on several assumptions and simplifications, but without real data, this is my best guess.

[QUOTE = "cgr21, post: 14370845, member: 278137"] Hi everyone,
Thanks for the tip. Am big fan of all his videos; Only one of the most successful rebound damping ... a bit of my praxiserfahrung ...
[/ QUOTE]
Thanks! The rebound method is a simple method (and a good starting point) that will fit most riders, but it wont apply for every situations obviously. The method helps many riders to avoid crazy settings by giving them a reference point. We can discuss that by PM if you want :)


Bye,
André
( Https://www.youtube.com/andrextr )
 
Zuletzt bearbeitet:
@kalle Nicolai hat zu dem Thema vor kurzem auch ein Video veröffentlicht.


Das geht zwar nicht auf alle Fragen hier im Thread ein und ist auch von den verwendeten Fachbegriffen nicht immer 100% korrekt, aber im Video wird das ebenfalls kurz angesprochen und somit sollte das keinen Grund zur Diskussion geben.
Meiner Meinung nach für den ausgesprochenen Zweck ein sehr gelungenes Video.

Der Prüfstand ist sehr interessant aufgebaut und eine sehr schöne bildliche Darstellung der simulierten und berechneten AS Werte lassen sich gut erkennen.

Was mich interessieren würde, wenn man genau den gleichen Versuch noch einmal durchführen würde, ohne jedoch das Bike zu entlasten.
Selbst wenn man das ganze dann nicht dynamisch fahren würde, sondern lediglich im Stand auf dem Sattel sitzend belastet und entlastet könnte man vielleicht schon einen Effekt feststellen inwiefern das Fahrergewicht in verbindung mit der kinematischen Umlenkung das Ergebnis beeinflusst...


Im übrigen noch an den Ersteller:
Mein Tipp wäre auch ganz klar den SAG am Hinterbau nicht im stehen sondern mit voll ausgefahrener Sattelstütze im sitzen zu ermitteln.
Quasi Uphill-Attack position. Gründe wurden weiter oben schon erwähnt.
 
Mit allem Krempel sind das schon knapp 0,1t...
216x63; LV-Kammer (oder Vorsprung Corset); keine Spacer

Bei einem 200er Fox Float (kleine Luftkammer) landete ich teilweise bei bis zu 290 psi wenn ich mich recht entsinne. Mit großem Volumenspacer bei fahrfertigen 90kg.

Sehr grobe Einschätzung aus der Ferne wären 320 psi mit kleinem Volumenspacer in der kleinen Luftkammer. Aber das ist wirklich sehr schwer ins Blaue hinein geschätzt. Welchen Druck fährst du denn?

Das Rocky Mountain Slayer 2011 bin ich auch mal gefahren und laut den Kurven ist das weniger progressiv als das Rotwild. Durchsacken oder harte Durchschläge sind mir nicht in Erinnerung geblieben.

Eine Analyse aus der Ferne ist – wie oben schon erwähnt – extrem schwer und ich kann auch völlig daneben liegen... aber ich habe dennoch die starke Vermutung, dass der Druck im Dämpfer für dein Gewicht zu niedrig ist.

Wenn du so mit dem Dämpfer nicht hinkommst, wäre eine Option auf ein Modell mit mehr Kontrolle über die Dämpfung zu gehen (CaneCreek DB oder Fox Float X2). Beim Float X2 oder den größeren DB könnte es allerdings etwas knapp mit dem Bauraum werden.

Ich habe mal ein paar Federhärten-Rechner bemüht:
https://www.canecreek.com/products/suspension/double-barrel/spring-calculator
http://www.tftuned.com/spring-calculator
http://service.foxracingshox.com/consumers/Content/mtbspringratecalculator.htm

Die landen bei Werten um die 550 lbs. Eine Möglichkeit das umzurechnen in einen Luftdruck für deinen Dämpfer fand ich jetzt auf die Schnelle nicht. Vielleicht kann @BommelMaster helfen.
 
puhh :)

Luftdruck im dämpfer berechnen. ganz schwer, hängt zu sehr von den umständen ab, also negativkammerlänge, durchmesser des kolbens, durchmesser der kolbenstange im inneren.

da ist ausprobieren sicher der schnellere und einfachere weg :)
 
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