Chavin de Huantar (09.08.2017)
Heute ist Kultur angesagt. Hier in Chavin de Huantar gibt es unmittelbar südlich der Stadt eine großflächige Ausgrabungsstätte, die als besichtigungswert gilt, sowie auf der nördlichen Seite der Stadt ein Museum in einem modernen Gebäude, in dem die Fundstücke der Ausgrabung oder zumindest Repliken davon ausgestellt sind.
Bernd hatte uns beide Besuche empfohlen, ich hatte bei der Planung eigentlich nur mit dem Freilichtgelände geliebäugelt. Marc, den wir gestern Abend noch auf der Plaza de Armas getroffen hatten, nannte beide "phantastic" und hatte einen kompletten Tag dafür gebraucht. Nun, dann werden wir uns mal beides ansehen.
Von Bernd wussten wir, dass die Freianlage um 9:00 Uhr öffnet, und dass die Besucherströme eher etwas später einsetzen. Ich war bei der Planung schon davon ausgegangen, dass die meisten Besucher von Huaraz im Rahmen eines Tagesausflugs kommen und hatte daher diesen Kulturvormittag eingeplant.
Nach dem Frühstück in unserem Hotel (Desayuno Americano: 12 Soles), hatten wir noch gut eine Stunde Zeit, um durch die Stadt zu streifen.
Dadurch, dass die Durchgangsstraße am Rande der Stadt vorbei führt, ist die Innenstadt sehr verkehrsarm und fußgängerfreundlich. Was ich regelrecht "vermisse", sind die Mototaxis, die in den anderen Städten geschäftig und geräuschvoll umherfahren. Hier habe ich gerade mal eines abgestellt gefunden.
An der Kasse (8 Soles pro Person) sind wir Kunde vier und fünf, ich hatte mir den Andrang stärker vorgestellt, aber gut, so haben wir alle Ruhe, durch die Anlage zu wandern. Nummer eins bis drei sind drei Italiener, die auch vier Wochen in Peru verbringen; sie waren zunächst am Ausangate unterwegs und haben dort mit einem Führer eine selbst gestaltete Treckingrunde über sechs Tage erlebt. Der "Rainbowmountain" war auch dabei. Jetzt werden sie weiter Richtung Norden Perus fahren.
Auf dem großzügigen Gelände gibt es einem Rundweg, dem man einfach folgt. Im vorderen Teil laufen aktuell Ausgrabungen. Ich erkenne eine Gruppe junger Amerikaner wieder, die auch bei uns im Hotel untergebracht sind. Die pyramidenähnlichen Gebäude sind teilweise mit Dächern geschützt; unter diesen verbergen sich z.T. Eingänge, in die man in Gänge und Kammern hinunter steigen kann. Viel kann man hier nicht sehen, aber die massiven Steine, die in großer Menge zur Errichtung verwendet wurden, sind beeindruckend. Hier möchte ich nicht mit vielen Besuchern entlang laufen, da kann leicht eine drangvolle Enge entstehen.
Eine Kammer beinhaltet die berühmte Stehle; wenn man dort hinunter geht, wird man von einem Wachmann begleitet und gelangt in einen schulterbreiten Gang vor eine Glaswand, hinter der die Stehle leider nur von einer Schmalseite zu sehen ist. Darauf hatte Bernd schon hingewiesen; die Replik im Museum kann man hingegen in Ruhe von allen Seiten betrachten. Fotografieren darf man die Stehle übrigens nicht, was eigentlich keinen Sinn macht, da sie ja zum Betrachten beleuchtet ist, aber viele Fotografen haben wahrscheinlich das Blitzlicht ihres Apparates nicht im Griff.
Wie man an der folgenden Aufnahme sieht, hat Karin das Verbot als technische Herausforderung gesehen und gekonnt gelöst. Statt die reflektierten Photonen an der Steinmauer absorbieren zu lassen hat sie sie mit dem Sensor der Kamera eingefangen.
Der Verkäufer eines Andenkenstandes erklärt uns später, dass die Stehle bis vor 20 Jahren ungeschützt und von allen vier Seiten zugänglich war. Aber dadurch, dass viele Besucher diese angefasst hätten, hätte sich an manchen Stellen ein unschöner oder schädlicher Belag gebildet.
Nach dem wir an einer Außenmauer noch den letzten verbliebenen Jaguarkopf gefunden haben, machen wir uns auf ins Museum.
Dazu müssen wir die Stadt komplett queren. Gestern hatten wir noch überlegt, dass wir dafür mal ein Mototaxi nehmen sollten. Das haben wir nämlich in Peru noch nicht getestet, aber das Vorhaben fällt mangels Angebot aus.
Am Eingang der Stadt gibt es links einen kleinen Andenkenladen, vor dem eine Frau "Chocho" anbietet. Das haben wir auch noch nicht gegessen, und jetzt ist der richtige Augenblick für ein zweites Frühstück. Das Kaltgericht ist eine Mischung aus weißen Bohnen, Zwiebeln, gehackten Tomaten und frischen Kräutern, mariniert mit Limettensaft, gewürzt mit Salz und bedarfsweise irgend etwas Scharfem.
Wir essen unsere Portion (je 1,5 Soles) vom Teller und bekommen zum Sitzen noch zwei Stühle raus gestellt. Der Geschmack ist durchaus gefällig und die Portion durch die weißen Bohnen auch ziehmlich sättigend. Jetzt kommen wir locker bis ans andere Ende der Stadt.
Unterwegs fallen uns diese spärlichen Gewächse an einer Stromleitung auf. Wir kennen sie schon vom letzten Jahr. Normalerweise wachsen diese bescheidenen Pflanzen an abgestorbenen Ästen, aber sie mögen auch Stromleitungen sehr.
Das Museumsgebäude ist sehr modern gestaltet und gemäß einer Tafel vom Japanischen Staat gestiftet worden. Der Eintritt kostet 7 Soles pro Person.
Innen wird die Historie der Anlage sowie die der Entdeckung dargestellt. Beeindruckend sind die zahlreichen ausgestellten "Jaguarköpfe", jeder ein Unikat, und die gravierten Steine.
Es sind zwei Stehlen ausgestellt, wobei die am aufwändigsten gestaltete und für meinen Geschmack schönste nicht die von heute Vormittag ist.
Fazit des Kulturvormittags: Beides ansehen!
Das Nachmittagsprogramm beginnt erst gegen halb drei, wir haben ja Urlaub. Ich hatte mir eigentlich zwei potentielle Radlrunden auf der gegenüber liegenden Hangseite zurechtkonfiguriert und auch dafür die Karte gezeichnet, aber bei der Herfahrt war mir das Schild Richtung Nunupata aufgefallen und hatte Assoziationen Richtung "Nunupata, Balkon der Cordillera Blanca" freigesetzt. Irgendwo hatte ich gelesen, dass man von dort einen besonders tollen Blick haben sollte. Die Strecke ist Teil der Zufußquerung von Chavin nach Olleros und der untere Wegabschnitt nach Chavin könnte mountainbiketechnisch als nette Abfahrt in Frage kommen. Also radln wir die Strecke von gestern ein wenig zurück und biegen rechts in die einspurige Piste ein.
Angenehm gleichmäßig geht es in der Nachmittagssonne hoch, nach ein paar Serpentinen habe wir schon einen schönen Blick auf Chavin und die Ausgrabungsstätte unter uns.
Die Straße biegt in das steile Tal des Río Wacheqsa ein. An der Pfadeinmündung von Chavin her treffen wir auf einen Gruppe von vier Einheimischen, die mit Pferden unterwegs sind und gerade von dort unten kommen. Die drei Herren teilen gerade Schnäpse untereinander aus und haben auch schon einen deutlich angeheiterten Zustand erreicht.
Weiter ins Tal hinein bewundern wir wieder die Lage der Felder am gegenüberliegenden Hang. Bevor wir Nunupata erreichen, überholt uns noch ein mit Steinen schwer beladener Lastwagen, der sich geräuschvoll die Straße hoch kämpft. Die Straße ist so schmal und der Hang so steil, dass wir schon ein wenig planen müssen, wo wir uns mit den Rädern beiseite stellen.
An der Ortsgrenze von Nunupata ist dann tatsächlich ein "Mirador natural" ausgeschildert, der in 155 Metern Fussweg oberhalb erreichbar ist. Ich bin mir nicht sicher ob sich das Schieben der Räder dorthin lohnt. Wir fahren statt dessen die Straße durch den Ort weiter.
Hier kommen uns eine Gruppe Schweine, Schafe und noch Leute mit beladenen Eseln entgegen, während sich der Blick zum Huantsan ohne kraxeln sehr ansprechend entwickelt.
Noch ein Stück weiter scheint unter uns ein größerer Teil der Gemeinde Nunupata bei der Getreideernte beschäftigt zu sein.
Weiter oberhalb haben wir einen netten Blick zurück auf das Dorf und das schmale Tal.
Lanchan wäre der nächste Ort und rein zeitlich wohl auch ein guter Wendepunkt für unseren Nachmittagsausflug. Die Sonne droht zudem bald hinter einer Thermikwolke zu verschwinden und dann wird es schnell sehr frisch in dieser Höhe.
Kurz darauf stoßen wir auf Arbeiter, die eine Telefonleitung verlegen und an neu aufgestellten Masten befestigen. Zwei Männer klettern dazu auf die an der Hangseite stehenden Masten und ziehen das Kabel hoch. Die haben bestimmt einen beeindruckenden Ausblick von dort oben.
Lanchan ist bald erreicht und es wird Zeit für unser Wendemanöver, denn wir sind schon eine ganze Weile im Schatten unterwegs. Bergab sind wir flott wieder oberhalb von Chavin angelangt. In einer Kurve sitzt dekorativ eine traditionell gekleidete Frau mit einem Kind und telefoniert.
Bald dahinter kommt die Pfadabzweigung nach Chavin, allerdings beurteile ich die bei genauerer Betrachtung als recht schottrig und steil. Karin hatte bei der Auffahrt die Idee schon verweigert. Unterhalb gab es eine zweite Variante, die gemütlicher zu fahren aussah.
Dort schwenken wir ein und runter geht es in flüssiger Fahrt.
Teils ist der Weg mit Stufen betoniert, teils noch aus staubig, steiniger Erde.
Fast schon unten kommen wir zwischen Häusern durch; rechts sitzt eine strickende, ältere Frau in der Tür.
Ich denke mir schon, dass Karin hier wieder für ein Foto anhalten muss, aber ich werde sogar zurückgerufen. Jetzt steht noch ein Man mit einer Kunststoffkaraffe daneben. OK, ich weiß schon was jetzt kommt.
Es gibt selbstgebraute "Chicha"; der stolze, aber schon gut angeheiterte "Braumeister" betont mehrfach, es wäre "Chicha de Chavin".
Karin hat schon das erste Glas geleert, das zweite geht an mich. Schmekt wirklich ganz gut, lobe ich den Braumeister und bekomme gleich noch ein zweites Glas. Natürlich müssen wir noch erklären, woher wir kommen und wohin es geht, aber auch hier wieder das vollkommene Unwissen von "Alemania". Das gehört unbedingt in den Lehrplan aufgenommen.
Wir verabschieden uns, bedanken uns für die herzliche Gastfreundschaft und holpern leicht beschwingt die restliche Stufen runter zur Straße, die an der Ausgrabungsstätte vorbei in die Stadt führt.