Meine Begündung für die Vorliebe:
durch einen flachen Lenkwinkel kommt erst mal das Vorderrad recht weit weg vom Fahrer. Verstärkt wird das dadurch, dass ich gerne einen kurzen Vorbau fahre, was sowieso bei größerem Nachlauf für ein besseres Lenkverhalten sorgt. Durch einen kurzen Vorbau wird man nicht passiv nach vorne gezogen, somit ist bei neutraler Haltung letztendlich recht wenig Druck auf dem Vorderrad. Hat man nun noch einen großen Gabeloffset, ist das Vorderrad nochmal weiter weg, was noch weiter negativ auf den Druck am Vorderrad ist. Letztendlich darf man sich also ständig mit Gewalt über den Lenker um das Vorderrad zu belasten, vor allem am Kurveneingang von offenen Kurven ein Thema.
Kombiniert man nun einen kurzen Offset zum flachen Lenkwinkel, wird das starke nach-vorne-schieben des Vorderrads wieder ein Stück weit zurückgenommen, und man tut sich leichter, den Druck am Vorderrad aufzubauen.
Ab da kommt die bereits von dir angesprochene Stabilisierung beim Einlenken durch Nachlauf ins Spiel, und gleichzeitig wird es sehr abhängig von Fahrstil und Geschmack. Wenn der Nachlauf durch kurzen Offset noch größer wird, stabilisiert sich die Lenkung einerseits von alleine zum Kurveninneren, andererseits wird der Anfang des Einlenkens störrischer und man hat den Wheel-Flop. Das wurde ja schon zur Genüge diskutiert.
Mich persönlich stört das nicht, sondern ich meine gar davon zu profitieren, dass das Fahrrad sich zur Kurve hin stabilisiert, vor allem an dem Punkt wo ich aktiv Druck aufs Vorderrad aufbaue. Den Wheel-Flop kompensiere ich einfach durch den Hebel eines breiteren Lenkers und durch Gewöhnung, so dass ich einfach intuitiv gegenhalte. Dafür profitiere ich auch außerhalb von Kurven von einem sehr stabilen Fahrverhalten durch den langen Nachlauf und von erleichtertem Überrollen von Hindernissen durch den flachen LW (bei einem Mtb mit Federgabel auch noch von verbessertem Einfedern durch den günstigeren Winkel in dem die Kraft in die Gabel eingeleitet wird), was ich als angenehm empfinde.
Und dann noch der Fahrstil: je weniger man durch Lenkerdrehen und umso mehr man durch Gewichtsverlagerung/Schräglegen steuert, umso weniger fallen solche Sachen wie störrisches Einlenken oder Wheel-Flop überhaupt ins Gewicht, weil sie beim Steuern durch Gewichtsverlagerung garnicht erst auftreten. In langsamen engen Kehren wo man nicht wirklich über Gewichtsverlagerung steuern kann, ist die "Kompensationstechnik" ganz einfach hoppeln (HR Versetzen). Auch dabei ist auf einmal alles, was an einem langen Nachlauf stören könnte, hilfreich: Erst stabilisiert es das Einlenken, dann kann man die Kippneigung zur Innenkurve als Hilfe bei der Initiierung des Schwenkens benutzen, und am Ende hat man kein Problem mit dem Aufrichten des Rads aus der Kurve raus, weil man am Ende des Hopsers sowieso gerade steht und einfach rausfahren kann.
Einen Nachteil kann ich bei kurzem Offset erkennen: im ganz steilen Terrain möchte man das Vorderrad am liebsten so weit weg haben wie möglich. Am Mtb hab ich das kurz etwas unangenehm empfunden als ich auf kurzen Offset gewechselt habe. War aber kein größeres Problem, mehr Gewöhnungssache und ein paar mm Adjustierung des Schwerpunkts. So steile Sachen wie da, wo ich das am Mtb merke, möchte ich aber mit den Gravelreifen sowieso nicht fahren, von daher...
Aber Achtung: alles hat seine Grenzen. Ein paar Rumexperimentierereien am Mtb haben gezeigt, dass ein kurzer Gabeloffset erst unterhalb eines gewissen Lenkwinkels Sinn macht. Ist der Lenkwinkel noch zu steil und man hängt eine Gabel mit kurzem Offset rein, kann einem das Vorderrad auf der Abfahrt im Gelände schon wieder unangenehm nah vorkommen. Folge Übeschagsneigung. Zumal dann der Nachlauf so kurz werden kann, dass die Lenkung wieder hibbelig wird, wenn man das ganze an einem modernen Mtb mit langem Reach und folglich kurzem Vorbau macht. Am Mtb ist ein "kurzer Offset" an den meisten Fedegabeln 37mm, und der Lenkwinkel ab dem das anfängt Spaß zu machen ist laut meiner Erfahrung irgendwas um oder unter 65°.
Am Gravelbike, zumindest an meinem Monstergravel, das viel auch ins Mtb-typische Gelände darf, sehe ich das alles ganz genauso wie am Mtb, weil ich da auch dieselbe Fahrtechnik anwende wie am Mtb. Nur dass da eben alles ein wenig zu konservativeren Werten skaliert ist. Da hat meine Gabel eben 45mm Offset, der Lenkwinkel beträgt 67° und der Lenker ist nur 60m breit. Mit dem schmalen Lenker (sehr breiten Dropbar) würde nicht viel mehr Nachlauf gehen für meine geringe Kraft, irgendwann könnte ich es dann doch nicht mehr halten. Aber so wie es ist geht es gut, und fährt sich von der Grundcharakteristik her schon ähnlich zu meinem Enduro-Mtb. Ich finds gut
Bergauf wie bergab hab ich auch den Eindruck, dass das Vorderrad eh nicht arg viel weiter weg sein dürfte. Bergauf wegen Wiegetritt und Steigen, bergab weil es mir mit dem Dropbar schon ein bisschen schwerer fällt, aktiv Druck auf dem Vorderrad aufzubauen. Ob ich unabhängig vom Nachlauf-Thema mit so einem großen Offset wie beim Evil Chamois glücklich würde, wage ich da fast zu bezweifeln.