Alkoholismus? Der Thread für Betroffene und Interessierte

Ich bin 20 Jahre mit einem Alkoholiker aufgewachsen, ich weiß exakt wovon ich rede. Und auch wenn Du es nicht hören magst, "trocken" sein beginnt damit, dass man aufhört zu trinken.

Ihr dreht und wendet euch bezüglich der Definition von Alkoholismus, das ist aber nicht zielführend.
Ich glaube das ist ein guter Punkt. Mein Opa väterlicherseits, den ich nicht mehr erlebt habe, war wohl schwerer Alkoholiker, Jahrgang 1905. Mein Vater dürfte darunter sehr gelitten haben und hat nie wirklich viel getrunken, maximal mal ein Bier nach dem Radln im Sommer. Mittlerweile is er 80 und der Biervorrat im Keller (ein 6er Tragerl welches Mutti aus Gewohnheit in den Keller stellt) läuft regelmäßig ab.

Bei ihm merkte man immer schon, dass es ihn stark anwidert wenn Alkohol getrunken wird, weil da einfach zu viele schlimme Erinnerungen dranhängen. Daher hat er auch mit vielen alten Radkumpels kaum bis keinen Kontakt mehr, weil es nach der Tour halt oft zu flüssig geworden ist. Trinkt man nicht, ist man aus der Runde schnell draußen, gar nicht einfach dann andere zu finden, da irgendwie bei uns beinahe jeder gerne einen übern Durst trinkt.
 
Ich trinke jetzt schon fast 30 Jahre keinen Alkohol, schmeckt mir einfach nicht und ich finde auch den Rauschzustand unangenehm

inzwischen ist es im normalen Alltag kein Problem wenn man nichts trinkt. Wobei ich mich jetzt auch nicht Situationen aus setzte wo es so enthemmt zu geht. Finde extrem Betrunkene ehrlich gesagt zum Fremdschämen.

Aber ich will auch niemanden bekehren und jeder muss das mit sich selbst aus machen, solange keine anderen gefährdet werden.

Schlimm finde ich es wenn schwangere Frauen trinken, eine Freundin hat ein so geschädigtes Kind adoptiert. Der wird sein ganzes Leben Probleme haben.
 
Kein Vegetarier rechtfertigt sich dafür, kein Fleisch zu essen. Als jemand der keinen Alkohol trinkt, soll ich aber anfangen Alternativen zu bieten?

ironieon Ich denke auch, dass Vegetarier sich noch nie dafür rechtfertigen „mussten“, dass sie kein Fleisch essen, da sind die Menschen fast genau so tolerant wie bei Alkohol ironieoff

Natürlich bietet man Alternativen an, man lässt seine Gäste doch nicht verdursten. Ich kann Wasser anbieten oder aber andere Getränke die lecker schmecken. Und zu einem schönen Essen möchte man vielleicht auch mal was anders anbieten.
 
Wichtiges Thema und gut, dass das hier Resonanz findet. Passt ja zum "Movember", wenn ich darauf hinweise, dass es 1300 Beratungsstellen in Deutschland gibt, an die man sich ganz unverbindlich wenden kann. Dafür muss man nicht gleich in einen therapeutischen Prozess gehen, sondern es geht um Informationen im professionellen Rahmen.

Grade Männer finden da oft aus unterschiedlichen Gründen nicht den Weg ins Hilfesystem. Da gehören Sprüche von "Charakterschwäche", "Schweinehund überwinden", "einfach mal weglassen" und "da musst Du alleine durch" leider in die Kategorie nicht hilfreich. Ironischerweise die gleichen Narrative wie oft im Leistungssport.

Wer also Hilfe braucht kann hier mal suchen:
https://www.dhs.de/suchthilfe/suchtberatung
Übrigens auch bei anderen Suchtproblematiken wie Verhaltenssüchten (Internetkonsum, Spielsucht etc.)
 
Also ich finde Therapie ne geile Sache. Und ich finds viel größer hinzugehen als zu sagen "sowas brauch ich nich, das ist nur was für psychisch Kranke".

Es hilft einem weiter bei so vielen Sachen, es werden die Ursachen beleuchtet und wie man besser mit der Ursache umgehen kann und macht das Leben dann vollumfassend "leichter".

Von mir kann ich sagen dass es mich eine Verhaltenstherapie enorm weiter gebracht hat und eher ein kreatives Brainstorming mit sehr witzigen Tricks war als ein "ich leg mich auf die Couch und wühle in der Vergangenheit rum" wie es bei der Tiefenpsychologie der Fall ist.

Klar ist es auch anstrengend und eigentlich weiß man auch, wie es besser geht, aber das Umsetzen ist halt - zumindest für mich - das Schwierige. Mir hats geholfen dass ich jede Woche meine "Hausaufgaben" abgeben musste.

Und - so siehts leider aus:
Die Plätze sind restlos ausgebucht - wieso also nicht bei ein paar Therapeuten auf die Warteliste setzen lassen? Wenn es dann sonweit ist und man nen Platz bekommt und man merkt dass es bei den AAs für einen genügt, dann kann man den Platz auch nicht in Anspruch nehmen.
 
Leider glauben immer noch viele, dass "nur" 2-3 Flaschen Bier täglich kein Problem seien. Inzwischen wird einem aber jeder seriöse Arzt bestätigen, dass das auch eine Form von Alkoholismus ist. Merkt man spätestens dann, wenn man Betroffene (oder sich selbst) fragt, wann das letzte Mal mehrere Wochen am Stück gar kein Alkohol getrunken wurde. Und man sollte sich im Klaren sein, dass auch solche Mengen die Gesundheit beeinträchtigen, dafür muss man nicht jedes Mal sturzbetrunken sein.

Zufällig habe ich heute das hier gesehen, hab selten in nichtmal 3 Minuten so eine vernichtende Bilanz von möglichen Folgen von Alkoholismus gesehen: https://www.sueddeutsche.de/wissen/alkoholismus-alkohol-1.5650087

Mal abgesehen von der Gefährlichkeit, je älter ich werde, desto anstrengender finde ich es, im nüchternen Zustand Besoffene aushalten zu müssen 😉 Vor ca einem Jahr hatte ich auf einer Party wieder eine meiner Lieblingssituationen: Ein Bekannter, der sich seit ich weiß nicht wie vielen Jahren so gut wie jeden Abend sein "Feierabendbier" gönnt, hatte sich an dem Abend wieder ordentlich abgefüllt. Als ich mir dann gegen später einen Joint angezündet habe, kam wieder der Vortrag, wie dumm und schlimm doch Kiffen sei 😆 Mit dem Hauptargument, dass das ja ganz schlimm für Jugendliche in der Entwicklungsphase ist. Ist ja auch richtig, kann das Gehirn von Heranwachsenden in der Entwicklung beeinträchtigen. Aber dann frage ich mich, wieso regt sich keiner auf, dass es in Deutschland als relativ normal angesehen wird, dass viele schon mit 13-14 jede Menge Sauferfahrungen mit allem drum und dran hatten? Schadet Alkohol in der Entwicklungsphase etwa nicht dem Gehirn?? Abgesehen davon dass es erwiesenermaßen in ALLEN Altersgruppen grundsätzlich Hirnzellen abtötet und Nervenbahnen dauerhaft schädigt......Wenn ich Kinder hätte und es würde hart auf hart kommen, was wär mir lieber? Wenn meine Kinder mit vielleicht 16 schon Alkoholiker sind, und es vielleicht den Rest ihres Lebens nicht mehr loswerden, mit allen Konsquenzen? Oder ein Kind, das zu früh mit Kiffen anfängt und mögliche Entwicklungsstörungen (wie auch immer die im einzelnen aussehen sollen) riskiert, aber es mit Hilfe von außen überwinden, und nach Startschwierigkeiten trotzdem ein vernünftiges Leben führen kann?
 
Bei vielen hier meine ich herauszulesen, dass ihr glaubt, selbst eine gewisse Macht über den Konsum zu haben.
Das funktioniert auf Dauer (ich meine Jahre) meiner Erfahrung nach nicht.
Ist auch die erste Lektion bei den AAs: Sich seine eigene Machtlosigkeit einzugestehen.
 
Die AAs sind grundsätzlich eine gute Option.
Auch wenn es vielleicht anfänglich Überwindung kostet, ich würde es auf jeden Fall empfehlen. Man kann nur positive Erfahrungen daraus mitnehmen. Gerade das Thema Sachen zu verändern die man verändern kann.
Ist ein super positiver Anlaufspunkt wenn man wirklich was ändern möchte. Gerade am Anfang kann man nur davon profitieren.

Bei vielen hier meine ich herauszulesen, dass ihr glaubt, selbst eine gewisse Macht über den Konsum zu haben.
Das funktioniert auf Dauer (ich meine Jahre) meiner Erfahrung nach nicht.
+1
Aber es gibt welche die können damit umgehen, auf der anderen Seite welche die es nicht können. Die zweiten sollten es lassen.
 
Es gibt da aber noch mehr Alternativen zu den AAs. Diese sind sicherlich die bekanntesten. Z.B. das blaue Kreuz, guttempler und Kreuzbund, um nur einige zu nennen. Ich hatte Mal eine Liste wo alle Selbsthilfegruppen verzeichnet waren. Ich war seit ca.17 Jahren in keiner Selbsthilfegruppen und bin immer noch trocken. Damit will ich aber nicht sagen das diese Gruppen keine Berechtigung haben,ganz im Gegenteil sie helfen vielen Menschen die sich eingestehen süchtig zu sein und bereit sind aufzuhören.
 
Wenn meine Kinder mit vielleicht 16 schon Alkoholiker sind, und es vielleicht den Rest ihres Lebens nicht mehr loswerden, mit allen Konsquenzen? Oder ein Kind, das zu früh mit Kiffen anfängt und mögliche Entwicklungsstörungen (wie auch immer die im einzelnen aussehen sollen) riskiert, aber es mit Hilfe von außen überwinden, und nach Startschwierigkeiten trotzdem ein vernünftiges Leben führen kann?

Na zum Glück wird man von Bubatz bekanntlich nicht abhängig. ironie

Hast du schon mal Bekanntschaft gemacht mit jemandem der in der Entwicklungsphase exessiv gekifft hat?

Der ist
a) ziemlich minderbemittelt
b) hat mit der Rückfälligkeit genau so seine Probleme. Nur dass Bubatz noch nicht legal ist und deshalb schwerer zu beschaffen und noch nicht Gesellschaftskonform ("Willst du auch mal zieh? Nein? Wieso denn nicht? Tante Inge hat doch Geburtstag")

Fänd das ziemlich gut wenn mein Kind da kein Suchtproblem entwickelt. Weder Bubatz noch Alkohol. Und es kann sein dass das eine nicht ohne das andere funktioniert. zB wenn man heute kifft, hätte man morgen Bock auf Alkohol.
Und Alkohol gibts an jeder Ecke. Suchtverlagerung at its best.
 
Bei vielen hier meine ich herauszulesen, dass ihr glaubt, selbst eine gewisse Macht über den Konsum zu haben.
Das funktioniert auf Dauer (ich meine Jahre) meiner Erfahrung nach nicht.
Ist auch die erste Lektion bei den AAs: Sich seine eigene Machtlosigkeit einzugestehen.

Beim Rauchen funktioniert es auch. Wieso sollte Alkohol da anders sein? Für mich ist alles, auf das man nicht regelmäßig verzichten kann, eine Sucht.

Kiffen in der Adoleszenz ist tatsächlich gefährlicher als Alk. Jenseits der 20 muss man dann etwas differenzierter schauen.

Aus welchem erdenklichen Grund könnte das so sein?
 
Für mich ist alles, auf das man nicht regelmäßig verzichten kann, eine Sucht.
Und genau darum geht es hier in dem Thread.

Kiffen in der Adoleszenz ist tatsächlich gefährlicher als Alk.
Aus welchem erdenklichen Grund könnte das so sein?
Wissenschaftliche Erklärungen dazu habe ich bisher nicht gesehen (und auch nicht speziell danach gesucht). Ein starker Grund für solche Aussagen könnten aber auch von der Politik kommen. Wenn du "offizielle" Aussagen und Diagramme zum Thema Gefährlichkeit und Suchtpotenzial anschaust, sind die häufig so aufgestellt, dass die "illegalen" Drogen "gefährlicher" aussehen. Aus einer sehr guten Seite (medizinische Seite zum Thema psychiatrische Wirkungen von verschiedenen Stoffen) war zu lesen, dass das Suchtpotenzial von Nikotin und Heroin wenigstens vergleichbar ist, manche Forschungen sehen das größere beim Nikotin. So was wirst du in "offiziellen", eher staatlich unterstützten Veröffentlichungen nicht sehen, da ist Heroin immer als maximal gefährlich drin. Ich möchte das auch nicht verharmlosen, nur gibt es z.B. Untersuchungen, dass im Vietnamkrieg sehr viele mit Heroin angefangen haben, und nachdem Krieg dann doch die meisten wieder damit aufgehört haben.

Seitdem ich solche Aussagen bekommen habe, bin ich mit manchen Quellen etwas vorsichtiger. Inzwischen sind die Hinweise auf eine Gefährlichkeit von manchen Stoffen so gering im Vergleich zu den legalen Drogen, dass immer häufiger Cannabis-Produkte freigegeben werden, sogar stellenweise in den USA.

Dass soll in keiner Weise eine Verharmlosung oder sogar weitgehende Freigabe von anderen Stoffen sein. Im Gegenteil, ich wäre mit Drogen jeder Art restriktiver, gerade auch bei den derzeit legalen Stoffen. Wobei "restriktiv" nicht zwangsweise ein Verbot sein soll, sonst ist halt ein großer unregulierter Schwarzmarkt vorhanden, der am Ende noch gefährlicher als ein restriktiver, aber legaler Handel ist. Siehe die Erfahrungen der USA während der Prohibition.
 
Beim Rauchen funktioniert es auch. Wieso sollte Alkohol da anders sein? Für mich ist alles, auf das man nicht regelmäßig verzichten kann, eine Sucht.
Die meisten sehen hier als die Betroffenen den Alkoholkonsument, der ist aber nur ein Teil der Wahrheit, den ebenso betroffen ist das direkte Umfeld des Trinkers.

Und hier sind wir bei deiner Antwort, Alkohol, Tabletten, Drogen verändern auch die Psyche.
Der Alkoholiker wird häufig reizbarer und hat häufig Stimmungsschwankungen die einen Ausstieg
zusätzlich erschweren.
Die daraus entstehenden familiären Belastungen machen es häufig nochmals schwerer aus der Sucht auszusteigen, da ja u.a Problem den Griff zur "Flasche" auslösen.
Auch für die Angehörigen ist die Situation alles andere als leicht, die Reaktion geht von Augen verschließen bis zum Gefühl gegen Windmühlen zu kämpfen zumal man den Süchtigen ja auch als anderen Menschen kennt und liebt.
Aus meiner Sicht kann ich nur raten, die Situation egal wie unangenehm beim Namen zu nenne und nicht die Augen zu verschließen, auch wenn es ein unfairer Kampf ist, der häufig nicht gewonnen wird.
Wenn möglich auch fremde professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wobei das oft an der Bereitschaft des Alkoholkranken scheitert.
 
Aus welchem erdenklichen Grund könnte das so sein?

In der Adoleszent räumt der Kopf auf und schmeißt überflüssige Synapsen raus (Pruning/Synapseneliminierung). Dieser Prozess ist überaus anfällig gegenüber Störungen durch THC. Eine der möglichen hässlichen Folgen ist canabisinduzierte Psychose. Nicht witzig und manchmal reicht eine Tüte.
Alkohol ist auch nicht geil, aber bei vereinzeltem Konsum - von Überdosierungen und dummen Ideen nach Konsum mal ab - nicht so unerfreulich in den kurzfristigen Folgen.
 
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Wobei man "kurzfristige Folgen bei übermässigem Alkoholkonsum sehr schnell erkennen kann ,solange es noch keine Gewohnheit ist. Synapsen die man sich sich wegsäuft braucht man nicht mehr aussortieren, also ich kann dem nicht so recht folgen...
 
Es gibt in diesem Thread wohl einige Personen die sich noch nie Gedanken über Alkohol Abhängigkeit gemacht haben. Geschweige denn sich Gedanken gemacht haben wir schwer es ist sich die Sucht selbst einzugestehen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen

*Snip wegen "Bezug weg" - LG Michl
 
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Eine der möglichen hässlichen Folgen ist canabisinduzierte Psychose.
FYI: Es gibt den gleichen Mechanismus bei Nikotin, auch das kann dauerhafte Psychosen auslösen. Noch übler, beim Nikotinentzug können ebenfalls psychotische Erscheinungen auftreten. Jetzt sind wir wieder bei der Doppelmoral, dass THC ja sooo gefährlich ist und verboten gehört, während Nikotin frei verfügbar ist (und wohl auf absehbare Zeit auch bleibt). Das mit den Nikotinproblemen weiß ich übrigens von meiner Frau, die ist da massiv betroffen.
 
Der von @Avocado beschriebene Teufelskreis über Saufen wegen schlechter Laune kann genauso anders rum funktionieren, nämlich Saufen wegen guter Laune. Ich würde da keinen Unterschied machen. Wenn du das Problem der Abhängigkeit erkennst, bist du bereits drin. Und die Übergänge sind fließend (im doppelten Wortsinn). Es ist für mich echt die Frage, was an der Sauferei bei guter Laune so toll ist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
FYI: Es gibt den gleichen Mechanismus bei Nikotin, auch das kann dauerhafte Psychosen auslösen.

Ja. Nur gibt es da meines Wissens nach keine Hinweise auf Auslösung durch einmaligen Konsum. Diese Gifte sind in der Adoleszenz alle besonders giftig. Alkohol und Nikotin bestechen durch ihre Verfügbarkeit und Akzeptanz, Gras durch seine immense Verharmlosung durch die Konsumierenden.
Aber zurück zum Thema.
 
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