Carbon, der Stoff aus dem die (Alp) Träume sind???

Klasse Thema, hier lese ich sehr gerne mit!

Ich interessiere mich schon lange für ein gewisses Layup-How-to, wann welche Fasern in welchem Winkel bei welchem Lastfall etc. zum Einsatz kommen.
Hast Du hier Empfehlungen für Literatur oder Video Material, wo darauf eingegangen wird?

Immer wieder bin ich erstaunt wieviel z.B. Enduro Laufräder aushalten ohne zu brechen.
Ist hier die Devise ˋviel hilft viel´ anzuwenden oder ist das einfach nur sehr ausgeklügelt wie das Layup ausgearbeitet wird?

Wie werden Carbonbauteile bei FEM berücksichtigt? Gibt es spezielle Programme mit denen der Faserverlauf und Schichtdicken mit Durchtränkung berücksichtigt wird?

Grüsse
 

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Re: Carbon, der Stoff aus dem die (Alp) Träume sind???
Gibt es eine Möglichkeit zerstörungsfrei herauszufinden, wie viele Lagen ein Hersteller verbaut hat und darauf auf die Anzahl der Opferlagen zu schließen? Bei den abfahrtslastigeren Disziplinen bleibt es ja leider nicht aus, dass man größere Steinschläge abbekommt und somit muss das wohl von seriöseren Herstellern berücksichtigt werden.

Beispiel: Ich habe an meinem Giant Enduro einen kleinen Aufsetzer in einer technischen Passage gehabt, leider auf der dem Bashguard abgewandten Seite. Ergebnis: großer Lackabplatzer und die Frage ob der Rahmen in Ordnung ist.
Nach strenger Auslegung deiner Beurteilungsmethode im Artikel wäre rechts unten die oberste Lage angekratzt -> Hauptrahmen sollte nicht mehr gefahren werden.
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Das Thema wie Auswirkungen von Beschädigungen auf die Stabilität der Bauteile beurteilt werden können ist für mich noch das Problematischte im Bikebereich, gefolgt von der Auslegung von Lagersitzen.
Könntest du auch zu Letzterem noch etwas sagen, vor allem, welche Firmen hier gute Ansätze verfolgen? Die Lösung eines Lagers direkt im Carbon, bzw. in einem Aluinsert finde ich unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit etwas unschön.
 
Hallo chilla,

das Schadensbild ist ja nun sehr lokal und an einer Stelle, wo erstmal kein Totalausfall zu erwarten ist. Der Bereich ums Tretlager wird idR durch Steifigkeitsanforderungen und nicht Festigkeitsanforderungen dimensioniert. Würde ich weiterfahren und beobachten bzw. ab und an mal hinhören, da ist ja aussen die Tretlagerschale eingeklebt mit einer Materialdopplung - im ungünstigeren Fall kommt es da zu etwas Bewegung im Gebälk, das kriegst aber mit ohne Gefahr für Leib und Leben.

Das kann durchaus gerechtfertigt sein. Oft rechtfertigt sich der höhere Preis aber auch nur dadurch, dass er bezahlt wird.

Das "Oft" kannst weglassen: Ein Unternehmer, der seine Preise nach Aufwand festlegt wird ziemlich schnell weg vom Bild sein. Betriebswirtschaftliches Grundgesetz: Preise werden anhand vom Markt festgelegt (was wird bezahlt).

Das Beispiel worauf sich die obige Antwort bezieht ist ziemlich sicher Marketing und hat nichts mit zusätzlicher Entwicklung zu tun. Wie amortisiere ich einen Werkzeugsatz doppelt?

Produkt A: 15tkm Laufleistung mit 0.05% Ausfallwahrscheinlichkeit
Produkt B (paar Gramm weniger): 15tkm Laufleistung mit 0.1% Ausfallwahrscheinlichkeit, Zahlungsbereitschaft +500€

Mache eine hübsche Rückstellung von den Produkt B-Käufen für allfällige Kullanzfälle und Du hast ein schönes Business. Da brauchst Du nicht mal einen Ingenieur zu. 8-)

Gruss,
E
 
@mi.ro Coole Sache, schön das wir hier Experten löchern können. Vielen Dank!


Ich bin zwar nicht MiRo, aber als Chemiker habe ich grundlegendes Sachverständnis ;):
Wenn man ehrlich ist, betreiben wir i.d.R. nie Re-Cycling, sondern immer Down-cycling. Für echtes Recycling müsste man bei jedem Produkt alle Materialien exakt kennzeichnen und das ganze schnell und gut demontierbar entwerfen/konstruieren --> a) teuer b) wäre ja auch noch reparierbar --> bei geplanter Obsoleszenz meist nicht gewollt. Selbst bei Stählen wird nur "downcycling" betrieben, weil keiner die verschiedenen Stähle einzeln sammelt und dann recycelt.

Carbon: Wenn man es schafft, die Fasern aus dem Harz rauszuholen, dann hat man Fasern verschiedener Länge (sind ja doch oft Mattenstücke die in die Harzmatrix kommen, da gibt es von GCN ein Video in der Look Fabrik), an den Enden u.U. noch aufgespleist. Und dann hat man auch noch Fasern mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften, außer das ursprüngliche Material bestand nur aus einem Fasertyp.
Mehr als downcycling ist da nicht drin, wenn das recyclte Material nicht Edelmetallpreis aufweisen soll.

Danke für die Ausführung. Du liegst damit absolut richtig.

Wie sehr hälst Du dann zb von den Preisgestaltungen bei OPEN? Sind 1600 € Preisaufschlag für 180g Gewichtsersparnis (Rahmenset OPEN U.P. (1430g) zu U.P.P.E.R (1250g), beides Gravelrahmen) realistisch für den erhöhten Auslegungs/Konstruktions- und Fertigungsaufwand?

Das kann durchaus gerechtfertigt sein. Oft rechtfertigt sich der höhere Preis aber auch nur dadurch, dass er bezahlt wird.

Was fungiert denn am Carbonrad als Elektrolyt? Die ganzen isotonischen Getränke für den Fahrer? Salzwasser? Ionen aus dem Boden (Schlamm)? Regenwasser ist ja ein mauer Elektrolyt, außer man wohnt zB neben einem Kuhstall oder überdüngten Feld und das Regenwasser ist mit Ammonium angereichert.
Beim Schönwetterrad sollte das dann doch kein Problem sein, oder?
Kann man das Potential von Carbon doch entsprechende Auswahl des Harzes beeinflussen oder ist das ausschließlich durch die chemische Struktur der Carbonfasern bestimmt?
Und: was hälst Du von den ganzen Gravelrahmen aus Carbon, die überall Befestigungsbohrungen aufweisen? Das sind doch Einfallstore für Korrosion, außer da sind Titaneinsätze verbaut. Wobei sich der korrosive Schaden vermutlich nur auf die Gewindeeinsätze beschränkt?

Beim schönwetter Fahrrad brauchst du nichts zu fürchten. Fahr dein Rad im Regen reicht das oft schon. Fahr das Rad im Winter hast du auf der Straße Salzwasser. Ein Bekannter war mit seinem MTB mit einem Carbonlaufradsatz auf Kreta. Die Alunippel waren vom Hersteller direkt auf die Carbonfelge geschraubt. Nach zwei Wochen waren mehr als die Hälfte der Nippel so weit wegkorrodiert, dass sie ausrissen. Der LRS hat neu 2000€ gekostet.
@mi.ro
da zum teil doch recht leichte carbon rahmen zu haben sind (fully ca. 1700g mit dämpfer, HT ca. 800g) ...
ausgehend davon das es laut deiner aussage noch andere fasern gibt und mal vom preis abgesehen, was wäre möglich bezüglich des gewichtes? (mit der Prämisse trotzdem haltbar)
sind die hersteller schon am limit?
Nein, am Limit sind die noch lange nicht. Ich hatte ja schon weiter oben erwähnt, dass ein nach Formel1 Standard ausgelegter und gefertigter Rahmen deutlich leichter sein kann.
 
Gibt es eine Möglichkeit zerstörungsfrei herauszufinden, wie viele Lagen ein Hersteller verbaut hat und darauf auf die Anzahl der Opferlagen zu schließen? Bei den abfahrtslastigeren Disziplinen bleibt es ja leider nicht aus, dass man größere Steinschläge abbekommt und somit muss das wohl von seriöseren Herstellern berücksichtigt werden.

Beispiel: Ich habe an meinem Giant Enduro einen kleinen Aufsetzer in einer technischen Passage gehabt, leider auf der dem Bashguard abgewandten Seite. Ergebnis: großer Lackabplatzer und die Frage ob der Rahmen in Ordnung ist.
Nach strenger Auslegung deiner Beurteilungsmethode im Artikel wäre rechts unten die oberste Lage angekratzt -> Hauptrahmen sollte nicht mehr gefahren werden.
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Das Thema wie Auswirkungen von Beschädigungen auf die Stabilität der Bauteile beurteilt werden können ist für mich noch das Problematischte im Bikebereich, gefolgt von der Auslegung von Lagersitzen.
Könntest du auch zu Letzterem noch etwas sagen, vor allem, welche Firmen hier gute Ansätze verfolgen? Die Lösung eines Lagers direkt im Carbon, bzw. in einem Aluinsert finde ich unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit etwas unschön.
Also wenn nur die obere Schicht angekratzt ist würde ich mir in diesem Fall keine großen Sorgen machen auch wenn ich von hier aus keine Freigabe geben kann. Dein Enduro hat im Bereich Unterrohr/ Tretlager vermutlich 4mm Wandstärke. Davon benötigt werden für die Stabilität vielleicht 1- 1,5mm. Der Rest ist genau für den Fall, den Du jetzt erlebt hast dahin laminiert. Als Panzer gegen Steinschläge und Aufsetzer. Ich habe es erst bei einem Rahmen erlebt, dass dieser Panzer komplett bis auf die Tragstruktur zerbröselt ist. Das Rad ist kopfüber 6 Meter tief gefallen und dann ungebremst auf einen Felsen aufgeschlagen.
 
Verstehe!
Letzte Frage meinerseits, kannst Du Rahmenhersteller nennen von welchen Du weißt, dass sie KnowHow haben und gute Rahmen bauen? Die Big-Player oder doch exklusive Firmen wie Unno etc? (Gibts ja einen spannenden Podcast con Cesar Rojo indem er sagt sie hätte Jahre gebraucht um auf dem Know-How Stand von Asien zu sein)
Da Du ja doch recht eng mit der Industrie verbunden bist, verstehe ich aber sehr gut wenn Dir dies nicht möglich ist.
Ich sage es mal so, ich will den Wettbewerb nicht verzerren. Ich kenne einige kleine mit guten Entwicklern und einige große mit großen Entwicklungsabteilungen. Wenn ich jetzt Namen nenne würde...wäre nicht gut.
 
Klasse Thema, hier lese ich sehr gerne mit!

Ich interessiere mich schon lange für ein gewisses Layup-How-to, wann welche Fasern in welchem Winkel bei welchem Lastfall etc. zum Einsatz kommen.
Hast Du hier Empfehlungen für Literatur oder Video Material, wo darauf eingegangen wird?

Immer wieder bin ich erstaunt wieviel z.B. Enduro Laufräder aushalten ohne zu brechen.
Ist hier die Devise ˋviel hilft viel´ anzuwenden oder ist das einfach nur sehr ausgeklügelt wie das Layup ausgearbeitet wird?

Wie werden Carbonbauteile bei FEM berücksichtigt? Gibt es spezielle Programme mit denen der Faserverlauf und Schichtdicken mit Durchtränkung berücksichtigt wird?

Grüsse
Ich würde Dir das in Grundzügen gerne erklären aber das würde den Rahmen hier sprengen. Haben da mehrere Leute Interesse dran? Dann würde ich ein Skype Meeting machen und eine kleine Schulung vorbereiten. Ich schlage vor, dass die, die Interesse daran hätten diesen Beitrag unten mit Gewinner kommentieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @mi.ro,

es gibt ja Hersteller die Bikes gleichen Modells in verschiedene Carbonqualitäten anbieten. Mich würde interessieren ob da nur einer steht und mit der Waage die leichten aussortiert als "Premium" oder tatsächlich ein anderes Carbon verwendet wird. Ausserdem ist die Frage ob die Rahmen deshalb stabiler oder anfälliger sind weil leichter?

Übrigens danke das Du hier deine Zeit investierst.

Gruß Sven
 
Hallo @mi.ro,

es gibt ja Hersteller die Bikes gleichen Modells in verschiedene Carbonqualitäten anbieten. Mich würde interessieren ob da nur einer steht und mit der Waage die leichten aussortiert als "Premium" oder tatsächlich ein anderes Carbon verwendet wird. Ausserdem ist die Frage ob die Rahmen deshalb stabiler oder anfälliger sind weil leichter?

Übrigens danke das Du hier deine Zeit investierst.

Gruß Sven
Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Die Rahmen werden ja nicht willkührlch zusammen gepappt. Da gibtes ein definiertes Layup nachdem auch in Fernost gearbeitet wird. Naja, vielleicht nicht bei besagten NoName Alibaba China Produkten aber sonst sind die Teile bis auf wenige Gramm immer gleich schwer. Wenn ich so ein Teil dann leichter bei gleicher Stabilität mache will müssen andere Fasertypen zum einsatz kommenn.
 
Das "Oft" kannst weglassen: Ein Unternehmer, der seine Preise nach Aufwand festlegt wird ziemlich schnell weg vom Bild sein. Betriebswirtschaftliches Grundgesetz: Preise werden anhand vom Markt festgelegt (was wird bezahlt).
Das Beispiel worauf sich die obige Antwort bezieht ist ziemlich sicher Marketing und hat nichts mit zusätzlicher Entwicklung zu tun. Wie amortisiere ich einen Werkzeugsatz doppelt?
Ich wollte eine Einschätzung ob der doch saftige Preisaufschlag gerechtfertigt sein kann, nicht ob er es in diesem Fall wirklich ist. Über letzteres zu diskutieren ist müßig, außer man hat ein paar Rahmen und kann diese vergleichenden Belastungstests unterziehen. Arbeitest Du in dem Bereich CFK, so dass Du eine fundierte Einschätzung zum Thema Rechtfertigung des Preisaufschlags abseits der allgemeine BWL Weisheiten liefern könntest?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie stehst du eigentlich der Thematik thermoplastische FVK gegenüber? Gerade für manche Anwendungen (schalenförmig ggfs. mit angeapritzen Funktions Elementen) kann ich mir vorstellen, dass hier bei deutlich niedrigeren Preisen als bei Duros ein auch gutes Gewichts Niveau erzielen lassen sollte.
 
Wie stehst du eigentlich der Thematik thermoplastische FVK gegenüber? Gerade für manche Anwendungen (schalenförmig ggfs. mit angeapritzen Funktions Elementen) kann ich mir vorstellen, dass hier bei deutlich niedrigeren Preisen als bei Duros ein auch gutes Gewichts Niveau erzielen lassen sollte.
Ist Durchaus ein Thema allerding kann es wegen der relativ hohen Werkzeugkosten nur in Großserie eingesetzt werden und ein 1/10 genaues Preforming ist auch nur eingeschränkt bis garnicht möglich.
 
Hier nochmal die Ankündigung: Morgen früh um neun halte ich eine Vorlesung über Faserverbundauslegung Online über Skype. Dauer 1-2 Stunden. ALle die Interesse daran haben sollten mir ihre Skypeadresse am besten noch heute mitteilen.

Vielen Dank für die Session. Super informativ! :daumen:
 
Hi Miro,
erst einmal vielen Dank.
Dein Angebot wird natürlich sofort genutz.
Zu sehen meine Reynolds Gravel Felge.
Klassische Frage. Noch fahrbar?
Danke und Gruß
 

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Hi Miro,
erst einmal vielen Dank.
Dein Angebot wird natürlich sofort genutz.
Zu sehen meine Reynolds Gravel Felge.
Klassische Frage. Noch fahrbar?
Danke und Gruß
Ich tue mich immer schwer per Foto eine verlässliche Aussage zu machen. In diesem Fall muss ich allerding mit großer Sicherheit sagen: Dat Ding is Schrott!! Abgesehen davon, dass das Felgenhorn wirklich großflächig schaden genommen hat sieht es ganz danach aus, dass auch das Felgendach einen Riss hat. Sorry, aber da muss was neues her.
 
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