Wenn es also aus derzeitiger Rechtsansicht (sogenannte herrschende Lehre/Ansicht) nichts zu ändern ist, stellt sich eben die Frage, wie man dazu kommt, dies mit einer Weisung, Arbeitsanleitung, Erklärung etc ändern zu wollen?
2Burgen schrieb:
Ich stelle die Frage Qui Bono?
Mit welchem Ziel werden von welchen Hintermännern den eigentlich die ganze Zeit Konflikte ...?
Dann werden wir der Sache mal auf den Grund gehen ...
Nachdem die Waldbesitzer
2016, die Jäger und die Alpwirtschaft
2017, sowie der BUND Naturschutz in Bayern
2019 mit ihren jeweiligen Konfliktbeschreibungen zur Eigentümer- und Naturverträglichkeit des Mountainbikens beim Ministerium allesamt gescheitert sind, muss es ja etwas geben, das das Ministerium doch dazu bewogen hat, seine langjährige Abwehrhaltung gegen Angriffe auf das Betretungsrecht der Mountainbiker aufzugeben.
Bahnbrechende neue Erkenntnisse zu Auswirkungen des Mountainbikens auf die Natur oder den Boden hat es auch seit den folgenden Veröffentlichungen von 2016 und 2019 nicht gegeben:
Stadtwald 2050 Endbericht (2016)
vom Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung Wissenschaftszentrum Weihenstephan Technische Universität München, gefördert durch die Bayerische Forstverwaltung mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
4.1.2 Stand des Wissens
Einen Überblick über generelle Konflikte und Auswirkungen von Mountainbiking geben deutschsprachige Arbeiten von Wöhrstein (1998), Schemel & Erbguth (2000) und Mann (2006). ... Bei den Auswirkungen auf den Naturraum ist vor allem die Arbeit von Wöhrstein (1998) von Interesse. In seinen Untersuchungen wurden u.a. auch Analysen und Versuche zur Erosion im Zusammenhang mit Wettbewerben durchgeführt.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich die
gemeinsame Stellungnahme des Bayerischen Radsportverbands und der DIMB unter anderem ebenfalls auf Wöhrstein und Schemel & Erbguth bezieht, die
hier jedoch unerwähnt blieben.
Nicht ganz so von der Forstwirtschaft geprägt ist die Veröffentlichung des Bundesamts für Naturschutz
Konflikte durch Erholungsnutzung in Großschutzgebieten und deren Entschärfung durch innovatives Besuchermanagement
BfN-Skripten 520 (2019)
Beiden recht aktuellen Veröffentlichungen ist zu entnehmen, dass einseitige Sperrungen und Verbote für Mountainbiker auf bestehenden Wegen weder durch Eigentümerinteressen begründet werden können noch aus Gründen des Naturschutzes erforderlich sind. Dies deckt sich auch mit der bisherigen Rechtsprechung zum Bayerischen Naturschutzgesetz.
Das weiß man letztlich auch bei den Grundbesitzern und dem Verbandsnaturschutz und versucht den vermeintlichen "Wanderer/Mountainbiker-Konflikt" für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren.
So argumentierte der frühere Geschäftsführer des Bayerischen
Waldbesitzerverbands Carl von Butler im Interview "Das Problem der Waldbesitzer mit den Mountainbikern" mit der
Augsburger Allgemeinen (25.08.2015) recht deutlich:
"Hier kann Wanderern der vorgeschriebene Vorrang nicht mehr eingeräumt werden. Deshalb haben die Radfahrer auf diesen Strecken nach meinem Dafürhalten auch nichts zu suchen."
Nachdem aus Sicht des Bund Naturschutz beim Radfahren aufgrund des gesetzlichen Wegegebots eine nachhaltige Beeinträchtigung oder Störung des Naturhaushalts nicht zu erwarten ist, folgt im Artikel der
WELT „Zu viele Mountainbiker in Bayerns Wäldern?“ vom 25.08.2015 zumindest ein zaghafter Versuch den "Wanderer-Mountainbiker-Konflikt" zu instrumentalisieren :
„Mountainbiker, die durch wegloses Gelände fahren, können zum Problem werden“, erklärte Richard Mergner, beim BUND zuständig für Verkehr, Flächenschutz und Umweltpolitik. Dennoch sollte Radfahren im Wald oder in den Bergen erst dann verboten werden, wenn es zu einem Konflikt zwischen Wanderern und Fahrradfahrern kommt."
Insoweit ist schon mal klar, dass von Seiten der Eigentümer und des Verbandsnaturschutzes ein Interesse am sozialen Konflikt zwischen Wanderern und Mountainbikern, oder zumindest
einer medialen Präsenz dieses vermeintlichen Konflikts, besteht.
Interessant ist daher wie das Verhältnis zwischen Wanderern und Mountainbikern im Wald und auf dem Berg tatsächlich ist und was die Wissenschaft dazu sagt.
Die Studie
"Walderholung mit und ohne Bike II" der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden Württemberg (VFA) aus dem Jahr 2019 ging genau dieser Frage nach und stellte fest, dass dieser potentielle Konflikte tatsächlich kaum präsent ist. Wobei auch hier in der Befragungsmethode noch eine Erklärung dafür zu finden sei, dass die Angaben zu Konflikten generell noch deutlich über jenen zu Störungen lagen.
Wie auch alle früheren Sudien belegen, eignet sich dieses vermeintliche Konfliktpotential aus wissenschaftlicher Sicht nicht, um Verbote für Mountainbiker rechtfertigen zu können.
Das bestätigt auch Benjamin Trotter, Projektleiter beim Deutschen Alpenverein (DAV) im Interview mit Jasper Jauch am 31.03.2021 (Min. 5:57 - 7:00):
Wissenschaftlich betrachtet, so Trotter, haben Wanderer und Mountainbiker auch den gleichen Einfluss auf das Erosionsgeschehen (Min. 39:45 und 41:09). Auch von daher besteht keine Notwendigkeit zwischen Wanderern und Mountainbikern zu unterscheiden und einseitig Verbote nur für Radfahrer zu verhängen.
Im Webinar zum Thema Mountainbiken im Oberland, initiiert und geleitet von
Hans Urban, dem forst- und jagdpolitischen Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag findet sich zwischen Min. 48:38 und 49:00 folgende zum Betretungsrecht interessante Aussage von Herrn Urban selbst:
Der eigentliche Konflikt im Oberland findet sich zwischen Anwohnern und Besuchern. Hierfür würde es Konzepte zur Lenkung der Verkehrsströme und zur Parkraumbewirtschaftung benötigen.
"Der Konflikt zwischen Radlfahrer und Wanderer war eigentlich gar nicht der Gegebene.", so Urban.
Damit bestätigt er auch die Feststellung aus der
gemeinsamen Stellungnahme des Bayerischen Radsportverbands und der DIMB zum Entwurf der neuen Bekannmachung:
Wegen der Corona-Pandemie befinden sich derzeit besonders viele Urlauber und Naherholungsuchende in Bayerns freier Natur. Trotz der Vielzahl der Menschen und deren unterschiedlichen Interessen bleiben Konflikte unter den Erholungsuchenden aus.
Die Erholungsuchenden kommen offensichtich bisher auch ohne Konzept miteinander aus.
Entsprechend spricht sich auch der Deutsche Wanderverband in seiner
Resolution: Ein Raum - viele Perspektiven von 2019 sehr eindeutig für die gemeinsame Wegnutzung aus und mahnt rücksichtsvolles Verhalten (
Art. 26 Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG) an:
„Im gemeinsam genutzten Raum muss sich jeder Naturnutzer auf Begegnungen mit anderen einstellen. Hier ist Rücksichtnahme und angepasstes Verhalten notwendig.“
Genauso die DIMB mit ihren Kampagnen "Fair on Trails" und "
Gemeinsam Natur erleben", die in der Natursportinfo der Deutschen Sporthochschule als
Good Practice Beispiele aufgeführt sind.
Während es zum einen zwischen den Erholungsuchenden selbst zu keinen rechtlich relevanten Störungen kommt und sich die Natursport- und Wanderverbände für die gemeinsame Nutzung des Naturraums aussprechen, versuchen andere das durch die Medien verbreitete Zerrbild von Konflikten zwischen Wanderern und Mountainbiker für ihre Interessen zu nutzen.
Umso mehr verwunderten im Herbst 2018 (und verwundern jetzt immer noch) Schlagzeilen wie:
DAV will Konflikte zwischen Wanderern und Bikern entschärfen
Mit einem Modellprojekt in zwei Alpenregionen sollen Konzepte für die Lösung von Konflikten zwischen Bergsteigern, Mountainbikern und Landwirten gesucht werden.
19.09.2018, Focus
DAV will Wanderer-Streit mit Mountainbikern beenden
Wer hat in den Bergen die Hoheit? Darüber streiten sich Wanderer und Mountainbiker schon seit Jahren - und greifen teilweise nicht nur verbal an. Der Alpenverein will den Konflikt jetzt schlichten.
19.09.2018, Spiegel
In diesem Artikel findet sich dann auch ein wichtiger Hinweis:
Den DAV mit seinen mehr als 1,2 Millionen Mitgliedern trifft das Problem selbst im Kern. Denn längst repräsentiert der Alpenverein nicht mehr nur Wanderer und Kletterer, auch viele Mountainbiker sind dabei. "Knapp die Hälfte der Mitglieder gibt an, öfter mal mit dem Rad in den Bergen unterwegs zu sein", sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. ...
Bislang sei ein Ende der Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen nicht in Sicht, im Gegenteil: "Es ist eher schlimmer geworden, weil noch die E-Bikes dazugekommen sind", sagt Bucher.
Nicolas Gareis, zuständig für Mountainbike und Umwelt bei der Bundesgeschäftsstelle des DAV, dagegen im Interview mit
E-Mountainibike (25.10.2019):
... In diesem Projekt wird nicht zwischen E-MTB und klassischem Mountainbike unterschieden. Eine allgemeine Zunahme von Konflikten im Bereich Mountainbikerin/Wanderern können wir nicht feststellen, auch was die Unfallzahlen betrifft, spielen die Unfälle mit Mountainbikern eine untergeordnete Rolle im Gesamtunfallgeschehen.
Während es, wie oben erwähnt und vom DAV-Projektleiter Trotter bestätigt, zwischen den Erholungsuchenden auf den Wegen selbst zu keinen rechtlich relevanten Störungen kommt und laut Herrn Gareis es keine allgemeine Zunahme von Konflikte gibt, sieht der DAV-Sprecher Bucher ein Ende der Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen nicht in Sicht und es sei durch die E-Bikes noch schlimmer geworden.
Es scheint so, dass hier "Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen"
im Verein verallgemeinert wurden und man hierfür über eine allgemeine externe Lösung ganz froh gewesen wäre.
der Standard, 06.11.2019
Der Deutsche Alpenverein und seine "kritische Position" zu E-Bikes
Der Verein appelliert, das Aufladen von Akkus in Berghütten zu untersagen.
Manche wollen Radfahren in den Bergen insgesamt beschränken
"Die Münchner Sektion möchte indes schon einen Schritt weiter gehen. Ihr Vorsitzender Günther Manstorfer will "Beschränkungen" einführen, die Radfahrern generell verbieten, gewisse Routen oder Gebiete am Berg zu nutzen. Manstorfer spricht dabei von "Lenkungsmaßnahmen", um die man angesichts des Andrangs nicht herumkommen werde."
... und so schließt sich der Kreis zu den
"objektiven Kriterien" aus dem DAV-Rechtshandbuch vom Januar 2018 und dem DAV Leitfaden Haftung & Recht Mountainbike vom Septemer 2020 zu den darin erwähnten Vollzugshinweisen des Ministeriums:
BIKE 4/2021
Zudem weist der DAV in seiner
Kritik an der neuen Bekanntmachung auf einen - aus seiner Sicht - weiteren Missstand hin, der eine weitere Interessengruppe innerhalb des Vereins, die Wegewarte, anspricht:
"Leider wird in den aktuellen Vollzugshinweisen auch nicht auf die Wegehalter verwiesen. Der DAV als verantwortlicher Wegehalter im alpinen Raum fordert in diesem Sinne eine größere Einbeziehung."
mw.dd schrieb:
Das muss man sich auch nochmal auf der Zunge zergehen lassen. Das heißt nichts anderes, als dass der Wegehalter in Zukunft darüber (mit-)entscheiden soll, wer auf seinen Wege was darf - die Büchse der Pandora wäre offen.
Man tut jetzt so als ob "Shared" etwas Besonderes wäre. In Bayern ist es
Gesetz und damit das auch so bleibt ergibt sich das bei uns sogar aus der Verfassung - auch wenn es
manchen Interessenvertretern nicht gefällt.
Man sollte vorsichtig sein, wenn in Bayern plötzlich "Shared" propagiert wird. Dann geht man wohl davon aus, dass es auch noch "etwas Anderes" geben muss - möglicherweise auch um "sensibilisierte" Wegewarte zu besänftigen.
P.S.: Wir gehen hier der Frage nach, wie es zur Neufassung der Bekanntmachung vom 16.12.2020 gekommen ist. Wie sich die gesetzlichen Rechte der Mountainbiker verteidigen lassen ist eine andere Sache. Hier sind neben der DIMB inzwischen noch
10 weitere Verbände aktiv, so auch weiterhin der
Deutsche Alpenverein.