Nohand-Wheelie funktionieren über den
Sattel (man drückt auf das Sattelende mit dem Po). Nohand-Nosewheelie würde dann wie funktionieren? Mit den Beinen / Füßen auf den Lenker drücken wahrscheinlich, ich denke sowas gibt wahrscheinlich beim Kunstradfahren oder Flatland BMX
Sagte ich nicht, dass es wahrscheinlich schwierig wird?
Es ging ja auch nicht darum, wie es geht, sondern dass es geht. Das Wie interessiert mich insofern nicht, als dass ich mir sicher bin, dass ich das nie können werde, egal wie es funktioniert. Ich bin mir aber auch sicher, dass es funktionieren könnte.
Der Punkt ist: zuerst kommt die Physik, dann die Fahrtechnik. Wenn ich irgendwann mal verstanden habe, dass es möglich ist, dann kann ich mir überlegen, wie ich das umsetzen kann. Fahrtechnik, die gegen die Physik verstößt, kann dagegen niemals funktionieren. Deshalb ist, sich irgendwas zu überlegen ohne die Physik im Auge zu behalten, unter Umständen wenig erfolgreich.
Das heißt jetzt in keiner Weise, dass man, um gut Fahrrad fahren zu können, irgendetwas von Physik verstehen muss. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass einige sehr gute Fahrradfahrer von Physik absolut keine Ahnung haben.
Etwas anders sieht es bei Trainern aus. Wenn ich etwas nicht nur selbst "erfahren" will, sondern auch noch verstehen will, warum das eine funktioniert und das andere nicht, dann ist ein gewisses Maß an Physik extrem hilfreich. Es schützt zumindest vor gewissen Fehlschlüssen. Dieses Verständnis, warum etwas funktioniert, ist für Trainer essentiell. Der Grund ist, dass niemand ist wie der andere. Sprich was für den einen funktioniert, muss nicht für den anderen auch funktionieren. Es kann aber sehr gut funktionieren, wenn man es anpasst. Um es anpassen zu können, muss man verstehen, was der Kern ist.
Deshalb sind gute Fahrer auch nicht zwangsläufig gute Coaches. Im Gegenteil, sie können sogar sehr schlechte Coaches sein, wenn sie meinen, es muss genauso funktionieren, wie es bei ihnen selbst funktioniert. Gute Coaches müssen auch nicht gute Fahrer sein. Im Idealfall ist ein Coach aber ein guter Fahrer, weil er dann mehr eigene Erfahrung mitbringt, was immer hilft, wenn man daraus die richtigen Schlüsse zieht.
Wenn ich mich aufs Fahrrad hinstelle, habe ich auch natürlicherweise keine Last auf den Lenker, weil ich als Mensch auf den Beinen stehe, wie Du ja auch gut begründest. Wenn ich natürlich so stehe, dann werden über die Kurbeln, die gleichzeitig belastet sind beide Radachsen ebenso belastet. Deswegen kein Traktionsproblem vorne.
Du kannst so natürlich stehen, wie du willst, die Belastung der Radachsen hängt davon ab, wo das Tretlager zwischen der Vorder- und der Hinterachse angeordnet ist. Und ja, wir sprechen hier von dem Fall, dass die gesamte Gewichtskraft über das Tretlager aufs Bike eingeleitet wird und sonst keine Kraft aufs Bike wirkt (keine Hände am Lenker, kein Hintern am
Sattel...). Die Belastung auf die beiden Pedale ist übrigens in diesem Fall zwangsläufig gleich, sonst fällst du um oder fährst weg. (Du könntest nur auf einem Pedal stehen, wenn du bremst, aber das leitet wieder Kraft aufs Rad und das hatten wir ja gerade ausgeschlossen...).
Also, wenn du nun so auf dem Tretlager bzw. auf den beiden Pedalen stehst, dann wirkt die gleiche Kraft auf Vorder- und Hinterachse bzw. -rad genau dann, wenn das Tretlager genau mittig zwischen Vorder- und Hinterachse liegt. Das kommt bei normalen Fahrrädern nicht vor. Ist das Tretlager doppelt soweit von der Vorderachse entfernt wie von der Hinterachse, dann hat man doppelt soviel Gewicht auf dem Hinterrad wie auf dem Vorderrad. (Das ist das ganz einfache Hebelgesetz!) Moderne Räder gehen in diese Richtung! Inzwischen wird oft in Geometrietabellen das Verhältnis "Front-Center" zu Kettenstrebenlänge (also quasi "Back-Center") angegeben. Das ist genau das umgekehrte Verhältnis zur Gewichtsverteilung Vorderrad zu Hinterrad (wenn man von kleinen Verschiebungen durch Tretlagerabsenkung und Sag absieht). Moderne Bikes haben ein Verhältnis von etwa 1,8 oder anders ausgedrückt von 9 zu 5. Das ist nicht so weit von 2:1 entfernt. Also fast doppelt so viel Druck auf dem Hinterrad wie auf dem Vorderrad, wenn man einfach nur draufsteht. Da ist das Traktionsproblem vorne nicht so weit weg...
Was schnell passieren kann, wenn man bewusst Last auf den Lenker bringt, zeigt Roxy in ihrem Video anschaulich, man geht schnell über den Lenker (Hebelgesetz), wenn man gegen Steine fährt etc.
Die beschriebene Auswirkung stimmt, die Erklärung dazu ist allerdings ein wenig diffiziler. (Wer Lust hat, kann das jetzt lesen, ist aber etwas kompliziert und zumindest, was die Fahrtechnik betrifft, nur beschränkt erhellend. Ihr seid also gewarnt.)
Wenn du ein rigides System Fahrer-Fahrrad hättest (also der Fahrer bewegt sich gar nicht gegenüber dem Fahrrad, egal was passiert) und du fährst gegen einen Stein, dann hängt das OTB (physikalisch gesehen die Rotation des Gesamtsystems nach vorne; remember: rigides System!) davon ab, wie hoch der Stein im Vergleich zur Radachse und zur Lage des Schwerpunkts des Gesamtsystems ist. Aufgrund der Massenträgheit will das System gerade aus weiter. Das geht wegen dem Stein nicht. Der Schwerpunkt weicht nach oben aus. Dazu ist eine Kraft nötig. Die Kraft versetzt das System Fahrrad-Fahrer gleichzeitig in eine Drehung... Ist physikalisch gar nicht so einfach und hat einige Variablen. Jedenfalls wärst du aber überrascht, dass der Stein ganz schon hoch sein muss, bevor das rigide System ein OTB macht, selbst wenn der Schwerpunkt recht weit vorne ist.
Was passiert nun aber beim Fahrradfahren? In der realen Welt ist das System Fahrrad-Fahrer nicht rigide, sondern der Fahrer ist auf dem Fahrrad recht beweglich. Die Kraft, die auf das Fahrrad wirkt, um den Schwerpunkt anzuheben, bremst das Fahrrad gleichzeitig ab. Da der Fahrer recht beweglich ist, wirkt die Kraft, die das Fahrrad anhebt und bremst, erst mal kaum auf den Fahrer. Dass der Schwerpunkt des Fahrers nicht angehoben wird, macht nichts, denn er ist (hoffentlich) oberhalb des Steins. Was aber blöd ist: der Fahrer bewegt sich ungebremst weiter! Sein Schwerpunkt bewegt sich also im Vergleich zum Fahrrad nach vorne und er geht OTB.
Um den OTB zu verhindern, musst du also vor allem die Kraft aufnehmen und wie das Fahrrad abbremsen. (Achtung: Wir reden hier davon, dass man gegen einen Stein fährt. Im Idealfall unterstützt man das Bike natürlich darin, den Schwerpunkt über das Hindernis zu bekommen, ohne dass eine große Verzögerung auftritt, z.B. durch aktives Anheben des Vorderrads. Sprich man will natürlich NICHT gegen den Stein fahren. Doch weiter im Fallbeispiel...) Dazu kann sogar etwas Belastung auf den Händen ganz gut sein, jedenfalls besser als völlig unvorbereitet gegen den Stein zu fahren. Besser ist es natürlich, den Schwerpunkt nach hinten und vor allem unten zu bringen, weil dann die Hebel viel besser sind, um die Kraft aufzunehmen. (Man wird dann eher zu einem rigiden System!)
Quintessenz: Du verhinderst den OTB nicht dadurch, dass du den Schwerpunkt nach hinten bringst, sondern dadurch, dass du mit dem Bike ein rigides System bildest, also die gleichen Kräfte aufnimmst. Das Erstere unterstützt das Zweitere (man hat bessere Hebel und mehr Zeit), aber wenn du das Zweitere außer Acht lässt, bringt dir das Erstere auch nichts!
Wie gesagt, ist jetzt nicht gerade praxisnah - wer fährt schon so? -, aber es ist ein gutes Beispiel, dass die Physik manchmal anders funktioniert, als man sich das auf Anhieb vorstellt.
Das Credo mit dem herum geworfen wird ist ja das "Schultern müssen immer über dem Lenker sein" und das habe ich schalich kritisiert. Mdreck fügt leider wenig hier zu sachlichen Diskussionen bei, viel geht ihm jedoch auf den Senkel wie Du schreibst. Die Dynamik hier in der Diskussion hier ist wenig angenehm, aber naja das darf man auch nicht sagen, dann spielt man ja die "Opferrolle".
Das Problem ist doch hier einfach, dass das Credo unterschiedlich interpretiert wird.
Ich stimme
@McDreck hier zu, dass die Schultern zumindest annähernd über dem Lenker bleiben sollten, WENN man es auf die Vertikale bezieht. Ginge man mit den Schultern noch weiter nach hinten, dann wäre insgesamt der Schwerpunkt extrem weit hinten, jedenfalls zu weit hinten, um noch Kontrolle zu haben (wenn es sehr steil wird, dann wird ja der horizontale Abstand Lenker-Tretlager sehr kurz und der Körper bleibt ja doch einigermaßen in der Horizontalen - du willst keinen Handstand machen - sprich die Hüfte geriete dann weit hinter das Tretlager, und das will ja wiederum gar niemand). Allerdings braucht es dazu eine Front, die lang (sprich auch flach) genug ist, sonst gehst du halt OTB.
Ich stimme genauso dir zu, dass die Schultern im Vergleich zum Lenker nach hinten wandern, WENN ich mir meine Haltung auf dem Bike anschaue. Vorher war es noch fast eine Linie Achse-Lenker-Schultern und jetzt geht die Linie Achse-Lenker weit vor meinen Schultern durch. Warum? Das Bike hat sich gedreht!
So, jetzt hab ich aber zu diesem Thema echt genug geschrieben. Sollen sich wieder Leute über Fahrtechnik unterhalten, die dazu berufen sind. Wenn dabei wieder die Physik verbogen wird, dann von mir aus...