Für alle Foto-Interessierten zum Thema ISO, weil es da viel Verwirrung gibt:
Vorausschickend, das gilt für Fotografieren in RAW. Bei JPG ist das insofern anders, weil die Wandlung der Daten ins JPG Format immer Information wegnimmt, die dann bei einer späteren Anpassung der Bilder mit Software fehlen würde.
Grundsätzlich steckt alle Information, die ein Bild enthält, im Licht, das in die Kamera einfällt, und entsprechend sollte es erst mal immer das Ziel sein, möglichst viel Licht bei jedem Bild einzufangen. Die Menge an Licht ist gegeben durch die die Größe der Blendenöffnung und die Zeit, in der die Blende geöffnet ist (technisch ist das bei elektronischen Verschlüssen mittlerweile anders, aber fürs Prinzip ist das egal). Die Blendenzahl ist übrigens keine absolute Größe, sondern eine relative im Bezug auf die Film- oder Sensorgröße. Ein größeres Format fängt also bei gleicher Blendenzahl mehr Licht ein, was einerseits mehr Möglichkeiten für die Auflösung des späteren Bildes gibt und man andererseits als mehr Information hinsichtlich der Räumlichkeit interpretieren könnte, weil ein größerer Sensor bei gleicher Blendenzahl weniger Schärfentiefe bringt. Aber ich schweife ab…
Jedenfalls sollte das Ziel sein, möglichst viel Licht für jedes Bild einzufangen. Die beiden Parameter dafür, Blende und Zeit, sind aber begrenzt. Die Zeit einerseits durch Bewegungsunschärfe, und zwar sowohl im Motiv als auch ggfs beim Fotografierenden (Verwackeln), die Blende andererseits durch das, was das Objektiv hergibt, und dann durch das, was man hinsichtlich Schärfentiefe haben will. Beide Überlegungen, was man maximal eingehen kann, sind sowohl für Blende als auch Zeit von der Lichtsituation erst einmal unabhängig und man sollte diese zuerst treffen. Hat man diese maximal mögliche Lichtmenge einer Situation, gilt es diese mit der Aufnahmetechnik abzustimmen, sprich die Empfindlichkeit des Informationskonverters - Film oder Sensor - muss zur Lichtmenge passen. Beim Film lief das über die Korngröße, weil ein größeres Korn mehr Fläche einnahm und entsprechend mehr Licht aufnahm, auf Kosten natürlich der Auflösung.
Bei Digitalkameras gibt es nun diese Anpassungsmöglichkeit in der Empfindlichkeit eigentlich nicht (Ausnahme: Kameras mit Dual-Gain Sensor; Details dazu bitte woanders nachschlagen, das würde hier zu weit führen). Das Äquivalent zum Film wäre, die Auflösung des Sensors zu ändern. Das geht aber natürlich nicht (außer rechnerisch, indem man zB vier Pixel zu einem verrechnet; tatsächlich verbessert das Herunterrechnen der Auflösung auch das Rauschverhalten). Was es gibt, ist die ISO-Einstellung. Diese ist aber tatsächlich nur eine Verstärkung des Signals, das der Sensor liefert. Wenn ich später in der Softwäre die Helligkeit eines Bildes anhebe, ist es genauso einfach nur eine Verstärkung des Signals. Es macht also tatsächlich keinen Unterschied, ob ich das Bild durch die Verstärkung des Signals in der Kamera über die ISO-Einstellung heller mache oder erst später in der Software.
Quintessenz des Ganzen:
Beim Fotografieren in RAW ist eine ISO-Automatik sinnlos!
Zurück zum Prozess des Fotografierens:
Habe ich also anhand obiger Überlegungen meine Einstellung für ein Motiv (Frage hier: wie schnell bewegt es sich und welchen Bereich will ich scharf haben) bei gegebener Situation (Frage hier: welche Blende ermöglicht das Objektiv und welche Zeit kann ich ruhig halten) gefunden, muss ich die Lichtmenge mit der Empfindlichkeit des Aufzeichnungsmediums (Film oder Sensor) abgleichen. Habe ich zu viel Licht, sprich das Bild wäre überbelichtet, ist das im Grunde kein Problem, weil man dann in der Regel immer die Belichtungszeit verkürzen kann, ohne Kompromisse eingehen zu müssen (ist bei Verwendung von Blitzen und insbesondere beim Filmen anders, aber dafür gibt es Graufilter). Habe ich zu wenig Licht, sprich das Bild wäre unterbelichtet, gibt es nur eine Lösung mit Kompromiss. Die erste Möglichkeit ist dabei, das Signal des Sensors zu verstärken, was aber dann zu Rauschen führen kann (eigentlich: das Rauschen wird sichtbar, vorhanden ist das Rauschen als Eigenschaft des Aufzeichnungsmediums immer). Dabei ist es jedoch egal, ob man die Verstärkung in der Kamera mittels ISO vornimmt oder hinterher in der Software ein „zu dunkles Bild“ aus der Kamera aufhellt. Die Grenze des Möglichen ist dabei das Rauschverhalten des Sensors, dieses wird durch die ISO Einstellung aber nicht beeinflusst. Hat man die Möglichkeiten der Signalverstärkung ausgereizt, muss man Kompromisse in der Einstellung von Blende oder Zeit eingehen und entweder auf Schärfentiefe verzichten oder etwas Bewegungsunschärfe in Kauf nehmen.
Was die ISO Einstellung natürlich doch macht, ist auf der Kamera ein besser anschaubares Bild zu liefern (im Übrigen ein JPG, das als Voransicht generiert wird), für das Endresultat kann man aber genauso gut “unterbelichtet“ mit Base-ISO fotografieren. Ist dann halt ein bisschen so wie früher mit Film, weil man das Resultat erst später „beim Entwickeln“ am Rechner sieht.
Fotografiert man in JPG, ist das natürlich etwas ganz anderes, weil dann die ISO die Signalverstärkung vor der Datenkomprimierung durch die JPG Konvertierung bewirkt, während ein Aufhellen eines JPGs diese Signalverstärkung erst nach der Datenwandlung bewirken würde bei Daten mit dann weniger Info und entsprechend schlechteren Ergebnissen.
Und man sieht: Film war tatsächlich anders, weil sich da durch unterschiedliche Film-Empfindlichkeiten bessere Anpassungen erzielen ließen als heute mit der ISO Einstellung. (Allerdings ist der digitalisierte Prozess inzwischen insgesamt besser, sodass sich durch Film in dieser Hinsicht kein Vorteil erzielen lässt, zumindest unterhalb des Großbild-Formats.)
Und schließlich: Bei Dual-Gain-Kameras gibt es tatsächlich Unterschiede in der Signalgewinnung und damit im Rauschverhalten in zwei unterschiedlichen ISO-Bereichen. Diese Kameras haben also zwei verschiedene Base-ISOs. Wenn man so eine Kamera hat, sollte man das wissen und evtl. bei der ISO Auswahl berücksichtigen, wobei das meistens keine Welten ausmacht.
Sorry für Off-Topic (geht ja eigentlich um die Bilder), aber nachdem das Thema hier in den Kommentaren aufkam, interessiert es ja vielleicht den einen oder anderen.
PS: Auf den richtigen Einwurf von
@dasK hin habe ich im Text den unzutreffenden (aber früher mal gebräuchlichen) Begriff Tiefenschärfe durch den richtigen Ausdruck Schärfentiefe ersetzt. Der genannte Post erklärt dann auch noch den Begriff. (Und das mir, der sich früher immer über Tiefenschärfe aufgeregt hat.
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