Update 28.3. 23 Uhr, immer noch Mosbach
So, ich bingesättigt, also schnell noch ein paar Zeilen getippt. Es gäbe heute viel zu tippen, aber es ist schon spät und ich weiß noch nicht wo die Reise morgen hingeht.
Wie gestern schon angedeutet, war heute routentechnisch eine eher schwierige Entscheidung zu treffen. Rückblickend muss ich sagen: wofür hab ich mir den Kopf gemacht?
Fakten sind folgende: Am 2.4. in München zu sein ist keine Möglichkeit, sondern Pflicht! War mir vorher nicht ganz klar, dämmerte mir aber heute über den Tag so. Außerdem dieser Umweg im Norden. Das hatte ich nur so geplant, weil die das in dieser Fahrradzeitung so gemacht haben und weil ich dachte, dass ich mich da übernachtungsmäßig durchschnorren könnte.
Und ja, ich habe Angebote, die ich nun aber ausschlagen muss. Sorry Döner, sorry Sparky. Glaubt mir, ich hätte mich riesig gefreut. Aber die Etappen sind zu lang von Stadt zu Stadt. 150 km und mehr sind nur in Ausnahmefällen drin, und bei drei derartigen Etappen bliebe dann auch der Spaß auf der Strecke.
Deswegen werd ich jetzt den Neckar und danach die (den?) Jagst entlangfahren, um dann an geeigneter Stelle ins Altmühltal zu wechseln und so mehr oder minder direkt auf München zuhalten.
Sorry Radim - auch Ulm werde ich so bestimmt nicht passieren!
So, viel geschrieben, nix erzählt. Was war denn heute? Ich bin früh von Neustadt gestartet. Ich hatte mich routentechnisch da noch nicht entschieden und wollte wissen, ob ich (Achtung, Google Maps empfiehlt sich) das Örtchen Walldürn erreichen könnte. Falls nicht, wäre die Nordroute zeitlich nicht mehr in Frage gekommen.
Den ganzen Vormittag war es kalt, diesig und so dicht bewölkt, dass man nicht mal die Position der Sonne ausmachen kann. Ist vor allem dann blöd, wenn zwei Schilder, die den Weg nach Heidelberg weisen sollen, aufeinander zeigen. Gott sei Dank hat mir eine gute Fee noch einen Kompass in mein Gepäck gelegt. Hin und wieder ist der echt ganz brauchbar. Hat aber ne Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, dass ich ihn vom Smartphone fernhalten muss, das hat nämlich seinen eigenen Nord- und Südpol!
Die erste nennenswerte Stadt auf meinem Weg war Speyer. Irre viele Kirchen scheint es da zu geben. Den größten und pompösesten Vorplatz hatte die hier:
Amen!
Kurz darauf treffe ich einen alten Bekannten wieder. Ich habe jedoch das Gefühl, dass wir uns auf dieser Reise nun das letzte mal gesehen haben. Ich erinnere mich aber gerne an die Etappe im Renntempo an seiner Seite. Trotz Temporausch sind mir ein paar schöne Bilder von märchenhaften Villen (und beeindruckend großen Atomkraftwerken) in Erinnnerung geblieben!
Der gute alte Rhein
Gott sei dank fällt mir noch rechtzeitig ein, was ich bei der gestrigen Etappe vergessen habe: mindestens eine Pfälzer Dampfnudel futtern! In der ersten Bäckerei in Heidelberg falle ich ein und frage nach. Ja, gibt es, sind aber ausverkauft. Mist! Aber es gibt ja noch mehr Bäckereien, und so komme ich noch in den Genuss dieses simplen Hefegebäcks mit der witzigen Salzkruste an der Unterseite!
Gott sei Dank, nun bin ich sicher: Die selbstgemachten sind genauso gut!
Kurz darauf sehe ich einen Fahrradladen. Mein rechtes Pedal ist spätestens seit gestern total im Eimer. Es dreht sich noch, das ist aber auch alles. Ich fahre aber daran vorbei. Manchmal wird man ja auch einfach nur abgezockt in diesen Läden. Aber es hilft nichts, schon ein paar Meter weiter krächzt das Pedal und signalisiert deutlich, dass es Suizid begehen wird, wenn ich es nicht endlich in Rente schicke.
Passend dazu finde ich einen zweiten Laden. Ich hole tief Luft und mache mich auf gerümpfte Nasen und eine herablassende Behandlung gefasst, als ich nach dem billigsten Pedal frage. (Am Ziel meiner Reise loegen schon ein paar PD M324 oder wie sie heißen; ich hatte gehofft, dass sie ollen es noch so lange tun.) Aber weit gefehlt! 12,50 sind ein absolut fairer Preis, montiert werden sie mir umsonst und schneller als ich gucken kann, und derweil überredet mich der Chef, den Quatsch mit der Nordroute sein zu lassen. Und weik ich es (erst hinterher!) versprochen habe, mach ich hier noch etwas Schleichwerbung. Nicht, weil ich was billiger bekommen habe, sondern weil die im RadPoint in der Unteren Neckarstraße 64 schnell und ausgesprochen freundlich sind!
Von dieser Begegnung und der Dampfnudel abgesehen ärgert mich Heidelberg mit einer miserablen Beschilderung und keinerlei einladender Möglichkeit am Wegesrand, meinen Mittagshunger zu stillen.
Gut, dann ist eben erst mal das Obst dran, am Neckar wird schon noch was kommen. Außerdem läuft das Rad mit den neuen Pedalen so toll, dass ich bestimmt ein bis zwei km/h schneller bin als vorher!
Die Entscheidung, dem Neckar länger zu folgen, bereue ich nicht. Gefällt mir!
Ürgündwü üdüllüsch, obwohl Baden-Württemberg und nicht der Bosporus
Viele Burgen säumen den Fluss, und weil der nicht ganz so riesig ist, kann man auch auf der anderen Seite was erkennen. Manche sind groß, andere dagegen...
Und da ham sie dann drauf gestanden und ganz laut "Peng! Peeeng!" gerufen!
Hier ist dann der große Bruder zu sehen, da haben sie dann bestimmt auch echte Kanonen gehabt.
In dem Moment der Aufnahme stand er wohl schon hinter mir - der Wolf! Aber kein böser, sondern ein 71jähriger Mann aus Schweden, der mich ansprach. Er ist seit zehn Tagen unterwegs, ebenfalls mit dem Fahrrad. Gestartet ist er in Malmö, kreuzt jetzt ein bisschen durch Detschland und will ab Heidelberg dem Rhein bis Basel folgen. Beeindruckend!
Ein Foto kann ich natürlich nicht liefern, da müsst ihr den Rühmann fragen!
Das Tagesziel steht mittlerweile fest, Mosbach. Am Neckar entlang sollte ich gut vorankommen. Aber leider war dem dann doch nicht so. Holprige Forstpisten lassen mich das Tempo drosseln und ums Material fürchten. Das gelegentliche "klong", das mein Rad sporadisch von sich gibt und dessen Ursache ich beim besten Willen nicht ermitteln kann, höre ich schon fast nicht mehr, aber das Geräusch der reißenden Speiche war eindeutig.
Da warens nur 34. Zwei Speichen hat es gefetzt. An der Stelle komme ich nicht umhin, mich zu ärgern, dass der Radhändler das Hinterrad trotz Auftrag nicht nachgespannt hat. Jetzt duldet das keinen Aufschub mehr, also setz ich die MacGyver-Perücke auf und mache mich an die Arbeit.
Die letzte große Hürde wartet aber erst noch auf mich. Auf einmal setzt sich der Radweg recht fantasievoll fort:
Das Schild erklärt mir, dass ich die Fähre verpasst habe. Kunststück, wenn die nur zwischen 15 und 16 Uhr jeden Tag verkehrt.
Aber da ist doch noch die Brücke? Ist im Bau. Nach kurzer Uberlegung wage ich einen Blick und quetsche mich am ersten Bauzaun durch. Die Brücke selbst ist aber gut gesichert und offensichtlich unfertig. Ich kann nur eine Hand druchs Gitter strecken und dieses Bild machen:
Wünsch dir was? Pustekuchen!
Am Ufer gehts jedenfalls nicht weiter. Ist aber geraume Zeit her, dass ich eine andere Brücke gesehen hätte. Nur vom Rumstehen kann ich aber weder durchs Wasser laufen noch wird Mosbach plötzlich vorbeischwimmen.
Auf dem Rückweg erklärt mir ein netter Mann, dass ich über Neunkirchen fahren müsse, also das Ufer erklimmen. Na gut, was auch sonst? Nach über 100 km macht das Vernichten von geschätzten 200 Höhenmetern aber nur noch bedingt Spaß. Der Song "Miss Sanders" der guten alten Eagles of Death Metal bringt mich aber schnell wieder zum Lachen.
Irgendwann bin ich dann auch oben, wo es später dann noch höher geht.
Irgendwo da hinten unten müsste der Neckar fließen. Der macht es sich einfach, die Sau!
Eine gute Stunde später als geplant erreiche ich dann endlich die Jugendherberge. Und mein Mittagessen? Muss ich nachholen. Wichtigist bei solchen Belastungen ja eine ausgewogene Ernährung mit vielen Vitaminen und Nährstoffen, abwechslungsreich und frisch sollte es sein.
Papperlapapp, so muss dat! Geiiiiil!
Gute Nacht und entschuldigt das Springen zwischen Präsens und Vergangenheit. Ist mir selbst gerade erst aufgefallen. Ich werd zukünftig versuchen, mich an eine Variante zu halten!