Hallo liebe Community,
ersteinmal vielen Dank an alle für das schöne Sammelsurium aus Fallberichten. Ich habe seit dem ersten Tag meiner Tossy Diagnose immer wieder gerne hier reingesehen um mich zu informieren. Natürlich sammeln sich hier ein wenig die Berichte, die einen nicht ganz idealen Verlauf hatten, aber das ist auch gut so, denn nur wenn man die möglichen Folgen kennt kann man sich auch wirklich informiert entscheiden z.B. ob OP oder konservativ.
Ich möchte heute mal einen bisher guten Verlauf teilen um den Leuten Mut zu machen:
Ich bin 35 Jahre alt und habe mir Ende Januar diesen Jahres beim Snowboarden eine AC-Sprengung Tossy 3-5 am dominanten Arm rechts zugezogen. Das Claviculaköpfchen Stand um ca. 1 Breite nach oben und mir war sofort klar was los ist. In Österreich ist nur Röntgen und Dreiecksverband gemacht worden und mit Schmerzmitteln habe ich die 4 weiteren Tage bis zur Rückreise nach Deutschland gut ausgehalten.
6 Tage nach dem Unfall bin ich bei mir im Uniklinikum Dresden operiert worden, da die Calvicula sowohl vertikal als auch horizontal instabil war. "State of the Art" ist hier neue Generation Dogbone als CC-Ligament-Überbrückung und zusätzliche kleine Bohrung mit Naht/Cerclage des AC-Gelenks; alles arthroskopisch. Prinzipiell wird das hier auch regulär für Kassenpatienten angeboten wie an vielen Häusern heute. Ich bin selbst Kassenpatient aber muss dazu sagen, dass ich auch Arzt am Klinikum bin und daher alles zackzack ging mit OP noch am Tag der Vorstellung. Innerhalb von 10 Tagen nach Unfall werden hier in der Regel alle versorgt aber so sollte es ja auch sein.
Nun mal zum Verlauf:
1. Erstaunliche Schmerzen die ersten 2 Tage nach OP, aber das ist offensichtlich einfach eine unangenehme Körperregion. Die ersten 12 Stunden nach OP habe ich praktisch nichts gespürt, was an der Plexusblockade lag, die hier zusätzlich zur Vollnarkose erfolgt. Als die abgeklungen ist dann aber holla-die-Waldfee. Nach einer Nacht im Krankenhaus konnte ich nach Hause. Sehr gut gegen die Schmerzen der kommenden Tage geholfen hat mir Metamizol. Nach 4 Tagen habe ich eine Allergie mit Hautausschlag auf das Mittel entwickelt und alle Schmerzmittel abgesetzt (hin und wieder nach Bedarf noch eine IBU 600).
2. Die erste Woche nach der OP habe ich viel Zeit im Bett und auf dem Sofa verbracht und hatte den Gilchrest Verband ca. 98% der Zeit an (praktisch nur unter der Dusche nicht, hier habe ich den Arm einfach am Körper gehalten). Zum Ende der Woche waren die Wundschmerzen zu großen Anteilen muskulären Schonhaltungsschmerzen gewichen, wobei natürlich auch die Knochenbohrungen längere Zeit deutlich spürbar sind.
3. Ab der zweiten Woche musste ich den Arm dann immer mal wieder im Sitzen aus dem Verband herausnehmen; aus Komfort-Gründen und um den Ellbogen durch zu bewegen. Leichtes passives Pendeln am Tisch hat auch sehr gut getan (das habe ich ab Mitte der zweiten Woche immer mehrmals pro Tag gemacht).
4. Physiotherapie habe ich ebenfalls zu Beginn der zweiten Woche gestartet (1-2x Woche) allerdings praktisch nur passiv (geringes Durchbewegen der Schulter streng nach dem Behandlungsplan der Chirurgie durch die Therapeuten mit lächerlich kleinen Bewegungsradien - wahrscheinlich nur um das Device zu schonen und hochgradige Schultersteifen zu verhindern)
5. eigentlich ging das mit den geringen Bewegungsradien bis Ende der 5. Woche so weiter und ab da war dann voller Radius erlaubt.
6. Nun kommt der wichtige Zeitraum, den ich gerne mit euch teilen möchte:
Es kann nun wirklich zehrend werden! Ich hatte nun erstmal für 4 Wochen (also praktisch bis vor einigen Tagen) weiterhin noch massive Defizite im Radius v.a. in der Rotation nach Außen und in der Abduktion. Oft habe ich rumgerätselt ob ich vielleicht eine Steife im Schultergelenk wegen der starken Schonung entwickelt haben könnte und hatte natürlich Schiss, dass die ganze Aktion mehr kaputt als heil gemacht haben könnte. Die Physios waren auch nicht so ganz sicher woran es liegt; ob kapselbedingte Schultersteife oder funktionell. Ist wohl eine Mischung aus allem gewesen.
Folgende Übungen kann ich bei Schultersteife nach OP empfehlen (neben Physio und mit gesundem Augenmaß):
1. Retrospektiv die wichtigste Sache Pektoralmuskulatur dehnen, da die wirklich massivst verkürzt war und offenbar das gesamte Schulterdach nach vorne und unten gezogen hat. Beste Übung für mich:
https://www.spotebi.com/exercise-guide/chest-stretch/
Auch gut war die Arme hinter dem Körper zu verschränken und vorsichtig zu elevieren aber hier wird das Schulterdach nicht so gut auf Abstand zum Oberarmkopf gehalten und der Schleimbeutel komprimiert.
2. Außenrotation bei angewinkeltem und möglichst stets dem Körper anliegendem Arm:
https://www.123rf.com/photo_4651832...-shoulder-internal-and-external-rotation.htmlkann man auch in Seitlage (betroffener Arm oben) oder auch in Rückenlage machen (mag ich besonders, da man den Arm hier auch mit geringem Gewicht beschweren kann.
3. Gerade für den Anfang sind folgende Übungen super für Flexion und Abduktion:
und
4. Manchen hilft auch der Sleepers stretch super um die Obduktion zu verbessern, aber dafür wäre es erst einmal gut einen gewissen Abstand zwischen Schulterdach und Oberarmkopf zu haben, denn sonst zwiebelt es zu sehr:
5. zu guter letzt für alle die sich noch intensiver damit befassen wollen und auch eine ordentliche Schultersteife nach OP haben nach ein paar Ideen in einem englischsprachigen Physioforum zum Thema Abduktion:
http://physicaltherapy.rehabedge.com/tm.aspx?m=5968&mpage=1&key=ᝐ
Langsam geht nun alles den gewünschten Weg und ich habe über 90% der Beweglichkeit zurück, wobei der Durchbruch erst vor einigen Tagen kam, als ich mich auf die Dehnung der offenbar doch sehr stark verkürzten Brustmuskulatur konzentriert habe, die jegliche sonstigen Fortschritte zuvor offenbar zunichte gemacht hat.
Was ich sagen will: wenn ihr nach Schulter-OP eine Steife habt geht die Welt in den meisten Fällen nicht unter, da oft funktionelle Probleme dahinter stecken die Geduld erfordern und sich erst nach und nach beheben lassen. Ich hoffe euch helfen die genannten Übungen ergänzend zur Physiotherapie genau so gut weiter wie mir.
Letztlich bin ich mit der OP bisher gut gefahren, aber risikolos ist die natürlich nie. Wenn ihr wie ich hauptsächlich Wellenreiten und klettern betreibt oder andere Sportarten, die wenig Bewegungseinbuße der Schulter erlauben dann ist aus medizinischer Sicht die arthroskopische Tightrope oder Dogbone OP schon vielversprechender als die konservative Therapie (die allerdings manchmal bei Tossy 3 auch gute Ergebnisse liefern kann). Ich persönlich würde mir keine Hakenplatte reinmachen lassen, da ich glaube, dass eine dauerhafte Unterstützung des verheilenden CC-Bandes durch den Dogbone/Thightrope sinnvoller ist aber auch die Hakenplatte scheint manchmal gut zu funktionieren (Angst vor einer großen Hautnarbe sollte man bei der Platte allerdings nicht haben!)
Sorry für den langen Post und weiterhin toi, toi, toi an alle versehrten.
Jo