Alkoholismus? Der Thread für Betroffene und Interessierte

Hätte @JensDey nicht von Charakterschwäche geschrieben, wären die Reaktionen auf seine Beiträge nicht so heftig. Trotzdem kann man sich die Mühe machen, den Kern seiner Botschaft nachzuvollziehen.

Zugegeben, Charakterschwäche ist ein heftiges Wort, welche diverse Assoziationen hervorruft die mit dem Weg zur Alkoholabhängigkeit nicht unbedingt zu tun haben. Man sieht eher den - eben Charakterlumpen - vor sich, der über Leichen geht und sich einen Sch....drum kümmert, wie seine Handlungen sein Umfeld beeinflussen. Das muss der Alkoholabhängige in keinster Weise sein - trotzdem ist er in eine Sucht gerutscht...

Ich sehe das eher so, dass jeder eine individuelle Risikobereitschaft verbunden mit einer individuellen Schwelle zum Selbstbetrug hat. Der Risikofreudige verharmlost die Gefahren zusammen mit einer "mir passiert schon nix" Grundhaltung und rutscht dann in eine Abhängigkeit aus der er nicht mehr so ohne weiteres herausfindet. Und da kann ein falsches Umfeld durchaus fatal sein. Nochmals Charakterschwäche definiere ich eher so, dass es einem egal ist, wenn andere zu Schaden kommen. Sein Verhalten sich selbst gegenüber beurteilt man weniger streng; man glaubt niemanden zu schaden (und klammert sich fatalerweise aus).

Und @Avocado, pass auf und lass Dich nicht davon irritieren, dass Du keine körperlichen Symptome hast. Einerseits, sei froh, dass es nicht so weit ist; gleichzeitig ist es wichtig, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen. Die Regenerationsfähigkeit des Körpers ist nicht unbeschränkt. Ich hatte diesbezüglich ein interessantes Gespräch mit einer Ernährungsberaterin. Die Zeitspanne, die ein Körper zur Wiederherstellung braucht, wird mit zunehmendem Alter kürzer. Das ist ein natürlicher Vorgang der letztlich mit dem Tod endet; das wissen wir alle.

Das Trügerische ist, dass man die Zeitspannen nicht genau definieren kann. Untersuchungen definieren die Schwelle bei etwa Mitte 50, wo sich bei den meisten Leuten die berühmten "Zipperlein" bemerkbar machen, die man aber mit einer angepassten Lebensweise - damit meine ich nicht eine freudlose Askese - nach hinten schieben kann. Bis eben zu diesem Alter ist noch vieles möglich und der, der auf sich achtet, fragt sich zuweilen schon, ob sich der Aufwand lohnt. Nur plötzlich bricht alles zusammen und die Feststellung "der ist aber plötzlich alt geworden", kennt glaube ich jeder von uns. Nur ist das nicht plötzlich, der Körper kapituliert und mag dann einfach nicht mehr. Ich habe u.a. beruflich mit Menschen zu tun, die jahrelange Abstinenz nachweisen müssen. Trocken hin-oder her, bei ehemals echten, schweren Alkoholikern ist definitiv was unwiederbringlich weg. Der Rockstar, der 20 Jahre täglich seine Flasche Hochprozentiges in sich hineinschüttete und jetzt wieder topfit ist. Bullshit sage ich da, ich erlebe es anders. Und der Onkel, der rauchte wie ein Schlot und wie ein Loch soff und trotzdem glücklich 90 Jahre alt wurde, wird es immer geben. Nur diese Ausnahme darf nicht der Massstab sein.

Weiterhin viel Kraft und Durchhaltewillen. Ich denke, da sind alle in Gedanken bei Dir...:daumen:
 
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Mir ist klar geworden, dass ich hier auf einer rein kommerziellen Plattform meine Familiengeschichte und mein Gefühlsleben ausgebreitet habe. Das war ein Fehler. Darum habe ich meine Kommentare gelöscht, soweit das Mitglied dazu Rechte hat. Manchmal ist man eben zu tief drin. Trotzdem bleibt alle dran, gesund zu werden und zu bleiben.
 
Tja, life is a bitch! :bier: :wut:

Ich könnte jetzt alle möglichen Ausreden, Erklärungen und Ausflüchte aufzählen. Wirklich valide ist nichts davon. Es ist eine schwierige Zeit gerade und ich hatte nach 32 Tagen einen schwachen Moment.

Aber ich habe gelernt, dass ich eigentlich stark sein kann, und die starken Momente und die Klarheit überwiegen. Das gibt mir wieder Kraft!

Weiter gehts!
 
Und @Avocado, pass auf und lass Dich nicht davon irritieren, dass Du keine körperlichen Symptome hast. Einerseits, sei froh, dass es nicht so weit ist; gleichzeitig ist es wichtig, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.

Ich könnte jetzt alle möglichen Ausreden, Erklärungen und Ausflüchte aufzählen. Wirklich valide ist nichts davon. Es ist eine schwierige Zeit gerade und ich hatte nach 32 Tagen einen schwachen Moment.
Meine Antwort, siehe oben! Ich bin überzeugt, dass Du jetzt in einem der schwierigsten Momente bist. Man hat sich ja bewiesen, dass man gar nicht so abhängig ist, man hat es im Griff, so schlimm ist es ja gar nicht und dann ist das "ja, ich kann ein Schlückchen kontrolliert trinken", nicht weit.

Aber ich habe gelernt, dass ich stark bin :daumen:und die starken Momente und die Klarheit überwiegen. Das gibt mir wieder Kraft!

Weiter gehts!
Wie bei einem Drop. Nicht versuchen - springen! Die Wortwahl beeinflusst die Entschlossenheit...

Weiterhin viel Erfolg...💪
 
Prost Leute! Die Familie säuft, ich bin beim Spaßbier, meiner allgemeinen Gesundheit zuliebe. Was ich beobachte: Die ersten paar Parties, Kneipenabende und Feste war die Nüchternheit ein Gefühl von Mangel. Inzwischen ist im Kopf einiges neu verdrahtet und ich freue mich bei meinem Wasser über den gesundheitlichen Wert. Außerdem scheinen mich der Austausch und Spaß genug zu berauschen. Ohne Kater.
 

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So gut, ohne "Sprit"!!!
Seit 06:00 Uhr auf, TOP fit!!! :daumen:

Auf 9Hundert geht's mit Sohnemann zum Spocht!

Ach ja, gestern Abend um 23:00 Uhr Töchterchen vom Kellnern abgeholt!

Wäre alles nicht möglich, zumindest nicht so problemlos, mit Alkohol!

Auf ein "bleifreies" bzw. für die, die das packen, "alkarmes" 2023!!!! :hüpf::hüpf::hüpf:
 
Is doch egal - wichtig ist doch jeder Tag ab jetzt!
Mein alkfreies Silvester war jetzt auch nix, womit ich morgen noch einen Titel gewinnen kann...
 
Ich war bis Ende 20 auch ein starker Trinker, aber von einem auf den anderen Tag hat mir Bier einfach nicht mehr geschmeckt und Alkohol habe ich auch nicht mehr vertragen - glaube das hat mein Körper nach Lactose-, Fructose-, und Sorbitintoleranz auch einfach abgehakt. Habe das aber schon von vielen gehört denen es mit dem Alter ähnlich ging. Entweder schmeckt es nicht mehr oder man verträgt es nicht mehr, aber keine Ahnung, von einer Suchtgefährdung war ich auch weit weg. Selbst Vino gehts nicht mehr, in unserem Weinkühlschrank liegt nun Spezi…
 
Noch ein interessanter/wichtiger und von vielen mutiger thread! Und ich finde das Niveau bisher immer noch gut und die eine oder andere schlechte Formulierung eher ungeschickt oder aus Unwissen oder nicht-Betroffenheit, nicht aus bösen Willen. So lang sich die Betroffenen bzw. der TE nicht angegriffen fühlen, muss man nicht immer gleich die Bazooka auspacken; wer so ein Thema beginnt, hat auch mit unangenehmen Worten gerechnet und erwartet nicht nur Lob.
Auch dass wir drüber diskutieren und uns sensibilisieren ist gut, auch wenn wir das Problem nicht auf einen Schlag aus der Welt schaffen können.

Erst das eigene Coming Out: Ich selbst trinke rel. gerne Wein, etwa 1 Glas pro Woche, dazu derzeit (viel geschenkt bekommen) etwa ein einfacher guter Whisky wöchentlich und alle 3-4 Wochen mal ein(!) Bier, dazu im Sommerhalbjahr mehrmals die Woche alkoholfreies Bier.
Nach den Wikipedia Kriterien vom Threadanfang erfülle ich damit 0 von 6 Kriterien für Alkoholsucht, nach Anferds Post auf der ersten Seite hätte ich etwa Status “grüngrüngelb”.

Ich halte aber diese Einstufung, was man selbst bei sich oder anderen als noch ok oder schon zu viel einschätzt, für suboptimal.
Ich hatte bisher selbst wenig direkten Kontakt zu (eindeutig/stark) Betroffenen gehabt und Fälle in Spielfilmen oder Romanen immer als irgendwie weit weg empfunden. Letztes Jahr haben wir zufällig "Playing Hard" bzw. "Zabawa Zabawa" gesehen (aber es gibt vermutlich auch viele andere ähnlich eindrucksvolle Filme) und die Fälle waren (aus der beruflichen/gesellschaftlichen/finanziellen Situation heraus) alle so unnötig und unverständlich und gleichzeitig so real und nah am Leben, dass uns klar wurde, es kann jeden treffen. Auch “Charakterschwäche” allein ist es nicht, maximal nur einer von vielen Faktoren und irgendwie sind wir ALLE betroffen.

Ich hab seitdem ein symbolisches Bild vor Augen: Eine große nach innen immer stärker abfallende Kreisscheibe, auf der wir alle zeitlebens laufen, die meisten selbst wenn sie nie Suchtkriterien erfüllen mal mehr mal weniger nah am gefährlichen Zentrum, mit der Gefahr etwas schneller&tiefer abzustürzen bzw. an einen Punkt zu kommen, wo es dann schwerer wird wieder raus/weiter hoch auf die Scheibe zu kommen.
Wer sich bewusst komplett gegen Alkohol entscheidet, aus welchen Gründen auch immer, hat sich auf der Scheibe mit einem Pflock dauerhaft angeseilt und damit etwas(!) weniger “Bewegungsspielraum” im Leben, dafür die größtmögliche Sicherheit vor Absturz. Ich hoffe, das darf man so sagen…

Ich kann damit nicht umgehen deswegen lasse ich es, wer es kann, dem gönne ich es vom Herzen.
Also ich bewundere jeden, der kontrolliert mit Alkohol umgehen kann, und sich zum Essen ein Glas Wein einschänkt und dann die Flasche wieder wegstellt - und nicht über den Abend dann noch leert.
(...)
Leider musste ich erkennen dass ich nicht dazu gehöre. Ich bin kein großer Weinkenner, hab aber immer die Flasche leer gemacht. Der Genuss war immer nur Vorwand für die erhoffte Wirkung vom Alkohol.
Das beschreibt meinen überwiegenden “Lebenstatus” bisher ganz gut. Nur hab ich nie was dafür getan und bin kein Ausbund an Disziplin oder “Charakter”. Ich war als Teenager scheinbar nicht sooo beliebt oder hatte die “falschen” Hobbies. Hab genau einmal als Teenie und einmal als Student “mitgemacht” und mich wirklich besoffen, fand’s nicht toll und seitdem mag ich mal ein großes Glas oder zwei kleine, in der Regel mit netter Gesellschaft, danach schmeckt es mir nicht mehr und ich müsste es mir mit Nachdruck reinzwängen und eine angebrochene Flasche interessiert mich wenig. Ich hab glaube ich noch nie im Leben zum Trost oder zur Belohnung zu Alkohol gegriffen. Ich wünschte, ich könnte für mich dasselbe von Schokolade/Chips/Eis usw. sagen...
Von daher denke ich, dass mein Verhältnis zu Alkohol eine Mischung aus der eigenen Lebensgeschichte und Zufall ist, aber für mich nichts “Bewundernswertes”, ebensowenig ist niemand für mich gleich “verachtenswert” oder charakterschwach, bei dem es mit Alkohol nicht so entspannt ist.

Und ich merke auch sehr gut, wie schnell es gehen kann, dass man mal zwei oder drei Abende hintereinander was trinkt oder es stand auch schonmal morgens noch die angebrochene Weinflasche im Kühlschrank und ich dachte “Hmmm, lecker…”. In der Regel ist das mit einem “Ne, muss heute evtl. noch fahren” oder "Lieber heute oder morgen Abend zum Essen mit der Regierung" dann schnell erledigt, aber hab da auch schonmal jetzt mit dem vielen Home Office ein halbes Glas genommen, wenn’s was Leckeres war. Und dann gleich ein schlechtes Gewissen bekommen und an meine Kreisscheibe gedacht… Es gibt da kein eindeutiges lebenslanges Schwarz oder Weiß bzw. Gut oder Böse.
 
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Ich möchte zunächst mal @Avocado für das Eröffnen des Threads danken, und auch allen anderen für das ehrliche Teilen der Erfahrungen!

Ich bin Mitte 20, war bisher zu keinem Zeitpunkt meines Lebens ernsthaft am Alkoholismus dran und hatte sowas auch glücklicherweise nie im Familien- und Bekanntenkreis. Ich trinke jedoch v.A. in Gesellschaft gern Bier (und anderes), jedoch meist nicht mehr als drei Bier, weil darüber immer der nächste Tag drunter gelitten hat.

Zu diesem Thread und grundsätzlichen Gedanken über die Gesundheit kamen dann die Feiertage mit regelmäßigem, jedoch nie übermäßigem Bierkonsum. Ich hab zwar Lust auf den Geschmack, aber bei "gerade mal" drei Bier stört mich trotzdem schon der minimale "Kontrollverlust".

Da Bier mit Abstand mein häufigster Kontakt zu Alkohol ist, trinke ich seit gestern nur noch alkoholfreies.

Cocktails, Prosecco oder was mit Cola gemischt wohl gelegentlich weiter, weil es für mich ohne Alkohol geschmacklich keinen Sinn macht.

Nu weiß ich nicht, ob das überhaupt hier rein gehört, da ich keine ernsthaften Suchterfahrungen hab, und auch in Maßen weiter anderen Alkohol als Bier trinke. Ich danke euch aber trotzdem herzlich für den Denkanstoß in Form dieses Threads, den eigenen Konsum mal zu überdenken, und lese weiterhin gern mit 😃
 
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Schreib mal als eigentlich Aussenstehender, da ich mit Sucht als solches bei Alkohol kein Problem hatte. Bedingt durch irgendwelche nicht zu diagnostizierenden Autoimmunprozesse in meinem Körper, betrifft das in meinem speziellen Fall auch die Leber. Der geht es soweit gut seit ich das vor 10 Jahren erfahren habe. Hat wie gesagt nichts mit Alkohol zu tun, es wurde mir aber nahgelegt, den Alkoholkonsum trotzdem nicht ausarten zu lassen. Anfangs bin ich dem Rat gefolgt. Mal nen Bier oder Wein hier und da. Schlußendlich habe ich aber für mich entschieden, dass ich auf das eine Glas Wein oder Bier auch gut verzichten kann. Mittlerweile trinke ich extrem selten mal ein normales Bier (vielleicht 1-2 mal im Jahr), anderes nicht mehr (<0.5% kann durchaus bei alkoholfreiem Bier sein).
Anfangs waren Parties dezent seltsam, mittlerweile juckt es mich gar nicht mehr. Ist halt nach fast 10 Jahren Normalität und man kommt ohne Probleme damit klar.

edit: Man muss auch irgendwie erstmal abspeichern, dass man in Deutschland eher komisch angeschaut wird, wenn man auf Geburstagen usw kein Bier, Absacker, Schnappes. Irgendwie paradox. Alk ist die Normalität und nicht andersrum.
 
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Na, wie läuft der Dryanuary (oder wie das heißt) so?
Es ist nie zu spät mal wieder nichts zu trinken. 😊
Ich probiere das gerade, um meinen Vater und einen Kumpel mitzuziehen (nur der Vater hat dann mitgemacht). Zwei Wochen waren kein Problem, aber letzten Sonntag auf das ich-habe-alles-geschafft-was-ich-mir-fürs-WE-vorgenommen-habe-Bier zu verzichten, war nicht ganz souverän.
 
Ich hab letztens, nach zwei Wochen Verzicht, in Gesellschaft mal wieder zu normalem Bier gegriffen, weil ich kein alkoholfreies Zuhause hatte. Hat iwie echt nicht geschmeckt...

Jaaaa, find ich auch. Ich trinke gelegentlich mal n Bier und denk mir jedes mal "bah". Früher fand ich das lecker. Da reicht einfach auch n halbes Bier ("wir teilen uns eins") um auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen. Dann trinkt man wenigstens nicht die andere Hälfte weils halt noch da ist.
 
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