Alpencross Praxis- und Härtetest im Harz

nautilus

Der Rheinlandheimkehrer
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3. Februar 2003
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Frechen-Königsdorf
Nur zur Erinnerung, Dirk (nun auch hier im Forum unter „jabba-go“ vertreten) und meine Wenigkeit hatten den „Alpencross Praxis- und Härtetest“ geplant. Lediglich EL fand sich als treuer Begleiter dazu bereit uns in diesem Vorhaben zu unterstützen. Die Planung sah folgendes vor: Mindestens 160km und mindestens 4000hm (es sollten ja Alpencross Etappen simuliert werden).

Da ich die Angewohnheit habe Freitags meinen Schreibtisch ab frühen Nachmittag eben Schreibtisch sein zu lassen, brachen EL und ich pünktlich gegen 1600 gen „Alpencrosssimulationsparcour“ Harz auf. Der Haus und Hoflieferant mit dem großen A war von mir bereits heimgesucht worden, welches EL beim entern meines tieffliegenden Transportgefährts den freudigen Ausruf „wir bleiben wohl doch länger“ entlockte. Leider musste ich ihn enttäuschen. Nach gut zwei Stunden Tiefflug und einem kurzen Halt um noch lokales Flüssigbrot käuflich zu erwerben erreichten wir das ESK-Basislager Hochharz „Waidmannsheil“ Braunlage.

Da jede Expedition akribisch geplant werden sollte, waren auch wir natürlich vorbereitet. Nach der Inbesitznahme des Basislagers wurden schnell die Lampen (welche in weiser Voraussicht selbstverständlich im voll aufgeladenen Zustand zum Reisegepäck gehörten) an die geländegängigen und natürlich muskelbetriebenen Zweiräder montiert und auf gings in Richtung Wurmberg. Die langsam einbrechende Dämmerung und die Einsamkeit des tiefen Waldes um diese Uhrzeit waren wie Balsam für die Sehle. Langsam aber Stetig kurbelten wir bergauf. Vorbei an der Mittelstation der Wurmberseilbahn, über eine im Winter als Loipe gespurte Schneise im Wald und dann über die (leider geteerte) Versogungsstraße zum Gipfel. Gemeinsam mit dem Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die dort befindliche Skisprungschanze und nur mit Mühe konnte ich EL davon abhalten diese gemeinsam mit Fury auszuprobieren. Hier offenbarten sich auch erste Planungsschwächen unserer Expedition: EL hatte doch glatt die Mutticam im Basislager zurückgelassen. Diesen kleinen Schönheitsfehler konnten wir jedoch gut verschmerzen, brannte sich doch der wunderbare Sonnenuntergang über dem Harz unauslöschbar in unsere Hirne ein.

Die Abfahrt vom Wurmberg sollte dann über die Skipiste unterhalb der Seilbahn erfolgen. Die Lampen wurden also angeschaltet, der Arsch hinter den Sattel verschoben und ab gings in die Dunkelheit. In voller Konzentration auf den Lichtkegel der Lampen schossen wir bergab, EL immer relativ nah an meinem Hinterrad. Plötzlich tauchte in meinem Lichtkegel etwas unvorhergesehenes auf: Eine Rinne quer über den Weg, welche etwa 50cm breit und etwa genau so tief war. Schlagartig wurde mir klar, dass es zu spät war um den Arsch wieder auf den Sattel zu kriegen und den Lenker hochzuziehen. Bereits vor dem Einschlag wusste ich, dass es ein heftiger werden würde. Nur einen etwas gepressten Schrei „Vorsicht“ konnte ich noch rausbringen und dann kamen auch schon die Schmerzen. Der Sattel fuhr mir in den Magen und die Sattelstange touchierte schmerzhaft meine Familienplanung. Als ich bereits vor schmerzen krümmend neben meiner Luise auf und ab hüpfte, bemerkte ich dass meine Warnung ihren Adressaten leider nicht mehr rechtzeitig erreicht hatte: EL schlug neben mir zwar leicht gebremst aber immer noch schmerzhaft in die Rinne ein. So hüften wir beide mehr oder weniger fröhlich neben unseren Bikes auf und ab und genossen den Moment an dem die Schmerzen langsam nachließen.

Von derartigen Kleinigkeiten lässt sich natürlich ein Eisenschwein nicht beeindrucken und wir schwangen uns todesmutig wieder in die Sättel. Vorbei am Kaffehorst ging es dann auf den ehemalige Grenzweg. Dieser besteht aus diesen fiesen Panzerplatten, welche so schöne Rillen haben, in die ein MTB Reifen genau reinpasst. Mir sind diese Wege durchaus wohlbekannt, EL jedoch verfiel in sofortiges Fluchen über deren Beschaffenheit: diese konstante Schüttelpartie stellt einen echten Belastungstest für Mensch und Maschine dar. Tapfer lieferten wir also unsere Hirne, die Federelemente und vor allem die Handgelenke diesem Belastungstest aus, sollten doch noch ein paar Kilometer durchs obere Bodetal (Fuchsfarm) folgen. Leider stellte sich heraus, dass der Eluminator diesen Belastungsspitzen nicht gewachsen ist und er sich diesen durch heraushüpfen des Akkus aus dem Flaschenhalter zu entziehen versuchte. Ein spitzer Schrei von EL welcher plötzlich im Dunkeln stand, veranlasste mich dazu doch eben mal anzuhalten. Bei dieser Zwangspause wurde der Schaden analysiert und der Exitus der Sicherung registriert. So musste die Schleife über die Fuchsfarm leider ausfallen und wir nahmen den direkten Weg zurück zum Basislager. Die ersten 10km und immerhin 400hm waren bewältigt (nicht ganz zufriedenstellend aber wenigstens ein Anfang).

Zurück im Basislager wurde EL in die Kunst des fachgerechten zubereitens echt italienischer Spagetti Carbonara (ohne Sahne) eingeweiht. Der weitere Abend wurde mit dem lesen der Bedienungsanleitung meines neuesten Spielzeugs (HAC4+), dem begutachten des Alpencross Buchs und der dazugehörigen Software, dem dezimieren des Flüssigbrotvorrats und dem warten auf Dirk verbracht. Tief in der Nacht trudelte Dirk dann endlich ein und nach den üblichen Begrüßungsritualen fanden wir gegen 0230 dann den Weg in die Federn.

Am nächsten Morgen weckte uns bereits um 0730 der Wecker und nur weil ich mich nicht an fremdem Eigentum vergreifen wollte (Els Handy) landete er nicht an der Wand. Nach dem reichhaltigen Frühstück und den nötigen Wartungsarbeiten an Mensch und Maschine ging es dann doch erst gegen 1000 los. Die 50m vom Basislager zum ersten Trail fielen wirklich schwer, waren sie doch mit Asphalt belegt. Danach stellte sich jedoch sofort dieses wohlbekannte Zufriedenheitsgefühl ein, welches einen beim spüren von Waldboden unter den Stollenreifen regelmäßig ereilt. Leider mussten wir zunächst Braunlage durchqueren (halt wieder Asphalt) um dann den ersten Anstieg am dem Basislager gegenüberliegenden Hang in Angriff zu nehmen. Diese 100hm kamen gerade recht um die Muskeln aufzuwärmen. Der erste Singletrail Downhill wartete dann auf uns und brachte uns zum traumhaften Silberteich. Die dort rastenden Rentner konnten nur mit Mühe davon abgehalten werden über uns herzufallen, uns die gesamte Wegverpflegung zu entreißen und diese an die bettelnden Enten zu verfüttern (O-Ton: Sie haben doch bestimmt Brot in den Rucksäcken und die Enten sind doch so hungrig...). Nachdem einige Beweisfotos geschossen wurden ging es nun auf breitem Schotterweg etwa 400hm bergab ins Odertal. Unten angekommen nahmen wir den ersten ernstzunehmenden Anstieg rauf nach St. Andreasberg in Angriff. 500hm Schotterforstautobahn ließen erste Schweißperlen auf unserer Stirn erscheinen. Von St. Andreasberg ging es weiter Bergauf über einen traumhaften Singletrail mit super Ausblicken über die schroffen Täler des Westharzes zum Sonnenberg. Von dort über den Clausthaler Grabenweg (immer endlang eines kleinen Wassergrabens welcher früher die Energie zum Antrieb der Pumpen in den Clausthaler Zechen lieferte und durch Hektarweise abgestorbene Bäume deren Überreste wie Zahnstocher in den Himmel ragen) zum Torfhaus. EL war nur mit viel Überredungskunst davon zu überzeugen, nicht an jedem winzigen Bachlauf eine kleine Fotosession einzulegen und die Differenz zwischen reiner Fahrzeit und Reisezeit wuchs immer weiter an.

Der folgende 750hm Downhill über den Radauwasserfall bis nach Bad Harzburg hat echtes Suchtpotential. Unten angekommen hatten wir große Probleme das so entstandene Lächeln wieder aus den Gesichtern zu kriegen. Mein Hinweis darauf, dass nun ein Anstieg von über 900hm und an dessen Ende die viel gefürchtete 4km Rampe auf den Brocken auf uns warteten, halfen dabei dieses Lächeln loszuwerden. Es ging also zunächst Stetig und nicht zu steil über Schotterwege hinauf zur Eckertalsperre. Das hier zur Vermeidung der Verschmutzung des in der Talsperre befindlichen Trinkwassers aufgestellte Dixiklo wurde sofort von El in beschlag genommen und er entledigte sich noch vor der Rampe von etwa 2 Kilo Darminhalt. Sollte ihm dies den entscheidenden Wettbewerbsvorteil für die Rampe geben?

Als wir dann unten in die Rampe einfuhren, startete El sofort einen Angriff und zog uns davon. Dirk und ich warfen uns einen mitleidigen Blick zu und waren uns einig, dass er das Tempo nie durchhalten würde. Bis zur Herrmannsklippe stieg sein Vorsprung stetig so bis auf etwa 100 Meter an. Dann jedoch kamen wir näher ran und nach etwa zwei dritteln des Weges zog ich dann dass Tempo etwas an. Dies veranlasste Dirk dazu einen kurzen Fotostop einzulegen und ich machte mich allein auf die Verfolgungsjagd. Es gelang mir dann etwa 1km vor dem Gipfel zu El aufzuschließen und auch ihn zu überholen. So richtig los wurde ich ihn allerdings nicht. So kämpften wir bis oben und ich schaffte es etwa 20 Meter vor ihm den Gipfel zu erreichen.

Dort oben wurden natürlich etliche Poserfotos geschossen und wir trafen einen uns von den Marathons in Altenau und Clausthal bekannten Gesinnungsgenossen. Es wurde also etwas gefachsimpelt, die Aussicht genossen und die bewundernden Blicke der Rentnerschar entgegengenommen. Vom Gipfel aus ging es zunächst die Brockenstraße bergab und dann auf Forstwegen und ein paar wohlbekannten Singletrails bis nach Drei Annen Hohne. Die Terrasse der Lokalität direkt gegenüber des Bahnhofs der Brockenbahn kam wie gelegen und wir konnten einfach nicht anders als die Qualität des Kuchens dort zu testen. Wir waren uns einig: eindeutig ein befriedigend. Nach dem Verzehr mehrerer Kuchenstücke (die Grundgesamtheit muß für einen solchen Test ja auch ausreichend sein) beschlossen wir uns langsam zurück in Richtung Basislager zu orientieren.

Zunächst fuhren wir leicht bergab bis Elend und von dort immer bergauf an der kalten Bode entlang durch Schierke durch und bis zum dreieckigen Pfahl. Damit El auch noch was zum Fluchen hatte, wählten wir die Panzerplattenstraße in Richtung Wurmberg. Am Auslauf der dortigen Skischanze informierte ich meine Mitstreiter darüber, dass der Weg ins Basislager nicht etwa um den Wurmberggipfel herum führen sollte, sondern dass dieser Gipfel heute noch fallen müsste. Dadurch dass beide etwas orientierungslos waren und ich in meinem Rucksack die Karte hatte, waren sie jedoch gezwungen mir zu folgen. Den gesamten Anstieg über eine extrem Steile Skipiste lang hörte ich (natürlich von hinten) wie meine Mitstreiter mich und meinen in ihren Augen übermäßigen Ehrgeiz verfluchten. Von oben aus nahmen wir nun im hellen die Skipiste mit der tiefen Rinne (diesmal ohne schmerzhafte Erlebnisse) zurück zum Basislager. Die Daten des Tages: 81km, 2300hm.

Wie sich dass im Basislager gehört, wurde erst mal die Sauna angeworfen und nach deren ausgiebigem Besuch konnte El uns unter Beweis stellen, dass er am Vorabend gut aufgepasst hatte (es gab mal wieder Spagetti Carbonara).

Während meiner heutigen Mittagspause schaff ich leider die Zusammenfassung des Sonntags nicht mehr. Falls also einer der anderen Beteiligten dies erledigen will: be my guest. Ansonsten hab ich ja morgen wieder Mittagspause.

@EL und Dirk: wie sieht’s aus mit den Bildern?


Viele Grüße an alle die dieses Traumhafte WE nicht im Harz verbracht haben (das Wetter war übrigens traumhaft: 25Grad, sonnig und trocken)
 
Nach gut zwei Stunden Tiefflug und einem kurzen Halt um noch lokales Flüssigbrot käuflich zu erwerben erreichten wir das ESK-Basislager Hochharz „Waidmannsheil“ Braunlage.

OT: da ich oefter nach Herzberg fahre (Schwiegermutter) und dafuer eigentlich immer laenger als 2,5h mit dem PKW brauche, wollte ich mal wissen, wie Ihr das mit den gut 2h hinbekommen habt: Geheimweg durch den Harz, fliegendes Auto oder einfach Tempomat bei 250 eingeklinkt????

ansonsten weckt der Bericht natuerlich einfach nur Neid, Neid, Neid!!!
 
:( Statt zu den Bildern führt mich der Link nur zu einer doofen Fehlermeldung: "Fatal error: Call to a member function on a non-object ...".
Na, das klappt schon noch.

:) Dafür ist dein wunderbarer Bericht, Nautilus, so bildhaft schön, daß ich mich sogleich an die eine oder andere Örtlichkeit meiner MTB-Einsätze versetzt sehe.
Hoffentlich geht's bald weiter!

Viel Spaß wünscht
sketcher

:edit:
hier kommt man zu den Poserfotos!
 
seltsam :confused: isch schwöre isch habe konkret den link überprüft gehabt......allerdings könnte es daran liegen das ich noch als albumadmin eingeloggt war.....naja sketscher ich übe noch :D
 
Kaum vier Mittagspausen harte Arbeit steht nun der ganze Bericht (dabei wird mir doch schon wieder klar dass bei fünf schon fast Wochenende ist!):

Da wir Sonntag abends bereits wieder in Berlin erwartet wurden und das Basislager nach Rückkehr von der Tour noch in den Originalzustand zurückversetzt werden musste, klingelte der Wecker diesmal bereits um 0600. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch zu Müde um überhaupt irgendwelche Gedanken zu fassen, geschweige denn auchnoch Flüche auszustoßen. Relativ leise und mit eingeschaltetem Autopilot bewegten wir uns durchs Basislager und bereiteten das Frühstück vor. Dies wurde ausgiebig genossen und um 0830 saßen wir im Sattel. Zunächst wurde von allen (in diesem Falle auch mich eingeschlossen) über die doch noch ziemlich üble morgendliche kühle gemault. Im Anstieg zum Achtermann war das dann jedoch sofort Geschichte denn durch den Schwitzdruck machte sich wohlige Wärme unter den High-tech Textilien breit. Am Ende des Fahrweges angekommen schulterten wir die Bikes und erklommen den Gipfel. Die obligatorischen Poserfotos durften nicht fehlen und die einsamen, frühen Morgenstunden auf dem Gipfel waren ein Genuß.

Der folgende extrem felsige Weg lies dann El und mich erblassen. Dirk fuhr mit seinem Hardtail vorneweg ohne anzuhalten und schien sogar Spaß daran zu haben. El und ich mit unseren Sofas unterm Arsch scheuten jedoch vor jedem dritten „Felsenteppich“. Da ist offensichtlich noch einiges zu tun um die Fahrtechnik zu verfeinern. Weiter ging’s dann über Königsstuhl zum Odertal. Nachdem an einer Klippe (Name leider vergessen) ein atemberaubender Ausblick bewundert wurde, sausten wir bergab ins Odertal hinein. Unten angekommen fuhren wir immer an der Oder entlang bis zum Oderteich. Dort stellten wir fest, dass die anhaltende Dürre diesen ansonsten traumhaften Badesee zu einem kümmerlichen Dreckstümpel hatte werden lassen. Nachdem auch dieses Schauspiel fotografisch dokumentiert wurde ging es über einen Holzbohlenweg (irgenwie liegt einem dabei das Wort „Northshore Trail“ auf den Lippen) am ausgetrockneten Tümpel entlang in Richtung Oderbrück. Mittels eines kleinen Abflugs probierte Dirk aus, ob dieser Holzweg denn auch stabil sei: er war stabil und zum Glück Dirks Schulter auch.

Von Oderbrück fuhren wir in Richtung Dreieckiger Pfahl und entdeckten den nächsten bis dahin unbekannten Singletrail. Vom Dreieckigen Pfahl gings weiter nach Schierke und in anbetracht der Tatsache, dass meine Mitstreiter darum baten nicht mehr allzu sehr geschlaucht zu werden probierten wir einen neuen Weg in Richtung Brocken aus. Zunächst fuhren wir auf Asphalt bis zum Bahnhof Schierke um dann parallel zur Brockenbahn mit relativ geringer Steigung bergauf zu kurbeln (auf diesem Wege ersparten wir uns die extrem steile „alte Bobbahn“). Ich konnte ja nun wirklich nicht ahnen, dass dieser Weg durch seine extrem groben Schotterpassagen (Schotter in größen zwischen Tennis- und Volleybällen) doch relativ beschwerlich war. Als ich dann für die letzten Meter noch auf die „alte Bobbahn“ einbog, wurde hinter mir wiedermal lautes maulen angesetzt. Davon lies ich mich natürlich nicht beirren und so erreichten wir auch bald die Brockenstrasse. Kaum dort angelangt, kam doch glatt einer von hinten (mit Käfigpedalen am Tourenrad und riesen Ranzen auf dem Rücken) und setzte zum überholen an. Dies konnten wir natürlich nicht zulassen und Dirk und meine Wenigkeit hefteten uns an seine Fersen. Ich konnte ihn im folgenden steileren Stück auch überholen aber er blieb doch eisern an mir dran. Eigentlich hatten wir ja vor den Brocken heute links liegen zu lassen und auf zwei drittel des Anstiegs nach Ilsenburg abzubiegen. Dementsprechend musste ich leider beim nächsten Abzweig dann erst mal zwecks Abstimmung über das weitere vorgehen auf die anderen warten (dies kam mir natürlich gar nicht entgegen und hätte ich fortfahren können hätte ich ihn mit Sicherheit pulverisiert). An besagtem Abzweig wurde dann (unter Anwendung leichten Drucks meinerseits) basisdemokratisch (die Regeln: ich als Tourenverantwortlicher habe zwei Stimmen und bei Stimmengleichheit zählt meine Stimme doppelt) beschlossen den Brockengipfel eben doch noch in Angriff zu nehmen und dafür Ilsenburg links liegen zu lassen. Sogleich machten wir uns auf die Verfolgung des Käfigpedalenriesenranzenradlers, dieser war jedoch schon weit enteilt. Ersatzweise entbrannte ein Kampf zwischen mir und Dirk, welchen ich erst im steilen Stück kurz vor dem Gipfel entgültig für mich entscheiden konnte.

Dort angekommen irritierten uns die Vorbereitungen für einen Berggottesdienst doch etwas. El lies sich natürlich sofort zu Äußerungen wie „was will die Beklopptensekte hier, die Bibelwerfer sollen sich gefälligst verpissen...“ hinreißen. Um nicht als ähnlich intolerant ja fast sogar ignorant anderen Gegenüber dazustehen wie El, bliesen Dirk und ich zügig zum Aufbruch. Diesmal schossen wir die Rampe bis zu den Herrmannsklippen hinab. An diesem Abzweig wurde erst mal die Temperatur der Felgen überprüft und kurz erwogen vielleicht schnell ein paar Spiegeleier darauf zuzubereiten. In Ermangelung von Hühnereiern und der strikten Verweigerung aller Beteiligten eigene, ähnliche Körperteile zur Verfügung zu stellen, wurde beschlossen die arg geschlauchten Felgen mittels Fahrtwind etwas zu kühlen. Wir fuhren also in Richtung Heinrich-Heine Weg, querten diesen und machten uns in Form einer kleinen Schleife östlich um den Brocken herum zurück in Richtung Schierke auf. Leider hab ich die Karte nicht zur Hand und da auch ich mich dort in neuem Terrain befand muß ich die Wegpunkte aus dem Gedächtnis wiedergeben. Ich glaub es ging vorbei an den Zeterklippen zum Forstmeiser Sietz Weg und über diesen zum Bahnhof Schierke (Irgendwo war noch eine Kreuzung die irgendwas mit ...stern hieß. Dort machten wir eine kurze Rast und debattierten über das weitere Vorgehen). Leider wurde in dieser Passage unser Vorwärtsdrang durch zwei platte Reifen etwas gebremst.

In Schierke wurde mir dann eindeutig klar gemacht, dass heute keine Gipfel mehr in Angriff genommen werden. Obwohl ich zum Abschluß gerne noch mal auf den Wurmberg gefahren währe akzeptierte ich dies und wir fuhren an der kalten Bode entlang nach Elend. Von Elend aus kommt man ohne viel Höhenmeter sehr schnell immer entlang der B27 nach Braunlage. Auf etwa halber Strecke kehrten wir noch bei Kucki ein, der mit einer NVA Gulaschkanone an der B27 Erbsensuppe verkauft. Es wurde also in windeseile ein Liter Erbsensuppe, eine Bockwurst und eine Cola absorbiert. Dieses Mahl lag uns jedoch ziemlich schwer im Magen und so wurden dann die letzten Kilometer im Schneckentempo zurückgelegt. Am Ende standen dann wieder knapp 80km und 2050hm auf dem Tacho.

Der Rest ist schnell erzählt: Sachen packen, Basislager putzen, den obligatorischen Saunagang nicht vergessen und abfahrt nach Berlin. Durch das frühe Aufstehen und die doch relativ anspruchsvollen Touren hatte ich jedoch auf dieser Fahrt etwas mit der Müdigkeit zu kämpfen. Das einzige was mich noch wach hielt war das unaufhörliche Knurren von Els Magen. Dieser hatte bereits solchen Hunger, dass es ihm doch glatt die Sprache verschlagen hatte (ja einen sprachlosen El gibt es eben doch). Das erste amerikanische Spezialitätenrestaurant mussten wir wegen akuter Überfüllung leider links liegen lassen, hätte das warten auf Nahrung doch länger gedauert als dass erreichen der nächsten Burgerbraterei. Erst bei Magdeburg konnten wir unseren knurrenden Mägen so Linderung verschaffen. Gegen 2230 erreichten wir dann doch noch das Ziel und ich muß sagen: in der Nacht hab ich verdammt gut geschlafen.

P.S.: Irgendwie hab ich entlang meinen Schilderungen ein paar Kleinigkeiten völlig vergessen. Also lasst meinen Bericht noch mal vor eurem inneren Auge revue passieren und stellt euch dazu noch folgendes vor: fast nur blauer Himmel, die Sonne brennt, trotzdem nur etwa 25 Grad und damit perfektes Bikewetter, einsame Trails (ausgenommen natürlich die direkten Brockenwege), Stunden der Besinnung beim leisen rasseln der Kette über die Ritzel, der Geruch von Sommer und Natur in der Nase, Schweißtropfen die langsam von der Stirn durchs Gesicht laufen und Kühlung verschaffen, Gipfelblicke welche dass Gefühl vermitteln auf dem Dach der Welt zu stehen (wenn nicht auf dem Dach der Welt so doch wenigstens auf dem Dach Norddeutschlands), mit Zufriedenheit den Geräuschen von Dirks Luftpumpe beim aufpumpen seines Reifens nach einer Panne lauschen nur um kurzzeitig später selber der Dumme zu sein, in regelmäßigen Abständen zu spüren wie eine gehörige Portion Adrenalin durch die Adern fließt, bergauf das Gefühl zu haben dass jeden Moment die Rübe dem Druck leider nicht mehr standhält und einfach platzen wird,....

Unendlich könnte ich diese Aufzählung fortsetzen, also stellt euch einfach ein Bikewochenende in absoluter Perfektion vor und ihr seid relativ nah dran. Ergo: Ihr habt etwas verpasst!!!!!! Seid nächstes Mal dabei!!!!
 
@urfin: jetzt hab ich doch glatt vergessen auf deine Frage zu antworten:

Eindeutig eine Kombination aus deinen in den Raum gestellten Möglichkeiten:

1. Man arbeite an einem Ort welcher bereits südlich von Berlin direkt an der Autobahn liegt und erspare sich so den freitäglichen Nachmittagsverkehr (z.B. Dahlewitz).

2. Man stelle bei Auffahrt auf die Autobahn alle Regler auf Vollgas (leider erreicht meine Möhre nicht ganz 250km/h und ein Tempomat fehlt mir auch, aber langsam ist sie trotzdem nicht grade).

3. Man reise eben nur bis Braunlage wohin man über die B4 fast durchgängig auf mehrspurigen Schnellstraßen, immer auf der Vorfahrtsstraße (auch ohne einen Stern vornedrauf zu haben) und komplett ohne lästige Ampeln unterwegs ist (Herzberg ist da doch wohl etwas schwieriger zu erreichen).

Bei guter Verkehrslage und wenig zimperlichen Beifahrern habe ich die Strecke so schon in exact 2 Std. geschafft.
 
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