AlpX 2009, schon wieder ein Sommermärchen oder nicht alle Wege führen nach Rom

Eispickel, ich bin begeistert. Wo habt ihr nur immer diese imposanten Fototapeten her?

Besonders gespannt bin ich schon auf die Gegend um Neapel. Hattest du eigentlich als Vorbereitung 'Gomorrah' von Roberto Saviano gelesen?
 
Hallo Pirat,

vielen Dank ... selbst wenn es nur Dir gefallen würde, hätte es sich der Aufwand schon gelohnt ... :)

Also die Fototapete bekommt man da unten quasi an jeder Straßenecke hinterhergeschmissen. Da kann man eigentlich nicht so viel verkehrt machen.

@Neapel und Vorbereitung: zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich auf die gesamte Tour nicht wirklich gut vorbereitet habe. Ich hoffe, ich kann dem Erwartungsdruck auch in den Tagen nach den Alpen gerecht werden ;)

Lass uns mal wieder gemeinsam ne Runde drehen ... jetzt wo Du ja gut gespiked bist und bei den perfekten Bedingungen für Deine neuen Reifen wäre es mal wieder an der Zeit. Du weißt ja, die Kappe gewinnt man schließlich nicht im Juli :D

:winken:
 
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So, hab es endlich mal geschafft diesen fesselnden und sehr kurzweilig geschriebenen Erlebnisbericht zu Ende zu lesen und war von der mich umgebenen Realität ganz enttäuscht als ich wieder aufwachte. Das Betrachten der fotopreisverdächtigen Bilder ist ein Genuss, jetzt weiß ich erst, was ich mein ganzes Leben lang versäumt habe. Werde sie mir sicherlich noch mehrmals ansehen. Das sind Erlebnisse, von denen man ein ganzes Leben lang zehrt. Freue mich für euch und, ohne dich EP unter Druck setzen zu wollen, auf die Fortsetzung. Vielen Dank für die viele Mühe die Berichterstattung. :daumen:

Nur eine Frage habe ich da noch. Seid ihr wirklich alle abgebildeten Trails in den steilen Hängen, wie z.B. diesen hier, gefahren ??????? :confused: Wenn ja, weiß ich umso mehr, was ich für ein Angsthase bin.




Na dann EP, für dich eine flotte Feder und viel Spaß beim Verarbeiten der schönen Fotos. ;)

Viele liebe Grüße von sprotte. :winken:
 
Tag 11 – Der Auftrag

Der Tag beginnt und als ich durch unser Eingangs-WC zum Frühstück auf die Terrasse gehe, weiß ich bereits, dass ich heute wieder zurück auf die Petersberger Leger Alm fahren werde. Die Weiterreise ohne mein Handtuch kommt für mich nicht in Frage.

Nach einem leckeren, aber leider recht knappen Frühstück (die Nachschlagmarmelade wurde hart erkämpft) ist es an der Zeit, sich zu trennen. Um kurz nach 9 winke ich meinen Begleitern noch einmal zum Abschied, bevor ich auf der Straße den Weg zurück zur Petersberger Leger Alm eine mehr als ungewisse Reise antrete.

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Von hier kommen die ganzen Apples

Mein Plan ist eigentlich relativ simpel, ich will die einfachen Stücke fahren und die Strecken, die öde sind und nur Zeit kosten, werde ich versuchen, mich fahren zu lassen. Die Umsetzung meines Plans erweist sich dann allerdings doch viel schwieriger als erwartet.

Anfangs läuft noch alles wie am Schnürchen und ich stehe nach einer knappen Stunde Fahrzeit in Mezzocorona ... und somit vor dem ersten Problem. Die erste Mitfahrgelegenheit des Tages lässt sich einfach nicht auftreiben. Knapp anderthalb Stunde später habe ich immer noch nichts Passendes gefunden und bin zu allem Unglück noch keinen Meter weiter vorangekommen.

Ich entschließe mich also notgedrungen zur Weiterfahrt. Unterwegs halte ich immer wieder Ausschau nach einer günstigen Mitfahrgelegenheit, aber anscheinend soll es heute einfach nicht sein. Oft fehlen mir einfach ein paar Sekunden zur Kontaktaufnahme zu einer guten Mitfahrgelegenheit. So richtig Lust auf fahren habe ich nicht, aber ich kann ja auch schlecht ohne mein Handtuch wieder zurückkehren. Die "wir haben es doch gleich gewusst" Blicke der anderen würde ich nicht ertragen können, außerdem habe ich einen Ruf zu verlieren! Also geht es weiter. Und weiter...

Es ist bereits kurz vor 13 Uhr, als ich in Laives eintreffe. Von hier aus muss ich nur noch 1500 hm bergauf und schon bin ich wieder auf der Alm :D Ich schaue noch mal auf die Karte und stelle fest, dass alles halb so schlimm ist. Es sind ja schließlich nur noch 15 km. Na wer sagt’s denn... das klingt doch schon viel besser.

Da meine Trinkwasservorräte leer sind, ich an sämtlichen Supermärkten der letzten 30 km nicht angehalten habe, aber die Sonne trotzdem unbarmherzig brennt, halte ich am letzten Haus im Ort noch mal an und frage nach Aqua freddo (kaltem Wasser). Wie sich herausstellt, wohnt in dem Haus die Caritas und die hilft sogar mit frischem Mineralwasser aus der Flasche aus. :daumen:

Bei der Streckenwahl habe ich mich natürlich für die Entfernungsvariante ohne Berücksichtigung der Höhenmeter entschlossen. Anfangs überlege ich sogar noch kurz, statt dem roten Wanderweg einen alten rot gestrichelten Trampelpfad zu nehmen. Der ist noch kürzer als die "Kurzstrecke", aber dafür wahrscheinlich noch steiler und anstrengender. Die Höhenlinien machen jedenfalls in dem vor mir liegenden Streckenabschnitt treffen sich ausgerechnet alle an der Stelle wo ich hoch will. Wie es aussieht muss ich mich wohl auf einen etwas anstrengenderen Aufstieg gefasst machen.

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Wasser ... kann man hier auch baden?

Die (Rest-)„Vernunft“ siegt letztendlich und ich nehme den Anstieg über den in der Karte eingezeichneten Wanderweg in Angriff. An fahren ist hier nicht mal ansatzweise zu denken, denn es ist extrem steil und der Weg ist mit riesigen Felsbrocken und groben Schotter überzogen. Jeder Meter ist hier wirklich hart erkämpft.

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Wo gehts denn hier bitte zur Rolltreppe?

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Das nächste Mal nehme ich auf jeden Fall den einfach(st)en Weg

Nach einer guten Stunde bin ich so was Ähnliches wie oben... (hoffe ich) oder zumindest erst mal höher als vorher. Meine Getränkevorräte sind komplett aufgebraucht und Pausen habe ich mir bis hierher auch noch keine gegönnt. Eine kurze Törtchenpause muss jetzt einfach sein und verschafft mir etwas Luft, aber die Zeit drängt. Wenn ich mich ab jetzt richtig beeile und es nicht weiterhin so steil bergan geht, könnte ich gegen 16:00 Uhr auf der Alm sein.

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Ich hoffe die hält so lange bis ich drüber bin

Da es trotz der zunehmenden Höhe nicht kühler wird und immer noch weiter bergauf geht, sind die fehlenden Getränke das größte Problem. Außerdem macht sich so langsam auch die fehlende Energiezufuhr bemerkbar. Ein Minitörtchen auf 80 km in den Alpen scheint zu wenig zu sein, um im Anstieg auch noch Tempo machen zu können.

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Ich durfte das Kloster dann auch nochmal aus der Nähe sehen

Die letzten Meter zur Alm sind wirklich hart, aber ich habe keine Zeit für eine Pause und will unbedingt ohne weiteren Stopp bis zur Alm durchkommen. Es ist bereits kurz vor 17:00 Uhr als ich endlich oben ankomme und sehr erfreut mein Handtuch in Empfang nehmen kann. Das erste Ziel des Tages ist somit erreicht. Ich überlege mir, dass ich es jetzt geschafft habe, bis um 17 Uhr am Ausgangspunkt des gestrigen Tages anzukommen und versuche abzuschätzen, wie lange es wohl noch dauern wird, bis ich am Endziel der heutigen Etappe angekommen bin. Der Denkansatz erscheint mir aber dann doch nicht wirklich zielführend und ich verwerfe diesen schwachsinnigen Gedanken.

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Zurück auf der Alm

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Zu mehr war ich nicht mehr in der Lage

Eine etwas längere Pause mit ausreichend Wasser und 3 Törtchen gönne ich mir jetzt, denn in der nächsten Etappe muss ich wieder runter bis Bozen. Die Abfahrt führt leider nicht ganz so durchgehend bergab, wie ich dachte und es müssen noch einige Gegenanstiege gemeistert werden.

Unterwegs macht auch noch mein Sensor für den Bikecomputer schlapp und es wird eine Isobandreparatur notwendig. Das Finale runter nach Bozen hat es dann wieder in sich... extrem lange Tunnelabfahrten mit Tempo 60 lassen (warum auch immer ... vielleicht weil es endlich mal schnell voran geht) die gute Laune zurückkehren. Es ist bereits 18:30 Uhr als ich an der Mautstation der Brennerautobahn ankomme.

Jetzt schnell ein Shuttle nach Trento organisiert und alles wird gut. Leider ist es weiterhin nicht mein Tag. Alle Shuttles fahren entweder nach Norden oder nach Meran. Nach Süden will leider niemand. Nach etwas mehr als einer halben Stunde entscheide ich mich dafür, nach Bozen zu fahren und den Zug nach Trento zu nehmen. Als mein Zug gegen 20:00 Uhr in Trento einfährt, bin ich zufrieden und hungrig.

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Trento in der Abenddämmerung ...

Da es nun endlich so etwas wie erste Erfolge zu vermelden gibt, kann ich nun auch die restlichen Reisenden vom aktuellen Stand unterrichten. Wie ich höre, wurde bereits Quartier bezogen. Meine Planung sieht weiterhin vor, noch heute zu den anderen zurückzukehren. Wir verbleiben so, dass ich mich wieder melde, wenn ich in der Nähe bin oder etwas Ungeplantes dazwischenkommt.

Nach einer großen Portion Pasta frage ich nach dem Weg in Richtung Zuclo. Mit Staunen vernimmt man meine Aussage, heute noch mit dem Rad hin fahren zu wollen. Wenn ich die Leute richtig verstanden habe, sind es nur noch knappe 60 km und viele, dummerweise sogar (geschätzte) vierstellige Höhenmeter bis zu meinem Ziel. Ich lasse mir meine eigenen Zweifel nicht anmerken, denn schließlich ist es bereits deutlich nach 21:00 Uhr, und schalte fröhlich meine Funzel an und verschwinde im Dunkel der Nacht.

Die Straße, auf der ich mich bewege, windet sich Serpentine für Serpentine in den Himmel. Ein Ende des Anstieges ist nicht absehbar und wenn ich die Karte richtig in Erinnerung habe. müsste es bis mindestens 1000 hm rauf gehen. Um mich herum ist es stockdunkel und abgesehen von einem Wahnsinnsblick über die Lichter von Trento gibt es weit und breit nichts außer Kurven.

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Das waren wirklich besondere Momente da mitten in der Nacht hochzukurbeln ...

Zum Glück ist es nicht kalt und das Wetter spielt auch mit. Ich fühle mich gut. Da es bergan geht, ist es angenehm warm und ich bin vollkommen gepusht von dem Wahnsinnsplan, jetzt noch nach Zuclo zu fahren. Ein Nightride mit kurzen Klamotten in den Alpen macht man schließlich auch nicht alle Tage. Ich entschließe mich trotzdem dazu, bei den wenigen vorbeikommenden Autos mal vorsichtshalber den Daumen rauszuhalten. So langsam könnte mich wirklich mal jemand ein Stück mitnehmen, schließlich sind es noch mehr als 50 km und ein Ende des Anstieges ist so schnell nicht zu erwarten.

Da ich in der Dunkelheit nicht sehe, was für ein Auto hinter mir kommt, wird alles angehalten, was vorbeikommt. Als nach einer guten halben bis dreiviertel Stunde dann sogar mal jemand stoppt, hält meine Freude nur kurz, denn es ist ein nagelneuer Corsa. Dass die Italiener aber auch immer so kleine Autos fahren müssen, denke ich, als ich mich dem Fahrer noch einen schönen Abend wünschen will.

Allerdings habe ich nicht bedacht, dass Italien nicht Deutschland ist. Der Fahrer ist ebenfalls Mountainbiker und sein Bike liegt demontiert im Kofferraum. Das Auto ist somit nach deutschen Maßstäben voll. Er fragt, wo ich hin will, und quetscht mich nach meiner Antwort ohne zu zögern mitsamt meinem Bike noch mit in den Corsa. Schnell und bequem aber deutlich unspektakulärer geht es bergauf. Leider dauert der Spaß nicht lange denn mein freundlicher Fahrer ist bereits im nächsten Dorf zu Hause.

Ich bedanke mich trotzdem vielmals bei ihm und baue rasch mein Bike wieder zusammen. Das ganze dauert nur wenige Sekunden und so schnell wie ich in dem Dorf aufgetaucht bin, so schnell verlasse ich das Dorf und verschwinde wieder in der Dunkelheit der Nacht. Es geht weiter moderat bergan und eine unglaubliche Serpentinenstraße bringt mich Meter für Meter sanft weiter nach oben. Autos gibt es jetzt fast keine mehr und es ist genügend Zeit, um die Gedanken ein wenig schweifen zu lassen.

Auf einmal werde ich von einem Polizeijeep überholt... na ja, egal, die werden schon nix sagen... aber eigentlich hätten die mich ruhig ein Stück mitnehmen können... ist Rad-Trampen in Italien eigentlich erlaubt?

Eine gute Viertelstunde später überholen die mich doch glatt noch mal. Ooops, ich dachte, die sind längst zu Hause... woooaah... jetzt halten die auch noch in der nächsten Kurve... und machen jetzt auch noch das Blaulicht an. Na Klasse, das hat mir ja noch gefehlt...

Ich hab natürlich schon wieder vergessen, dass ich in Italien bin, denn da ticken die Uhren anders. Wie sich herausstellt, ist die Polizei gar keine Polizei, sonders es sind zwei Jungs (und das im wahrsten Sinne des Wortes) von der Feuerwehr, die einfach nur in den nächsten Ort fahren wollen, um da ein Bier zu trinken.

Mein Italienisch ist fast so gut wie das Englisch der beiden zusammen und als sie verstanden haben, dass ich noch bis Zuclo will, wird kurzerhand das Vorderrad demontiert und ich finde mich keine zwei Minuten später mit meinem Bike auf der Rückbank des Jeeps wieder. Nach 10-15 min Fahrtzeit erreichen wir den Gipfel. Mit dem Bike hätte ich mindestens noch eine halbe Stunde oder länger gebraucht. Ich bedanke mich und die Jungs bestaunen mich noch ein wenig beim Einbau des Vorderrades, bevor ich mit Blaulicht verabschiedet werde.

Es muss bereits kurz nach 22 Uhr sein, ich befinde mich endlich in der Abfahrt irgendwo nach nirgendwo... wo bin ich eigentlich? Es kann ja nur in Richtung Zuclo sein... falsch fahren wäre jetzt definitiv nicht gut. Es ist kühl geworden, aber wirklich kalt ist mir nicht, da einem bei Tempo 40-50 km/h in stockdunkler Nacht mit einer Sigma Power LED auf einer kurvenreichen Bergstraße niemals kalt wird. Zum Glück kommt ein Auto vorbei, an dem ich mich bis in den nächsten Ort hinein orientieren kann.

Ich fahre ewig bergab und überlege die ganze Zeit, ob ich überhaupt noch richtig bin. Irgendwann an einem Kreisverkehr angekommen, halte ich ein Auto an und erkundige mich. Mir wird sehr freundlich weitergeholfen. Es sind nur noch knapp 40 km, einfach hier die Straße den Berg hoch. Da die Sache mit dem Mitnehmen inzwischen deutlich besser als am Tage läuft, versuche ich weiter mein Glück.

Kurze Zeit später hält erneut ein Kleinwagen an. Ich weiß inzwischen, dass hier so was noch lange nichts zu heißen hat, selbst wenn man ein Bike dabei hat. Die Fahrerin ist wirklich sehr nett und kann nicht glauben, dass ich um kurz vor 23 Uhr noch bis Zuclo will. Sie nimmt mich natürlich nur mit, um mehr darüber zu erfahren. Man braucht hier anscheinend einfach nur ne gute Story, dann passt das schon. Die nächsten 20 km sind gerettet, denn dann ist das Taxi zu Hause und ich muss alleine weiterfahren. Ich bin nicht unglücklich darüber und während ich ihr in einem Kauderwelsch aus deutsch, englisch und italienisch berichte, was ich hier überhaupt mache und wie es dazu gekommen ist, bemerke ich, wie müde und erschöpft ich bereits bin.

Mein Adrenalinpegel fällt wieder auf Normalmaß und mir fällt auf, dass es bis hierher bereits ein wirklich langer Tag war. Die Story mit dem Handtuch verschweige ich besser, um nicht den letzten Funken Glaubwürdigkeit zu verspielen.

Meine Geschichte ist dennoch anscheinend so gut, dass mir sogar angeboten wird, dass ich bis Zuclo gefahren werden könnte. Anfangs lehne ich energisch ab und sage, dass ich die letzten 25 km auf jeden Fall fahre werde, aber je länger wir fahren, desto weniger leiste ich Widerstand. Irgendwann sind es nur noch 5 Kilometer ich sitze immer noch in dem Auto und meine Fahrerin lässt sich nun nicht mehr davon abbringen, mich bis nach Zuclo zu fahren, zumal sie mir erzählt, dass sie selbst noch nie da war.

Es ist kurz vor halb 12, als ich mich mit tausenden Dankesworten in allen möglichen Formen und Sprachen von meiner Fahrerin verabschiede. Wie sehr und warum ich ihr für den Shuttleservice bis vor die Haustür so dankbar bin, wird mir erst eine halbe Stunde später wirklich bewusst.

Jetzt habe ich erst mal andere Sorgen. Wie hieß doch gleich noch mal das Hotel? Will hatte vor über drei Stunden irgendwas von einer Kirche erzählt. Aber was war das doch gleich noch mal?

Ich fahre also erst mal los, komme in dem Dorf natürlich als erstes an einer Kirche vorbei und als die Verwirrung zu groß wird und ich umdrehen will, um in der verlassenen Kneipe kurz vor Feierabend noch schnell neue Informationen einzuholen, höre ich ein leises Pfeifen aus der Dunkelheit. Die AX Brüder und Schwestern stehen vollzählig auf dem Balkon und erwarten mich bereits. Ich war endlich am Ziel und ich war wirklich sehr, sehr froh darüber.

Zehn Minuten nachdem ich mein Bike in einem Gebüsch im Garten mit einem Drahtseil gesichert hatte und in der Unterkunft stand, begann draußen ein heftiges Gewitter und ich war überhaupt nicht traurig, dass mein Biketag jetzt bereits vorüber war. Mille, mille gracie again and again an all die Autofahrer, die mich heute Nacht mitgenommen haben.

Über meine Nacht auf dem Fußboden berichte ich vielleicht irgendwann einmal, aber an dieser Stelle ist definitiv Schluss für heute. Morgen geht’s nach Riva – für mich das Finale Teil 1.
 
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@Sprotte ... mach Dir mal keine Sorgen, ich bin diesen Teil des Weges jedenfalls auch nicht gefahren :D Bin doch (noch) nicht total bescheuert :spinner:

:daumen:

ED: @Sprotte again: ich dachte mir, Du freust Dich bestimmt wenn ich dir noch was frisches zum lesen für den heutigen Abend mitgebe :)
 
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Wow, die Frage ist doch: Was war in dem Handtuch, dass du dafür diese Extrarunde auf dich genommen hast?! :eek:
Meine Vermutung ist: SCHWARZGELD! :lol:

Die Italiener sind echt hilfsbereit. Uns hat auch mal eine nette Barbesitzerin nachts in Salerno zum nächsten Campingplatz chauffiert. :daumen:


Lass uns mal wieder gemeinsam ne Runde drehen ... jetzt wo Du ja gut gespiked bist und bei den perfekten Bedingungen für Deine neuen Reifen wäre es mal wieder an der Zeit. Du weißt ja, die Kappe gewinnt man schließlich nicht im Juli :D

Ab morgen besuche ich erst mal für eine Woche die "Königin". :cool: Danach habe ich hier viel zu lesen und dann machen wir mal eine Eistour - der Winter scheint ja noch eine Weile zu bleiben!
 
Tag 12 – Die letzten Meter nach Riva

Nach einer Nacht, die ich mehr schlecht als Recht in Erinnerung behalten werde, beginnt der letzte Tag unserer gemeinsamen Alpenquerung so, wie er sich gestern von uns verabschiedet hat. Die Wolken sind grau und hängen tief über den Bergen. Von der wunderbaren sommerlichen Atmosphäre ist nichts mehr geblieben, im Gegenteil, es sind bereits erste frühherbstliche Tendenzen zu verspüren.

Es regnet... schlechtes Wetter kann so grausam sein. Für mich gibt es eigentlich nichts Schlimmeres als Regenwetter. Es nützt aber alles nichts, wir wollen nach Riva und endlich gibt es für mich mal die Gelegenheit, meine Regenklamotten auszuprobieren.

Es ist kühl und dieser nasskalte italienische Regen ist nicht wirklich mein Freund. Ich merke die Kilometer des gestrigen Tages deutlich in den Beinen, aber zum Glück ist die letzte Etappe nicht allzu lang. Aufgrund des Wetters fahren wir anfangs hauptsächlich auf der Straße, aber nachdem es ungefähr nach einer Stunde aufhört zu regnen, werden sofort Routenoptionen geprüft und Alternativpläne zum Straßentransfer geschmiedet. Keine 500 m weiter biegen wir von der Straße ab und es geht asphaltfrei weiter.

Nach einem Kurzbesuch in Balbido (übrigens ein sehr schönes kleines Bergdorf) fahren wir weiter zum Lago di Tenno, wo wir nach gut 30 km Fahrt auch gegen Mittag eintreffen. Die Wolken haben sich gelichtet und ab und an schaut auch die Sonne nach uns.
Am Lago ist ein großes Mittagspicknick geplant.

Jeder holt seine Lunchpakete raus und wir lassen es uns schmecken. Da auch auf die Sonne Verlass ist, können wir nach dem Essen auch dieses Jahr wieder im See schwimmen gehen. Das Wasser ist angenehm warm und die Bergkulisse einfach nur schön. Es ist herrlich und ich könnte stundenlang in diesem See rumschwimmen... :love: :love: :love:

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Zu Hause am Lago di Tenno ...

Schnegge und JayPKay haben anscheinend Torschlusspanik und wollen noch über den Sentiero de la Pace eine ambitionierte Einführungsrunde nach Riva nehmen. Will und ich lassen es ruhiger angehen und entscheiden uns dafür, noch eine Runde schwimmen zu gehen. Wir wollen schließlich in fünf Tagen in Rom sein und da warten noch genügend Kilometer auf uns.

Wir verabreden uns alle zu 18 Uhr an der Jugendherberge in Riva. Nach einer ausgedehnten Pause fahren Will und ich über Campi runter nach Riva.

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Einflug nach Riva ...

Irgendwie ist die Ankunft in Riva dieses Jahr anders als im vergangenen Jahr. Ich freue mich, dass ich es wieder ohne größere Pannen, Unfälle oder anderweitige Missgeschicke bis hierher geschafft habe. Aber es ist noch nicht vorbei, sondern meine Reise geht noch sehr viel weiter. Irgendwie ist das `n komisches Gefühl, anders als 2009 jedenfalls. Nichtsdestotrotz gibt es jetzt erst mal ein fettes Belohnungseis.

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Nix neues in Riva - alles wie immer ... schon 1000x gesehen aber immer wieder schön

Als die „Longdistance-Rider“ verfrüht in der Jugendherberge eintreffen, sind wir überrascht zu hören, dass der Weg Widerstand geleistet und die beiden in die Irre geführt hat. Letztendlich sind Schnegge und JayPKay dann auf Grund der fortgeschrittenen Zeit auf dem gleichen Weg wie wir runter nach Riva gekommen.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Herberge fahren wir in den örtlichen Supermarkt, um für das traditionelle „letzte gemeinsame AX-Abendmahl“ einzukaufen. Da heute auch das Wetter mitspielt und wir noch genügend Zeit haben, geht es anschließend mit voll bepackten Rucksäcken rauf auf den Monte Brione. Bei meinem vierten Besuch in Riva habe ich es dann auch endlich mal auf diesen fast schon mythischen Berg geschafft.

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Das Buffett ist eröffnet ...

Wir fahren bis hoch zu dem alten Bunker und der Blick von hier auf Riva, den See und die Berge ist traumhaft. Die Abendstimmung, unten im Ort wo bereits die ersten Lichter eingeschaltet werden, es passt einfach alles. Vor dem Essen werden noch massenhaft Abschiedsfotos geschossen und dann wird fürstlich gespeist, bevor es in der Abenddämmerung wieder runter zu Antonio in die Jugendherberge geht.

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Noch ne Variante (ich glaub die letzte unveröffentliche) der Brione Foto-Session. Man sieht deutlich, der Wahnsinn geht weiter :D

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Die weiteren Aussichten sind undurchsichtig ... was uns morgen wohl hinter dem Nebel erwartet???

Der Alpencross ist somit Geschichte, aber die Reise geht (zumindest für Will und mich) dennoch weiter. So wie ich die Sache einschätze, liegen sehr aufregende Tage vor uns :)
 
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Sehr schön. Das wäre geschafft.

Und es wird auch Zeit das es weitergeht. Diese Sache mit "Rom" im Threadtitel ist seit Monaten ein uneingelöstes Versprechen!:D
 
Tag 13 – Auf unbekannten Wegen in Richtung Süden

Der Tag beginnt früh – für normale AX-Reiseverhältnisse sogar sehr früh. Da für Schnegge und JayPKay der Zug in Richtung Brenner bereits um 9:00 Uhr in Rovereto abfährt und der Transfer dahin natürlich standesgemäß mit dem Rad erfolgen soll, sind wir um 7:00 Uhr die ersten Gäste beim Frühstück. Nach fast zwei Wochen heißt es nun Abschied voneinander nehmen.

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Abschied

Auch wenn man es mir wahrscheinlich nicht anmerkt, aber der Abschied von den beiden fällt mir gar nicht so leicht. Wir können doch nicht einfach ohne die beiden weiterfahren? Wer soll sich denn jetzt um die Routenplanung kümmern und dafür sorgen, dass wir immer ausreichend vorankommen? Da die Zeit drängt, dauert es nicht lange, bis es soweit ist, die beiden sich verabschieden und durch das eiserne Tor der Jugendherberge verschwinden.

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Die Reiseleitung setzt sich ab :heul:

Will und ich packen in Ruhe unsere Sachen und verlassen eine gute halbe Stunde später, um kurz nach 8 Uhr, auch Antonios Herberge. Wir wissen zwar noch nicht genau, was uns erwartet, aber unser Tagesziel heißt „so weit wie möglich in die Nähe von Bologna fahren“.

Am Vorabend hatten wir uns dafür entschieden, über die Uferstraße auf der Ostseite des Sees entlang immer weiter nach Süden zu fahren. Die zweite Option mit dem Radweg an der Autobahn entlang in Richtung Verona wurde verworfen.

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Falls sich schon jemand mal gefragt haben sollte, was wir die ganze Zeit in den großen Rucksäcken mitschleppen ... hier die Auflösung. Mit dem Stoff kommt man 1a durch Italien :D

Bei der Ausfahrt aus Riva ist eigentlich alles wie immer. Ich habe das Gefühl, zu einer schönen Tour in die Berge aufzubrechen. Fahren wir auf den Altissimo oder doch lieber den Tremalzo? Nachdem wir Torbole hinter uns gelassen haben und immer noch auf der Straße sind, muss auch ich mich der unschönen Realität stellen.

Der Autoverkehr ist ja sowas von ätzend. :mad: Immer wieder schaue ich mich um und versuche, noch so viel wie möglich von der mir inzwischen fast heimatlich verbundenen Ecke um Riva mitzunehmen.

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Auf Wiedersehen! Arrivederci!, adiós!, Au revoir!, See you again!

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Gestern noch Picknickziel nun nur noch in weiter Ferne am Horizont zu sehen - Monte Brione

Ist unser Tempo mit den schweren Rucksäcken anfangs noch recht verhalten, so steigern wir uns mit der Zeit auf einen guten 25er Schnitt. Die ersten 60 km fahren wir ohne Pause durch und wir kommen wirklich gut voran. Je weiter wir nach Süden fahren, desto kleiner werden die Berge und sie weichen auch immer mehr vom Ufer zurück. War es heute Morgen noch leicht bewölkt, so haben wir inzwischen auch wieder einen strahlend blauen Himmel und die Sonne brennt bei stetig steigenden Temperaturen immer intensiver vom Himmel.

Ein spontan geplanter letzter Badestopp am Gardasee muss mangels Strandangebot an dem völlig zugebauten und von Menschen- oder Automassen überlaufenen Ufer leider entfallen. Der Autoverkehr der letzten zwei Stunden auf der Straße hat mich bereits mehr Nerven gekostet, als der Verkehr in den letzten zwölf Tagen zusammen. Es ist (wie ich heute weiß) allerdings nur die Einstimmung auf die kommenden Tage.

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Schwimmen im Hafenbecken verboten!

Die Krönung sind allerdings die italienischen Vergnügungs- und Eventparks, die nach amerikanischem Vorbild überall am Straßenrand aufgebaut wurden. Für Radreisende wie uns, die gerade aus dem Alpenparadies kommen, ist das mehr als nur ein kleiner Kulturschock. Am südlichen Ende des Gardasees, in Peschiera del Garda, verlassen wir die Straße und treffen auf einen kleinen Radweg, der uns an einem Kanal entlang in Richtung Süden führt.

Zur Orientierung haben wir eine Karte, ein DIN A4 Blatt groß, auf der alles Wichtige zwischen Riva und Bologna eingezeichnet ist. Mehr als eine sehr grobe Übersicht steht uns also nicht zur Verfügung. Genaueres Kartenmaterial wurde aus Gewichts- und Platzgründen sicherheitshalber zu Hause gelassen. Wer braucht schon Landkarten :confused:

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Der Kollege startet deutlich geschmeidiger durch als wir ... der kleine Bruder vom Regierungsflughafen Schönefeld. Zu unserem Glück wurde dem Piloten der Unterschied zwischen Radweg und Landebahn anscheinend bereits ausreichend erläutert

Nach den Hinweisschildern zu urteilen, hab ich keine Ahnung, wo wir sind. Vom Bauchgefühl her müssten wir jedoch richtig sein. Es ist inzwischen nicht nur verdammt heiß, sondern auch der Wind kommt mehr und mehr direkt von vorne. Das Tempo ist relativ bescheiden und wir kämpfen uns regelrecht Meter für Meter voran. Über Valeggio sul Mincio und Roverbella geht es immer weiter nach Süden in Richtung Mantova. Der todlangweilige aber dafür autofreie :love: Radweg ist jedenfalls deutlich angenehmer zu fahren als die Straße von heute Morgen.

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Der idyllischste Ort des Tages ... ein Museumsdorf bei Valeggio sul Mincio

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Hier lässt es sich auch an heißen Tagen gut aushalten

Nach einem kurzen Stop geht es für uns weiter in Richtung Süden. Gegen 13 Uhr machen wir eine weitere kleine Pause an einem der hier sehr verbreiteten Bewässerungskanäle. Wir befinden uns bereits inmitten der Po-Ebene und die Ebene ist für Mountainbiker das, was der Name verspricht – für ´n Ar***.

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Endlich ne Pause, Abkühlung für die Füsse und ein wenig Erholung

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Worauf haben wir uns nur eingelassen?

Der Radweg zieht sich deutlich länger in die Länge als uns lieb ist und selbst kleinste Bodenwellen sind eine Qual. Eine gute Stunde nach unsere Pause erreichen wir Mantova wo der Radweg endet. Der in Mantova längst überfällige und fest eingeplante Pastastopp fällt auf Grund der tollen italienischen Mittagspause aus.

Dennoch brauchen wir irgendetwas zu essen, da wir beide ziemlich hungrig sind. Nachdem die Getränkevorräte in einem Supermarkt aufgefüllt wurden, geht es erst mal weiter. Wir versuchen weiterhin ein Restaurant mit Pasta zu finden, scheitern mit all unseren Versuchen jedoch kläglich. Mehr als eine sehr luftige Mikrowellenpizza, die weder satt macht noch Energie bringt, springt bei unserer Suche letztendlich nicht für uns heraus. Es ist mehr ein Beruhigen des Kopfes und ein Betrug am Bauch, dem vorgegaukelt wird, dass es neue Energie gibt.

Beim Blick auf unsere Karte sehen wir, dass es nicht so schlecht wäre, wenn wir noch ein sehr großes Stück weiterfahren würden. Die Gegend ist einfach zum Vergessen und wir wollen nur noch so schnell wie möglich weg hier. Unsere Stimmung ist nicht gerade die beste. Permanent Autos, Lärm und Abgase und dazu kommt eine Umgebung, die mich bei den Gedanken an die letzten Tage einfach nur depressiv werden lässt :kotz:

Irgendwann überqueren wir bei San Benedetto Po den Po, aber es bleibt weiterhin alles beim Alten. Die Gegend ist sogar noch flacher als Brandenburg. Überall Felder und alte, teils verfallene Häuser. Bei genauerem Betrachten meiner Umgebung fühle ich mich an die weiten Einöden im Nordwesten Brandenburgs erinnert. Von Bella Italia ist hier weit und breit nichts zu sehen.

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The world famous ass river

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Prignitz vs. Po-Ebene - rein optisch ist erstmal kein großer Unterschied zu erkennen

Wie wir nach Mirandola gekommen sind, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass es sich nicht lohnt, dort mit dem Mountainbike lang zu fahren.

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Was passiert nur, wenn der letzte lebende Weltkriegsverteran gestorben ist? Was werden dann die Themen sein, mit denen Deutsche Radtouristen unterhalten und auf ein paar Weintrauben eingeladen werden könnten? Der WW II ist in Italien immer noch ein sehr beliebtes und (warum auch immer) gerne gewähltes Gesprächsthema wenn wir Kontakt zu den Eingeborenen aufnehmen.

Irgendwann gegen Abend, als ich am Horizont Berge entdecke und mir sicher bin, dass es keine Halluzinationen oder Wunschvorstellungen sind, freue ich mich wie ein kleines Kind. Endlich ist diese hässliche Ebene überstanden. Da wo Berge sind, sind Mountainbikes zu Hause, da kann es nicht schlecht sein. Und da wir doch schon Berge sehen können, haben wir das Schlimmste also hinter uns.

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Bitte, bitte, bitte heute nicht mehr rechts abbiegen ... oh nein, noch 500m, dann rechts abbiegen :eek: ...

So langsam neigt sich die Sonne dem Horizont entgegen und wir erleben einen traumhaften Sonnenuntergang. Unsere Stimmung steigt deutlich. Dies und eine inzwischen auf ein erträgliches Niveau gefallene Temperatur hat zur Folge, dass auch das Tempo wieder deutlicher über die 20 km/h Marke steigt. Ein Blick auf meinen Tacho verrät mir, dass wir bereits rund 170 km hinter uns gebracht haben. Als Tagesziel wird nun San Giovanni di Persicente kurz vor Bologna ausgegeben. Bis dahin sind es zwar nur noch knapp 40 km, allerdings ist es inzwischen auch schon wieder kurz vor 19:00 Uhr.

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Das Bild sollte eigentlich in den Sunset-rides Fred ... nur hat der jahreszeitlich bedingt gerade geschlossen

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Gleich wirds finster ... also heißt es Licht raus und zügig weiterfahren

Bei unserem Sonnenuntergangsstopp machen wir das Licht einsatzbereit, denn wir werden unser Ziel heute nicht mehr im Hellen erreichen. Je dunkler es wird, desto höher wird auch das Tempo. Kurz vor San Giovanni liegen wir dauerhaft deutlich über 30 km/h.

Wir sind selbst am meisten überrascht, wie gut das nach knapp 200 km noch funktioniert, aber anscheinend ist das Adrenalindoping nach dem Sunsetride einfach so gut, dass wir gar nicht anders können.

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Der Rucksack ist leider schon voll und so kann ich nicht mehr als ein Foto mitnehmen

Um ziemlich genau 21 Uhr stehen wir im Ortszentrum und müssen uns jetzt was für die Nacht einfallen lassen. Mein Italienisch ist ausbaufähig, aber mit Beharrlichkeit und vor allem Dank der netten Einheimischen finden wir eine Unterkunft nach unseren Vorstellungen (zumindest von der preislichen Seite). Von unseren zwei weiblichen Hotelscouts werden wir sogar mit dem Auto zum Hotel eskortiert. Die Autoeskorte kostete allerdings noch mal richtig Körner, denn es ging teilweise mit mehr als 40 km/h (im Windschatten des Autos) durch die Straßen der Stadt.

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... treten bis der Arzt kommt oder der Mond herzförmig aufgeht

Nach dem Einchecken fahren wir wieder zurück ins Stadtzentrum und es gibt endlich was Richtiges (sehr leckere Pizza) zu essen. Bei der anschließenden nächsten Runde des immer noch laufenden Eis-Test-Wettbewerbes wird das „Sieger-Eis“ der gesamten Reise verkostet. Leider oder zum Glück wusste ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn sonst hätte es mindestens ein Mal Nachschlag gegeben.

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Ausblick beim abendlichen Eis auf dem Marktplatz von San Giovanni di Persicente

Während Schnegge bereits in Thüringen weilt, sitzen wir bei immer noch sehr angenehmen Temperaturen auf dem Marktplatz und lassen uns das Eis schmecken. Gegen 23:30 Uhr war dann auch für uns ein wieder einmal sehr langer aber trotzdem von vielen neuen Eindrücken geprägter Tag zu Ende. Morgen wird bestimmt alles besser. Endlich schlafen...
 
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Gute Frage, äh kluge Frage.

Und auch gleich die korrekte Antwort: Der Blumenkasten auf dem Balkon mit Bergblick.:p

Für das Protokoll: Unbelastet von tiefgehender Kenntnis der Pflanzenwelt war mir der artifizielle Charakter dieses Bildes bisher nicht wirklich bewußt.
 
Tag 14 – Durch die Hügel der Toskana

Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass wir das Wetter weiterhin auf unserer Seite haben. Die Sonne strahlt wie immer mit dem blauen Himmel um die Wette, so fällt das Aufstehen natürlich leicht. Zum Frühstück gibt’s ein Croissant und so plötzlich, wie wir am Vorabend in dieser italienische Kleinstadt aufgetaucht sind, so schnell verschwinden wir auch wieder.

Die Hügel der Toskana sind bereits zum Greifen nah und wir folgen der Straße in Richtung Süden einfach, bis wir Bologna erreichen.

Unsere Karte weist leider eine gewisse Ungenauigkeit auf. Da wir aber auf Anhieb den direkten Einstieg in unsere Route nach Süden finden müssen, müssen wir als erstes genauere Information besorgen. Eine falsche Route in den Hügeln und das Ziel, Rom in fünf Tagen zu erreichen, wäre wohl nicht mehr zu schaffen.

An einem Vorstadt-Supermarkt a la Kaufland versorgt Will uns mit Getränken und Lebensmitteln. Da wir keine Karte kaufen und mitschleppen wollen und dies auch viel zu einfach wäre, versuche ich mich an der Organisation der Routeninformationen auf anderen Wegen. Hier spricht inzwischen niemand mehr deutsch oder englisch und italiano ist angesagt.

Nach einigen Versuchen habe ich Glück und ich bekomme von einem älteren Mann eine mindestens 20 Jahre alte Straßenkarte der Umgebung von Bologna sogar geschenkt. Eigentlich will ich ja nur mal ein Blick (mit der Digicam) drauf werfen, aber der alte Fuchs nutzt die Gelegenheit, das Familienerbstück endlich loswerden zu können und lässt mir keine andere Wahl, als die Karte mitzunehmen.

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Die Schlüsselstelle des Tages, laut Höhenprofil gehts von hier nur noch bergab. Ein Narr, wer sich einbildet, dass könnte wirklich stimmen :D

Bei näherem Betrachten der Karte stelle ich fest, dass wir die nicht jedem zeigen sollten, da wir ansonsten wieder längere Gespräche mit ehemaligen Weltkriegsveteranen vor uns haben würden. Schnell trennen wir die überflüssigen Ecken der Karte ab, um nicht unnötig Platz zu verschwenden und Gewicht mitzuschleppen.

Wir durchfahren Bologna mehr oder weniger auf direktem Wege und nehmen nicht allzu viel mit von dieser Stadt, außer dass es voll und laut ist und wir uns mit dem Verkehr um die Wette durch die Straßen der Stadt quälen. Auf dem Weg aus der Stadt heraus treffen wir scharenweise Rennradfahrer, die in vielen kleineren Gruppen von ihren Touren an einem wunderbaren Sonnabendmorgen aus den umliegenden Bergen in die Stadt zurückkehren.

Wir sind nicht nur die einzigen Mountainbiker hier sondern anscheinend auch die einzigen Radfahrer, die die Stadt um diese Zeit noch in Richtung Florenz verlassen. Unser organisatorischer Stopp hat uns leider sehr viel Zeit gekostet und als wir Bologna verlassen, ist es bereits nach 11 Uhr.

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Geschichte wiederholt sich ... der Knut Bolognas bekam vor langer Zeit Besuch von einer Schlange - ob die Schlange das überlebt hat konnten wir nicht herausfinden. Wo bleibt das Denkmal, Berlin?

Die Gegend ist zwar durch die Berge viel interessanter als gestern, aber die Alpenidylle vermisse ich trotzdem. Wir fahren auf einer italienischen Bundesstraße und es geht permanent leicht bergan. Nach den Alpenpässen ist das nicht weiter schlimm aber auf Dauer sollte uns diese Hügellandschaft noch einiges abverlangen. Unser Tempo ist gemessen an der aktuellen Uhrzeit und unserem Tagesziel in Kilometern auch deutlich zu niedrig.

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Kaum sind wir aus der Stadt heraus wird die Umgebung gleich deutlich angenehmer

Wir werden heute weniger Kilometer schaffen als nötig, um im Plan zu bleiben. Nicht, dass ich mir deswegen jetzt schon Sorgen mache, aber wir sollten das Thema nicht außer acht lassen, da Will ja in vier Tagen eine Verabredung am Bahnhof in Rom hat. Die Straße schlängelt sich durch die Hügel und wir fahren Kurve um Kurve durch die Gegend. Ich habe heute irgendwie das Gefühl, dass wir nicht wirklich vorankommen.

Unterwegs treffen wir einen Amerikaner mit seiner Freundin. Beide sind mit dem Rennrad unterwegs und auf dem Weg durch Europa. Wir unterhalten uns ein wenig und so erfahren wir, dass beide auch schon in Irland, Frankreich, Deutschland und Österreich gewesen sind.

Für beide steht jetzt die letzte Etappe nach Rom an. Sie berichten auch, dass Sie davor gewarnt wurden, mit dem Rad nach Rom rein zu fahren und bereits Zugtickets besitzen. Für mich ist das ein interessanter Punkt. Das wird auch für uns noch spannend werden, denn im Gegensatz zu den Amis denken wir nicht im Traum daran, die letzten Kilometer im Zug nach Rom zu fahren. :D

Irgendwann lassen wir die beiden hinter uns. Laut Karte sollte es so langsam eigentlich bergab gehen. Die Rampen sind inzwischen nicht mehr nur noch flach, sondern es schleichen sich immer wieder gemeine Anstiege mit ein. Schneller werden wir davon nicht und es ist nun mal nicht zu ändern. Wirklich ärgerlich und nervig sind nur die Massen an Motorradfahrern, die hier unterwegs sind.

Dummerweise sind wir auf einer der beliebtesten Motorradstrecken der Gegend unterwegs. Immer wieder fliegen diese Terrormobile dröhnend und stinkend an uns vorbei.

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Wir müssen leider auf Asphalt weiterfahren

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Die Gegend könnte ohne diese Straße wirklich schön sein. Sanfte Hügel und Täler, hier und da ein paar Felsen und nur vereinzelt kleine Orte. Je weiter wir nach Süden kommen, desto mehr zeigen sich auch die toskanatypischen Landschaftsbilder. Lange Zypressen verbunden mit einem wunderbaren Landschaftsblick. Es gibt sogar Momente, in denen ich denke: „Wow, wie schön“.

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Erholung fürs Auge

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Das Ausbildungszentrum der örtlichen Malerinnung?

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Schon wieder müssen wir nen Hügel hoch ... es sollte doch schon lange nur noch bergab gehen ... :mad:

Zum Genießen bleibt keine Zeit, denn wir wollten ursprünglich am frühen Nachmittag bereits in Florenz sein. Dieses Ziel verpassen wir dank eines wirklich beschwerlichen Schlussanstieges deutlich. Es ist bereits kurz vor 18 Uhr, als wir in Florenz eintreffen und ich halb verdurstet in den nächsten Supermarkt stürze.

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Es ist wieder so weit - die Schatten werden länger und länger, dass Tempo wird verschärft :D

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Das Petershagen von Florenz

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Florenz - ich bin wirklich schon gespannt was uns da alles erwartet

Nach dem Einkauf steht die Stadtbesichtigung auf dem Programm. Wir beschließen, in Florenz zu übernachten und heute nicht mehr weiterzufahren. Die Altstadt ist wirklich beeindruckend und wunderschön doch leider fest im Griff der Tourismusindustrie. Das Flair und die unglaubliche Ausstrahlung der alten Gebäude, durch die man die Geschichte der Stadt förmlich greifen kann, wird zerstört durch die Menschen, die davon leben.

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Der Dom

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Live wirklich beeindruckend

Die Altstadt besteht quasi nur aus Restaurants und Hotels. Einzige Ausnahmen bilden der Dom, ein paar Kirchen und öffentliche Gebäude. Unsere erste Hoteloption können wir leider nicht mehr wiederfinden. In dem Labyrinth aus Gassen und Sträßchen verliere sogar ich den Überblick. Nicht, dass wir es irgendwie genutzt hätten, aber das GPS ist schon lange überfordert und somit auch keine Hilfe. Eine Erfahrung, die ich schon sehr lange nicht mehr gemacht habe.

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Nachdem wir dann doch noch irgendwann ein einigermaßen günstiges Hotel gefunden haben, gibt’s noch was zu essen. Eine leckere aber völlig überteuerte Miniportion Nudeln in einem Restaurant, wo wir sehr italienisch in fließendem englisch mit „Hey Boy, how are you?“ begrüßt werden, lässt meine Abneigung gegen diese Tourismusmaschinerie in pure Verachtung umschlagen.

Da wir nach dem Kinderteller für Erwachsene natürlich immer noch hungrig sind, überlegen wir, noch mal essen zu gehen. Aber auf das gleiche Spiel wollen wir uns dann doch nicht noch mal einlassen. Alle Alternativen vermitteln eine klare Message: „Verschwindet so schnell wie möglich“.

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Wir verwerfen den Plan mit dem Essen und ich lasse mich noch auf einen Eistest ein. Mein nächster Fehler an diesem Tag. Ich teste die übliche Portion und Zusammenstellung, werde aber, da ich einen Moment nicht aufpasse, dabei gnadenlos über den Tisch gezogen.

Der Eispreis steht deutlich lesbar an der Tafel, aber in Florenz gilt dieser nicht für das gesamte Angebot sondern für die Einsteigerwaffel. Wählt man einen Becher oder eine andere Waffel als das Modell Fingerhut zahlt man üppig drauf. Einen Moment später stehe ich mit meinem Eis für 6,00 €, was am Vorabend nicht mal die Hälfte gekostet hat und mindestens doppelt so gut war da, und lasse es mir schmecken.

Florenz ist bei mir damit endgültig unten durch. Wir verschwinden im Hotel und ich versuche, nicht weiter über das Thema Preis/Leistung in Florenz und anderen Orten unserer Reise nachzudenken. Gute Nacht, Will, Gute Nacht, Eispickel.
 
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Ich habe gerade den Wetterbericht für die nächsten 2Wochen in Erfahrung gebracht. Da tut dieser sonnenverwöhnte und wärmegetränkte Bericht einfach nur doppelt weh...
 
Und wieder ein beeindruckendes Stück Morgenlektüre. Die Sache mit den 200km und am Ende deutlich über 30 erfüllt mich mit Ehrfurcht.

Twobeers
 
Es freut mich ungemein, dass es anscheinend immer noch Leute hier giebt, die all die vielen Worte und Bilder anscheinend auch wirklich lesen und anschauen ... und noch mehr freut mich, dass sie Euch gefallen. Ohne diese Rückmeldungen wäre ich wahrscheinlich noch nicht so weit gekommen wie wir jetzt sind :)

@twobeers: also Ehrfurcht find ich jetzt aber wirklich nen bissel sehr übertrieben ... Nur weil wir nach einem ziemlichen Bummeltag mal 5min nen bissel schneller fahren braucht man nicht gleich Ehrfürchtig zu werden ;)

Danke nochmals an alle (auch an die Mitleser aus Petershagen) :love:

Heute Abend gehts mit einer weiteren Bilder und Textbombe weiter :winken:
 
Genau, kein Grund zur Ehrfurcht. Wir waren einfach Profiteure der guten äußeren Bedingungen. :p

Nachdem den ganzen Tag die Hitze gewütet hatte; in Mantova zeigte ein Thermometer sportliche 37 Grad im Schatten; am Supermarktstopp im Niemandsland, 60km vor Bologna, schüttete ich eine ganze Flasche Wasser in den ausgemergelten Körper; Wasser, welches sich sofort folgenlos vaporisierte; diese dröge Brandenburg-Simulation in der Po-Ebene drückte auch auf die Stimmung ...

... aber am Ende des Tages kam dann endlich alles zusammen: The Perfect Storm! Die Berge der Toskana waren am Horizont zu erahnen, ein kühles Lüftchen wehte, die Sonne versank glutrot hinterm Horizont, die Kette wanderte unmerklich nach rechts, die Musik schwoll an und plötzlich ging es wieder beschwingt vorwärts. Ich übertreibe nicht wenn ich sage, hätte uns nicht die melancholische Ahnung umgetrieben, dass wunderbar laue Sommerabende vergänglich sind und es irgendwann wieder hell werden würde, wir wären an diesem denkwürdigen Abend doch glatt bis Rom durchgefahren!;)
 
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... am Supermarktstopp im Niemandsland, 60km vor Bologna, schüttete ich eine ganze Flasche Wasser in den ausgemergelten Körper; Wasser, welches sich sofort folgenlos vaporisierte; diese dröge Brandenburg-Simulation in der Po-Ebene drückte auch auf die Stimmung ...

Bis vor 5min hatte ich diesen Moment aus meinem Leben bereits erfolgreich und vollständig ausradiert ... wie konnte ich diese Sternstunde der Reise nur komplett vergessen und dadurch im Bericht unerwähnt lassen?

:daumen:
 
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