Hallo Leute,
vielleicht gelingt es mir, den Thread mal wieder zum Thema zurückzuführen. Es geht ja um die Frage des Rahmenmaterials in der Zukunft. Ich bin mir sicher, dass Aluminium und CFK die wichtigsten Materialien bleiben werden, wobei die Bedeutung von CFK noch langsam aber stetig zunehmen wird. Titan und Stahl werden bei Highend-Bikes meiner Meinung nach in Nischen verbleiben, in denen einige von Euch sich mit guten oder emotionalen Argumenten zu Hause fühlen.
Meine Erwartung ist, dass in den nächsten 5 bis 10 Jahren die Innovation hauptsächlich bei den Fertigungsverfahren stattfinden wird. Das zeichnet sich heute ja bereits deutlich ab. Aluminium wird vielleicht irgendwann druckbar (Laser-sinterbar) werden, Stahl und Titan sind es heute schon. Die Kosten dafür sind heute noch zu hoch, aber die werden sich rapide nach unten entwickeln. Dadurch wird das Leichtbaupotenzial der Metalle besser ausgenutzt werden können als heute. Auch die Automatisierbarkeit der CFK-Fertigung macht jüngst in vielerlei Hinsicht Fortschritte, ebenso die Automatisierungskosten, so dass man sich eine kostengünstige und von menschlichen Fehlern freie CFK-Laminatproduktion mit etwas gutem Willen auch in Deutschland vorstellen kann.
Metalle sind ja gegenüber Faserverbundwerkstoffen gerade da im Vorteil, wo die Lasten nicht nur in einer, sondern in mehreren Richtungen wirken, also an Ausfallenden, am Tretlagerbereich, an Gelenkpunkten usw. Daher ist der Ansatz von Firmen wie RobotBike schon sinnvoll und in Zukunft wahrscheinlich auch auf höhere Stückzahlen skalierbar - auch wenn gemuffte gerade Rohre meinen persönlichen Geschmack nicht mehr treffen. Allerdings ergeben sich dabei auch eine Fülle von mechanischen und fertigungstechnischen Problemen, die sauber gelöst sein wollen (Minimierung des Steifigkeitssprungs von Metall zu CFK-Rohr, Klebeflächenvorbereitung, Fehlstellenfreiheit der Klebefuge, nicht zuletzt Sicherstellung der nötigen Werkstofffestigkeit im 3D-Druck usw.).
Ich persönlich bin ein Fan von CFK (habe drüber promoviert und 14 Jahre in der CFK-verarbeitenden Industrie Produkte entwickelt). Als ich, damals als Windsurfer, ca. 1988 zum ersten Mal mein Segel auf einem CFK-Mast in den Händen gespürt habe, war mir der Unterschied zu einem Alu- oder GFK-Mast innerhalb einer Sekunde so klar, dass ich darüber nie wieder mit einem Verkäufer sprechen musste. Das Dynamikverhalten von CFK (Eigenfrequenz, Rückstellgeschwindigkeit, Materialdämpfung), das aus der Verbundstruktur und dem günstigen Verhältnis von Steifigkeit zu Dichte resultiert, ist Metallen nun einmal technisch überlegen. Gleiches gilt für die statische Festigkeit. Eine weitere Tatsache ist, dass Aluminium unter Schwingbeanspruchung relativ schnell ermüdet, ein richtig dimensioniertes CFK-Laminat erheblich langsamer.
Aber 1: Diese Vorteile sind bekanntlich vom Konstrukteur nur zu nutzen, wenn sehr klar ist, in welcher Richtung die Fasern verlaufen müssen, um allen auftretenden Lastfällen gerecht zu werden. Je mehr Lastfälle/Lastrichtungen, desto mehr Faserrichtungen oder Verstärkungen werden ggf. nötig, die (lokale) Wanddicke muss steigen, und der Gewichtsvorteil gegenüber Alu wird kleiner.
Um dem gerecht zu werden, muss man aufwändig rechnen und aufwändig fertigen, was heutige Hersteller können und tun (in China ist vielleicht noch ein paar Jahre Vorsicht geboten). Nur darin liegt der hohe Preis eines CFK-Rahmens begründet, die reinen Faserkosten liegen industriell irgendwo zwischen 30 und 100 Euro.
Aber 2: Ihr habt Recht, dass Stoßbelastungen (Impact) eine Gefahr für CFK darstellen können. Bei der CFK-Kardanwelle, die mein Team für Sportwagen eines großen bayerischen Automobilherstellers entwickelt hat, war das eine der zu bestehenden Prüfungen. In Tests konnte man von außen nicht sichtbare Delaminationen oder Faserbrüche provozieren, die eine Schwächung der Restfestigkeit und/oder Restlebensdauer darstellen konnten. Wenn man in der Lage ist, das halbwegs praxisgerecht zu definieren (Bike von der Klippe werfen oder bei 50 km/h gegen Felsen prallen gehört eher nicht dazu), kann man das Bauteil auch darauf auslegen. Materialmodifikationen (Zähmodifizierer oder Nanosilikate im Harz usw.) helfen zusätzlich. So etwas wird von den führenden Herstellern auch eingesetzt. Tendenziell ist das Ermüdungs- und Versagensverhalten von CFK auch günstiger als das von Metallen, außer, man hat einen Fertigungsfehler drin, insbesondere Welligkeiten - das ist das eigentlich Gefährliche.
Übrigens: Einen größeren Impactschaden kann man oft akustisch durch einen Klopftest mit einem kleinen harten Gegenstand (z.B. Schlüsselkante) feststellen. Wenn es lokal seltsam hohl klingt und drum herum nicht, unbedingt zu jemandem fahren, der sich mit sowas auskennt.
Aber 3: Recycling bei CFK ist heute leider nur als Downcycling möglich (shreddern, pyrolysieren und die Fasern zu einem Wirrfaservlies verarbeiten; oder mahlen und als Füllstoff in Formmassen verwenden).
Ich denke, eine technisch wie ökologisch erstrebenswerte Zukunft wird in folgender Richtung zu suchen sein:
- Hydrogeformte und/oder lasergesinterte Aluminium-Rahmen oder -Bauteile mit immer geringerem Fräsanteil
- Automatisiert gefertigte CFK-Rahmen, eventuell als Hybrid-Konstruktion mit additiv gefertigten topologieoptimierten Krafteinleitungs- oder Versteifungselementen.
- Letztere können aus Metall sein, vorzugsweise hochfestem Aluminium, oder aus recycletem CFK (kleingemahlen und als faserhaltiger Füllstoff in den Kunststoff gemischt).
- In ferner Zukunft (50-100 Jahre?) werden wir hoffentlich Enzyme konzipieren und künstlich herstellen können, die in der Lage sind, Kohlenstofffasern aus Hausmüll bei Raumtemperatur zu produzieren. Dann wäre das Recyclingproblem nicht nur für Bikerahmen gelöst - auf dem technischen Niveau, das wir in der Natur seit jeher vor Augen haben aber oft übersehen.
Was haltet Ihr davon?