HAZ von Montag:
Die Lage im Deister ist verfahren. Mit der Corona-Pandemie hat sich der Konflikt zwischen Waldbesitzern und Mountainbikern noch einmal verschärft. Zahlreiche Menschen haben den Sport für sich neu entdeckt. Die drei legalen Strecken im Wald sind oft überlaufen – und manchen zu langweilig. Abseits davon sind viele illegale Trails neu entstanden. Zuletzt standen sich die beiden Seiten weitgehend unversöhnlich gegenüber. Wenn die illegalen Touren reduziert werden sollten, müssten mehr legale Strecken her, argumentierten die Mountainbiker bisher. Die Waldbesitzer sahen es genau anders: Erst müssten sich die Sportler an die Regeln halten, dann könne man über mehr legale Routen reden.
Das war auch lange Zeit die Haltung der Region Hannover, die als Naturschutzbehörde für den Deister zuständig ist. Nun allerdings ist ein Strategiewechsel in Sicht. „Wir möchten mehr Trails entwickeln, aber zugleich härter werden, wenn es um Verstöße geht“, kündigt Sonja Papenfuß an, die Leiterin des Fachbereichs Umwelt bei der Region.
Folgen des Fehlverhaltens
Einen Vorgeschmack auf das härtere Vorgehen bekamen die Mountainbiker am vergangenen Sonnabend zu spüren. Ab etwa 9 Uhr sind Vertreter der Region mit Waldbesitzern und der Polizei – insgesamt ein Team von knapp 30 Personen – im Deister unterwegs, um mit Mountainbikern ins Gespräch zu kommen und auf die Folgen ihres Fehlverhaltens hinzuweisen. „Auf Bestrafungen haben wir erst einmal bewusst verzichtet“, erklärt Papenfuß.
Die Schäden lassen sich etwa im Revier von Ralph Weidner beobachten, der für die Niedersächsischen Landesforsten arbeitet. Der Fernsehturm im Deister ist Startpunkt von gleich drei illegalen Trails. An einer der Routen hat Weidner mal am Vatertag eine Wildkamera aufgestellt. In wenigen Stunden gingen ihm 57 Mountainbiker in die Fotofalle. In den Dauerzoff mit den Sportlern hat der Förster schon viel Zeit und Nerven investiert. Einfach wegsehen will er jedoch nicht. „Wenn ihnen die Strecke nicht passte, wurden einfach ein paar Bäume gefällt“, berichtet Weidner. Historische Wallanlagen aus dem 11. Jahrhundert, immerhin ein Bodendenkmal, würden für Abfahrten missbraucht.
„Bei diesem Baum ist es nur eine Frage der Zeit, bis er abstirbt“, sagt Gunnar Meyer vom Team Naturschutz der Region, der den Förster begleitet. Die Wurzeln liegen frei, sie sind von den breiten
Reifen der Mountainbiker stark beschädigt worden. Durch die Verdichtung des Bodens entstünden auch Bereiche, in denen kaum noch Wasser versickern könne. „Bei Starkregen würde das hier regelrecht herunterschießen“, sagt Meyer.
Deutliche Schäden im Wald
Kurz darauf sind das Surren von
Reifen und das helle Pfeifen von Scheibenbremsen zu hören. Drei Mountainbiker haben sich für eine andere der drei illegalen Strecken am Fernsehturm entschieden. „Hallo! Das ist ein illegaler Trail“, ruft Meyer. „Ja, ja – und Tschüss!“ hallt es zurück. Und die Mountainbiker verschwinden im Gehölz. „Das heißt so viel wie: Leck mich doch!“, ärgert sich Förster Weidner.
Andere Gespräche laufen kons-truktiver ab. Auf dem großen Parkplatz am Nienstedter Pass, Startpunkt für viele der Mountainbiker, stoppt Christian Boele-Keimer zwei Sportler, die sich gerade nichts zuschulden kommen lassen haben. Der Leiter des Forstamts Saupark will jedoch auf die Probleme aufmerksam machen, die das illegale Fahren im Wald mit sich bringt und auch für seine Position werben. „Mit der Corona-Pandemie sind die illegalen Trails geradezu explodiert“, klagt er. Im Deister habe sich dadurch „stimmungsmäßig einiges geändert“ – und das nicht zum Guten, will Boele-Keimer damit sagen.
Was die Analyse der Lage angeht, gibt es viele Gemeinsamkeiten mit Michael Hasenheit, der schon seit 30 Jahren mit dem Mountainbike im Deister unterwegs ist. Auch er sei „erschrocken“ darüber, wie viele illegale Strecken zuletzt neu angelegt worden seien, sagt er. Schwarze Schafe gebe es aber immer. „Und man kann ja nicht den ganzen Deister absperren“, meint Hasenheit. Aus seiner Sicht müssten mehr legale Möglichkeiten geschaffen werden, um den Sport im Deister auszuüben.
Zwei legale Routen gibt es, dazu einen kleineren BMX-Parcours. „Die beiden Trails sind oft total überlaufen. Und es werden ganz sicher nicht weniger Mountainbiker“, fürchtet Hasenheit. Benötigt würden deshalb drei bis vier zusätzliche legale Trails, schätzt er. „Auf lange Sicht wäre das sicher günstiger, als den ganzen Deister zu kontrollieren“, ergänzt Michael Förtsch, der an diesem Sonnabend mit Hasenheit im Deister unterwegs ist.
Ranger sollen aufklären
Laut Fachbereichsleiterin Papenfuß will die Region ein neues Gesamtkonzept für den Deister entwickeln, in dem auch das Thema Mountainbiken behandelt werden soll. Eine Option könnte sein, das Waldgebiet zum Naturpark zu erklären – wie das Steinhuder Meer. Dann gebe es mehr Möglichkeiten, die verschiedenen Nutzungen besser zu lenken und etwa besondere Zonen für den Mountainbikesport und das Wandern auszuweisen. Zudem denkt die Region über den Einsatz von Rangern nach, die zum einen aufklären, zum anderen auch Verstöße ahnden sollen. Bisher hat die Verwaltung keine Ordnungsstrafen verhängt, und die Polizei kann nur eingreifen, wenn Unfälle oder Sachbeschädigungen angezeigt wurden.
„Alle müssen sich bewegen“, findet Umweltdezernentin Christine Karasch (CDU). Sie stellt auch klar: „Wir müssen aus der Drohkulisse heraus“. Allerdings müsse es auch seitens der Mountainbiker „Unterstützung gegen die illegalen Trails“ geben. Die Region Hannover setzt dabei auf die Kooperation mit dem Mountainbikerverein Deisterfreunde, der bereits mehr als 800 Mitglieder hat und die drei legalen Strecken betreibt.
Bereitschaft bei den Bikern?
Erleichtert werden könnte die Zusammenarbeit auch durch die Wahl eines neuen Vorstands im Frühjahr. Vor allem der langjährige Vorsitzende, der Anwalt Oliver Reich, war für einige Waldbesitzer eine Reizfigur. Der alte Vorstand habe „gute Arbeit“ geleistet, „aber wir verfolgen eine etwas andere Philosophie“, betont der neue zweite Vorsitzende Alexander Diemert. Ein Signal, dass er es ernst meint, hat der neue Vorstand gesendet, indem er auf Facebook kürzlich mit deutlichen Worten dazu aufrief, im Wald keine illegalen Trails anzulegen. „Die meisten Mountainbiker sind ganz harmlose Menschen, die einfach in der Natur Spaß haben wollen“, sagt Diemert. „Und das wollen sie auch im Einklang mit den Gesetzen.“