Ohne die wirklichen Verhältnisse und innerbetrieblichen Abläufe bei Canyon zu kennen, will ich dennoch diese Entwicklung kommentieren, da ich selbst auch einmal hiervon betroffen war und monatelang, nachdem mein Bike nicht termingetreu geliefert werden konnte und ich den Kauf rückgängig gemacht habe, sogar auf die Rückzahlung des kompletten Kaufpreises warten musste. So etwas ist für den Kunden schlichtweg nicht akzeptabel. Einmal sind es Zulieferer, die die Auslieferung verzögern, dann sind es IT-Systeme, dann wiederum die überraschend hohe Nachfrage, in meinem Fall waren es die Rahmenbauer. M.E. liegen aber die Probleme in den Bereichen Qualitätsvorausplanung, Forecasting, Lieferantenentwicklung und einem schlechten Projekt- bzw. Risikomanagement. Wenn mich der Markt überrascht mit einer hohen Nachfrage, dann ist dies wunderbar, doch muss ich mir aber im Vorfeld Gedanken machen, ob ich überhaupt die Ressourcen habe, diese Nachfrage zu befriedigen. Dann muss ich einfach auch einmal Aufträge ablehnen, bevor ich letzten Endes die Kunden vergraule. Oder ich muss, wenn mir die IT-Systeme einen Strich durch die Rechnung machen könnten, mir im Vorfeld Gedanken machen, wann und wie ein Systemwechsel Sinn macht. Dann, wenn die neuen Modelle rauskommen oder eher, wenn der Saisonhöhepunkt überschritten ist? Dass SAP im Regelfall in vielen Fällen nicht auf Anhieb funktioniert, ist ja nun auch kein großes Geheimnis, wenn ich mir entsprechenden Erfahrungsberrichte ansehe. Insofern brauche ich einen Plan B und muss mir zur Not irgendwelche Hiwis einstellen, die halt Daten aus dem Alt- ins Neusystem übertragen oder sonst irgendeinen "Bypass" aufsetzen und den schlimmstenfalls mit viel Manpower händisch lösen. Auf alle Fälle muss ich aber im Vorfeld eine Risikoanalyse betreiben und eine FMEA aufsetzen, um die Risiken auf ein Minimalmass zu reduzieren. Ich arbeite in der Automobilindustrie im Zulieferbereich, wo irrsinnig hohe Kundenerwartungen der OEMs vorhanden sind, und wir haben auch diverse Probleme, die ein entsprechendes Risikomanagement erfordern. Derartig stümperhaft hat unsere Organisation aber noch nie agiert. Denn sonst ist eines klar: als Lieferant kommt man "on hold" und macht erst einmal kein Geschäft mehr, zahlt im schlimmsten Fall abartige Bussgelder, was viele Lieferanten über die Klinge gehen lässt. Das Argument von Canyon ist das Preis-Leistungsverhältnis, das eben viele Kunden über die augenscheinlichen Probleme (noch) hinwegsehen lässt. Und dann werden wir auch in der nächsten Saison von vergleichbaren Problemen lesen und blumige Worte von Hr. Arnold hören, der es meiner Meinung nach bis dato nicht geschafft hat, aus seinem "Radsport Arnold" Radgeschäft ein Unternehmen zu machen, das die Kundenerwartungen auch jenseits von Preis-Leistung erfüllt und mit den steigenden Anforderungen in einem europaweiten / globalen Markt konkurrieren kann. Vermutlich ist das Unternehmen zu schnell gewachsen, ohne dass die internen Strukturen professionell nachgezogen wurden. Und dies geht jetzt leider zu Lasten der Endkunden. Und wird es ebenfalls im nächsten Jahr und im Jahr darauf und ... und ... und ..., solange bis der Kunde eben darauf reagiert und nicht mehr nur bestellt, weil das Preis/Leistungsverhältnis sehr gut ist. Die Worte von Hr. Arnold sind nett zu lesen, es steht eine Vision und Philosphie hinter der Aussage, doch das nützt wenig, wenn seit Jahren nicht in der Organisation die notwendigen Schritte umgesetzt und nachhaltig abgearbeitet werden. Dies beginnt damit, dass man einen vernünftigen Personaler im Unternehmen hat, der kritisch hinterfragt, ob die Mitarbeiter das überhaupt leisten können, was sie im Sinne der ausgegebenen Unternehmensentwicklung auch heute, morgen und übermorgen sollen. Dies meine Einschätzung und Vermutung, ohne dass ich die internen Verhältnisse bei Canyon wirklich kenne ...