Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, wie das in der Praxis funktionieren soll.
In der Regel habe ich die Hände doch nur wenn ich locker vor mich hin bergauf auf einer FAB strampele oder in der Ebene vor mich hinrollend Faxen mache locker auf den Lenkergriffen liegen.
Gehts rumpelig bergauf muss ich ja dennoch führen, also den Lenker fest fassen, um um Hinderniss herumzirkeln zu können.
Auf dem Trail, beim Rumtricksen mache ich eher selten den "no hander".
Für mein dürftiges physikalisches Verständnis kann KIS doch nur dort ansetzen, wo ich meine Hände relativ entkoppelt vom Lenker einfach so locker dort aufliegen habe oder der Untergrund es dem KIS und mir überhaupt ermöglicht, das VR wieder in eine andere Richtung auszurichten.
Fahre ich konzentriert und mit beiden Händen fest am Lenker und es kommt zu einem Wheelflop, dann agiere ich in der Regel doch reflexartig und halte den Lenker um so fester, um gegensteuern zu können und agiere dann wohl eher sogar noch gegen das System, was es in meinem Verständnis ja "überflüssig" machen würde.
Zweierlei:
1) Ich glaube, man muss hier noch mal klar festhalten, worüber man redet, wenn man Wheelflop meint.
Zuerst mal, was nicht gemeint ist, was aber wahrscheinlich viele assoziieren.
Es wurde hier ja viel davon geschrieben, dass sich das Vorderrad beim Einlenken absenkt. Was dabei etwas unterging, ist die Tatsache, dass sich dabei auch der Nachlauf reduziert. Es gibt den einfach nachvollziehbaren Fall, dass eine Gabel keinen Offset hat. Dann sitzt das Radlager immer auf der Lenkachse. Zeigt das Rad geradeaus, dann ist der Nachlauf maximal und die Radachse sitzt am höchsten. Ist das Rad um 90 Grad eingeschlagen, dann ist der Nachlauf null (der Reifen steht genau in der Verlängerung der Lenkachse am Boden) und die Absenkung der Radachse (und damit auch des restlichen Bikes und des Fahrers) ist maximal.
In Realität hat man aber einen Offset an der Gabel. Das Problem an der Realität ist nun, dass der Offset beim Einlenken die Radachse aus der Verlängerung der Lenkachse kippt und das ganze geometrisch und auch in der Vorstellung recht kompliziert wird (bei kleineren Lenkwinkel kann man das vernachlässigen, und beim Radfahren sind die Lenkwinkel meistens doch eher klein). Das komplexe Verhalten führt bei größeren Lenkwinkeln aber dann dazu, dass der Nachlauf bei einem realen Rad irgendwann schon null wird und sogar in einen Vorlauf wechselt, bevor das Rad um 90 Grad eingeschlagen ist. Wenn aber der Nachlauf in einen Vorlauf wechselt, dann hast du den Effekt wie bei einem Einkaufswagen, den du plötzlich in die entgegengesetzte Richtung schiebst. Das ist ein sehr abrupter Punkt, und um dem entgegenzuwirken, ist sehr viel Kraft notwendig, falls man in dieser Situation noch etwas Geschwindigkeit hat (zum Glück kommt das unter Realbedingungen beim Radfahren selten vor).
Das ist nun ein „Wheelflop“, von dem hier NICHT die Rede ist.
Unter Wheelflop hier ist die Kraft gemeint, die durch das Absenken des Schwerpunkts beim Einlenken entsteht. Die ist durchaus real und führt dazu, dass der Gleichgewichtszustand bei geradem Vorderrad labil ist, sprich bei einer kleinen Auslenkung wird die Störung von alleine größer, aber dieser Wheelflop ist nicht so groß, als dass er dir beim normalen Fahren groß auffällt. Fährt das Rad, gibt es dazu den selbststabilisierenden Effekt des Nachlaufs (durch die Reibung des Reifens und den Hebelarm des Nachlaufs im Bezug auf die Lenkachse entsteht ein DrehMoment), welcher den Wheelflop schon ab recht geringen Geschwindigkeiten überkompensiert - (unter anderem) deshalb fährt ein Rad auch von alleine.
Du musst dir den Wheelflop vorstellen wie eine Kugel, die auf einem kleinen Hügel liegt. Oben in der Mitte bleibt sie liegen, wenn sie aber etwas aus der Mitte kommt, fängt sie an zu rollen und wird immer schneller, weil der Hügel steiler wird. Das passende Bild zum Hügel gibt es im Pinkbike Artikel und hatte ich hier irgendwo schon verlinkt.
2) Wofür ist das System gedacht?
Ich muss vorausschicken, ich bin das System nicht gefahren, kann die Wirkung nicht beurteilen und ich will auch keine Werbung machen. Aber ich denke mir mal, wofür das System gut sein könnte.
Das System ist laut Aussage keine aktive Lenkunterstützung. Sprich es wirken keine Kräfte, die deine Lenkkräfte ersetzen, jedenfalls nicht wenn es um größere gezielte/bewusste Lenkbewegungen geht. Das wird schon daraus ersichtlich, dass man ja in gewissen Szenarien gegen das System beim Lenken arbeitet. Da darf es ja nicht behindern, also müssen die Kräfte eher klein sein (sieht man darüber hinaus an der konstruktiven Auslegung des Systems).
Das System soll vielmehr eine Hilfestellung sein. Das kann man sich deshalb vorstellen, weil das System Fahrrad an sich und der Vorgang des Lenkens inklusive des Geradeausfahrens recht komplex sind. Beim Lenken wirken, wie oben ja schon erläutert, die Kraft des Wheelflops und die entgegengesetzt wirkende Kraft der Selbststeuerung, die allerdings anders als der Wheelflop geschwindigkeitsabhängig ist. Beide Kräfte treten aber nur auf, wenn das Vorderrad Bodenkontakt hat. Hat es keinen Bodenkontakt, gibt es keine Reibung und damit kein gerade richtendes Drehmoment, und das Vorderrad befindet sich in einem kurzen Zustand der „Schwerelosigkeit“ (freier Fall, Parabelflug, whatever), es gibt also auch keinen Wheelflop. Bedenkt man nun, dass es auch noch andere Kräfte gibt beim Fahrradfahren, man auch beim Geradeausfahren eigentlich immer kleine Ausgleichslenkbewegungen macht (man denke ans freihändig Fahren oder daran, wie man eine Kurve mit einer kleinen Gegensteuerung einleitet) und das Rad auf unruhigem Untergrund eigentlich ständig zwischen Bodenkontakt und frei-in-der-Luft wechselt, was bedeutet, dass die genannten Kräfte ständig on-off gehen, dann sieht man, dass dies Koordinator und sensorisch für den Fahrer eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit ist. Das KIS System bietet da nun eine Konstante, die unabhängig von der Fahrsituation eine Kraft aufbringt, die klar in die Mittellage des Systems deutet. Diese Kraft mag in gewissen Situationen durch ihre Wirkung auch eine konkrete Unterstützung für die mechanische Arbeit des Fahrers leisten, vor allem bietet sie aber einen Anhaltspunkt für die Sensorik des Fahrers, was bei intuitiven und vor allem automatisierten Bewegungen durchaus hilfreich und dadurch effizienzsteigernd sein kann.
Alles weitere dann am besten selbst erfahren. Werde ich bei Gelegenheit auch machen.