So, mit Orbits kann ich nicht mithalten. Dieses Jahr ist es um die Fitness schlecht bestellt. Sie entspricht etwa der eines 87-jährigen Rauchers und ich habe mich in der ersten Jahreshelfte an der Küste nur gegen Kälte und Wind gequält. Dafür sind die letzten beiden Wochen etwas über 700km dazugekommen und meine Lunge rasselt nicht mehr wie ein Sack voller Klapperschlangen. Geil.
Nach den 70km gestern wollte ich es heute langsam angehen lassen und auch mal wieder mehr Offroad-Passagen einbauen.
Los ging es in Buckow am Spitzen Berg. Zuerst durchs Stobbertal Richtung Tornowsee und von dort aus aufwärts über den Silberberg zum Dachsberg. Nach 3km waren die ersten 100 Höhenmeter geschafft - kein schlechter Schnitt für Brandenburg. Die Rampe zum Silberberg hat an der steilsten Stelle 26%, da war ich mir nicht so sicher, ob zuerst das Rad oder das Herz stehenbleibt. Spoiler: lief beides weiter.
Am Dachsberg angekommen, wird man mit einer Schutzhütte und einem Ausblick belohnt, den das Handy nicht annähernd so schön hinbekam. Kurz mal durchschnaufen, ein Selfie in Siegerpose machen, das ich euch an dieser Stelle erspare und dann weiter durch den Wald.
Kurz vor dem Krugberg, der höchsten Erhebung in der Märkischen Schweiz, biege ich auf einen mir unbekannten Teil des Poetensteigs ab, einem "Hochwanderweg". Die Abfahrten gestalten sich als heikel. Die Wege sind schmal, verblockt, steinig, sandig und daneben warten Hänge von 15m und mehr sehnlichst auf einen Fahrfehler. Ich war mutig und bin bis auf eine kurze Schiebepassage ganz gut durchgekommen.
Auch hier wird nicht ersichtlich, dass es ganz schön steil war. Der Abschnitt war sonst aber gut fahrbar.
Danach ging es um den halben Schermützelsee. Nach 7km waren dann die 200 Höhenmeter geknackt und es ging an Wochenendhäuschen durch den Wald. Auch hier warten einige Anstiege und technisch anspruchsvolles Gelände - zumindest mit Rennradlenker.
Der Blick ist dafür aber sehr cool und bei den Abfahrten wird man auch ordentlich schnell. Ich lasse es aber heute gemütlich angehen.
Hinter ein paar Wildcampern findet sich auch für mich ein Plätzchen und irgendwie sind da Gummibärchen in meiner Trikottasche. So ein Glück. Hier hätte man auch gut eine Badepause machen können, aber die Aussicht auf 30km nasse Socken fand ich dann doch nicht so super.
Danach gehts zur Abwechslung mal wieder bergauf Richtung Hasenholz. Meist nur 6-7% Steigung, da kann man nach der bisherigen kurzen Tour fast schon lachen. Und wer lacht, hat ja bekanntlich auch noch Reserven. 10km und 300hm. Richtung Hasenholz wechselt sich dann der Wald mit weiten Feldern ab. Auch schön.
Hinter Hasenholz geht es auf Kopfsteinpflaster Richtung Garzin. Neben dem gröbsten Pflaster der Welt warten hier auch feinster Brandenburger Zuckersand und große, messerscharfe Schottersteine, die hier jemand letztes Jahr zur Ausbesserung hingekippt hat. War eine richtig tolle Idee. Komischerweise war das Rad ab diesem Abschnitt echt komfortabel. Entweder war der Luftdruck mal richtig oder irgendwas ist gebrochen - Inspektion folgt in den nächsten Tagen. Ein paar Pfützen versperren den Weg und nun muss ich wieder Schuhe putzen.
Das Rad auch. Es knirscht und knackt aus allen Ritzen. Auch vorne - da muss ich mir die Gabel mal genau ansehen. Oder es ist wie neulich schon wieder die dreckige Sattelklemme.
Die Gravelking SK sind ein echter Traum. Die laufen sowas von geschmeidig und schnell.
Hinter Garzin geht es auf dem Radweg weiter über Waldsieversdorf nach Dahmsdorf. Dort sind die 400hm voll und ich biege nach links ab Richtung Münchehofe. Es warten viele hungrige Pferde und ein toller Blick auf die Märkischen Wälder. An dem Turm, den man evtl. auf dem Bild noch schemenhaft erkennt, bin ich vorhin vorbeigekommen. Es ist der Krugberg.
Auf der Fahrt nach Münchehofe hat man die Wahl: geradeaus durch den Wald über tiefen Sand, durch Löcher und steiniges Gelände oder am Klobichsee entlang über ähnliches Terrain, dafür aber mit einem fiesen Anstieg mit teils >10%. Den nehmen wir natürlich mit.
Hinter Münchehofe geht es dann auf dem R1 wieder Richtung Buckow. Vorher nochmal über die Felder schauen und einen riesigen Traktor durchlassen.
Hinter dem Umweltbildungszentrum Drei Eichen fahr ich dann doch nicht nach Hause, sondern biege nochmal ab, um ein weiteres Mal den Rand von Waldsieversdorf zu passieren. Es geht vorbei an der Frühstückseiche, aber für Frühstück ist es leider zu spät (siehe Falling Down) und Sheila kann mir leider nichts anbieten. Macht nichts. Hab ja noch n Riegel dabei. Dieser Abschnitt war vor zwei Jahren noch eine meiner Lieblingsstrecken, aber Regen und vor allem die schweren Fahrzeuge bei der Holzernte haben den Wegen gut zugesetzt und es ist jetzt sehr steinig inkl. vieler Löcher.
Egal. Drüberbrettern. Das Hinterrad muss demnächst dann auch mal zentriert werden. Nach ein paar Kilometern passiert man dann die Strecke der Buckower Museumsbahn, die an den Wochenenden zwischen Buckow und Müncheberg mit histrorischen Triebwagen der DR und der Schweizer Bahn verkehrt. Gerade die alten Reichsbahnwagen sind sehr geschichtsträchtig. Mit dieser Bahn begannen und endeten früher immer die Reisen zu meinen Großeltern aus Thüringen. Da mein Opa lange bei der Eisenbahn war, war das natürlich immer ein großes Abenteuer und die Gene eines Bahnnerds sind auch teilweise auf mich übergegangen. Das riecht nach Bahn und es fühlt sich auch so an. Wer mal in der Nähe ist, sollte das auf jeden Fall mal machen. Heute fuhr leider kein Zug und es gibt nur ein Schienenbild.
Wieder in Buckow angekommen, biege ich nochmal nach links ab und mache einen Schwenk in den Lunapark. Hier gibts neben einem Eiszeitgarten einen tollen Blick auf den Buckowsee und diese alte Schutzhütte, die in meiner Kindheit sehr oft an den Vormittagen mit der Kindergartengruppe angesteuert wurde. Jetzt noch Herr Fuchs und Frau Elster und eine Soljanka dazu und ich hätte geweint.
Kurz vor Ende der Tour kommt man noch an einer Sehenswürdigkeit vorbei: dem Brecht-Weigel-Haus. Bertolt Brechts Sommerwohnsitz. Hier entstanden viele Gedichte. Kein Wunder, denn hier lässt es sich wirklich gut aushalten. Seine ehemalige Geliebte, Käthe Reichel, wohnte gleich in einer schönen Hütte um die Ecke. Sie ertrank vor einigen Jahren sehr tragisch im Schermützelsee.
Inzwischen sind die für heute angepeilten 40km rum und 570 Höhenmeter stehen aus der Uhr. Es hat mal wieder sehr viel Spaß gemacht und war eine schöne Abwechslung zu meinen üblichen Runden.
Zum Abschluss sollte es noch Eis geben, aber vor der ebenfalls sehr empfehlenswerten Eisdiele im Zentrum war eine lange Schlange. Also gab es dann zuhause Ersatz.