Eine Kinderjeans mit bunten Nähten, klitzekleinem Reißverschluss und winzigen Taschen für 4,99 Euro? Das kann nicht mit gerechten Bedingungen zugehen, denkt sich der aufgeklärte Verbraucher. Aber was bleibt der Näherin von einem Hemd, das in Deutschland für 130 Euro verkauft wird?
Die Kalkulation ist ein wohl gehütetes Geheimnis: "Betriebsgeheimnis" heißt es in aller der Regel. Der Hemdenhersteller van Laack aus Mönchengladbach zeigt mehr Offenheit. Er hat Medien in die Bücher schauen lassen und offengelegt, wie er den Preis kalkuliert.
Van Laack gehört zu den Herstellern der oberen Preisklasse. Für ein Herrenhemd wird im Schnitt ein Ladenpreis um die 130 Euro verlangt. Von diesem Preis gehen gut 20 Euro als Mehrwertsteuer an den Staat. Der Nettopreis beträgt demnach 106 Euro. Auch daran verdient das Finanzamt – 13 Euro führen Händler und Hersteller an Lohn- und Ertragssteuern ab.
Van Laack lässt seine Hemden in Vietnam herstellen. Stoffe, Knöpfe, Faden werden deshalb von Italien nach Hanoi transportiert. Das fertige Hemd wird später nach Deutschland zurückgeschickt. Transport und Zollabgaben kosten pro Hemd vier Euro.
Verkauft wird das Hemd im Handel. Der Einkaufspreis beträgt um die 40 Euro. An die 50 Euro schlägt der Handel drauf. Das entspricht natürlich nicht dem Gewinn, auch im Geschäft fallen Kosten zum Beispiel für Personal und Miete an.
Die Hemden gehören zum hochwertigen Angebot: 18 Euro zahlt der Hersteller seinen Lieferanten für den Baumwollstoff, die Perlmuttknöpfe und Fäden.
Gefertigt wird das Hemd in Fabriken, die Van Laack in Vietnam betreibt. Der Mindestlohn einer Näherin in Vietnam liegt bei 55 Dollar (41 Euro) im Monat; Van Laack zahlt nach eigenen Angaben das Doppelte, um die Belegschaft zu halten. Die Fertigung eines hochwertigen Hemdes dauert an die 100 Minuten, das entspricht einem Euro reine Lohnkosten. Mittelklasse-Hemden sind bereits nach 50 Minuten fertig, Billigware braucht lediglich zehn Minuten.
Aber wie erkennt der Verbraucher, ob es sich bei dem begehrten Hemd um ein Billigteil oder um hochwertige Ware handelt? Die Stichzahl ist eines der Kriterien: Während das Billighemd mit vier Stichen pro Zentimeter auskommt, müssen es in der Edelklasse neun Stiche sein. Im oberen Preissegment sind die Knöpfe auf Stil genäht, das heißt bei jedem Knopf wird das Garn noch von einem Nylonfaden umwickelt. Diesen – und viele andere Arbeitsgänge sparen sich die Hersteller von Massenware. Und damit viel Geld.
Die Fertigungsminute kostet inklusive Maschinen und Energie in Vietnam an die sieben Cent. In Deutschland wären pro Minute 51 Cent fällig. Für Verwaltung und Gewinn veranschlagt der Hersteller pro Hemd 15 Euro. Davon werden Designer, Produktentwickler, die Mitarbeiter im Vertrieb und in der Logistik bezahlt.