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- 15. Juni 2022
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Liebe Fahrradfreunde,
(Ich hoffe, dass ich hier in der richtigen Ecke des Forums gelandet bin...) - seit einiger Zeit bin ich stolzer Fahrer eines zirkonblauen
Diamant Villiger. Da ich im Internet noch nirgendwo Erfahrungsberichte oder wirklich ausführliche Tests gelesen habe, möchte ich hier einen Solchen verfassen, wohl wissend, dass die 300km, die ich bereits mit dem Rad gefahren bin, (wahrscheinlich) kaum aussagekräftig sein können.
!!Eins vorweg - Ich habe mir das Fahrrad selbst gekauft und bin in keiner Weise mit Diamant in einer geschäftlichen Verbindung. Vieles an dem Fahrrad hat mich wirklich begeistert, einiges gestört. Dieser Bericht gibt ausschließlich MEINE Meinung wieder!!
Vorgeschichte
Ich bin jemand, der gerne und viel auch auf längeren Reisen mit dem Fahrrad unterwegs ist. Die einen oder anderen haben im "Unterwegs"-Thread vielleicht schon meinen gelben Allzweck-Renner gesehen... Bevor mich jemand falsch versteht: Dieses Rad wird für immer mein liebstes Fahrrad bleiben, auf knapp 10.000km hängen da viele Erinnerungen dran und ich denke nicht daran, es zu ersetzen. Allerdings suchte ich nach etwas, wo ich auf den hierzulande oft vorkommenden sehr groben Pflasterstein- oder Schotterwegen nicht gar so vorsichtig sein muss (dünne Reifen etc.) und was auch im Winter mir taugt. Ein Stahlrahmen war also gesetzt. Anforderungsprofil: Tagestouren, Einkäufe erledigen, möglichst sorglos unterwegs sein, große Reifenfreiheit, möglichst hydraulische Discs, Gepäckträger vorne und hinten, Lichtanlage schon installiert, Möglichkeit zum Umbau auf Dropbar gegeben.
Seitdem diese Anforderungen für mich klar geworden waren, habe ich gesucht. Auf Diamant bin ich erstmals beim Kollektionsrad 135 hellhörig geworden, was all das bot, was ich mir wünschte, damals für mich aber unerschwinglich war. Leider war dieses Modell limitiert, also wurde das nichts. (Ich war auch ganz froh drüber, seit man an einigen Stellen von Rahmenschäden an der Sattelklemme lesen musste...). Bevor das jetzt hier im Forum zur Sprache kommt: Natürlich habe ich auch bei VSF geschaut, mit denen bin ich aber rein visuell nie warm geworden, hier fahren viele solche Räder herum und das war mir zu mainstream, zu grau, zu - farblos. Eines Tages kam mir dann auf dem Radweg jemand mit einem Diamant Villiger entgegen - die leuchtende blaue Farbe stach mir direkt ins Auge! Ich schaute im Netz und, o Wunder, es war wieder da, das 135, nur in einer anderen Farbe. Diamant scheint einiges an Kritikpunkten ausgemerzt zu haben (Schutzbleche), einiges blieb aber gleich (Rücklicht mit Batterie trotz NaDy). Das Rad erfüllte alle oben genannten Kriterien. Eines Tages kam dann der Paketbote und brachte mir ein riesiges Paket, und darin stand es - mein Villiger.
Hard Facts
Die harten Fakten sind zwar im Netz ersichtlich, hier aber trotzdem nochmal das WIchtigste in Kürze, ergänzt um Einiges, was so im Netz nicht steht:
Rahmen: Diamant Villiger Stahl mit "sportiver Touring-Geometrie"
Gabel: Alu-Trekkingabel mit Lowrider-Ösen und PM-Aufnahme
Größe: XL
Schaltung: Shimano Deore 1x11
Schaltwerk: Deore Shadow plus
Schalthebel: Deore Rapidfire
Kurbel: Bontrager-Kurbel mit Hohlachse (HT II) 42Z.
Kassette: Shimano M4050 11fach, 11-52
Nabendynamo: Shimano 3D72 (Deore LX)
Laufräder: Bontrager Connection Hohlkammerfelge
Reifen: Schwalbe Marathon Mondial 50-622
Bremsen: Shimano MT200 Hydraulische Scheibenbremse (PM)
Scheiben: Shimano, 160/160 (v/h)
Schutzbleche: SKS Plastik-Schutzbleche
Gepäckträger v/h: Bontrager Carry Forward/Bontrager BackRack Deluxe
Lenker: Bontrager Crivitz, 690mm
Vorbau: Bontrager, +7°, 90mm
Sattel: Brooks B17 Ledersattel
Sattelstütze: Bontrager SSR
Licht v/h: Hermans H-Black MR8 mit Standlicht, 60 Lux/ B&M Toplight 2C (Akku-Rückstrahler, abnehmbar)
Gewicht mit Pedalen: 15,7kg (eigene Messung)
Preis: 1559€ UVP [Hersteller]
...gekauft für: 1449€ plus Versand [FahrradXXL]
Erster Eindruck
Mann, was ein Brocken! Das ging mir in etwa durch den Kopf. Das Rad ist beim ersten Anschauen wirklich massiv, in jeder Hinsicht. (Vor allem für jemanden wie mich, der maximal 30mm Reifenbreite fährt, hihi). Ich hatte mich für die Größe XL entschieden. Das Rad kam sehr gut vormontiert bei mir an - FahrradXXL hat da wirklich gut gearbeitet. Die Schaltung war gut eingestellt, die Schrauben waren großteils gefettet, mussten natürlich noch nachgezogen werden. Die Bremsen waren entlüftet und überzeugten von Anfang an mit einem gut definierten Druckpunkt.
Also alles zusammengebaut und einmal eine kurze Runde um den Block gedreht - Joa, fühlt sich so mächtig an wie es aussieht. Vor allem aber fiel mir eins auf: Der Rahmen ist recht hoch, selbst für mich mit 185cm Körpergröße und gut 93cm Schrittlänge, aber recht kurz! Man sitzt also recht aufrecht auf dem Bock. (Mir kam natürlich sofort die Idee eines Dropbar-Umbaus - dazu aber später mehr.)
Fahrverhalten
Das Wichtigste zuerst, würde ich mal so meinen. Das Rad fährt sich erhaben und recht neutral, es ist weder vorder- noch hecklastig abgestimmt. Mit Taschen und entsprechender Beladung kann man das aber nach seinem persönlichen Gusto trimmen. Durch den breiten Lenker und das recht kurze Oberrohr sitzt man aufrecht und mit gutem Überblick über das Geschehen. Das Einlenken ist etwas behäbig, erfordert eine gewisse Aktivität von Seiten des Fahrers. Man kommt aber eigentlich gut ums Eck, sollte aber das Ausschwenken des breiten Lenkers beachten. Die Handgelenke sind angenehm entlastet und der Brooks-Sattel stützt auch im nicht eingefahrenen Zustand ganz gut ab und federt auch leicht. Durch die breiten Reifen und den Stahlrahmen schwebt man über kleine Unebenheiten in der Straße angenehm hinweg, größere Stöße kommen aber durch die harte Alu-Gabel recht ungefiltert durch.
Mit dickeren Griffen als den verbauten kann man da sicher auch noch etwas machen. Ich persönlich fand auch den geschwungenen Lenker sehr angenehm. Er federt leicht, was in Kombination mit steifer Gabel und hartem Vorbau zuerst etwas seltsam anmutet.
Ich würde das Fahrverhalten als eher geruhsam, linientreu und sicher beschreiben, das Rad ist sehr gut kontrollierbar - Gut so! Etwas "villiger" (HAHAHA) dürfte es aber einlenken und in Kurven mitgehen.
Die Schaltung wechselt die Gänge direkt und knackig. Mit viel Gepäck an Bord hätte ich mir noch einen kleineren Berggang gewünscht, ich musste einige Male in den Wiegetritt wechseln. Hierzu muss ich aber anmerken, dass ich da auch mehr Last am Rad hatte als auf einer durchschnittlichen Reise vielleicht üblich. Auch im Wiegetritt bleibt der Rahmen stabil und flext nicht zu sehr, das Rad schaukelt sich am Berg nicht auf und steigt auch im Sitzen nicht.
Bergab verzögern die MT-200-Bremsen sicher und mit stabilem Druckpunkt. Ich weiß, dass diese Bremsen eher untere Schublade bei Shimano sind, deswegen bin ich positiv überrascht über die Wirkung. (Unterste Schublade muss nichts heißen, ich bin früher wiederholt sicher mit Acera- oder Altus-V-Brakes den Harz runter gekommen...). Die Scheiben sind mit 160mm aber eher knapp bemessen, 180mm wären sicher schöner. Fading hatte ich nicht, Wandern des Druckpunktes beim Einbremsen und danach auch nicht. Ich bin aber auch keine kilometerlangen Abfahrten gefahren und habe die Bremse auch nicht schleifen lassen. Falls das wichtig ist: blockieren kann man vorne und hinten auch beladen noch.
Insgesamt hat mich das angenehm unaufgeregte Fahrverhalten des Diamant Villiger wirklich überzeugt, man hat Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen und die Umgebung zu genießen. Auf die Spurtreue und die Neutralität des Rades kann man sich jederzeit verlassen. Auch auf Schotter oder Pflaster wird das Rad nicht aufgeregt oder hibbelig, bleibt gut beherrschbar. Auf nassem Asphalt ist wegen der recht geringen Kurvenhaftung der Reifen aber etwas Vorsicht geboten.
Das gefällt...
....der gut verarbeitete Stahlrahmen mit seinen dünnen Rohren und dem massigen Steuerrohr. Es macht einfach Freude, das Rad anzusehen. Die Schweißraupen hätten meiner Meinung nach aber abgeschliffen werden dürfen - an meinem gelben Rad habe ich dererlei nicht. Außerdem bestechen Rahmen und Gabel durch die vielfältig angebrachten Ösen.
(Die leider an der Gabel - 3 auf jeder Seite - durch den massiven Frontträger nicht wirklich nutzbar sind...) Dazu ist der Rahmen wirklich komfortabel und durch die außen verlegten Züge wartungsfreundlich.
....die Lackqualität. Ich bin da kein Fachmann für, aber ich meine, dass der Rahmen pulverbeschichtet wäre. Die Farbe ist jedenfalls etwas dunkler als auf den Internet-Bildern, strahlt aber in der Sonne in einem tiefen hellblau. Der Lack hat sich bisher als sehr widerstandsfähig erwiesen. Steinschläge oder Kratzer sind trotz Schotter- und Regenfahrten sowie Einsatz des Fahrradschlosses nicht zu sehen.
....die Gepäckträger. Sowohl die Befestigungsmöglichkeiten als auch die Steifigkeit der Rohre sind durchaus sehr gut und auch mit viel Last stabil. Leider sind die Möglichkeiten für das Anbringen eines Scheinwerfers vorne recht begrenzt - hier also aufpassen! Beide Gepäckträger sind aber auch recht massig, meint schwer. Hier wäre also durchaus Optimierungspotential für Gewichtsfüchse. WICHTIG: Der Heckträger hat Aufnahmen für einen Rückstrahler mit 50 oder 60mm Maß! Sehr gut!
....Bremsen und Schaltung. Bisher unproblematisch und vollkommen ausreichend für durchschnittliche Zwecke. Für bergiges Terrain wäre sicher ein Berggang und die Aufrüstung auf 180mm-Scheiben mit Adapter zu überlegen.
...das Fahrverhalten. Dazu habe ich oben schon etwas geschrieben, erwähne es hier aber nochmal: Satt, sicher, gut beherrschbar. So muss das bei einem Reiserad!
... der breite Lenker. Er schafft sichere Führung des Rades und ist durch seine eher unkonventionelle Form recht weich, sodass er die Hände angenehm entlastet.
...die Ausstattung im Generellen. Es sind mehr wertige Teile als beim Kollektionsrad 135 verbaut, was zurecht teilweise als "Blender" bezeichnet wurde. Die neuesten Standards sind hier alle drin, Schmankerl wie den edlen B17-Sattel gibt es obendrein.
...der Look des Rades. Bullig, massiv, vertrauenerweckend und durch die Farbe und Form des Gesamtpaketes auch aufsehenerregend, aber elegant. Man muss es glaube ich mögen, ich persönlich liebe es.
...und das gefällt nicht:
....die Lichtlösung. Der Scheinwerfer ist okay, macht auch okay Licht, für eine Radreise aber zu wenig. Das Gehäuse ist nicht wirklich hochwertig, fühlt sich eher billig an.
Was aber meiner Meinung nach absolut bekloppt ist: Einen HOCHWERTIGEN NaDy (LX-Gruppe) zu verbauen und dann nur EINEN kümmerlichen Scheinwerfer dran zu hängen, bei dem man auch noch (zumindest bei mir) die Verbindungen zum Rücklicht scheinbar gekappt hat, sodass ein Anschließen desselben gar nicht vorgesehen zu sein scheint. Warum so? Warum nur? Bei allen anderen Scheinwerfern sahen die Kabelausgänge zum Rücklicht anders aus....
Der Scheinwerfer vorne ist nicht hochwertig, damit kann man aber ganz gut leben. Das Rücklicht ist in meinen Augen eine Frechheit bei knapp 1500 Kaufpreis: Akkubetrieben und auch noch abnehmbar ohne Diebstahlsicherung! Auf einer Radreise kann man mit den Kapazitäten der Powerbank sicher besseres anfangen als das Licht hinten zu laden... Immerhin: Es ist hell und gut sichtbar. Die Lichtlösung ist meiner Ansicht nach der größte Kritikpunkt am Rad.
....die Schutzbleche. Die Bleche zu haben ist schön, vor allem weil das beim Diamant 135 oft kritisiert wurde, dass sie eben nicht da sind. Vom Wort "Bleche" sollte man sich aber nicht täuschen lassen - die Bleche sind aus Plaste und scheinen aus der untersten Schublade von SKS zu stammen. Durch die glänzende Oberfläche sehen sie bei Ankunft des Rades zwar wirklich hübsch aus, nach einiger Einsatzzeit sammeln sie aber Kratzer. Dazu sind sie recht "labberig" und sehr weich, schleifen gerne mal und sind zumindest vorne zu kurz, sodass der ganze Dreck auf das Tretlager spritzt. Ich habe gehört, dass HT II das nicht soooo gut verträgt....
...die Kurbel. Sie tut ihren Dienst, wirkt aber mit den Plastikabdeckungen wenig wertig. Zudem ist leider auch hier Hochglanz-Plastik verbaut, was sicher Kratzer sammeln wird.
...die Pedale. Sicher, sie sind eigentlich nur eine Übergangslösung. Breit sind sie und viel Standfläche bieten sie auch. Bei Regen und Feuchtigkeit sind sie arg rutschig. Immerhin besitzen sie Reflektoren.
...der Ständer von Pletscher. Ich weiß den durchaus zu schätzen, er leistet gute Dienste. Wenn man aber Taschen am Rad hat, hängen die Taschen vor dem Ständer. Dadurch kommt man mit dem Fuß zum Ausklappen desselben kaum an den Ständer ran. Immerhin ist er ausreichend stabil.
...der Lenkeinschlag beim Stehen. Wenn man das Rad auf den Ständer stellt, steht es leicht schräg. Passt man nicht genau auf, dann schlägt der Lenker hart zu einer Seite ein und kollidiert mit der hintersten Strebe des Frontracks mit einer Führungsöse am Rahmen. Der Lack hat das bisher zwar gut mitgemacht, es nervt aber trotzdem und gut für den Lack ist es sicher nicht unbedingt.
Fazit
Sicher ist es am Wichtigsten, mit einem Fahrrad gut fahren zu können (was ja hier eindeutig der Fall ist!). Dennoch gibt es neben Licht auch einigen Schatten oder anders gesagt, Optimierungspotenzial. Bei dem hochwertigen Rahmen und den ansonsten wertigen Komponenten muss natürlich auch irgendwo der Rotstift angesetzt werden. Dass dann die Lichtanlage aber so beschnitten wird, das verstehe ich nicht. Warum bei einem Rad, was selbstbewusst mit dem Einsatz in diversen Abenteuern wirbt, dann so viel glänzendes Plastik verbaut werden muss, verstehe ich auch nicht. Die restlichen Komponenten sind gut aufeinander abgestimmt und meiner Meinung nach auch gut durchdacht. Es macht Freude das Rad anzusehen und es macht noch mehr Freude, damit zu fahren. Ich persönlich bereue den Kauf überhaupt nicht und hoffe, dass ich hier einen soliden Daily-Tourer mit Reiseambitionen "geschossen" habe. Die Ansprüche sind hoch gesteckt, mal sehen, was noch kommt. Ich freue mich jedenfalls darauf und kann das Rad guten Gewissens weiter empfehlen!
Anhang - Was könnte man ändern und optimieren?
....Schutzbleche. Diese labberigen Plastedinger, die bei mir auch gerne geschliffen haben bis ich sie herzhaft gebogen habe, durch stabile Metallbleche oder Bluemels von SKS ersetzen. Zudem sollte man überdenken, ob das Schutzblech vorne nicht deutlich tiefer gezogen werden müsste, um das Tretlager etwas zu schützen.
...Beleuchtung vorne und hinten. Ein B&M Cyo T Premium und ein B&M Topline Light Brake Plus liegen bereits schon hier und werden verbaut werden. Für den vorderen Gepäckträger muss ich mir zur Lampenmontage noch was überlegen - ich werde berichten.
...Kurbel. Abgesehen von der Wertigkeit sollte jeder, der viel Berge fährt, schauen, ob er auf 35 Z. o.ä. runter geht. Mit HT II sollte da ja genug auf dem Markt sein. Dann klettert das Rad sicher auch villiger (HAHAHAHA) als bisher.
...Bremsanlage. Da kann man sicher in Sachen Leistung noch was machen, obs nun Beläge oder größere Scheiben mit 180mm sind....
...Pedale. Was vernünftiges als Platform dran und ab gehts!
...Griffe. Die originalen sind doch arg dünn und dämpfen recht schlecht.
Was habe ich noch angebaut?
Rahmentasche, Flaschenhalter, vernünftige Beleuchtung, Tacho,Seitenspiegel, Klickfix-Tasche für den Lenker und Pedale, die mir taugen.
Danke fürs Lesen dieses Romans, vielleicht melden sich ja noch andere hier, die das Rad auch haben oder haben wollen. Ich freue mich auf einen regen Austausch!
(Ich hoffe, dass ich hier in der richtigen Ecke des Forums gelandet bin...) - seit einiger Zeit bin ich stolzer Fahrer eines zirkonblauen
Diamant Villiger. Da ich im Internet noch nirgendwo Erfahrungsberichte oder wirklich ausführliche Tests gelesen habe, möchte ich hier einen Solchen verfassen, wohl wissend, dass die 300km, die ich bereits mit dem Rad gefahren bin, (wahrscheinlich) kaum aussagekräftig sein können.
!!Eins vorweg - Ich habe mir das Fahrrad selbst gekauft und bin in keiner Weise mit Diamant in einer geschäftlichen Verbindung. Vieles an dem Fahrrad hat mich wirklich begeistert, einiges gestört. Dieser Bericht gibt ausschließlich MEINE Meinung wieder!!
Vorgeschichte
Ich bin jemand, der gerne und viel auch auf längeren Reisen mit dem Fahrrad unterwegs ist. Die einen oder anderen haben im "Unterwegs"-Thread vielleicht schon meinen gelben Allzweck-Renner gesehen... Bevor mich jemand falsch versteht: Dieses Rad wird für immer mein liebstes Fahrrad bleiben, auf knapp 10.000km hängen da viele Erinnerungen dran und ich denke nicht daran, es zu ersetzen. Allerdings suchte ich nach etwas, wo ich auf den hierzulande oft vorkommenden sehr groben Pflasterstein- oder Schotterwegen nicht gar so vorsichtig sein muss (dünne Reifen etc.) und was auch im Winter mir taugt. Ein Stahlrahmen war also gesetzt. Anforderungsprofil: Tagestouren, Einkäufe erledigen, möglichst sorglos unterwegs sein, große Reifenfreiheit, möglichst hydraulische Discs, Gepäckträger vorne und hinten, Lichtanlage schon installiert, Möglichkeit zum Umbau auf Dropbar gegeben.
Seitdem diese Anforderungen für mich klar geworden waren, habe ich gesucht. Auf Diamant bin ich erstmals beim Kollektionsrad 135 hellhörig geworden, was all das bot, was ich mir wünschte, damals für mich aber unerschwinglich war. Leider war dieses Modell limitiert, also wurde das nichts. (Ich war auch ganz froh drüber, seit man an einigen Stellen von Rahmenschäden an der Sattelklemme lesen musste...). Bevor das jetzt hier im Forum zur Sprache kommt: Natürlich habe ich auch bei VSF geschaut, mit denen bin ich aber rein visuell nie warm geworden, hier fahren viele solche Räder herum und das war mir zu mainstream, zu grau, zu - farblos. Eines Tages kam mir dann auf dem Radweg jemand mit einem Diamant Villiger entgegen - die leuchtende blaue Farbe stach mir direkt ins Auge! Ich schaute im Netz und, o Wunder, es war wieder da, das 135, nur in einer anderen Farbe. Diamant scheint einiges an Kritikpunkten ausgemerzt zu haben (Schutzbleche), einiges blieb aber gleich (Rücklicht mit Batterie trotz NaDy). Das Rad erfüllte alle oben genannten Kriterien. Eines Tages kam dann der Paketbote und brachte mir ein riesiges Paket, und darin stand es - mein Villiger.
Hard Facts
Die harten Fakten sind zwar im Netz ersichtlich, hier aber trotzdem nochmal das WIchtigste in Kürze, ergänzt um Einiges, was so im Netz nicht steht:
Rahmen: Diamant Villiger Stahl mit "sportiver Touring-Geometrie"
Gabel: Alu-Trekkingabel mit Lowrider-Ösen und PM-Aufnahme
Größe: XL
Schaltung: Shimano Deore 1x11
Schaltwerk: Deore Shadow plus
Schalthebel: Deore Rapidfire
Kurbel: Bontrager-Kurbel mit Hohlachse (HT II) 42Z.
Kassette: Shimano M4050 11fach, 11-52
Nabendynamo: Shimano 3D72 (Deore LX)
Laufräder: Bontrager Connection Hohlkammerfelge
Reifen: Schwalbe Marathon Mondial 50-622
Bremsen: Shimano MT200 Hydraulische Scheibenbremse (PM)
Scheiben: Shimano, 160/160 (v/h)
Schutzbleche: SKS Plastik-Schutzbleche
Gepäckträger v/h: Bontrager Carry Forward/Bontrager BackRack Deluxe
Lenker: Bontrager Crivitz, 690mm
Vorbau: Bontrager, +7°, 90mm
Sattel: Brooks B17 Ledersattel
Sattelstütze: Bontrager SSR
Licht v/h: Hermans H-Black MR8 mit Standlicht, 60 Lux/ B&M Toplight 2C (Akku-Rückstrahler, abnehmbar)
Gewicht mit Pedalen: 15,7kg (eigene Messung)
Preis: 1559€ UVP [Hersteller]
...gekauft für: 1449€ plus Versand [FahrradXXL]
Erster Eindruck
Mann, was ein Brocken! Das ging mir in etwa durch den Kopf. Das Rad ist beim ersten Anschauen wirklich massiv, in jeder Hinsicht. (Vor allem für jemanden wie mich, der maximal 30mm Reifenbreite fährt, hihi). Ich hatte mich für die Größe XL entschieden. Das Rad kam sehr gut vormontiert bei mir an - FahrradXXL hat da wirklich gut gearbeitet. Die Schaltung war gut eingestellt, die Schrauben waren großteils gefettet, mussten natürlich noch nachgezogen werden. Die Bremsen waren entlüftet und überzeugten von Anfang an mit einem gut definierten Druckpunkt.
Also alles zusammengebaut und einmal eine kurze Runde um den Block gedreht - Joa, fühlt sich so mächtig an wie es aussieht. Vor allem aber fiel mir eins auf: Der Rahmen ist recht hoch, selbst für mich mit 185cm Körpergröße und gut 93cm Schrittlänge, aber recht kurz! Man sitzt also recht aufrecht auf dem Bock. (Mir kam natürlich sofort die Idee eines Dropbar-Umbaus - dazu aber später mehr.)
Fahrverhalten
Das Wichtigste zuerst, würde ich mal so meinen. Das Rad fährt sich erhaben und recht neutral, es ist weder vorder- noch hecklastig abgestimmt. Mit Taschen und entsprechender Beladung kann man das aber nach seinem persönlichen Gusto trimmen. Durch den breiten Lenker und das recht kurze Oberrohr sitzt man aufrecht und mit gutem Überblick über das Geschehen. Das Einlenken ist etwas behäbig, erfordert eine gewisse Aktivität von Seiten des Fahrers. Man kommt aber eigentlich gut ums Eck, sollte aber das Ausschwenken des breiten Lenkers beachten. Die Handgelenke sind angenehm entlastet und der Brooks-Sattel stützt auch im nicht eingefahrenen Zustand ganz gut ab und federt auch leicht. Durch die breiten Reifen und den Stahlrahmen schwebt man über kleine Unebenheiten in der Straße angenehm hinweg, größere Stöße kommen aber durch die harte Alu-Gabel recht ungefiltert durch.
Mit dickeren Griffen als den verbauten kann man da sicher auch noch etwas machen. Ich persönlich fand auch den geschwungenen Lenker sehr angenehm. Er federt leicht, was in Kombination mit steifer Gabel und hartem Vorbau zuerst etwas seltsam anmutet.
Ich würde das Fahrverhalten als eher geruhsam, linientreu und sicher beschreiben, das Rad ist sehr gut kontrollierbar - Gut so! Etwas "villiger" (HAHAHA) dürfte es aber einlenken und in Kurven mitgehen.
Die Schaltung wechselt die Gänge direkt und knackig. Mit viel Gepäck an Bord hätte ich mir noch einen kleineren Berggang gewünscht, ich musste einige Male in den Wiegetritt wechseln. Hierzu muss ich aber anmerken, dass ich da auch mehr Last am Rad hatte als auf einer durchschnittlichen Reise vielleicht üblich. Auch im Wiegetritt bleibt der Rahmen stabil und flext nicht zu sehr, das Rad schaukelt sich am Berg nicht auf und steigt auch im Sitzen nicht.
Bergab verzögern die MT-200-Bremsen sicher und mit stabilem Druckpunkt. Ich weiß, dass diese Bremsen eher untere Schublade bei Shimano sind, deswegen bin ich positiv überrascht über die Wirkung. (Unterste Schublade muss nichts heißen, ich bin früher wiederholt sicher mit Acera- oder Altus-V-Brakes den Harz runter gekommen...). Die Scheiben sind mit 160mm aber eher knapp bemessen, 180mm wären sicher schöner. Fading hatte ich nicht, Wandern des Druckpunktes beim Einbremsen und danach auch nicht. Ich bin aber auch keine kilometerlangen Abfahrten gefahren und habe die Bremse auch nicht schleifen lassen. Falls das wichtig ist: blockieren kann man vorne und hinten auch beladen noch.
Insgesamt hat mich das angenehm unaufgeregte Fahrverhalten des Diamant Villiger wirklich überzeugt, man hat Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen und die Umgebung zu genießen. Auf die Spurtreue und die Neutralität des Rades kann man sich jederzeit verlassen. Auch auf Schotter oder Pflaster wird das Rad nicht aufgeregt oder hibbelig, bleibt gut beherrschbar. Auf nassem Asphalt ist wegen der recht geringen Kurvenhaftung der Reifen aber etwas Vorsicht geboten.
Das gefällt...
....der gut verarbeitete Stahlrahmen mit seinen dünnen Rohren und dem massigen Steuerrohr. Es macht einfach Freude, das Rad anzusehen. Die Schweißraupen hätten meiner Meinung nach aber abgeschliffen werden dürfen - an meinem gelben Rad habe ich dererlei nicht. Außerdem bestechen Rahmen und Gabel durch die vielfältig angebrachten Ösen.
(Die leider an der Gabel - 3 auf jeder Seite - durch den massiven Frontträger nicht wirklich nutzbar sind...) Dazu ist der Rahmen wirklich komfortabel und durch die außen verlegten Züge wartungsfreundlich.
....die Lackqualität. Ich bin da kein Fachmann für, aber ich meine, dass der Rahmen pulverbeschichtet wäre. Die Farbe ist jedenfalls etwas dunkler als auf den Internet-Bildern, strahlt aber in der Sonne in einem tiefen hellblau. Der Lack hat sich bisher als sehr widerstandsfähig erwiesen. Steinschläge oder Kratzer sind trotz Schotter- und Regenfahrten sowie Einsatz des Fahrradschlosses nicht zu sehen.
....die Gepäckträger. Sowohl die Befestigungsmöglichkeiten als auch die Steifigkeit der Rohre sind durchaus sehr gut und auch mit viel Last stabil. Leider sind die Möglichkeiten für das Anbringen eines Scheinwerfers vorne recht begrenzt - hier also aufpassen! Beide Gepäckträger sind aber auch recht massig, meint schwer. Hier wäre also durchaus Optimierungspotential für Gewichtsfüchse. WICHTIG: Der Heckträger hat Aufnahmen für einen Rückstrahler mit 50 oder 60mm Maß! Sehr gut!
....Bremsen und Schaltung. Bisher unproblematisch und vollkommen ausreichend für durchschnittliche Zwecke. Für bergiges Terrain wäre sicher ein Berggang und die Aufrüstung auf 180mm-Scheiben mit Adapter zu überlegen.
...das Fahrverhalten. Dazu habe ich oben schon etwas geschrieben, erwähne es hier aber nochmal: Satt, sicher, gut beherrschbar. So muss das bei einem Reiserad!
... der breite Lenker. Er schafft sichere Führung des Rades und ist durch seine eher unkonventionelle Form recht weich, sodass er die Hände angenehm entlastet.
...die Ausstattung im Generellen. Es sind mehr wertige Teile als beim Kollektionsrad 135 verbaut, was zurecht teilweise als "Blender" bezeichnet wurde. Die neuesten Standards sind hier alle drin, Schmankerl wie den edlen B17-Sattel gibt es obendrein.
...der Look des Rades. Bullig, massiv, vertrauenerweckend und durch die Farbe und Form des Gesamtpaketes auch aufsehenerregend, aber elegant. Man muss es glaube ich mögen, ich persönlich liebe es.
...und das gefällt nicht:
....die Lichtlösung. Der Scheinwerfer ist okay, macht auch okay Licht, für eine Radreise aber zu wenig. Das Gehäuse ist nicht wirklich hochwertig, fühlt sich eher billig an.
Was aber meiner Meinung nach absolut bekloppt ist: Einen HOCHWERTIGEN NaDy (LX-Gruppe) zu verbauen und dann nur EINEN kümmerlichen Scheinwerfer dran zu hängen, bei dem man auch noch (zumindest bei mir) die Verbindungen zum Rücklicht scheinbar gekappt hat, sodass ein Anschließen desselben gar nicht vorgesehen zu sein scheint. Warum so? Warum nur? Bei allen anderen Scheinwerfern sahen die Kabelausgänge zum Rücklicht anders aus....
Der Scheinwerfer vorne ist nicht hochwertig, damit kann man aber ganz gut leben. Das Rücklicht ist in meinen Augen eine Frechheit bei knapp 1500 Kaufpreis: Akkubetrieben und auch noch abnehmbar ohne Diebstahlsicherung! Auf einer Radreise kann man mit den Kapazitäten der Powerbank sicher besseres anfangen als das Licht hinten zu laden... Immerhin: Es ist hell und gut sichtbar. Die Lichtlösung ist meiner Ansicht nach der größte Kritikpunkt am Rad.
....die Schutzbleche. Die Bleche zu haben ist schön, vor allem weil das beim Diamant 135 oft kritisiert wurde, dass sie eben nicht da sind. Vom Wort "Bleche" sollte man sich aber nicht täuschen lassen - die Bleche sind aus Plaste und scheinen aus der untersten Schublade von SKS zu stammen. Durch die glänzende Oberfläche sehen sie bei Ankunft des Rades zwar wirklich hübsch aus, nach einiger Einsatzzeit sammeln sie aber Kratzer. Dazu sind sie recht "labberig" und sehr weich, schleifen gerne mal und sind zumindest vorne zu kurz, sodass der ganze Dreck auf das Tretlager spritzt. Ich habe gehört, dass HT II das nicht soooo gut verträgt....
...die Kurbel. Sie tut ihren Dienst, wirkt aber mit den Plastikabdeckungen wenig wertig. Zudem ist leider auch hier Hochglanz-Plastik verbaut, was sicher Kratzer sammeln wird.
...die Pedale. Sicher, sie sind eigentlich nur eine Übergangslösung. Breit sind sie und viel Standfläche bieten sie auch. Bei Regen und Feuchtigkeit sind sie arg rutschig. Immerhin besitzen sie Reflektoren.
...der Ständer von Pletscher. Ich weiß den durchaus zu schätzen, er leistet gute Dienste. Wenn man aber Taschen am Rad hat, hängen die Taschen vor dem Ständer. Dadurch kommt man mit dem Fuß zum Ausklappen desselben kaum an den Ständer ran. Immerhin ist er ausreichend stabil.
...der Lenkeinschlag beim Stehen. Wenn man das Rad auf den Ständer stellt, steht es leicht schräg. Passt man nicht genau auf, dann schlägt der Lenker hart zu einer Seite ein und kollidiert mit der hintersten Strebe des Frontracks mit einer Führungsöse am Rahmen. Der Lack hat das bisher zwar gut mitgemacht, es nervt aber trotzdem und gut für den Lack ist es sicher nicht unbedingt.
Fazit
Sicher ist es am Wichtigsten, mit einem Fahrrad gut fahren zu können (was ja hier eindeutig der Fall ist!). Dennoch gibt es neben Licht auch einigen Schatten oder anders gesagt, Optimierungspotenzial. Bei dem hochwertigen Rahmen und den ansonsten wertigen Komponenten muss natürlich auch irgendwo der Rotstift angesetzt werden. Dass dann die Lichtanlage aber so beschnitten wird, das verstehe ich nicht. Warum bei einem Rad, was selbstbewusst mit dem Einsatz in diversen Abenteuern wirbt, dann so viel glänzendes Plastik verbaut werden muss, verstehe ich auch nicht. Die restlichen Komponenten sind gut aufeinander abgestimmt und meiner Meinung nach auch gut durchdacht. Es macht Freude das Rad anzusehen und es macht noch mehr Freude, damit zu fahren. Ich persönlich bereue den Kauf überhaupt nicht und hoffe, dass ich hier einen soliden Daily-Tourer mit Reiseambitionen "geschossen" habe. Die Ansprüche sind hoch gesteckt, mal sehen, was noch kommt. Ich freue mich jedenfalls darauf und kann das Rad guten Gewissens weiter empfehlen!
Anhang - Was könnte man ändern und optimieren?
....Schutzbleche. Diese labberigen Plastedinger, die bei mir auch gerne geschliffen haben bis ich sie herzhaft gebogen habe, durch stabile Metallbleche oder Bluemels von SKS ersetzen. Zudem sollte man überdenken, ob das Schutzblech vorne nicht deutlich tiefer gezogen werden müsste, um das Tretlager etwas zu schützen.
...Beleuchtung vorne und hinten. Ein B&M Cyo T Premium und ein B&M Topline Light Brake Plus liegen bereits schon hier und werden verbaut werden. Für den vorderen Gepäckträger muss ich mir zur Lampenmontage noch was überlegen - ich werde berichten.
...Kurbel. Abgesehen von der Wertigkeit sollte jeder, der viel Berge fährt, schauen, ob er auf 35 Z. o.ä. runter geht. Mit HT II sollte da ja genug auf dem Markt sein. Dann klettert das Rad sicher auch villiger (HAHAHAHA) als bisher.
...Bremsanlage. Da kann man sicher in Sachen Leistung noch was machen, obs nun Beläge oder größere Scheiben mit 180mm sind....
...Pedale. Was vernünftiges als Platform dran und ab gehts!
...Griffe. Die originalen sind doch arg dünn und dämpfen recht schlecht.
Was habe ich noch angebaut?
Rahmentasche, Flaschenhalter, vernünftige Beleuchtung, Tacho,Seitenspiegel, Klickfix-Tasche für den Lenker und Pedale, die mir taugen.
Danke fürs Lesen dieses Romans, vielleicht melden sich ja noch andere hier, die das Rad auch haben oder haben wollen. Ich freue mich auf einen regen Austausch!