Hoher Schneeberg mal anders
Nach dem Motto „Spontanität will gut geplant sein” beschloß ich samstags, aufgrund akuten Trailmangels, eine Idee aus meiner Tourliste zu realisieren: Eine Nacht am Děčínský Sněžník · Hohen Schneeberg zu verbringen und gleichzeitig einen Trail weiter zu erkunden, der mir bei vorigen Touren aufgefallen war.
Solche Fluchtreflexe lösen bei den Personen in meinem sozialen Nahfeld nicht gerade Begeisterungsstürme aus und so musste ich mich noch zur Deeskalation der Lage in häuslichen Dingen engagieren. Das führte zu einem Zeitfenster fürs Packen von gerade mal einer halben Stunde.
Schnaufend vom Zielsprint saß ich Samstags um Acht dann in der S-Bahn Richtung Děčín · Tetschen um einer ungefähren Angabe eines Boulderführers folgend einen gipfelnahen Biwakplatz aufzusuchen.
Durch menschenleere Nebenstraßen kurbel ich des nächtens der Cyklotrasa 3017 entgegen:
Nach einer Schottereinlage zieht sich der Weg letztlich schier endlos, aber in sanfter Neigung am Südhang des Hohen Schneebergs entlang. Irgendetwas reflektiert mein Licht in der Ferne - Rehe? Wölfe? Gar Bären? Nein, es sind nur Schilder:
Über den Ort Sněžník · Schneeberg und die Teerstraße folge ich dem rot markierten Wanderweg und schiebe das Rad zuletzt über den ruppigen Trail, welcher die Wanderer auf das Gipfelplaetau führt. Das Rad muß dann kurz stehenbleiben, während ich einen passenden Biwakplatz aussuche.
Mühsam bugsiere ich das Bike anschließend über schmalste Pfade und Felsstufen bis zu einer leicht überhängenden Felswand. Bald summt der Kocher, ist der Biwakplatz eingerichtet und mit dem Bauch voller Nudeln horche ich kurz nach Mitternacht endlich an der Isomatte.
Als ich recht früh wach werde, zeigt sich die Landschaft in dicken Nebel gehüllt. Mein Felswinkel ist dennoch trocken geblieben:
Durch Planen von oben und unten geschützt habe ich eine zwar kurze, aber angenehme Nacht unter meiner Schlafdecke verbracht:
Ein starker Kaffee und die übliche Portion Kakao-Bananen-Brei bringen mich wieder in Schwung. Während ich so den Brei mampfe, überlege ich, ob es wirklich schlau war, im Prinzip nur mit einer kurzen Hose loszuziehen
Kurzerhand erhält meine graue, lange Unterhose den Ritterschlag zur Bikepant und das Problem ist gelöst
Mit gepacktem Rucksack erkunde ich erstmal die nähere Umgebung, teils um herauszufinden, ob ich auch den beschriebenen Biwakplatz gefunden habe und teils um überhaupt zu erkunden, wo ich nachts im Schein der Fahrradlampe hingestolpert bin.
Hier wäre eine weitere Biwakmöglichkeit, aber mehr Platz ist da nicht wirklich:
Der Nebel verdichtet sich zu Regentropfen:
Das frische Grün der Heidelbeersträucher sticht so richtig ins Auge:
Dann trage ich das Bike, einem schmalen Pfad folgend, auf das Gipfelplaetau.
Typisches Schneebergwetter:
Poserfoto:
Unweit des Aufstieges geht es auch gleich in einen Trail am Südhang, der oben direkt mit S3 einsteigt. Das ist mir so früh am Tag aus der Kalten doch etwas zu heftig, zumal die Vorderradbremse mehr quitscht als bremst. Um nicht die Trailfurche mittels blokierenden Hinterrades noch weiter einzuteufen, trage ich das Rad über die Schlüsselstellen und freue mich bald über eine mal übelst verblockten, dann wieder wurzeligen und zuweilen auch flowigen Trail:
So nach dem ersten Drittel sind die technischen Schwierigkeiten im großen und ganzen vorbei und es wird zunehmen flowiger und wärmer:
Eine Kleidungsschicht nach der anderen wandert in den Rucksack und ich surfe durch endlose Heidelbeerfelder - mal rechts und mal links eines bis zu zwei Meter tiefen Hohlweges. Es wird nie langweilig, Wurzeln und Stufen lockern den Trail auf und der Hohlweg dient zeitweise als Mini-Halfpipe. Nach ca. 500 Höhenmetern rolle ich unvermittelt aus dem Wald in ein Plattenbaugebiet.
Yeah, what a ride
Direkt zum Bahnhof will ich noch nicht, aber große Aktionen sind auch nicht mehr drin. Statt eines vorbereiteten Trails wie sonst üblich lasse ich diesmal das GPS-Gerät den Weg zum nächsten Trail finden.
Beobachtung am Wegesrand:
Motiviert das die Hennen zu außergewöhnlicher Legeleistung?
Im weiten Bogen kurbel ich erneut hoch, diesmal in Richtung Schäferwand, um einen Stiegentrail zu erkunden. Schiebend und tragend schwitze ich hinauf, so warm ist es mittlerweile geworden.
Fazit der Begehung: Die Spitzkehren im unteren Teil mögen ja noch angehen, aber die Monstertreppe mit Ende kurz vor einer Felsstufe und rechtwinkligem abknickenden Weiterweg - man würde also direkt auf einen 4 Meter Drop draufzu rattern - ist mir dann doch zu heftig:
Nach einer kurzen Schau ins Land ...
... fahre ich direkt in einen als Nordic Walking Trail markierten Wanderweg hinein, welcher sich als kurzweiliger Trailgenuß entpuppt ...
... und unweit einer alten Brauerei endet, welche inzwischen als eine Art
Erlebnis- und Einkaufscenter fungiert. Da gibt es ein
Brauereirestaurant, welche das begehrte Naß auch in Flaschenform offeriert:
Als ich in das Fahrplanheft schaue, stelle ich fest, dass in 10 Minuten der Zug nach Bad Schandau fährt. Flugs kurbel ich zum Bahnhof und schon sitze ich inmitten zahlreicher anderer Radler im Nationalparkexpress, welche ihre Tour noch gar nicht begonnen haben - während meine gerade zuende gegangen ist! Schließlich hatte ich versprochen, mittags wieder zu Hause zu sein, was ich zur Verwunderung meiner Daheimgebliebenen auch tatsächlich schaffe.
Da wir ja erst Mittag haben, fange ich mit dem erfrischenden Hellen 11° an, schließlich zählt das ja eigentlich noch gar nicht richtig als alkoholisches Getränk ...
Das Dunkle 13° wird abends verkostet - war mir eine Spur zu malzig, aber trotzdem ein Genuß!
Da muss ich wohl oder übel mal eine Tour so planen, dass ich abends ein frisches Kapitán direkt vom Faß schlürfen kann, sonst kann ich die Biergüte gar nicht abschließend beurteilen
Fazit:
Fünfhundert Höhenmeter am Stück auf derben Trails vernichten, und das ganz alleine am Berg - so fängt ein guter Tag an
Das war auch zugleich mein erster echter Einsatz meines
speziellen Bikepacks, welcher sich auf dem Trail absolut unauffällig gezeigt hat. Er sitzt satt am Körper, ist bis auf das reine Gewicht kaum zu spüren und die Kamera ist schnell aus der integrierten Seitentasche gefingert.
Auf den anspruchsvollen Trailstücken habe ich diesmal auf Fotos verzichtet, da war mir der Flow wichtiger und das Zeitfenster war auch recht knapp.
Ja, die Hänge am Schneeberg bergen so manches Trailgeheimnis in sich ...
ride on!
tanztee