echter viergelenker gegen "falschen"

Original geschrieben von Floh
Ich muss jetzt doch mal was richtigstellen. Habe unten eine Skizze gepostet, damit wir mal alle über das gleiche reden, ist zwar ziemlich mies aber erkennbar.
@Dani: Ich betrachte an dieser Stelle nur die Momente um den Schwingendrehpunkt und auch nur die Differenzkräfte, die durch den Kettenzug auftreten. Das heisst, wenn das Bike rollt, ist die Federung im Gleichgewichtszustand, ebene Strecke und so vorausgesetzt, in diesem Fall ist F_F1*l_1=F_F2*l_3, F_Kette wirkt z.Zt. nicht.
Füge ich eine Trittkraft F_Kette hinzu, die irgendeinen Hebel gegenüber dem Schwingendrehpunkt hat (weil die Kettenlinie nicht durch den Schwingendrehpunkt läuft), ist eine Einfederung die Folge, und zwar so weit bis das Kräftegleichgewicht wieder stimmt. Der Grad der Einfederung bestimmt sich (ohne Dämpfung betrachtet) aus:
Der Federkennlinie des Gesamtsystems Schwinge (bezogen auf die Hinterrad-Achse) und - das Verhältnis von l2 zu l1 (siehe Skizze), was ja das ist was ich mit der "langen Schwinge" ausdrücken wollte. Alles, was Hebelumlenkung, Mehrgelenker etc. heisst sei hier ausgeklammert, die Betrachtung stimmt zwar auch dafür, aber durch die variablen Drehpunkte verändert sich das Ganze über den Federweg deutlich.
Ciao Floh
Du kannst nicht alles auf die Schwingenlänge l1 bzw auf l3 reduzieren. (Eigentlich wird ja das Drehmoment durch die Trittkraft l3 * F_kette durch die Feder aufgefangen, also l3 * F_kette = - l2 * F_feder, die Feder komprimiert sich um den Betrag F_feder/Federkonstante, Federkonstante in Newton pro meter, an der Hinterachse wirkt immer noch die Gewichtskraft auf dem Hinterrad F_federung1 = m_aufhinterrad*G, wobei m_aufhinterrad die Masse ist, die sich auf dem Hinterrad abstützt und G die Gewichtskraft 9.81 N/kg), aber das kommt auf dasselbe raus, da ja l1/l3 konstant ist, das ist das Übersetzungsverhältnis, man kann also auch sagen, wenn l1 länger ist, ist auch l3 länger.
Aber etwas hast Du übersehen. Die Kettenlinie ändert ja mit den verschiedenen Gängen. Die extremen Gänge sind klein vorn mit gross hinten und umgekehrt. l2 ist ja nichts anders als die Normale von dem Drehpunkt auf die (Verlängerung der ) Kettenlinie. Wenn Du zum Beispiel in Deiner Skizze hinten das kleinste und das grösste Ritzel zeichnest, vorne noch ein Tretlager einsetzt und auch dort das kleinste und das grösste Kettenblatt zeichnest, kannst Du die 2 extremen Kettenlinien aufzeichnen. Jetzt setzt Du für eine kurze Schwinge den Drehpunkt oberhalb des Tretlagers genau zwischen die 2 extremen Kettenlinien und zeichnest die Normale auf die obere Kettenlinie.
Jetzt zeichnest Du für die lange Schwinge den Drehpunkt zwischen die 2 extremen Kettenlinien viel weiter vorn, sagen wir ein drittel der kurzen Schwingenlänge weiter vorn. Du zeichnest die Normale auf die obere Kettenlinie. Hier ist l2 viel länger als bei der kurzen Schwinge. Der Schnittpunkt der beiden Kettenlinien befindet sich zwischen Ritzeln hinten und Zahnkränze vorne etwas näher bei den Ritzeln. Wenn Du jetzt mit ähnlichen Dreiecken arbeitest, wirst Du feststellen, dass
l2_langeschwinge / l2_kurzeschwinge grösser ist als l1_langeschwinge / l1_kurzeschwinge.
Somit wäre bewiesen, dass kurze Schwingen in extremen Situationen (Gängen) eine kleinere Kraft auf das Federbein ausüben. die Kraft auf das Federbein ist ja
deltaF_F2 = F_kette *(l2/l3)
bzw wie Du es schreibst
deltaF_F1 = F_kette * (l2/l1)
weil l2_langeschwinge / l2_kurzeschwinge > l1_langeschwinge / l1_kurzeschwinge
ist also
l2_langeschwinge / l1_langeschwinge > l2_kurzeschwinge / l1_kurzeschwinge
also ist
DeltaF_F1 (langeschwinge) > DeltaF_F1 (kurzeschwinge)

ich hoffe, Du hast alles verstanden.

Das Problem bei Fahrrädern ist, dass alles so komplex ist wegen den vielen Gängen und der Kettenlinie, die sich ändert bei verschiedenen Gängen.
Gruss
Dani
 
Wozu gibt es denn dann lange Schwingen.

Das hab ich mich schon immer gefragt, da ich weiß, dass der Momentanpol auf einer bestimmten Geraden liegen muss. Wobei es davon zwei gibt, da es zwei mögliche Maxima bei den Ritzeln hinten gibt.

Ich hatte da, rein hypothetisch, an ein verändertes Hebelverhältnis bei einer längeren Schwinge gedacht, dass durch den Kettenzug überwunden werden muss, unabhängig vom Feder-Dämpfer-Element. Ich hab das aber nie zu Ende gedacht.
 
Hi Dani,
hatte das hier gestern schon mal geschrieben, aber wohl den Timeout beim Schreiben überschritten und konnte mich noch nicht motivieren, es nochmal zu schreiben.
Also in Kürze:
Mit Verlängern der Schwinge meine ich, dass Drehpunkte und Dämpferanlenkpunkt gleich bleiben und die Schwinge nach hinten verlängert wird. In dem Fall ändert sich das Übersetzungsverhältnis schon, und man muss ein Federelement mit grösserer Steifigkeit einsetzen. Das führt ja letztendlich auch zu dem geringeren Federungseinfluss bei gleichbleibendem Hebel des Kettenblattes.
Im übrigen hatte ich ja auch schon mal gesagt, dass es eben die Vielzahl von möglichen Kettenlinien ist, die eine neutrale Abstimmung bei MTB so schwierig macht...
Vorteilhaft ist allein, dass große Kräfte an der Kette mit kleinen Kettenblättern vorne korrespondieren, so dass man den Schwingendrehpunkt eher näher an das kleine Kettenblatt legen sollte, denn auf den grösseren Blättern ist ja das Antriebsmoment auch kleiner.
Ansonsten geht antriebsneutral nur mit:
- Rohloff
- SRAM Dualdrive (ehemals Sachs 3x7)
- annähernd mit einem System, was ich neulich gesehen habe. Dabei ist eine Dreigangnabe im Tretlager integriert, hinten normale Kettenschaltung. Ist zwar nicht perfekt, aber fast.
 
Sali Floh,
jetzt weiss ich, was Du meinst: Nehmen wir an, der vordere Drehpunkt und die Federbeinbefestigung an der Schwinge bleiben gleich, die Schwinge wird aber nach hinten verlängert. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass jetzt das Übersetzungsverhältnis 1 : 4 statt wie vorher mit der kurzen Schwinge 1 : 2 beträgt. Somit brauchen wir eine doppelt so harte Feder. Die Feder komprimiert sich durch die Kettenkraft nur noch halb so viel, da sie ja doppelt so hart ist. Weil das Übersetzungsverhältnis auch doppelt so gross ist, bewegt sich die Hinterradachse bei gleicher Federbewegung doppelt so viel. Halber Federbeinweg * doppelter Hinterachsweg = dasselbe Einfederungsmass in Millimetern bei gleicher Kettenkraft. Das Hinterrad bewegt sich genau gleich viel bei demselben Kettenzug. Was haben wir gewonnen? Ja genau, wir haben Federweg gewonnen. Trotz doppeltem Federweg wippt das Bike nicht mehr als vorher (Wenn wir denselben Dämpferhub haben). Also einfacher ausgedrückt hat ein grösseres Übersetzungsverhältnis zur Folge, dass die Antriebseinflüsse kleiner werden?!
Habe ich alles richtig überlegt?
Gruss
Dani
 
Hi Dani,
so war´s gedacht.
Leider führen natürlich grosse Übersetzungsverhältnisse zu
1. grossen Dämpferkräften und damit grossen Dämpfern
2. hohen Kräften an den Lagerstellen
3. hohen Biegebelastungen an der Schwinge

aber wie war das noch- man kann nicht alles haben.Aber aus diesen Gründen sollte man eher versuchen, den Schwingendrehpunkt richtig zu legen, dann kann man auch sowas bauen wie das LSD-System von Bergwerk (auch ein sehr interessanter Thread...)
Bis denn.
 
Alles schön und gut, aber das wird normalerweise bei Fahrrädern nicht gemacht.
Das bedeutet, dass ein nach vorne verlagertes Drehgelenk bei einem Eingelenker keinen besonderen Vorteil bietet


Ist das ganze also eher ein Konstruktionsgag?
 
Ich weiss nur, dass echte Viergelenker, deren virtueller Drehpunkt weit vorne leicht oberhalb der Verlängerung der Kettenlinie in einem mittleren Gang liegt (Hauptlenker und obere Umlenkwippe stehen fast parallel), sich sehr, sehr neutral fahren, das heisst, dass Tretbewegungen kein übermässiges Wippen des Hinterbaus auslösen (bei offener Zugstufe!) und bei diesen Bikes der Hinterbau auch im Wiegetritt nicht spürbar einsinkt. Ein kleiner Nachteil dieses Designs ist der etwas grössere Pedalrückschlag im kleinen vorderen Kettenblatt. Der ist aber bei Federwegen um 110mm nicht wirklich störend gross.
Leider gibt es praktisch keine Bikes mit genau diesem Design, das Giant XTC ist schon etwas zu extrem, dort liegt der virtuelle Drehpunkt etwas zu weit (vorne) oben, was sich mit wenig Sag sehr steif und "schnell" fährt, aber mit Stahlfederbeinen nicht optimal kombinierbar ist, beim Treten federt das System etwas aus, wenn man mit zuviel Sag fährt. Das alte GT LTS in mittlerer Rahmengrösse hatte eben dieses sehr neutrale Design, nur waren dort Verarbeitung und Lager sehr schlecht (von Planfräsen konnte keine Reder sein!)
Gruss
Dani
 
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