Ein Toast auf einen Haufen Verrückter (Matt Chester Utilitiman)

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© mattchester.com
1994 schrieb Mike Ferrentino (Langjähriger Redakteur der amerikanischen BIKE) in einem kleinen kalifornischen Magazin einen kurzen Artikel: The Cool Ride Single Speed. Darin blickte er auf seine eigene, dreijährige Erfahrung mit dem einen Gang zurück. Also auf eine Zeit, wo sich viele noch an die 30 Kilo Klunker erinnern konnten und lediglich die BMXer noch ernsthaft mit einem Gang unterwegs waren. Andererseits begann Shimano gerade seine Marktmacht in Sachen Schalttechnik auszubauen. Und natürlich kam in den frühen 90er Jahren kein Rahmenbauer, geschweige denn eine Firma auf die Idee einen dezidierten Singlespeed Mountainbike Rahmen zu bauen, oder?


© Mark Dawson - M. Ferrentino mit seinem Retrotec
Bereits 1987 hatte Paul Sadoff wohl den ersten und in den darauf folgenden Jahren noch eine handvoll weiterer Singlespeed Rahmen für den Renneinsatz gebaut. Paul Sadoff und damit Rock Lobster war vermutlich das erste Label dieser alten neuen Art des Mountainbiking. 1994, als Ferrentio den Artikel schrieb, war es nicht mehr nur Paul Sadoff. Es gab einige Rahmenbauer in Kalifornien die sich auf die kleine verrückte Gruppe eingelassen hatte. Curtis Inglis von Retrotec und Paul Sadoffs Kollege Rick Hunter ebenso. Robert Ives (heute BlueColar Bikes) konnte damals seinen Chef Sherwood Gibson davon überzeugen eine Kleinserie von Singlespeeds aufzulegen und Ventana sollte somit zur ersten Firma werden, die Singlespeeds, das El Toro, als Serienbike produzierte - freilich in geringer Stückzahl aber dennoch 5 Jahre bevor Surly mit dem 1x1 auf den Markt kam.


© Blue Collar Bikes - Dirt Rag

Die meisten Rennen, die ungefähr ab 1993 regelmäßig erfolgten, waren immer eine Mischung aus normalen, bis ziemlich dreckigem Cross Country Rennen und Party und so ist wohl bis heute einer der zentralen Unterschiede zu anderen und vor allem professionellen Rennen: vor dem Start gibt es erstmal ein Bier. 1995 schließlich folgte dann die erste Single Speed Weltmeisterschaft und auch da wurde kräftig gebechert. Warum das so war und noch heute so praktiziert wird? Ich habe keine Ahnung. Aber damals war Singlespeed Underground - eben Cool - wie Ferrentino schrieb. Ab da ging es los. Mehr und mehr kleine Schmieden fingen an, zumindest eine Singlespeed -Option im Programm zu haben. Paul Price (PAUL) baute eben noch die erste echte Singlespeednabe für 135mm EBB das "Wacky Onespeed Rear Device (W.O.R.D.)" und der Singlespeed Bandwagon nahm mit 2:1 Übersetzung fahrt auf.

Irgendwann in diesen Jahren lernte ein junger Absolvent der Georgia Tech, Rick Hunter kennen, der sich damals noch mit Paul Sadoff eine Werkstatt in Santa Cruz teilte. Hunter diente diesem jungen Mann als Vorbild und er entschied sich auch Rahmenbauer zu werden. Aus irgendeinen Grund allerdings begann er statt mit Stahl, wie es eher üblich war, mit Titan bauen zu wollen und belegte bei Gary Helfrich einen Kurs. Helfrich, seit 1993 Mitglied der Mountainbike Hall of Fame, war einer der Pioniere des Titanrahmenbaus und gehörte zu den Mitbegründern von Merlin. Matt Chester, so hieß der junge Mann, zog es nach Leadville, Colorado - eine kleine ehemalige Goldgräberstadt in fast 3000m Höhe und heute vor allem für das legendäre 100 Meilen MTB Rennen in dem Bergen Colorados bekannt.


© Dirt Rag 04. Januar 2000 (Nicht online)

Anfang 1999 begann Chester die Produktion. Zunächst hatte er ein Serienmodell sowie eine Custombau-Option, von Anfang an waren seine Rahmen aber als Singlespeeds konzipiert. Sein erstes Modell, das Utilitiman, liebevoll Ute genannt, sollte vielseitig eingesetzt werden können. Mit langem Radstand, verhältnismäßig langem Steuerrohr und einer gemäßigten Geo von jeweils 72° Steuerrohr und Sitzrohrwinkel, konnte das Ute tatsächlich für verschiedene Zwecke aufgebaut werden - die 2.5" Reifenfreiheit hinten machten es überdies zu einem hervorragenden Winterrad, dass wohl nötig war in den Bergen.

Chesters Bekanntheit wuchs und er erlangte schnell einen gewissen Kultstatus in der Singlespeed Szene. Weitere Modelle kamen hinzu, unter anderem ein 29er/700c Rahmen für Dirt Drops, der unweigerlich an den Racer von Cunningham und an heutige Gravelbikes denken lässt. Dann hatte Matt Chester einen Unfall und zog sich erhebliche Kopfverletzungen mit bleibenden Schäden zu. Noch immer nahm er Aufträge an, doch die Warteliste wurde länger und er schaffte es nur höchst selten noch einen Rahmen fertig zu bauen. Etliche Leute warteten Jahre auf ihre selbstverständlich angezahlten Rahmen, und bis heute gibt es lange Seiten in amerikanischen Foren, die Chesters Verhalten äußerst negativ beleuchten. Sein Ruf war ruiniert. 2006 gab er bekannt keine weiteren Rahmen mehr zu bauen und "flüchtete" nach Kanada, wo er einige Jahre illegal lebte. Was er heute macht weiß niemand so genau.


© mattchester.com (Website im Jahre 2000)
Seit Ende der 80er Jahre waren 15 Jahre Singlespeed Mountainbiking vergangen, als 2007 begannen die Spatzen on den Dächern zu pfeifen: Singlespeed ist tot. Es hatte sich überlebt, war, wie Andy Corson (Single Speeding: Dead As The Dodo) schrieb, irgendwie sinnlos geworden. Und noch 2015 hatte sich an dieser Perspektive, interessanter Weise, nichts geändert. In Dirt Rag (On the state of singlespeeds) schrieb Eric McKeegan:

"For a time, assembling a singlespeed was a rite of passage. But as time went on, that rite of passage became as easy as going down to your local bike shop and selecting one from the dozens of models from every major and minor bike company out there. Singlespeeds became mainstream. Hell, while researching this screed I found an article about singlespeeds in Men’s Journal from 2002, proof positive that the movement wasn’t underground anymore."

Schließlich gibt es uns aber noch immer, die wir mit einem Gang oder gar fixed durch die Berge und Hügel jagen, steile Anstiege hinauf hecheln und nach unten die beste Linie über Wurzelteppiche und Geröll suchen. In diesem Sinne :bier:.








Mein Ute wurde mir vor einigen Tagen bei retrobike angeboten. Ich hatte zuvor noch nie von Chester gehört, war aber sofort begeistert. Ein Titan Singlespeed Rahmen, geil! Irgendwann zwischen 1999 und 2001 wurde mein Rahmen gebaut und gehörte vor dem letzten Besitzer einem niederländischen retrobike Mitlgied, der den Rahmen wohl auch in einigen Rennen benutzte. Leider hatte ich bislang keine Chance auf Kontakt mit ihm. HIer im Forum machte sich vor allem einer für Matt Chesters Rahmen stark: phatlizard. Leider habe ich auch zu ihm noch keinen Kontakt herstellen können und leider sind die meisten alten User die sich Anfang/Mitte der Nullerjahre hier für Singlespeeds im Allgemeinen und Matt Chester im Besonderen interessierten nicht mehr oder schon ewig nicht mehr aktiv.

Cheers,
Euer Marco

Many thanks to Eric McKeegan (Dirt Rag) and the users on mtbr for their support!

:i2:

 
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Re: Ein Toast auf einen Haufen Verrückter (Matt Chester Utilitiman)
Sehr sehr Geil:love: Marco!

Das ist ja genau dein Ding:bier:
Ich bin gespannt, was du draus machst:)

Freu mich schon auf weitere Bilder:love:

LG
Andre
 
Bin schon gespannt, was für Bremsen du verbauen willst:rolleyes:
Da du ja mehr auf V-Brakes angewiesen bist, du aber wie ich dich kenne doch lieber im "Classic" Stil aufbauen willst, würde ich auf jeden Fall die "Cheap Trick" Bremsen von Marinovative verbauen:love:

Leicht, minimalistisch und eine super Bremswirkung:daumen:

LG
Andre
 
Vielen dank an alle! :anbet:

@Dean76: An die Cheap Tricks habe ich auch schon gedacht - und ich weiß auch wo noch ein Set rumliegt. Aber da meldet sich gerade niemand zurück: @EWRB2?

Guten Nacht :D
 
ich hätte diese titanbremse hier noch, leider kein paar. ist wohl irgendwas selbstgeschnitztes aus der schweiz...
 

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Hey Marco,
schöner Thread-Start :daumen: Und ein genauso schöner Rahmen :love: Auch wenn die Schweißnähte vielleicht nicht ganz so perfekt sind wie bei anderen Titanrahmen, das Teil ist was ganz Besonderes: Zeitlos schöner und unkaputtbarer Singlespeeder. Wenn er dir passt, wirst du ihn lieben und hoffentlich nie wieder hergeben. So ist das meist bei Titan... Viel Spaß beim Aufbau!
 
Dann komm ich mal zum Aufbau.

Sicher bin ich beim LRS:

Hinten kommt meine PAUL W.O.R.D. Nabe rein, die derzeit noch im Lobster ist (im Lobster wird dann passend zu VR Nabe eine XT 732 ihren Dienst tun). Die WORD ist ein Prototyp, der nur ein paar Mal für ein kleines Team hergestellt wurde, dass PAUL damals "ausstattete". An die Front kommt ebenfalls eine PAUL - Felgen werden Sun Ringle 0° XC aus dem Jahre 1996. Leicht und super stabil. Ich mag sie gern.

Beim Steuersatz hatte ich kurz überlegt, ob ich mal einen der neuen White Industries ausprobiere, wahrscheinlich werde ich aber bei King bleiben.

Schwieriger wird das Innenlager. Der Rahmen hat ein 73mm Tretlagergehäuse - wer hat 73er Innenlager gebaut? Am besten mit einer relativ kurzen Welle (107mm, schätze ich mal)?

Am schwierigsten gestaltet sich die Frage nach der Gabel. Stahl und 42cm kommen ja leider nicht so oft vor.

Wenn das alles steht, wende ich mich dem Cockpit zu. Sattelstütze ist noch unklar - ich weiß nicht, ob eine Titanstütze in einem Titanrahmen nicht zu "lommelig" wird? Als Sattel werde ich wohl endlich meinen WTB SST Ti verbauen, der allerdings noch ein neues Fell braucht.

Um meine Fragen zusammen zu fassen:

a) 73er Innenlager?
b) Gabel mit 42cm EBH (Stahl)
c) Stütze Titan oder Alu? (Durchmesser 27.2)

Merci
 
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