Servus,
also man will sich ja manchmal gerne selbst ein Urteil über ein Bike bzw. in diesem Fall fast ein Konzept machen und die Gelegenheit hatte ich heute. Ich bin nicht gesponsert, weder von 2SoulCycles noch von sonstwem. Da sich glaub ich nur für die wenigsten eine Testmöglichkeit ergeben wird, will ich das auch dokumentieren:
Nur kurz um mich einschätzen zu können: hab 3 Bikes (Fixie für die Stadt, Downhiller, Trek Remedy), fahre zum Spaß Downhillmarathons, lebe in Wien, weshalb ich im näheren Umland einige nette Trails bis 300hm habe, jedoch kann man die wirklich schwierigen Stellen und Trails an einer Hand abzählen.
Auf typischen Wienerwaldtrails bin ich heut auch mim Quarterhorse unterwegs gewesen, einen nicht so untypischen Ausschnitt sieht man eh im Video.
Das Rad, das ich heute gefahren bin unterscheidet sich in 2 entscheidenden Punkten von dem hier präsentierten: es ist mit 1x9 Gängen aufgebaut und es waren Shimano Saint Bremsen montiert, beides Änderungen die ich sehr befürworte. Ein weiterer Unterschied war, dass Maxxis Ardent montiert waren, wobei ich den 29er Nobby Nic nicht kenne, daher traue ich mich auch gar kein Urteil, welcher der beiden mir sympathischer wäre.
Rahmen war Größe Large mit einem 35mm Straitline Vorbau, ich bin 1,85 groß. Ein Kona 29er Hardtail, ein SC Tallboy und ein Niner WFO bin ich schon probeweise gefahren, war also kein völliges Neuland.
Vergleichspartner war mein Trek Remedy, das mit 1x9 Schaltung, Lyrik 2-Step und Minion 2,5 Exo Protection (also Singleply mit Snakeskin) und RubberQueen hinten aufgebaut ist.
Beim Hinrollen auf Asphalt war das 29er mit den Ardents freilich deutlich im Vorteil, eh klar, is aber nicht so spannend.
Lustig ist nur das erste Mal Wiegetritt fahren. Das fühlt sich einfach falsch an, beim 5. Antritt hat man sich dann aber völlig gewöhnt, und beim Wechsel fühlt sich das 26er genauso falsch an, liegt also nur an der Gewohnheit, die sich auch schnell anpasst.
Die Kettenstrebenproblematik ist mir dann auch gleich aufgefallen, mit meinen 45er FiveTen Impact bin ich da auch hie und da gesteift. War aber eigentlich nur am Asphalt so, im Gelände hab ich es weder bergauf noch bergab gemerkt, mag sein, dass es aber eigentich auch dort vorkam. Falls es noch änderbar ist, würd ich da einen anderen Radius wählen, falls nicht, ist es zumindest für mich ähnlich gleichgültig wie eine Gabel die beim "Parkplatz-Test", also im Stand, bockig anspricht, am Trail aber ordentlich arbeitet. Der Lackierung wirds aber sicher schaden, da sollte man besser abkleben.
Apropos Lackierung: die wirkt wirklich sehr edel, ob sie auch Staub- und Gatschfänger ist wie zB die matte Pulverung bei Kraftstoff, weiß ich nicht. Das aufgeschraubte Logo vorne und diese Lederrolle taugen mir auch, während ebendiese extravagante Rolle meinem Kollegen nicht 100% zusagt - Geschmackssache. Zugverlegung ist tadellos, Anschläge für eine versenkbare Sattelstütze (eventuell entfernbar) wären aber sehr positiv!
Am Trail bergauf war das Quarterhorse dann (wie erwartet) eine Wucht. 2kg leichter, aber vor allem mit viel mehr Traktion konnte man auch Stupidlines über einen Baumstumpf wählen ohne wie mim Remedy hängenzubleiben. Im weichen Boden ausgetrockneter Lacken der letzten Tage war allerdings das Remedy besser. Ist wohl hauptsächlich dadurch zu erklären, dass der Ardent dort sofort zugeht während die RubberQueen weiter ihre Schaufeln einsetzen kann. Theoretisch könnte man auch mutmaßen, ob vielleicht 29er mit ihrer längeren Auflagefläche im Gatsch abträglich sind, ähnlich wie es breite Reifen sind, die einfach leichter aufschwimmen. Weiß nicht ob das XC-Fahrer beobachtet haben.
Das 32er Blatt vorne ist für den Wienerwald gut gewählt, dürfte nur in absoluten Ausnahmefällen limitierend sein, eine 1x10 wäre da freilich noch einen Tick besser. Apropos: als Kettenführung hat eine Carbocage gedient, die hat immer brav ihren Dienst verrichtet.
Worauf ich gespannt war, ist die Frage nach dem Aufbäumen, immerhin ist der Sitzwinkel eher flach, die Reba nicht absenkbar und die Kettenstreben waren auf 416mm eingestellt. Und doch war es so, dass mein Remedy die Wertung verliert. Vor allem ist ein Anheben des Vorderrads sehr gut steuerbar (am Asphalt konnte man bergauf dank des großen "sweetspots" hunderte Meter im Wheelie zurücklegen, was sonst definitiv nicht zu meinem Repertoire gehört) und überhaupt spart man sich mim 29er bergauf einiges an Körperarbeit.
Wirklich interessant wirds aber bergab. Ich kann nur sagen, die Geo ist hervorragend getroffen. Erst hab ich noch überlegt, ob ein M Rahmen mit 2cm längerem Vorbau doch besser wäre, immerhin ist der Bedarf nach längerem Radstand und mehr Laufruhe bei einem 29er nicht so vorhanden wie bei einem 26er, nach den Abfahrten würd ich aber meinen, dass ich fix beim L bleiben würde.
Ich frag mich ernsthaft, wieso lange Zeit 67,5 als zu flach für ein 29er angesehen wurden. Klar, für eine XC Rennhobel zu flach, aber zB dem Tallboy würde etwas weniger Nervosität gut stehen (vielleicht sehen das aber von der XC-Riege kommende Käufer anders).
Zum Fahrgefühl eines 29ers allgemein will ich jetzt nicht noch zum 100sten Mal das gleiche sagen. Dank des abgesenkten Oberrohrs ist hier in Kombination mit dem weit unter der Radachse liegenden Tretlagers das wohlige "im Radl sitzen" besonders ausgeprägt. Nur 1 Sache zur Gabel: ich kann mich mit der Reba nicht anfreunden. Ich könnte nicht einmal sagen, dass ich sie in der und der Kurve wirklich als zu weich empfunden habe, aber ich hab allein schon ein mentales Problem mit ihr. Und ich denke ich mag auch einfach Gabeln mit besser justierbarer (High- und Lowspeed)Druckstufe mehr. Das Motion Control hilft da nur bedingt, hab es aber ehrlichgesagt nicht genau getestet. Jedenfalls sollte ja mit kommender Saison von 2 oder sogar 3 Gabelfirmen Zuwachs mit ordentlichen Standrohren kommen und ich würde mir wohl eine dieser montieren. Rein vom Federweg und damit der Geoänderung im Fahren kam mir die 140er Reba eigentlich noch recht unauffällig vor (hab aber den letzten cm nie genutzt), 160mm auf einem Hardtail hab ich in früheren Erfahrungen schon als unangenehm erlebt.
Ansonsten waren alle Anbauteile und Komponenten gut, einzig der Lenker war mir in 760 (glaub ich zumindest) zu breit, 730-740 empfinde ich als absolut ausreichend. Die Griffe würd ich dann gleich mittauschen (kein Klemmring außen). Aja, und eine versenkbare Sattelstütze stünde dem Bike gut. Den Shim hätte ich übrigens unter der Syntace Sattelklemme gar nicht bemerkt.
Fazit: für mich geht das Konzept voll auf. Singlespeed oder Starrgabel wären für mich nie ein Thema, das kommt mir nicht auf ein Spaßbike sondern überlasse ich den Puristen. Ein unkompliziertes Hardtail, nochdazu auch optisch ansprechend in Stahl, und mit einem 1x9 oder 1x10 Antrieb hat mich immer gereizt. Ein Grund, warum ich es nicht genommen habe, war eigentlich die Bockigkeit, die man mitkauft. Es fehlt an Laufruhe und es fehlt an Sicherheit in Grenzsituationen, zum Cruisen bin ich halt nicht geboren. Genau da kommt der 29er ins Spiel. Die Laufruhe ist einfach deutlich höher als mit einem 26" Rad, das Hardtailfeeling (sowie Preis und Wartungsarmut) mit seiner direkten Response und Agilität bleibt erhalten, es bietet aber in Grenzsituationen deutlich mehr Reserven und Ruhe um sicher zum Stehen zu kommen.
Letztlich läufts auf die Frage hinaus, warum man Radln geht. Ehrlichgesagt ist es mir wurscht, ob ich mit einem 29er ein paar Zehntel schneller oder langsamer bin, das wäre für mich kein entscheidendes Kaufargument, schon gar nicht für ein Radl, das ich nicht bei Rennen einsetze. Bei Enduros und Downhillern bin ich in Sachen Zukunft als 29er recht unsicher. Mag sein, dass der Rene Wildhaber einmal wechselt, weil ein passendes 29er sich als eine Spur schneller erweist, vielleicht sind auch mal 29er auf manchen DH-Strecken schneller, ich werds aber sicher nicht kaufen, wenn es sich beim Fahren träger anfühlt und weniger Spaß macht (lange Kettenstreben, Trägheit sobald das Einsatzgebiet schwere Bereifung und massive Laufräder fordert).
Mit den vorgeschlagenen Änderungen glaube ich wirklich, dass es das derzeit beste Rad für mich wäre in Sachen Hometrail-Runden bzw. auch einmal größere Touren im Wienerwald (auch Sprünge sollen da nicht stören, kann das "sprungfreudig" bestätigen), sowie auch Genuss-Vertride-Bergtouren. Das niedrige Gewicht und das direkte Feeling machen einfach Spaß, sicherlich mehr Spaß als ich mit dem Remedy habe. Mag sein, dass manch einer den Beweis antritt, dass man damit auch im Bikepark DHer verheizen kann und am Gardasee diverse Trails runterkommt, da bin ich mir aber ziemlich sicher, dass mich DHer bzw. Enduro besser unterhalten und besser geeignet sind. Für gemäßigtes Gelände halte ich das Radl aber einen sehr großen Wurf. Größtes Manko für mich war - auch aus psychologischen Gründen - die Gabel, die ein bisschen aus der Reihe tanzt, wenn die Zielvorgabe ein möglichst spaßiges, möglichst unkompliziertes Radl ist. Ebenso würde dem Radl eine versenkbare Sattelstütze gut stehen. Ansonsten eben sehr sehr gelungen, bin grad wirklich angetan und meine Tagträume handeln großteils von verschiedenen Aufbauvarianten.
Kurzes Video von einer fiesen Baumschikane, einfach geil, wie man mit dem Bike Hacken schlagen kann und wie es die Vorurteile gegenüber 29er-Fahrgefühl zerstäubt.